Tornado

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Tornado in der kanadischen Provinz Manitoba , 2007.
Video-Aufnahme eines Tornados im Suden von Indiana (Marz 2012)

Ein Tornado (von spanisch tornar , zu dt. ?umkehren, wenden, (sich) drehen“, aus dem lateinischen tornare , mit gleicher Wortbedeutung [1] ), auch Großtrombe , Wind- oder Wasserhose , ist ein kleinraumiger Luftwirbel in der Erdatmosphare mit annahernd senkrechter Drehachse . Er hangt zusammen mit konvektiver Bewolkung ( Cumulus und Cumulonimbus ) und unterscheidet sich damit von Kleintromben (Staubteufeln). Der Wirbel erstreckt sich durchgehend vom Boden bis zur Wolkenuntergrenze, muss dabei aber nicht durchweg kondensiert sein. Diese Definition geht auf Alfred Wegener (1917) zuruck und ist heute noch allgemein anerkannt. Die Bezeichnung Tornado wurde jedoch bereits vorher fur Luftwirbel verwendet, im Englischen mindestens seit dem 18. Jahrhundert. [2]

Die Benennungen Wind- und Wasserhose ( engl. : Waterspout ) bezeichnen im deutschen Sprachraum einen Tornado uber Land beziehungsweise uber großeren Wasserflachen (Meer, große Binnenseen).

Die Benennung Windhose ? in der alteren Literatur noch wohldefiniert (Wegener) ? wurde in der jungeren Vergangenheit vermehrt undifferenziert fur verschiedene Phanomene im Zusammenhang mit plotzlich auftretenden starken Winden verwendet (zum Beispiel Downburst ) oder falschlich auf Kleintromben bezogen. Zudem wurde der Eindruck eines Unterschieds zwischen großen Tornados in Nordamerika und kleinen Windhosen in Europa erweckt. Ein Unterschied zwischen Windhosen und Tornados besteht jedoch weder bezuglich ihrer physikalischen Natur noch bezuglich ihrer Starke.

Entstehung

Ein junger Tornado. Der sichtbare Teil des Russels hat zwar noch nicht den Boden erreicht, die (schlecht erkennbare) Staubwolke am Boden zeigt aber an, dass der Luftwirbel schon bis nach unten reicht.

Die Entstehung von Tornados ist sehr komplex und bis heute ein aktueller Forschungsgegenstand. Trotz offener Fragen in Bezug auf Details sind die Voraussetzungen und die prinzipiellen Mechanismen der Tornadogenese recht gut bekannt. Unter den entsprechenden Bedingungen konnen sich Tornados an jedem Ort wahrend des ganzen Jahres bilden. Trotzdem gibt es sowohl raumliche als auch jahres- und tageszeitliche Schwerpunkte, welche unter Klimatologie weiter unten naher beschrieben sind.

Grundlagen

Fur die Entstehung eines Tornados mussen zunachst die Voraussetzungen fur hochreichende Feuchtekonvektion gegeben sein. Diese sind bedingte Labilitat , also eine hinreichend starke vertikale Temperaturabnahme, genugendes Feuchteangebot mit im Wasserdampf enthaltener Kondensationsenthalpie (fruher auch latente Warme genannt) in den unteren 1?2 km der Atmosphare sowie Hebung der Luftmasse, um die Feuchtekonvektion auszulosen. Hebungsmechanismen konnen thermischer (Sonneneinstrahlung) oder dynamischer (Fronten) Natur sein. Wesentlicher Energielieferant solcher Sturme und Gewitter allgemein ist die im Wasserdampf der feuchten Luftmasse gespeicherte latente Warme, welche bei der Kondensation freigesetzt wird. Erst diese zusatzliche Warmemenge ermoglicht ein hochreichend freies Aufsteigen der Luft (Feuchtekonvektion), da die Atmosphare gegenuber trockener Konvektion , abgesehen von bodennaher Uberhitzung, stabil ist. Im letzteren Fall kann es lediglich zur Bildung von Kleintromben kommen. An der Boenfront eines Schauers oder Gewitters konnen Kleintromben, die sogenannten Boenfrontwirbel oder Gustnados , entstehen. Diese konnen sich zu Tornados entwickeln, sofern sie Kontakt zu dem feuchtkonvektiven Aufwind bekommen und so verstarkt werden.

Tornadotypen

Hinsichtlich der Entstehungsweise lassen sich zwei Klassen von Tornados unterscheiden:

Mesozyklonale Tornados

Schematische Darstellung einer Superzelle auf der Nordhalbkugel mit Tornado

Bei mesozyklonalen Tornados tritt zu den oben beschriebenen grundlegenden Zutaten fur Schauer- oder Gewitterwolken eine starke vertikale Windscherung , das heißt eine Zunahme der Windgeschwindigkeit und Anderung der Windrichtung mit der Hohe hinzu. Dieses Windprofil ermoglicht die Bildung von Gewitterzellen mit einem rotierenden Aufwind ( Mesozyklone ), so genannte Superzellen , welche sich durch Langlebigkeit bis zu mehreren Stunden und heftige Begleiterscheinungen, wie großen Hagel , Sturzregen und Gewitterfallboen bis uber 200 km/h auszeichnen. Bei 10?20 % aller Superzellen kommt es zur Bildung von Tornados. Vielfach ist vor der Tornadoentstehung eine Absenkung der rotierenden Wolkenbasis, eine sogenannte Wallcloud (deutsch: Mauerwolke ) zu beobachten. Durch die Aufwartsbewegung im Zentrum stromt im unteren Bereich Luft zur Drehachse hin, was aufgrund des Pirouetteneffekts zu einem enormen Zuwachs der Windgeschwindigkeit zur Achse hin fuhrt. Eine wesentliche Rolle scheint hier die Bodenreibung zu spielen; die Details der Intensivierung der Rotation bis hin zum Bodenkontakt sind aber noch nicht ganzlich verstanden. Die Drehrichtung von mesozyklonalen Tornados ist uberwiegend zyklonal , das heißt entgegen dem Uhrzeigersinn auf der Nordhalbkugel und mit dem Uhrzeigersinn auf der Sudhalbkugel . Dies ist aber kein unmittelbarer Effekt der Corioliskraft , denn dafur sind Tornados zu kleinraumig. Diese bestimmt vielmehr zusammen mit der Bodenreibung, welche stark orographisch beeinflusst ist, das großraumige Windprofil von Tiefdruckgebieten , in deren Bereich Tornados entstehen konnen. In den meisten Fallen dreht auf der Nordhalbkugel der Wind mit der Hohe nach rechts, wobei die Luft aus sudlicher Richtung in die Mesozyklone einstromt, was zu zyklonaler Rotation entgegen dem Uhrzeigersinn fuhrt. Auf der Sudhalbkugel ergibt sich entsprechend ebenfalls zyklonale Rotation, dort aber im Uhrzeigersinn. Gelegentlich bildet sich neben dem zyklonal rotierenden Tornado ein weiterer, antizyklonal rotierender Tornado aus. In solchen Fallen entsteht ein weiterer Aufwindbereich, in dem sich konvektive Wolken bilden. Dieser Aufwindbereich wird vom hinteren rechten Hauptaufwind mitgerissen, wodurch eine sogenannte Anti mesozyklone entsteht, aus der sich der antizyklonal rotierende Tornado bilden kann. Eine solche Antimesozyklone ist in der Regel deutlich schwacher als die Hauptmesozyklone und zieht mit dieser mit. [3]

Nicht-mesozyklonale Tornados

Dieser Entstehungsmechanismus setzt keine Mesozyklone voraus. Vielmehr zerfallt vorhandene bodennahe horizontale Windscherung, z. B. entlang einer Konvergenzlinie in einzelne Wirbel mit vertikaler Achse, welche durch einen daruber befindlichen feuchtkonvektiven Aufwind einer Schauer- oder Gewitterwolke gestreckt und somit intensiviert werden (siehe nebenstehende Abbildung und Literatur). Dies geschieht in sonst eher windschwacher Umgebung bei gleichzeitig starker vertikaler Temperaturabnahme in den unteren Schichten. Im Gegensatz zu Mesozyklonen reicht hier die Rotation nicht weit uber die Wolkenbasis hinaus. Die Bindung an Linien mit horizontaler Windscherung, (Konvergenz), welche oft gleichzeitig den Hebungsantrieb fur die Feuchtekonvektion darstellt, erzeugt nicht selten entlang der Linie angeordnete Familien von Großtromben. [4] Zu diesem eher schwacheren nicht-mesozyklonalen Tornadotyp zahlen auch die meisten Wasserhosen, aber es konnen auf diese Weise auch Tornados uber Land entstehen ? im Englischen Landspout genannt. Der Drehsinn von nicht-mesozyklonalen Tornados zeigt eine weniger starke Praferenz fur zyklonale Rotation.

Kaltlufttromben hingegen ereignen sich in Verbindung mit konvektiven Wolken, welche sich innerhalb eines Kaltluftreservoirs in Umgebungen mit verhaltnismaßig wenig Windscherung in der Hohe entwickeln. [5] Sie erreichen nur sehr selten den Boden, aber manchmal kommt es zu einem Touchdown und sie werden zu schwachen, kurzlebigen Tornados. [6]

Phanomenologie

Große und Aussehen

Tornado auf dem Meer (Wasserhose)
Multivortex-Tornado uber Dallas, Texas, 1957

Im Anfangsstadium ist ein Tornado zunachst fast unsichtbar. Erst wenn im Inneren des Wirbels durch den Druckabfall und die damit einhergehende adiabatische Abkuhlung Wasserdampf kondensiert oder Staub, Trummer, Wasser und dergleichen aufgewirbelt werden, tritt der Tornado auch optisch in Erscheinung. Eine durchgehende Kondensation von der Wolke bis zum Boden ist nicht in jedem Fall zu beobachten. Eine solche von der Mutterwolke ausgehende Kondensation wird als Trichterwolke (englisch: funnel cloud ) bezeichnet. Erreicht der Luftwirbel den Boden nicht, so spricht man von einer Blindtrombe. Fur einen Tornado ist der Bodenkontakt des Luftwirbels entscheidend, nicht dessen durchgehende Sichtbarkeit. Sind zum Beispiel unter einer Trichterwolke Windwirkungen nachweisbar, also im Regelfall Schaden am Boden, so handelt es sich um einen Tornado. Die Gestalt des Luftwirbels ist sehr vielfaltig und reicht von dunnen schlauchartigen Formen bis zu einem mehr oder weniger breiten, sich nach oben erweiternden Trichter (siehe nebenstehende Abbildungen und Weblinks ). Dabei kann der Durchmesser einige Meter bis hin zu 500 m und sogar bis uber 1 km betragen. Nicht selten treten ? besonders bei großen Durchmessern ? mehrere Wirbel auf, die um ein gemeinsames Zentrum kreisen, was als Multivortex-Tornado bezeichnet wird. Staub, Trummer und kondensiertes Wasser konnen mitunter verhindern, dass ein Multivortex-Tornado als solcher erkannt wird, weil die Einzelwirbel nicht sichtbar sind.

Klassifizierung

Zerstorungen eines F3-Tornados

Die Klassifizierung erfolgt nach der Fujita-Skala , welche uber die Windgeschwindigkeit definiert ist. In der Praxis wird diese Skala aber mangels direkter Messungen anhand der vom Tornado verursachten Schaden geschatzt. Diese reichen von leichten Sturmschaden bis zur volligen Zerstorung massiver Gebaude. Bislang wurden Tornadostarken F0 bis F5 in der Realitat beobachtet; physikalische Abschatzungen ergeben aus energetischen Grunden die Intensitat F6 als Obergrenze. In Europa ist daneben z. B. bei TorDACH die gegenuber der Fujita-Skala doppelt so feine TORRO-Skala in Gebrauch, in den USA wurde die Fujita-Skala zur sogenannten Enhanced Fujita Scale , kurz EF-Skala, weiterentwickelt, die uber die Stufen EF0 bis EF5 verfugt und die Tornados anhand von 28 Schadensindikatoren klassifiziert.

Auswirkungen und Schaden

Die Kraft eines Tornados kann vielfaltige Schaden verursachen. Er kann Hauser und Autos zerstoren und stellt eine Gefahr fur Tiere und Menschen dar. Auch Steinhauser sind nicht sicher. Indirekt entstehen viele Schaden durch umherfliegende Trummer. Hauptursache der Schaden ist der Staudruck des Windes und oberhalb von circa 300 km/h auch zunehmend indirekte Schaden durch umherfliegende Trummer. Die fruhere Annahme, der starke Unterdruck innerhalb eines Tornados, der bis zu 100 hPa betragen kann, lasse Gebaude gleichsam explodieren, ist nicht mehr haltbar. Auf Grund ihrer hohen und auf engem Raum wechselnden Windgeschwindigkeiten stellen Tornados prinzipiell eine Gefahr fur den Flugverkehr dar; Unfalle sind aber auf Grund der Kleinraumigkeit dieser Wettererscheinung selten. Zu einem spektakularen Fall kam es am 6. Oktober 1981, als der NLM-Cityhopper-Flug 431 in einen Tornado geriet und nach Abriss der rechten Tragflache absturzte. Alle 17 Personen an Bord starben.

Klimatologie

Dauer und Geschwindigkeiten

Die Dauer eines Tornados betragt zwischen wenigen Sekunden und mehr als einer Stunde, durchschnittlich liegt sie unter zehn Minuten. Die Vorwartsbewegung eines Tornados folgt der zugehorigen Mutterwolke und liegt im Schnitt bei 50 km/h, kann aber auch deutlich darunter (praktisch stationar, nicht selten bei Wasserhosen) oder daruber (bis uber 100 km/h bei starker Hohenstromung) liegen. Dabei ist die Tornadospur im Wesentlichen linear mit kleineren Abweichungen, welche durch die Orographie und das lokale Windfeld in der Umgebung der Gewitterzelle bedingt sind.

Die interne Rotationsgeschwindigkeit des Windes ist jedoch meist wesentlich hoher als die der linearen Bewegung und fur die schweren Verwustungen verantwortlich, die ein Tornado hinterlassen kann. Die hochste je registrierte Windgeschwindigkeit innerhalb eines Tornados wurde wahrend des Oklahoma Tornado Outbreak am 3. Mai 1999 bei Bridge Creek , Oklahoma ( USA ) mit einem Doppler-Radar bestimmt. Mit 496 ± 33 km/h lag sie im oberen Bereich der Klasse F5 der Fujita-Skala; die obere Fehlergrenze reicht sogar in den F6-Bereich. Dies ist damit die hochste je gemessene Windgeschwindigkeit auf der Erdoberflache uberhaupt. Oberhalb der Erdoberflache erreichten nur Jetstreams hohere Windgeschwindigkeiten. In der offiziellen Statistik fallt dieser Tornado aber mit Rucksicht auf den wahrscheinlichsten Wert und die Unsicherheiten unter F5.

In den USA sind etwa 88 % der beobachteten Tornados schwach (F0, F1), 11 % stark (F2, F3) und unter 1 % verheerend (F4, F5). Diese Verteilungsfunktion ist weltweit sehr ahnlich und in dieser Form von mesozyklonalen Tornados dominiert, welche das volle Intensitatsspektrum ausfullen. Die Intensitat von nicht-mesozyklonalen Tornados geht dagegen kaum uber F2 hinaus.

Jahres- und tageszeitliches Auftreten

Tornados entstehen uber Land am haufigsten im Fruhsommer, wobei das Maximum mit zunehmenden Breitengraden spater auftritt. Uber Wasser wird das Maximum im Spatsommer erreicht, weil dann die Wassertemperatur und folglich die Labilitat am hochsten ist. Ahnliches gilt fur den Tagesgang. Tornados uber Land treten am wahrscheinlichsten in den fruhen Abendstunden auf, wahrend bei Wasserhosen das Maximum in den Morgenstunden liegt. Ferner zeigt sich bei Wasserhosen ein klimatologischer Unterschied im Jahresgang, je nachdem, ob diese an Land ziehen oder uber dem Wasser verbleiben. Die jahreszeitliche Verteilung fur den ersten Fall gleicht der fur Tornados uber Land, wahrend reine Wasserhosen das besagte Spatsommermaximum zeigen.

Verbreitung und Haufigkeit

Tornados werden weltweit uberall da beobachtet, wo es Gewitter gibt. Schwerpunkte sind Regionen mit fruchtbaren Ebenen in den Subtropen bis in die gemaßigten Breiten . An erster Stelle steht der Haufigkeit nach der Mittlere Westen der USA , wo die klimatischen Bedingungen fur die Bildung von schweren Gewittern und Superzellen aufgrund der weiten Ebenen ( Great Plains ) ostlich eines Hochgebirges ( Rocky Mountains ) und nordlich eines tropischen Meeres ( Golf von Mexiko ) sehr gunstig sind. Fur Wetterlagen mit hohem Unwetterpotential bedingt das Gebirge relativ trockene und kuhle Luftmassen im mittleren bis oberen Bereich der Troposphare bei sudwestlichen bis westlichen Winden, wahrend in den tieferen Schichten feuchtwarme Luftmassen aus der Golfregion ungehindert nach Norden transportiert werden konnen. Dadurch kommt eine labile Schichtung der Atmosphare bei einem großen Angebot latenter Warme mit einer Richtungsscherung des Windes zusammen.

Von einem Tornado in Oklahoma hinterlassene Zerstorungsschneise, 2013

Weitere wichtige Regionen sind Mittel- , Sud- und Osteuropa , Argentinien , Sudafrika , Bengalen , Japan und Australien . Zahlreiche, wenn auch im Mittel schwachere, meist nicht-mesozyklonale Tornados treten im Bereich der Front Range (Ostrand der Rocky Mountains ), in Florida und uber den Britischen Inseln auf.

Jahrlich werden in den USA etwa 1200 Tornados registriert, die meisten entstehen in Texas , Oklahoma , Kansas und Nebraska entlang der Tornado Alley mit etwa 500 bis 600 Fallen pro Jahr. Dies ist durch die oben genannten besonderen klimatischen Bedingungen gegeben, welche die Voraussetzungen fur die Entstehung speziell von mesozyklonalen Tornados weit haufiger als in anderen Regionen bieten. Daruber hinaus gibt es in den USA mehrere regionale Haufungen, z. B. in Neuengland und in Zentral-Florida.

In Europa liegt die jahrliche Zahl der Tornadobeobachtungen bei 330, davon 160 uber Wasser, unter Einbeziehung der Dunkelziffer schatzungsweise bei 590 Tornados, davon geschatzt 290 Wasserhosen (2020: 800 gemeldete Ereignisse [7] ). Wie in den USA sind auch die meisten europaischen Tornados schwach. Verheerende Tornados sind zwar selten, doch sind bisher acht F4- und zwei F5-Ereignisse aus Deutschland dokumentiert. Letztere wurden bereits von Alfred Wegener 1917 in einer Arbeit zur Tornadoklimatologie Europas beschrieben. Weitere verheerende Falle sind aus Nordfrankreich, den Benelux-Staaten, Osterreich, Oberitalien sowie aus der Schweiz (hier ein F4- und ein F5-Ereignis dokumentiert) bekannt.

Wasserhose vor Usedom

In Deutschland liegt die Zahl der jahrlich beobachteten Tornados bei durchschnittlich 30 bis 60 mit einer noch recht hohen Dunkelziffer vor allem schwacherer Ereignisse. Genaue Zahlen sind nur auf der Tornadoliste.de verfugbar. [8] Nach den derzeit vorliegenden Zahlen muss jahrlich mit etwa funf oder mehr F2, mit einem F3 alle zwei bis drei Jahre und alle 20 bis 30 Jahre mit einem F4 gerechnet werden. Ein F5 ist nach derzeitigen Erkenntnissen ein Jahrhundertereignis oder noch seltener.

Eine Ubersicht zur raumlichen und zeitlichen Verteilung von Tornados in Deutschland und deren Intensitat findet sich in den Weblinks . Generell ist festzustellen, dass das Tornadorisiko im Westen der Norddeutschen Tiefebene am hochsten ist.

In Osterreich wurden im Schnitt der vergangenen 30 Jahre jahrlich etwa drei Tornados beobachtet. Allerdings ist seit 2002 durch die vermehrte Spotter - und Statistiktatigkeit v. a. ehrenamtlicher Helfer eine mittlere Anzahl von etwa funf Tornados/Jahr zu beobachten. Unter Einbezug einer moglicherweise recht hohen Dunkelziffer sowie der nach wie vor sehr unterreprasentierten F0-Falle konnte die tatsachliche, gemittelte, jahrliche Anzahl bei bis zu zehn Tornados liegen.

Dabei treten jedes Jahr mehrere F0- und F1-Falle auf. Im Schnitt kann zudem mit einem F2 jahrlich, bzw. einmal in zwei Jahren, alle funf bis zehn Jahre auch mit einem F3 gerechnet werden. Bisher ist auch ein F4-Tornado in Osterreich dokumentiert.

Die hochste Tornadodichte ist dabei in der Sudoststeiermark zu beobachten (um drei Tornados/10.000 km²/Jahr), gefolgt von dem Gebiet um den Hausruck in Oberosterreich, dem Wiener Becken , der Region um Linz , dem westlichen Weinviertel , dem Klagenfurter Becken , Bodensee -Region sowie dem Inntal im Bereich von Innsbruck .

Tornado bei Cala Ratjada ( Mallorca )

Generell ist das Auftreten von Tornados starken Schwankungen unterworfen, was sich in Haufungen ( Ausbruch genannt, englisch: Outbreak ) innerhalb recht kurzer Zeitspannen ? oft an einem einzigen Tag ? außert, gefolgt von recht langen Abschnitten relativer Ruhe. Die Ausbruche sind durch den engen Zusammenhang mit bestimmten Wetterlagen begrundet, wo mehrere Faktoren fur die Tornadoentstehung zusammenkommen (siehe oben unter Entstehung ). Großere Ereignisse dieser Art mit verheerenden Tornados sind vor allem aus den USA bekannt (siehe folgenden Abschnitt). Fur West- und Mitteleuropa sind hier die Jahre 1925, 1927 und 1967 zu nennen mit dem Schwerpunkt Nordfrankreich/Benelux/Nordwestdeutschland. Diese Region kann auch als europaische tornado alley angesehen werden. Der zahlenmaßig bedeutendste Ausbruch in Europa mit insgesamt 105, aber meist schwacheren Tornados (max. F2) traf am 23. November 1981 die Britischen Inseln. Derzeit erlaubt die Datenbasis fur Mitteleuropa keine Aussage, ob Tornados auf Grund der globalen Klimaerwarmung haufiger auftreten, da der Anstieg der beobachteten Falle vor allem auf eine bessere Erfassung in den letzten Jahren zuruckzufuhren ist. In den USA existiert dank systematischer Tornadoforschung seit den 1950er Jahren und bedingt durch die hohen Fallzahlen eine belastbare Statistik. Diese zeigt aber weder eine Tendenz zu vermehrtem Auftreten noch zu großerer Heftigkeit von Tornados, wie im IPCC -Bericht von 2001 dargelegt.

Bedeutende Tornadoereignisse

Tornadoforschung

Geschichtlicher Kontext

Illustration von Wasserhosen im Buch The Philosophy of Storms von James Pollard Espy , 1841.

Bereits im 19. Jahrhundert befassten sich amerikanische Meteorologen wie James Pollard Espy mit der Erforschung von Wasserhosen und Sturmen. [9]

In den 1930er und 1940er Jahren machte die Radartechnik große Fortschritte. Man entdeckte, dass z. B. Niederschlage sich auf Radarmessungen auswirkten. Das Wetterradar entstand. Obwohl Tornados in den USA eine lange bekannte Naturerscheinung sind, ist die Tornadoforschung dort noch recht jung. Die erste erfolgreiche Tornadovorhersage konnte 1948 auf der Tinker Air Force Base gemacht werden. Erst seit den 1950er Jahren widmet man sich in den USA systematisch der Erfassung und Vorhersage.

Interessanterweise ist die Tornadoforschung in Europa alter als in den USA. Pionierarbeit leistete hier Alfred Wegener schon in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts. In den 1930er Jahren unternahm der heute fast vergessene Meteorologe Johannes Peter Letzmann in Deutschland eine systematische Tornadoforschung, welche durch die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges stark eingeschrankt und danach nicht weitergefuhrt wurde. Im Gegenteil sank das Interesse an Tornados in der Folgezeit praktisch zur Bedeutungslosigkeit herab und beschrankte sich auf einige wenige spektakulare Falle wie zum Beispiel den Tornado uber Pforzheim 1968. Erst mit der Grundung des Netzwerkes TorDACH 1997 nahm die Tornadoforschung im deutschsprachigen Raum einen neuen Aufschwung. 2003 wurde in Deutschland, Osterreich und der Schweiz Skywarn jeweils als Verband ehrenamtlicher Spotter zur Verbesserung der kurzfristigen Unwetterwarnungen im deutschsprachigen Raum gegrundet. Auf europaischer Ebene gibt es ein Pilotprojekt zum Aufbau eines European Severe Storms Laboratory, ESSL (siehe Weblink).

Zwei technische Fortschritte brachten die Tornadoforschung stark voran:

  • Das Doppler-Wetterradar ermoglichte es, zusatzlich zur raumlichen Verteilung der Niederschlagsintensitat auch die Radialgeschwindigkeit des Niederschlags zu bestimmen, indem man den Doppler-Effekt maß. Kleinraumige Anderungen in der Radialgeschwindigkeit konnen Anzeichen von starker Luftzirkulationen sein (→ Windhose, Tornado)
  • Das Polarimetrische Wetterradar ist ein Doppler-Wetterradar, das Impulse mit verschiedenen Polarisationen senden und empfangen kann. Indem man mehrere Polarisationen elektromagnetischer Wellen sendet, kann man Informationen uber die Form und die Art des Niederschlags gewinnen.

Viele Kriegsparteien verwendeten Wetterflugzeuge , um Erkenntnisse uber Wetterphanomene in großen Hohen zu erlangen. 1931 wurde die erste Druckkabine eingesetzt.

Allgemeines

Radarecho einer tornadischen Superzelle mit charakteristischem Hakenecho (links unten), hier der starkste Tornado (F5) aus dem Oklahoma Tornado Outbreak von 1999

Die Forschung umfasst Aspekte der Psychologie, der Meteorologie und der Katastrophenforschung. Das Ziel in der Meteorologie ist die Verbesserung der Vorwarnzeit. Die Zeit zwischen Warnung und dem Eintreten des Ereignisses wird als Lead Time bezeichnet. Aktuell betragt sie im Durchschnitt 13 Minuten. Eine exakte / genaue Vorhersage eines Tornados, seiner Starke und seines Weges ist mit den aktuellen Mitteln nicht moglich. Dazu brauchten die Forscher bessere Kenntnisse uber die Faktoren Windgeschwindigkeit, Temperatur und Luftdruck. Wegen des kurzfristigen Auftretens von Tornados konzentriert sich die Wissenschaft auf die fruhzeitige Erkennung, wobei das Doppler-Radar ein wesentliches Instrument darstellt. Hiermit lasst sich bereits im Fruhstadium verdachtige Rotation in Gewitterwolken nachweisen. Ein deutlicher Hinweis sind Hakenechos auf dem Radarbild. Die heutige Tornadoforschung konzentriert sich neben der Klimatologie und der Erstellung von Fallstudien auf die Mechanismen der Tornadogenese (siehe oben). Hierzu werden aufwandige numerische Simulationsrechnungen durchgefuhrt, um ein besseres Verstandnis der Entstehung von Tornados zu gewinnen. Die Methode ist, mittels Vergleich von Tornadoerscheinungen Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten, um die Entstehung und damit die Voraussetzungen von Tornados besser abbilden zu konnen. Auf diese Weise lassen sich begunstigende Faktoren identifizieren.

Hinzu kommt ein dichtes Netzwerk ehrenamtlicher Beobachter, so genannte Spotter , welche aktuelle Warnmeldungen uber gesichtete Tornados und auch andere Wettergefahren, wie zum Beispiel Gewitterfallboen , Hagel und Sturzfluten , in das Kurzfrist-Warnsystem einbringen. Die Spotter sind in dem Netzwerk Skywarn organisiert. Daneben besteht eine wachsende Zahl von storm chasers (privaten Sturmjagern), welche primar aus Faszination an den Naturgewalten Gewitter und Tornados verfolgen, dabei aber auch wertvolle Informationen fur die Unwetter- und Tornadoforschung liefern. Fur eine gute Forschung sind sie als Augenzeugen unabdingbar, da selbst die besten Radargerate anfallig fur Fehler sind und eine verifizierte Ruckmeldung nur durch Beobachter vor Ort erfolgen kann. Hauptquartier der Unwetterforschung in den USA ist das 1964 gegrundete National Severe Storms Laboratory (NSSL) mit Sitz in Norman , Oklahoma. Dank des Warnsystems konnte in den USA die Zahl an Tornadoopfern erheblich reduziert werden.

Ein bedeutender Forscher ist Howard Bluestein. Er entwickelte das Doppler-Radar weiter, sodass eine mobile, auf einem Truck installierbare Einheit in der Lage ist, alle 2 Sekunden einen Scan des Himmels durchzufuhren. Seine These ist, dass die Regentropfen einen Einfluss auf die Entstehung und Große eines Tornados haben. Daruber hinaus ergaben seine Forschungen, dass es unterhalb der Wolkengrenze eine regenfreie Zone innerhalb der Aufluft gibt. Daraus konnte sich eine weitere Moglichkeit fur eine bessere Vorhersage von Tornados ergeben. [10]

Auch der Deutsche Wetterdienst plant den Aufbau eines Tornado-Fruhwarnzentrums, vor allem wegen der zu Beginn des 21. Jahrhunderts gehauften Tornadomeldungen, die vor allem auf eine erhohte Sensibilisierung in der Bevolkerung zuruckzufuhren sind.

Die Psychologie beschaftigt sich mit dem Phanomen der Warnung vor Tornados. Eine Fragestellung ist, wie Vorhersagen gestaltet sein mussen, um die Menschen fur das fur sie gefahrliche Ereignis zu sensibilisieren.

In der Katastrophenforschung geht es darum, anhand der verursachten Schaden herauszufinden, wie die Bausubstanz kostengunstig verbessert werden kann, um die Schaden der Naturerscheinung zu verringern.

Schutz der Bevolkerung

Die Bevolkerung wird auf vielfaltige Weise geschutzt. In den USA gibt es ein Netz aus 159 bodennahen Radarsystemen. Wird ein Tornado erkannt, erfolgt eine Meldung im nationalen TV und in den lokalen Radiostationen. Außerdem werden warnende Sirenen ausgelost. Durch die Nachrichten erfolgt die Aufforderung, Keller oder Schutzraume aufzusuchen. Mittlerweile wurden diese weiterentwickelt und konnen bautechnisch verstarkt werden.

Literatur

  • Gottlob Burchard Genzmer (1765): Beschreibung des Orcans, welcher den 29. Jun. 1764 einen Strich von etlichen Meilen im Stargardischen Kreise des Herzogthums Mecklenburg gewaltig verwustet hat. Friedrich Nicolai, Berlin und Stettin 1765. Abschrift (PDF; 2,0 MB)
  • Alfred Wegener (1917): Wind- und Wasserhosen in Europa. Vieweg, Braunschweig, Zu Digitalisaten von Nadine Reinhard bei essl.org (9 PDFs)
  • Johannes Peter Letzmann (1937): Richtlinien zur Erforschung von Tromben, Tornados, Wasserhosen und Kleintromben. Internationale Meteorologische Organisation, Klimatologische Kommission, Publ. 38, Salzburg, S. 91?110. Abschrift (PDF)
  • Thomas P. Grazulis (1993): Significant Tornadoes: 1860?1991. Environmental Films, ISBN 1-879362-00-7
  • Nikolai Dotzek (2003): An updated estimate of tornado occurrence in Europe. Atmos. Res. 67?68, 153?161 Artikel (PDF; 41 kB)
  • James M. Caruso and Jonathan M. Davies (2005) Tornadoes in Non-mesocyclone Environments with Pre-existing Vertical Vorticity along Convergence Boundaries. NWA Electronic Journal of Operational Meteorology 1 June 2005 Artikel

Medien

Einzelnachweise

  1. Friedrich Kluge, Elmar Seebold: Etymologisches Worterbuch der deutschen Sprache , 24. Band. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2001, ISBN 978-3-11-017473-1 , Seite 921.
  2. New-York, May 24. The Gentleman’s Magazine , Jahrgang 1752, S. 389 (online bei ANNO ). Vorlage:ANNO/Wartung/gen
  3. Amstler, Katharina: Diplomarbeit Klimatologische-statistische Ausarbeitung von Tornado-Ereignissen in Europa , S. 33
  4. Familie von Wasserhosen uber dem Adriatischen Meer ( Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive )
  5. Charles A. Doswell III: Doswell: What is a tornado? 9. Kaltlufttromben. wetteran.de, 14. August 2012, archiviert vom Original (nicht mehr online verfugbar) am 10. Mai 2015 ; abgerufen am 2. Juni 2015 .   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.wetteran.de
  6. Natascia Lypny: ‘Cold core funnels’ give Ottawa commuters a twister fright. ottawacitizen.com , 30. Juli 2013, archiviert vom Original am 28. August 2013 ; abgerufen am 2. Juni 2015 (englisch).
  7. selected: all reports - occurring between 06-01-2021 00:00 and 13-01-2021 24:00 GMT/UTC , auf eswd.eu
  8. Tornadoliste Deutschland
  9. Lee Sandlin: Storm Kings: The Untold History of America’s First Tornado Chasers . Pantheon Books, New York 2013, ISBN 978-0-307-37852-1 , S. 46?62 .
  10. Archivierte Kopie ( Memento des Originals vom 13. Mai 2018 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/weather.ou.edu

Weblinks

Commons : Tornado  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons : Wasserhose  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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