Windhose
ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Zum oft so genannten Wetteranzeiger siehe
Windsack
.
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Ein
Tornado
(von
spanisch
tornar
, zu
dt.
?umkehren, wenden, (sich) drehen“, aus dem
lateinischen
tornare
, mit gleicher Wortbedeutung
[1]
), auch
Großtrombe
,
Wind-
oder
Wasserhose
, ist ein kleinraumiger Luftwirbel in der
Erdatmosphare
mit annahernd senkrechter
Drehachse
. Er hangt zusammen mit
konvektiver
Bewolkung (
Cumulus
und
Cumulonimbus
) und unterscheidet sich damit von
Kleintromben
(Staubteufeln). Der Wirbel erstreckt sich durchgehend vom Boden bis zur Wolkenuntergrenze, muss dabei aber nicht durchweg kondensiert sein. Diese
Definition
geht auf
Alfred Wegener
(1917) zuruck und ist heute noch allgemein anerkannt. Die Bezeichnung
Tornado
wurde jedoch bereits vorher fur Luftwirbel verwendet, im Englischen mindestens seit dem 18. Jahrhundert.
[2]
Die Benennungen
Wind-
und
Wasserhose
(
engl.
:
Waterspout
) bezeichnen im deutschen Sprachraum einen Tornado uber Land beziehungsweise uber großeren Wasserflachen (Meer, große Binnenseen).
Die Benennung
Windhose
? in der alteren Literatur noch wohldefiniert (Wegener) ? wurde in der jungeren Vergangenheit vermehrt undifferenziert fur verschiedene Phanomene im Zusammenhang mit plotzlich auftretenden starken Winden verwendet (zum Beispiel
Downburst
) oder falschlich auf Kleintromben bezogen. Zudem wurde der Eindruck eines Unterschieds zwischen
großen
Tornados in Nordamerika und
kleinen
Windhosen in Europa erweckt. Ein Unterschied zwischen Windhosen und Tornados besteht jedoch weder bezuglich ihrer
physikalischen
Natur noch bezuglich ihrer Starke.
Entstehung
Die Entstehung von Tornados ist sehr komplex und bis heute ein aktueller Forschungsgegenstand. Trotz offener Fragen in Bezug auf Details sind die Voraussetzungen und die prinzipiellen Mechanismen der Tornadogenese recht gut bekannt. Unter den entsprechenden Bedingungen konnen sich Tornados an jedem Ort wahrend des ganzen Jahres bilden. Trotzdem gibt es sowohl raumliche als auch jahres- und tageszeitliche Schwerpunkte, welche unter
Klimatologie
weiter unten naher beschrieben sind.
Grundlagen
Fur die Entstehung eines Tornados mussen zunachst die Voraussetzungen fur hochreichende
Feuchtekonvektion
gegeben sein. Diese sind
bedingte Labilitat
, also eine hinreichend starke vertikale Temperaturabnahme, genugendes Feuchteangebot mit im Wasserdampf enthaltener
Kondensationsenthalpie
(fruher auch
latente Warme
genannt) in den unteren 1?2 km der Atmosphare sowie Hebung der Luftmasse, um die Feuchtekonvektion auszulosen. Hebungsmechanismen konnen thermischer (Sonneneinstrahlung) oder dynamischer (Fronten) Natur sein. Wesentlicher Energielieferant solcher Sturme und Gewitter allgemein ist die im Wasserdampf der feuchten Luftmasse gespeicherte latente Warme, welche bei der Kondensation freigesetzt wird. Erst diese zusatzliche Warmemenge ermoglicht ein hochreichend freies Aufsteigen der Luft (Feuchtekonvektion), da die Atmosphare gegenuber trockener
Konvektion
, abgesehen von bodennaher Uberhitzung, stabil ist. Im letzteren Fall kann es lediglich zur Bildung von Kleintromben kommen. An der
Boenfront
eines
Schauers
oder
Gewitters
konnen Kleintromben, die sogenannten
Boenfrontwirbel
oder
Gustnados
, entstehen. Diese konnen sich zu Tornados entwickeln, sofern sie Kontakt zu dem feuchtkonvektiven Aufwind bekommen und so verstarkt werden.
Tornadotypen
Hinsichtlich der Entstehungsweise lassen sich zwei Klassen von Tornados unterscheiden:
Mesozyklonale Tornados
Bei
mesozyklonalen
Tornados tritt zu den oben beschriebenen grundlegenden
Zutaten
fur Schauer- oder Gewitterwolken eine starke
vertikale
Windscherung
, das heißt eine Zunahme der
Windgeschwindigkeit
und Anderung der
Windrichtung
mit der
Hohe
hinzu. Dieses Windprofil ermoglicht die Bildung von Gewitterzellen mit einem rotierenden Aufwind (
Mesozyklone
), so genannte
Superzellen
, welche sich durch Langlebigkeit bis zu mehreren Stunden und heftige Begleiterscheinungen, wie großen
Hagel
,
Sturzregen
und
Gewitterfallboen
bis uber 200 km/h auszeichnen. Bei 10?20 % aller Superzellen kommt es zur Bildung von Tornados. Vielfach ist vor der Tornadoentstehung eine Absenkung der rotierenden Wolkenbasis, eine sogenannte
Wallcloud
(deutsch:
Mauerwolke
) zu beobachten. Durch die Aufwartsbewegung im Zentrum stromt im unteren Bereich Luft zur Drehachse hin, was aufgrund des
Pirouetteneffekts
zu einem enormen Zuwachs der Windgeschwindigkeit zur Achse hin fuhrt. Eine wesentliche Rolle scheint hier die
Bodenreibung
zu spielen; die Details der Intensivierung der Rotation bis hin zum Bodenkontakt sind aber noch nicht ganzlich verstanden. Die
Drehrichtung
von mesozyklonalen Tornados ist uberwiegend
zyklonal
, das heißt entgegen dem
Uhrzeigersinn
auf der
Nordhalbkugel
und mit dem Uhrzeigersinn auf der
Sudhalbkugel
. Dies ist aber kein unmittelbarer Effekt der
Corioliskraft
, denn dafur sind Tornados zu kleinraumig. Diese bestimmt vielmehr zusammen mit der Bodenreibung, welche stark
orographisch
beeinflusst ist, das großraumige Windprofil von
Tiefdruckgebieten
, in deren Bereich Tornados entstehen konnen. In den meisten Fallen dreht auf der Nordhalbkugel der Wind mit der Hohe nach rechts, wobei die Luft aus sudlicher Richtung in die Mesozyklone einstromt, was zu zyklonaler Rotation entgegen dem Uhrzeigersinn fuhrt. Auf der Sudhalbkugel ergibt sich entsprechend ebenfalls zyklonale Rotation, dort aber im Uhrzeigersinn. Gelegentlich bildet sich neben dem zyklonal rotierenden Tornado ein weiterer,
antizyklonal
rotierender Tornado aus. In solchen Fallen entsteht ein weiterer Aufwindbereich, in dem sich
konvektive
Wolken bilden. Dieser Aufwindbereich wird vom hinteren rechten Hauptaufwind mitgerissen, wodurch eine sogenannte Anti
mesozyklone
entsteht, aus der sich der antizyklonal rotierende Tornado bilden kann. Eine solche Antimesozyklone ist in der Regel deutlich schwacher als die Hauptmesozyklone und zieht mit dieser mit.
[3]
Nicht-mesozyklonale Tornados
Dieser Entstehungsmechanismus setzt keine Mesozyklone voraus. Vielmehr zerfallt vorhandene bodennahe
horizontale
Windscherung, z. B. entlang einer
Konvergenzlinie
in einzelne Wirbel mit vertikaler Achse, welche durch einen daruber befindlichen feuchtkonvektiven Aufwind einer Schauer- oder Gewitterwolke gestreckt und somit intensiviert werden (siehe nebenstehende Abbildung und Literatur). Dies geschieht in sonst eher windschwacher Umgebung bei gleichzeitig starker vertikaler Temperaturabnahme in den unteren Schichten. Im Gegensatz zu Mesozyklonen reicht hier die Rotation nicht weit uber die Wolkenbasis hinaus. Die Bindung an Linien mit horizontaler Windscherung, (Konvergenz), welche oft gleichzeitig den Hebungsantrieb fur die Feuchtekonvektion darstellt, erzeugt nicht selten entlang der Linie angeordnete
Familien
von Großtromben.
[4]
Zu diesem eher schwacheren nicht-mesozyklonalen Tornadotyp zahlen auch die meisten Wasserhosen, aber es konnen auf diese Weise auch Tornados uber Land entstehen ? im Englischen
Landspout
genannt. Der Drehsinn von nicht-mesozyklonalen Tornados zeigt eine weniger starke Praferenz fur zyklonale Rotation.
Kaltlufttromben
hingegen ereignen sich in Verbindung mit konvektiven Wolken, welche sich innerhalb eines Kaltluftreservoirs in Umgebungen mit verhaltnismaßig wenig Windscherung in der Hohe entwickeln.
[5]
Sie erreichen nur sehr selten den Boden, aber manchmal kommt es zu einem Touchdown und sie werden zu schwachen, kurzlebigen Tornados.
[6]
Phanomenologie
Große und Aussehen
Im Anfangsstadium ist ein Tornado zunachst fast unsichtbar. Erst wenn im Inneren des Wirbels durch den Druckabfall und die damit einhergehende
adiabatische
Abkuhlung
Wasserdampf
kondensiert oder Staub, Trummer, Wasser und dergleichen aufgewirbelt werden, tritt der Tornado auch optisch in Erscheinung. Eine durchgehende Kondensation von der Wolke bis zum Boden ist nicht in jedem Fall zu beobachten. Eine solche von der Mutterwolke ausgehende Kondensation wird als
Trichterwolke
(englisch:
funnel cloud
) bezeichnet. Erreicht der Luftwirbel den Boden nicht, so spricht man von einer Blindtrombe. Fur einen Tornado ist der Bodenkontakt des Luftwirbels entscheidend, nicht dessen durchgehende Sichtbarkeit. Sind zum Beispiel unter einer Trichterwolke Windwirkungen nachweisbar, also im Regelfall Schaden am Boden, so handelt es sich um einen Tornado. Die Gestalt des Luftwirbels ist sehr vielfaltig und reicht von dunnen schlauchartigen Formen bis zu einem mehr oder weniger breiten, sich nach oben erweiternden Trichter (siehe nebenstehende Abbildungen und
Weblinks
). Dabei kann der Durchmesser einige Meter bis hin zu 500 m und sogar bis uber 1 km betragen. Nicht selten treten ? besonders bei großen Durchmessern ? mehrere Wirbel auf, die um ein gemeinsames Zentrum kreisen, was als
Multivortex-Tornado
bezeichnet wird. Staub, Trummer und kondensiertes Wasser konnen mitunter verhindern, dass ein Multivortex-Tornado als solcher erkannt wird, weil die Einzelwirbel nicht sichtbar sind.
Klassifizierung
Die Klassifizierung erfolgt nach der
Fujita-Skala
, welche uber die Windgeschwindigkeit definiert ist. In der Praxis wird diese Skala aber mangels direkter Messungen anhand der vom Tornado verursachten Schaden geschatzt. Diese reichen von leichten Sturmschaden bis zur volligen Zerstorung massiver Gebaude. Bislang wurden Tornadostarken F0 bis F5 in der Realitat beobachtet; physikalische Abschatzungen ergeben aus energetischen Grunden die Intensitat F6 als Obergrenze. In Europa ist daneben z. B. bei
TorDACH
die gegenuber der Fujita-Skala doppelt so feine
TORRO-Skala
in Gebrauch, in den USA wurde die Fujita-Skala zur sogenannten
Enhanced Fujita Scale
, kurz EF-Skala, weiterentwickelt, die uber die Stufen EF0 bis EF5 verfugt und die Tornados anhand von 28 Schadensindikatoren klassifiziert.
Auswirkungen und Schaden
Die Kraft eines Tornados kann vielfaltige Schaden verursachen. Er kann Hauser und Autos zerstoren und stellt eine Gefahr fur Tiere und Menschen dar. Auch Steinhauser sind nicht sicher. Indirekt entstehen viele Schaden durch umherfliegende Trummer.
Hauptursache der Schaden ist der
Staudruck
des Windes und oberhalb von circa 300 km/h auch zunehmend indirekte Schaden durch umherfliegende Trummer.
Die fruhere Annahme, der starke Unterdruck innerhalb eines Tornados, der bis zu 100 hPa betragen kann, lasse Gebaude gleichsam explodieren, ist nicht mehr haltbar. Auf Grund ihrer hohen und auf engem Raum wechselnden Windgeschwindigkeiten stellen Tornados prinzipiell eine Gefahr fur den Flugverkehr dar; Unfalle sind aber auf Grund der Kleinraumigkeit dieser Wettererscheinung selten. Zu einem spektakularen Fall kam es am 6. Oktober 1981, als der
NLM-Cityhopper-Flug 431
in einen Tornado geriet und nach Abriss der rechten Tragflache absturzte. Alle 17 Personen an Bord starben.
Klimatologie
Dauer und Geschwindigkeiten
Die Dauer eines Tornados betragt zwischen wenigen Sekunden und mehr als einer Stunde, durchschnittlich liegt sie unter zehn Minuten. Die Vorwartsbewegung eines Tornados folgt der zugehorigen Mutterwolke und liegt im Schnitt bei 50 km/h, kann aber auch deutlich darunter (praktisch stationar, nicht selten bei Wasserhosen) oder daruber (bis uber 100 km/h bei starker Hohenstromung) liegen. Dabei ist die Tornadospur im Wesentlichen linear mit kleineren Abweichungen, welche durch die
Orographie
und das lokale Windfeld in der Umgebung der Gewitterzelle bedingt sind.
Die interne Rotationsgeschwindigkeit des Windes ist jedoch meist wesentlich hoher als die der linearen Bewegung und fur die schweren Verwustungen verantwortlich, die ein Tornado hinterlassen kann. Die hochste je registrierte Windgeschwindigkeit innerhalb eines Tornados wurde wahrend des
Oklahoma Tornado Outbreak
am 3. Mai 1999 bei
Bridge Creek
,
Oklahoma
(
USA
) mit einem
Doppler-Radar
bestimmt. Mit 496 ± 33 km/h lag sie im oberen Bereich der Klasse F5 der Fujita-Skala; die obere Fehlergrenze reicht sogar in den F6-Bereich. Dies ist damit die hochste je gemessene Windgeschwindigkeit auf der Erdoberflache uberhaupt. Oberhalb der Erdoberflache erreichten nur
Jetstreams
hohere Windgeschwindigkeiten. In der offiziellen Statistik fallt dieser Tornado aber mit Rucksicht auf den wahrscheinlichsten Wert und die Unsicherheiten unter F5.
In den USA sind etwa 88 % der beobachteten Tornados schwach (F0, F1), 11 % stark (F2, F3) und unter 1 % verheerend (F4, F5). Diese Verteilungsfunktion ist weltweit sehr ahnlich und in dieser Form von mesozyklonalen Tornados dominiert, welche das volle Intensitatsspektrum ausfullen. Die Intensitat von nicht-mesozyklonalen Tornados geht dagegen kaum uber F2 hinaus.
Jahres- und tageszeitliches Auftreten
Tornados entstehen uber Land am haufigsten im Fruhsommer, wobei das Maximum mit zunehmenden
Breitengraden
spater auftritt. Uber Wasser wird das Maximum im Spatsommer erreicht, weil dann die Wassertemperatur und folglich die
Labilitat
am hochsten ist. Ahnliches gilt fur den Tagesgang. Tornados uber Land treten am wahrscheinlichsten in den fruhen Abendstunden auf, wahrend bei Wasserhosen das Maximum in den Morgenstunden liegt. Ferner zeigt sich bei Wasserhosen ein klimatologischer Unterschied im Jahresgang, je nachdem, ob diese an Land ziehen oder uber dem Wasser verbleiben. Die jahreszeitliche Verteilung fur den ersten Fall gleicht der fur Tornados uber Land, wahrend
reine
Wasserhosen das besagte Spatsommermaximum zeigen.
Verbreitung und Haufigkeit
Tornados werden weltweit uberall da beobachtet, wo es
Gewitter
gibt. Schwerpunkte sind Regionen mit fruchtbaren Ebenen in den
Subtropen
bis in die
gemaßigten Breiten
. An erster Stelle steht der Haufigkeit nach der
Mittlere Westen
der
USA
, wo die klimatischen Bedingungen fur die Bildung von schweren Gewittern und Superzellen aufgrund der weiten Ebenen (
Great Plains
) ostlich eines Hochgebirges (
Rocky Mountains
) und nordlich eines tropischen Meeres (
Golf von Mexiko
) sehr gunstig sind. Fur Wetterlagen mit hohem Unwetterpotential bedingt das Gebirge relativ trockene und kuhle Luftmassen im mittleren bis oberen Bereich der
Troposphare
bei sudwestlichen bis westlichen Winden, wahrend in den tieferen Schichten feuchtwarme Luftmassen aus der Golfregion ungehindert nach Norden transportiert werden konnen. Dadurch kommt eine labile Schichtung der Atmosphare bei einem großen Angebot latenter Warme mit einer Richtungsscherung des Windes zusammen.
Weitere wichtige Regionen sind
Mittel-
,
Sud-
und
Osteuropa
,
Argentinien
,
Sudafrika
,
Bengalen
,
Japan
und
Australien
. Zahlreiche, wenn auch im Mittel schwachere, meist nicht-mesozyklonale Tornados treten im Bereich der
Front Range
(Ostrand der
Rocky Mountains
), in
Florida
und uber den
Britischen Inseln
auf.
Jahrlich werden in den USA etwa 1200 Tornados registriert, die meisten entstehen in
Texas
,
Oklahoma
,
Kansas
und
Nebraska
entlang der
Tornado Alley
mit etwa 500 bis 600 Fallen pro Jahr. Dies ist durch die oben genannten besonderen klimatischen Bedingungen gegeben, welche die Voraussetzungen fur die Entstehung speziell von mesozyklonalen Tornados weit haufiger als in anderen Regionen bieten. Daruber hinaus gibt es in den USA mehrere regionale Haufungen, z. B. in
Neuengland
und in Zentral-Florida.
In Europa liegt die jahrliche Zahl der Tornadobeobachtungen bei 330, davon 160 uber Wasser, unter Einbeziehung der Dunkelziffer schatzungsweise bei 590 Tornados, davon geschatzt 290 Wasserhosen (2020: 800 gemeldete Ereignisse
[7]
). Wie in den USA sind auch die meisten europaischen Tornados schwach. Verheerende Tornados sind zwar selten, doch sind bisher acht F4- und zwei F5-Ereignisse aus Deutschland dokumentiert. Letztere wurden bereits von
Alfred Wegener
1917 in einer Arbeit zur Tornadoklimatologie Europas beschrieben. Weitere verheerende Falle sind aus Nordfrankreich, den Benelux-Staaten, Osterreich, Oberitalien sowie aus der Schweiz (hier ein F4- und ein F5-Ereignis dokumentiert) bekannt.
In Deutschland liegt die Zahl der jahrlich beobachteten Tornados bei durchschnittlich 30 bis 60 mit einer noch recht hohen Dunkelziffer vor allem schwacherer Ereignisse. Genaue Zahlen sind nur auf der Tornadoliste.de verfugbar.
[8]
Nach den derzeit vorliegenden Zahlen muss jahrlich mit etwa funf oder mehr F2, mit einem F3 alle zwei bis drei Jahre und alle 20 bis 30 Jahre mit einem F4 gerechnet werden. Ein F5 ist nach derzeitigen Erkenntnissen ein
Jahrhundertereignis
oder noch seltener.
Eine Ubersicht zur raumlichen und zeitlichen Verteilung von Tornados in Deutschland und deren Intensitat findet sich in den
Weblinks
. Generell ist festzustellen, dass das Tornadorisiko im Westen der
Norddeutschen Tiefebene
am hochsten ist.
In Osterreich wurden im Schnitt der vergangenen 30 Jahre jahrlich etwa drei Tornados beobachtet. Allerdings ist seit 2002 durch die vermehrte
Spotter
- und Statistiktatigkeit v. a. ehrenamtlicher Helfer eine mittlere Anzahl von etwa funf Tornados/Jahr zu beobachten. Unter Einbezug einer moglicherweise recht hohen Dunkelziffer sowie der nach wie vor sehr unterreprasentierten F0-Falle konnte die tatsachliche, gemittelte, jahrliche Anzahl bei bis zu zehn Tornados liegen.
Dabei treten jedes Jahr mehrere F0- und F1-Falle auf. Im Schnitt kann zudem mit einem F2 jahrlich, bzw. einmal in zwei Jahren, alle funf bis zehn Jahre auch mit einem F3 gerechnet werden. Bisher ist auch ein F4-Tornado in Osterreich dokumentiert.
Die hochste Tornadodichte ist dabei in der
Sudoststeiermark
zu beobachten (um drei Tornados/10.000 km²/Jahr), gefolgt von dem Gebiet um den
Hausruck
in Oberosterreich, dem
Wiener Becken
, der Region um
Linz
, dem westlichen
Weinviertel
, dem
Klagenfurter Becken
,
Bodensee
-Region sowie dem Inntal im Bereich von
Innsbruck
.
Generell ist das Auftreten von Tornados starken Schwankungen unterworfen, was sich in Haufungen (
Ausbruch
genannt, englisch:
Outbreak
) innerhalb recht kurzer Zeitspannen ? oft an einem einzigen Tag ? außert, gefolgt von recht langen Abschnitten relativer Ruhe. Die Ausbruche sind durch den engen Zusammenhang mit bestimmten
Wetterlagen
begrundet, wo mehrere Faktoren fur die Tornadoentstehung zusammenkommen (siehe oben unter
Entstehung
). Großere Ereignisse dieser Art mit verheerenden Tornados sind vor allem aus den USA bekannt (siehe folgenden Abschnitt). Fur West- und Mitteleuropa sind hier die Jahre 1925, 1927 und 1967 zu nennen mit dem Schwerpunkt Nordfrankreich/Benelux/Nordwestdeutschland. Diese Region kann auch als europaische
tornado alley
angesehen werden. Der zahlenmaßig bedeutendste Ausbruch in Europa mit insgesamt 105, aber meist schwacheren Tornados (max. F2) traf am 23. November 1981 die Britischen Inseln.
Derzeit erlaubt die Datenbasis fur Mitteleuropa keine Aussage, ob Tornados auf Grund der
globalen Klimaerwarmung
haufiger auftreten, da der Anstieg der beobachteten Falle vor allem auf eine bessere Erfassung in den letzten Jahren zuruckzufuhren ist. In den USA existiert dank systematischer Tornadoforschung seit den 1950er Jahren und bedingt durch die hohen Fallzahlen eine belastbare Statistik. Diese zeigt aber weder eine Tendenz zu vermehrtem Auftreten noch zu großerer Heftigkeit von Tornados, wie im
IPCC
-Bericht von 2001 dargelegt.
Bedeutende Tornadoereignisse
Tornadoforschung
Geschichtlicher Kontext
Bereits im 19. Jahrhundert befassten sich amerikanische Meteorologen wie
James Pollard Espy
mit der Erforschung von Wasserhosen und Sturmen.
[9]
In den 1930er und 1940er Jahren machte die Radartechnik große Fortschritte. Man entdeckte, dass z. B. Niederschlage sich auf Radarmessungen auswirkten. Das
Wetterradar
entstand.
Obwohl Tornados in den USA eine lange bekannte
Naturerscheinung
sind, ist die Tornadoforschung dort noch recht jung. Die erste erfolgreiche Tornadovorhersage konnte 1948 auf der
Tinker Air Force Base
gemacht werden. Erst seit den 1950er Jahren widmet man sich in den USA systematisch der Erfassung und Vorhersage.
Interessanterweise ist die Tornadoforschung in Europa alter als in den USA. Pionierarbeit leistete hier Alfred Wegener schon in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts. In den 1930er Jahren unternahm der heute fast vergessene Meteorologe
Johannes Peter Letzmann
in Deutschland eine systematische Tornadoforschung, welche durch die Ereignisse des
Zweiten Weltkrieges
stark eingeschrankt und danach nicht weitergefuhrt wurde. Im Gegenteil sank das Interesse an Tornados in der Folgezeit praktisch zur Bedeutungslosigkeit herab und beschrankte sich auf einige wenige spektakulare Falle wie zum Beispiel den
Tornado uber Pforzheim
1968. Erst mit der Grundung des Netzwerkes
TorDACH
1997 nahm die Tornadoforschung im deutschsprachigen Raum einen neuen Aufschwung. 2003 wurde in Deutschland, Osterreich und der Schweiz
Skywarn
jeweils als Verband ehrenamtlicher Spotter zur Verbesserung der kurzfristigen Unwetterwarnungen im deutschsprachigen Raum gegrundet. Auf europaischer Ebene gibt es ein Pilotprojekt zum Aufbau eines
European Severe Storms Laboratory, ESSL
(siehe Weblink).
Zwei technische Fortschritte brachten die Tornadoforschung stark voran:
- Das Doppler-Wetterradar ermoglichte es, zusatzlich zur raumlichen Verteilung der Niederschlagsintensitat auch die
Radialgeschwindigkeit
des Niederschlags zu bestimmen, indem man den
Doppler-Effekt
maß. Kleinraumige Anderungen in der Radialgeschwindigkeit konnen Anzeichen von starker Luftzirkulationen sein (→ Windhose, Tornado)
- Das
Polarimetrische Wetterradar
ist ein Doppler-Wetterradar, das Impulse mit verschiedenen
Polarisationen
senden und empfangen kann. Indem man mehrere Polarisationen
elektromagnetischer Wellen
sendet, kann man Informationen uber die Form und die Art des Niederschlags gewinnen.
Viele Kriegsparteien verwendeten
Wetterflugzeuge
, um Erkenntnisse uber Wetterphanomene in großen Hohen zu erlangen. 1931 wurde die erste
Druckkabine
eingesetzt.
Allgemeines
Die Forschung umfasst Aspekte der Psychologie, der Meteorologie und der Katastrophenforschung.
Das Ziel in der Meteorologie ist die Verbesserung der Vorwarnzeit. Die Zeit zwischen Warnung und dem Eintreten des Ereignisses wird als Lead Time bezeichnet. Aktuell betragt sie im Durchschnitt 13 Minuten. Eine exakte / genaue Vorhersage eines Tornados, seiner Starke und seines Weges ist mit den aktuellen Mitteln nicht moglich. Dazu brauchten die Forscher bessere Kenntnisse uber die Faktoren Windgeschwindigkeit, Temperatur und Luftdruck.
Wegen des kurzfristigen Auftretens von Tornados konzentriert sich die Wissenschaft auf die fruhzeitige Erkennung, wobei das
Doppler-Radar
ein wesentliches Instrument darstellt. Hiermit lasst sich bereits im Fruhstadium verdachtige Rotation in Gewitterwolken nachweisen. Ein deutlicher Hinweis sind
Hakenechos
auf dem Radarbild.
Die heutige Tornadoforschung konzentriert sich neben der Klimatologie und der Erstellung von Fallstudien auf die Mechanismen der Tornadogenese (siehe oben). Hierzu werden aufwandige numerische Simulationsrechnungen durchgefuhrt, um ein besseres Verstandnis der Entstehung von Tornados zu gewinnen.
Die Methode ist, mittels Vergleich von Tornadoerscheinungen Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten, um die Entstehung und damit die Voraussetzungen von Tornados besser abbilden zu konnen. Auf diese Weise lassen sich begunstigende Faktoren identifizieren.
Hinzu kommt ein dichtes Netzwerk ehrenamtlicher Beobachter, so genannte
Spotter
, welche aktuelle Warnmeldungen uber gesichtete Tornados und auch andere Wettergefahren, wie zum Beispiel
Gewitterfallboen
,
Hagel
und
Sturzfluten
, in das Kurzfrist-Warnsystem einbringen. Die Spotter sind in dem Netzwerk
Skywarn
organisiert. Daneben besteht eine wachsende Zahl von
storm chasers
(privaten Sturmjagern), welche primar aus Faszination an den Naturgewalten Gewitter und Tornados verfolgen, dabei aber auch wertvolle Informationen fur die Unwetter- und Tornadoforschung liefern. Fur eine gute Forschung sind sie als Augenzeugen unabdingbar, da selbst die besten Radargerate anfallig fur Fehler sind und eine verifizierte Ruckmeldung nur durch Beobachter vor Ort erfolgen kann. Hauptquartier der Unwetterforschung in den USA ist das 1964 gegrundete
National Severe Storms Laboratory
(NSSL) mit Sitz in
Norman
, Oklahoma. Dank des Warnsystems konnte in den USA die Zahl an Tornadoopfern erheblich reduziert werden.
Ein bedeutender Forscher ist Howard Bluestein. Er entwickelte das Doppler-Radar weiter, sodass eine mobile, auf einem Truck installierbare Einheit in der Lage ist, alle 2 Sekunden einen Scan des Himmels durchzufuhren. Seine These ist, dass die Regentropfen einen Einfluss auf die Entstehung und Große eines Tornados haben. Daruber hinaus ergaben seine Forschungen, dass es unterhalb der Wolkengrenze eine regenfreie Zone innerhalb der Aufluft gibt. Daraus konnte sich eine weitere Moglichkeit fur eine bessere Vorhersage von Tornados ergeben.
[10]
Auch der
Deutsche Wetterdienst
plant den Aufbau eines Tornado-Fruhwarnzentrums, vor allem wegen der zu Beginn des 21. Jahrhunderts gehauften Tornadomeldungen, die vor allem auf eine erhohte Sensibilisierung in der Bevolkerung zuruckzufuhren sind.
Die Psychologie beschaftigt sich mit dem Phanomen der Warnung vor Tornados. Eine Fragestellung ist, wie Vorhersagen gestaltet sein mussen, um die Menschen fur das fur sie gefahrliche Ereignis zu sensibilisieren.
In der Katastrophenforschung geht es darum, anhand der verursachten Schaden herauszufinden, wie die Bausubstanz kostengunstig verbessert werden kann, um die Schaden der Naturerscheinung zu verringern.
Schutz der Bevolkerung
Die Bevolkerung wird auf vielfaltige Weise geschutzt. In den USA gibt es ein Netz aus 159 bodennahen Radarsystemen. Wird ein Tornado erkannt, erfolgt eine Meldung im nationalen TV und in den lokalen Radiostationen. Außerdem werden warnende Sirenen ausgelost. Durch die Nachrichten erfolgt die Aufforderung, Keller oder Schutzraume aufzusuchen. Mittlerweile wurden diese weiterentwickelt und konnen bautechnisch verstarkt werden.
Literatur
- Gottlob Burchard Genzmer
(1765):
Beschreibung des Orcans, welcher den 29. Jun. 1764 einen Strich von etlichen Meilen im Stargardischen Kreise des Herzogthums Mecklenburg gewaltig verwustet hat.
Friedrich Nicolai, Berlin und Stettin 1765.
Abschrift (PDF; 2,0 MB)
- Alfred Wegener
(1917):
Wind- und Wasserhosen in Europa.
Vieweg, Braunschweig,
Zu Digitalisaten von Nadine Reinhard bei essl.org (9 PDFs)
- Johannes Peter Letzmann (1937):
Richtlinien zur Erforschung von Tromben, Tornados, Wasserhosen und Kleintromben.
Internationale Meteorologische Organisation, Klimatologische Kommission, Publ. 38, Salzburg, S. 91?110.
Abschrift (PDF)
- Thomas P. Grazulis (1993):
Significant Tornadoes: 1860?1991.
Environmental Films,
ISBN 1-879362-00-7
- Nikolai Dotzek (2003):
An updated estimate of tornado occurrence in Europe.
Atmos. Res. 67?68, 153?161
Artikel (PDF; 41 kB)
- James M. Caruso and Jonathan M. Davies (2005)
Tornadoes in Non-mesocyclone Environments with Pre-existing Vertical Vorticity along Convergence Boundaries.
NWA Electronic Journal of Operational Meteorology 1 June 2005
Artikel
Medien
Einzelnachweise
- ↑
Friedrich Kluge, Elmar Seebold:
Etymologisches Worterbuch der deutschen Sprache
, 24. Band. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2001,
ISBN 978-3-11-017473-1
, Seite 921.
- ↑
New-York, May 24.
:
The Gentleman’s Magazine
, Jahrgang 1752, S. 389 (online bei
ANNO
).
Vorlage:ANNO/Wartung/gen
- ↑
Amstler, Katharina: Diplomarbeit
Klimatologische-statistische Ausarbeitung von Tornado-Ereignissen in Europa
, S. 33
- ↑
Familie von Wasserhosen uber dem Adriatischen Meer
(
Memento
vom 27. September 2007 im
Internet Archive
)
- ↑
Charles A. Doswell III:
Doswell: What is a tornado? 9. Kaltlufttromben.
wetteran.de, 14. August 2012, archiviert vom
Original
(nicht mehr online verfugbar) am
10. Mai 2015
;
abgerufen am 2. Juni 2015
.
Info:
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Anleitung
und entferne dann diesen Hinweis.
@1
@2
Vorlage:Webachiv/IABot/www.wetteran.de
- ↑
Natascia Lypny:
‘Cold core funnels’ give Ottawa commuters a twister fright.
ottawacitizen.com
, 30. Juli 2013, archiviert vom
Original
am
28. August 2013
;
abgerufen am 2. Juni 2015
(englisch).
- ↑
selected: all reports - occurring between 06-01-2021 00:00 and 13-01-2021 24:00 GMT/UTC
, auf eswd.eu
- ↑
Tornadoliste Deutschland
- ↑
Lee Sandlin:
Storm Kings: The Untold History of America’s First Tornado Chasers
. Pantheon Books, New York 2013,
ISBN 978-0-307-37852-1
,
S. 46?62
.
- ↑
Archivierte Kopie
(
Memento
des
Originals
vom 13. Mai 2018 im
Internet Archive
)
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@2
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Europa insgesamt:
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