Die
Geschichte Frankreichs
umfasst die Entwicklungen auf dem Gebiet der
Franzosischen Republik
von der Urgeschichte bis zur Gegenwart. Sie beginnt in vorgeschichtlicher Zeit. So lassen sich
altsteinzeitliche
Wohnhohlen in der
Dordogne
und
Megalithkulturen
in der
Bretagne
nachweisen. In der
Bronzezeit
drangen ab 700 v. Chr.
Kelten
ein.
Casar
eroberte
von 58?51 v. Chr.
Gallien
und inkorporierte das Gebiet in das
Romische Reich
. Durch die
Volkerwanderung
im 5. Jahrhundert stromten
Franken
,
Westgoten
und
Burgunder
ins Land und passten sich der
gallo-romischen Kultur
an. Es folgte die Bildung des
Frankischen Reichs
(5.?9. Jahrhundert) durch
Chlodwig I.
, welcher um 500 das
Christentum
annahm.
Pippin der Jungere
begrundete 751 die Dynastie der
Karolinger
. Sein Sohn,
Karl der Große
(
franzosisch
Charlemagne
), vereinte das Frankenreich mit Sachsen, Bayern und Oberitalien. 800 ließ er sich vom Papst
zum Kaiser
kronen.
Die Geschichte Frankreichs als eigenstandiger Staat beginnt um 831/832, als Kaiser
Ludwig der Fromme
(778?840) von seinen Sohnen entmachtet wurde. Sie teilten das Frankenreich im
Vertrag von Verdun
843 endgultig in einen ostlichen, einen mittleren und einen westlichen Teil. Der westliche Teil kann als der Anfang des heutigen Frankreich betrachtet werden. Durch das
Frankische Erbrecht
kam es in den ersten Jahrhunderten zu einer zunehmenden Zersplitterung des Landes. Im Bund mit der Kirche und den aufstrebenden Stadten konnten die Konige gegen die
Feudalherren
langsam ihre Macht ausweiten.
Heinrich II.
, Herzog der Normandie und seit 1154
Konig von England
, erwarb durch Heirat
große Teile
Frankreichs und verstarkte so den Einfluss der Englander im Land. Mit dem Aufstieg der
Kapetinger
zum Herrschergeschlecht war ein kultureller Hohenflug verbunden. Zudem starkte
Philipp IV.
(der Schone, 1285?1314) die Konigsmacht und erkampfte fur Frankreich bis Ende des 13. Jahrhunderts die Vormachtstellung in Europa.
Nach dem Aussterben der Kapetinger erhob der englische Konig
Eduard III.
Anspruch auf den franzosischen Thron und gab damit Anlass fur den
Hundertjahrigen Krieg
(1339?1453), in dem Frankreich schließlich von den Englandern befreit und diese somit fast vollstandig vom Kontinent vertrieben wurden.
Die Valois
(1328?1589) wehrten sich mit Hilfe der Eidgenossen siegreich gegen
Burgund
. Aus dem Streit um die burgundischen Besitzungen entstand der
jahrhundertelange Machtkampf
gegen die spanisch-habsburgische Macht.
Die
Reformation
erfasste den Adel und das Burgertum. 1559?1598 bekampften sich
Katholiken
und
Hugenotten
in den
Hugenottenkriegen
. Das
Edikt von Nantes
(1598) sicherte den Hugenotten
Religionsfreiheit
, wurde jedoch mit dem
Edikt von Fontainebleau
1685 weitgehend aufgehoben. Die Jahre der Staatsfuhrung der Kardinale
Richelieu
(1624?1642) und
Mazarin
(1642?1661) starkten die Zentralgewalt des Konigs. Im
Dreißigjahrigen Krieg
(1618?1648) gewann Frankreich die erneute politische und kulturelle Vormacht in Europa.
Ludwig XIV.
(1661?1715) vollendete den
Absolutismus
in Frankreich. Er fuhrte eine aggressive Außenpolitik, die Frankreich auf Kosten seiner Nachbarn vergroßerte und in einen weltweiten Dauergegensatz mit
England
mundete. Dabei verausgabte sich das Land zunehmend, was nach dem langen
Spanischen Erbfolgekrieg
(1701?1713) zu einer steigenden
Staatsverschuldung
fuhrte. Die Bauern und Arbeiter waren auch als Folge der kostspieligen Kriege verarmt und das Burgertum wollte mehr Mitbestimmung. Der
Sturm auf die Bastille
am 14. Juli 1789 war Sinnbild fur den Sturz des Absolutismus und den Beginn der
Franzosischen Revolution
, in deren Zuge 1792 die
Erste Republik
ausgerufen wurde.
Der Machtergreifung Napoleons
am 9. November 1799
folgten die
Napoleonischen Kriege
um die Eroberung Europas, die mit der
Schlacht bei Waterloo
(18. Juni 1815) in einer endgultigen Niederlage Frankreichs endeten. 1815 wurde Europa durch den
Wiener Kongress
neu geordnet. Frankreich kam dabei glimpflich davon. Die franzosische Grenze wurde auf den Stand von 1792 festgelegt, die Monarchie wieder eingesetzt. Mit
Ludwig XVIII.
kehrte das
Haus Bourbon
auf den Thron zuruck. Die
Julirevolution von 1830
zwang seinen Nachfolger
Karl X.
jedoch zur Abdankung. Es entstand die sogenannte
Julimonarchie
unter
Louis-Philippe I.
Durch die
Februarrevolution
wurde die Republik 1848 wiederhergestellt. Prasident der
Zweiten Republik
wurde Louis Napoleon. 1852 ernannte er sich zum Kaiser
Napoleon III.
(
Zweites Kaiserreich
1852?1870). Er trieb Prestigepolitik und erwarb weitere Kolonien in Nord- und Mittelafrika, Madagaskar und Indochina (siehe
Imperialismus
). Nach der Niederlage im
Deutsch-Franzosischen Krieg
(1870/71) wurde er abgesetzt und machte der
Dritten Republik
Platz.
In Europa bildeten sich nach 1871 zwei Machtblocke: auf der einen Seite der
Zweibund/Dreibund
(1879 schlossen das Deutsche Kaiserreich und Osterreich-Ungarn den Zweibund; im Mai 1882 trat Italien diesem bei), auf der anderen Seite die
Triple Entente
aus Frankreich, Großbritannien und Russland (entstanden 1894?1907). Diese Konstellation fuhrte zum
Ersten Weltkrieg
(1914?1918). Am Ende stand Frankreich auf der Seite der Sieger. Auf den Ausbruch des
Zweiten Weltkrieges
(1. September 1939) war Frankreich wegen innenpolitischer Konflikte militarisch schlecht vorbereitet, die Bedeutung der 1930?1940 gebauten
Maginot-Linie
zur Verteidigung des Landes wurde uberbewertet. Nach einem monatelangen ?
Sitzkrieg
“ begann die
Wehrmacht
am 10. Mai 1940 den
Westfeldzug
mit einem schnellen Einmarsch in den Benelux-Landern. Anfang Juni vertrieben sie die britischen Truppen vom Festland (
Schlacht von Dunkirchen
); Mitte Juni besetzten sie kampflos
Paris
. Am 22. Juni 1940 unterschrieb Frankreich den kapitulationsahnlichen
Waffenstillstand von Compiegne
, wodurch Frankreich im weiteren Kriegsverlauf in eine besetzte Zone im Norden und eine unbesetzte Zone im Suden geteilt wurde. Zunachst regierte das
Vichy-Regime
den Suden; im November 1942 besetzten Truppen der Wehrmacht auch den Suden (?
Unternehmen Anton
“).
Charles de Gaulle
nahm die
Befreiung von Paris
am 25. August 1944 zum Anlass, die
Vierte Republik
auszurufen.
Die
franzosischen Kolonien
strebten nach 1945 nach Unabhangigkeit: Es folgte 1954
der Ruckzug aus Indochina
, 1956 die Unabhangigkeit Marokkos und Tunesiens. In
Algerien
, das als Teil vom Mutterland galt, entbrannte 1954?1962 der
Algerienkrieg
. In allen militarischen Konflikten kam es seitens Frankreichs zu massiven Menschenrechtsverletzungen. Algerien erhielt im Jahr 1962 die Unabhangigkeit. Von 1960 bis 1966 gab es 17
Franzosische Kernwaffentests in Algerien
; beim letzten von vier oberirdischen Tests am 25. April 1961 setzte Frankreich einen Trupp von 300 Soldaten wissentlich
ionisierender Strahlung
aus.
[1]
Von 1958 bis April 1969 amtierte Charles de Gaulle als Prasident der
Funften Republik
. Er pragte in dieser Zeit die Entwicklung Frankreichs: Er wollte Frankreichs alten Glanz als
Weltmacht
wiederherstellen, machte Frankreich zur
Atommacht
(
Force de dissuasion nucleaire francaise
)
und leitete die Normalisierung der deutsch-franzosischen Beziehungen ein (1957 Romische Vertrage; einer davon der
Vertrag zur Grundung der Europaischen Gemeinschaft
;
Elysee-Vertrag
1963).
Das heutige Frankreich (Franzosische Republik, Republique Francaise) wird als
Funfte Franzosische Republik
verstanden und versteht sich staatsgeschichtlich als Nachfolger fruherer
Republiken
. Die
erste franzosische Republik
war 1792 ausgerufen worden und existierte bis 1804. Zu den franzosischen
Monarchien
siehe
Liste der Staatsoberhaupter Frankreichs
.
Das franzosische Konigreich hat sich im Mittelalter stufenlos aus dem
westfrankischen Konigreich
entwickelt. Letzteres war ein Ergebnis der Teilung des
Frankischen Konigreiches
im Jahre
843
. Das Frankische
Reich
entstand, als der im heutigen Belgien herrschende
salfrankische
Konig
Chlodwig I.
(481?511) aus der
Dynastie
der
Merowinger
die anderen Frankenreiche (z. B. das der
Rheinfranken
um Koln) eroberte.
Der Ausdruck
Franken
steht als Sammelbegriff fur verschiedene
germanische Gruppen
, die im 3. Jahrhundert in den Regionen an
Niederrhein
und im
Rheindelta
erstmals geschichtlich fassbar geworden waren.
Chlodwig I. konnte sich vermutlich erstmals als alleiniger
Konig der Franken
bezeichnen. Zuvor hatten mehrere frankische Konige und
Kleinkonige
existiert. Nach Chlodwigs Tod im Jahr 511 bis zum Ende der
merowingischen Dynastie
751 wurde das frankische Gesamtreich
(Regnum Francorum)
abwechselnd durch die frankischen Teilreiche, wie
Neustrien
,
Austrasien
,
Burgund
und
Aquitanien
und deren Konige dominiert.
Franzien
(im Franzosischen
France
, also der gleiche Ausdruck wie fur ?Frankreich“) war eine Art frankischer Kernraum nordlich der
Loire
. Nachfolger Chlodwigs I. als Herrscher des Gesamtreiches und
Konig der Franken (Francorum Rex, seltener Rex Francorum)
waren unter anderem
Chlothar I.
(558?561),
Chlothar II.
(613?629),
Dagobert I.
(632?639),
Chlodwig III.
(691?695) oder
Childerich III.
(743?751).
In der karolingischen Epoche bis zur Reichsteilung von Verdun (751?843) bestand die Titulatur
Konig der Franken
fort.
Karl der Große
nahm zudem 800 den Titel eines Romischen Kaisers an, den auch seine Nachfolger ubernahmen (siehe
Romisch-deutscher Kaiser
,
Liste der romischen Kaiser (800?924)
und
Liste der romisch-deutschen Herrscher
). Die Teilkonigreiche waren weiterhin von Bedeutung. Die
Reichsteilung 843
sah als Ergebnis unter anderem das westfrankische Konigreich, aus dem das Konigreich Frankreich wurde. Die westfrankischen Herrscher behielten den Titel
Konig der Franken
jedoch bis ins 13. Jahrhundert bei, ferner wurden sie weiterhin gewahlt. Auch
Karl II.
(823?877) war romischer Kaiser.
Auch nach dem Dynastiewechsel im westfrankischen Reich von der Karolingern zu den
Kapetingern
im Jahre 987 ? in der Geschichtsschreibung neben 843 oft als Beginn des franzosischen Konigtums angesehen ? bestand der Titel
Konig der Franken (Roi des Francs)
noch lange fort. Mitkonige sicherten den dynastischen Bestand. Bis ins letzte franzosische Konigsjahr 1848 entstammten die Konige aus der Dynastie der Kapetinger, allerdings aus verschiedenen Hausern (direkte Kapetinger 987?1328,
Valois
und Nebenlinien 1328?1589,
Bourbon
und Nebenlinien 1589?1792, 1815?1848).
Philipp II.
(1180?1223) verwendete um 1190 erstmals den Titel
Konig von Frankreich (Roi de France, Franciae Rex
, seltener
Rex Franciae)
.
Ludwig IX.
(1214?1270) wechselte wahrend seiner Regierungszeit in der offiziellen Bezeichnung von
Konig der Franken
zu
Konig von Frankreich
. Der Titel
Konig der Franken
bleibt aber bis zu
Philipp IV.
(1268?1314) in Gebrauch. Auf Munzen findet sich
Francorum Rex
sogar bis ins 17. Jahrhundert.
Die Titulatur
Konig von Frankreich und Navarra (Roi de France et de Navarre)
galt 1285?1328, 1589?1789 und 1815?1830. Zwischen 1328 und 1589 wurde wieder lediglich
Konig von Frankreich
verwendet. Nach Beginn der Franzosischen Revolution wechselte
Ludwig XVI.
1789 zum Ausdruck
Konig der Franzosen (Roi des Francais)
; dieser Titel wurde bis 1792 und dann wieder 1830?1848 verwendet. Anstelle auf das Territorium wurde nun auf die Bevolkerung Bezug genommen. Der Zusatz
Allerchristlichster Konig
war unter
Karl VII.
aufgekommen. Die Kaisertitel der Jahre 1804?1815 und 1852?1870 waren
Empereur des Francais (Kaiser der Franzosen)
.
Parallel zur Bezeichnung des Herrschers kam der Ausdruck
Konigreich Frankreich (Royaume de France)
ebenfalls im 13. Jahrhundert auf und in Gebrauch und ersetzte
Royaume des Francs (Konigreich der Franken)
bzw.
Francie occidentalis (westliches Franken)
. 1791 (zwei Jahre nach der Franzosischen Revolution) wurde aus der absoluten eine
konstitutionelle Monarchie
, aus dem
Konigreich Frankreich
fur ein Jahr das
Konigreich der Franzosen (Royaume des Francais
).
Bezeichnungen der Staatsoberhaupter bzw. obersten Organe
(ohne Ubergangsphasen):
- 5.?12./13. Jahrhundert: Konig der Franken
- 12./13. Jahrhundert?1791: Konig von Frankreich (und Navarra)
- 1791?1792: Konig der Franzosen
- 1792?1794:
Nationalkonvent
(
Maximilien de Robespierre
)
- 1795?1799:
Direktorium
(
Paul de Barras
)
- 1799?1804:
Konsulat
(
Napoleon Bonaparte
)
- 1804?1815: Kaiser der Franzosen
- 1815?1830: Konig von Frankreich und Navarra
- 1830?1848: Konig der Franzosen
- 1848?1852: Prasident der Franzosischen Republik
- 1852?1870: Kaiser der Franzosen
- 1870?1871: Prasident der Regierung der nationalen Verteidigung (Trochu)
- 1871?1940: Prasident der Franzosischen Republik
- 1940?1944: Staatschef (
Philippe Petain
)
- 1944?1947: Vorsitzender der Provisorischen Regierung
- seit 1947: Prasident der Franzosischen Republik
Bezeichnungen des Staates:
Zu den bedeutenden Fundorten aus der Zeit des
Aurignacien
, als auf dem Gebiet des heutigen Frankreich
Jager und Sammler
lebten, zahlen der
Abri de Cro-Magnon
und
La Ferrassie
. Aus dieser Zeit stammen auch die
Hohlenmalereien
der
Chauvet-Hohle
und wahrscheinlich auch der
Hohle von Lascaux
. Aus der mittleren
Altsteinzeit
sind in weiten Teilen Frankreichs Funde des
Mousterien
und verwandter Kulturgruppen bekannt. Bis zur
Jungsteinzeit
drangen sudwesteuropaische Bauernkulturen ein (
Chassey-Kultur
).
Bis 1500 v. Chr. haben sich wie in weiten Teilen Eurasiens und Afrikas weitere Bauernkulturen etabliert. Wahrend der
spatbronzezeitlichen
Wanderperiode (1250?750 v. Chr.) breiteten sich von Osten her
Urnenfelderkulturen
aus, im Westen verharrten westeuropaische Bronzekulturen.
Die
griechische Kolonisationsphase
brachte die Grundung von
ionischen
Koloniestadten
an der franzosischen Mittelmeerkuste: Massalia ?
Marseille
,
Olbia
, Antipolis ?
Antibes
, Nikaia ?
Nizza
, Agathe, Rhode (Mutterstadt:
Phokaia
im heutigen Kleinasien).
Im vierten Jahrhundert v. Chr. waren weite Teile Frankreichs Teil des
keltischen
Kernraums (fruhe
Latene-Kultur
). Die Kelten erreichten im darauffolgenden Jahrhundert die Mittelmeerkuste. Zu den keltischen Stammen zahlen zum Beispiel die
Aulerci
,
Biturigen
,
Arverner
,
Haeduer
,
Volcae
und
Allobroger
.
In den Zeiten der
Punischen Kriege
waren die griechischen Kolonien Sudfrankreichs Verbundete
Roms
. Die Kriegsexpedition der
Scipionen
gelangte uber Massilia und Rhodae in die
karthagischen
Gebiete der
Iberischen Halbinsel
(218?209 v. Chr.).
Die Expansion des
romischen Reiches
brachte auch das westliche Europa unter romische Herrschaft. Kleine Gebiete des heutigen Frankreich im Sudosten um Nizza (Nicaea) gehorten bereits zu
Ligurien
und damit zum italischen Kerngebiet. Die mittelmeernahen Gebiete wurden zwischen 154 und 121 v. Chr. romisch. Zwischen 58 und 51 v. Chr. eroberte
Gaius Iulius Caesar
im
Gallischen Krieg
die bis dahin unter keltischer Herrschaft stehenden Gebiete fur Rom. Es wurden die romischen Provinzen
Gallia cisalpina
,
Gallia Narbonensis
,
Gallia Belgica
und
Gallia Aquitania
eingerichtet.
Vor allem das
Rhonetal
bis
Lyon
(Lugdunum) und die Mittelmeergebiete gehorten zu den wirtschaftlichen Zentren des romischen Reiches. Von Lyon strahlten einige Haupthandelsstraßen von Suden nach Nordwesten und Nordosten aus. Residenzort war
Arelate
. Ein bedeutender romischer
Flottenhafen
befand sich in
Forum Iulii
.
Kurz vor der romischen
Reichsteilung von 395
erstreckten sich die Diozesen XIII (
Galliae
) und XIV (
Septem Provinciarum
) uber Frankreich, die zusammen mit XII (
Britanniae
) und XV (
Hispaniae
) im
westromischen Reich
die Prafektur
Gallien
bildeten.
Im funften Jahrhundert durchzogen
germanische Gruppen
weite Teile des romischen Imperiums. Im Gebiet des heutigen Frankreich ließen sich unter anderem die
Franken
im Norden und die
Burgunder
im Sudosten nieder. 451 besiegten die Romer in der
Schlacht auf den Katalaunischen Feldern
die
Hunnen
unter
Attila
. Nach dem Ende des Westromischen Reiches um 476 etablierten sich mehrere Reiche:
- Reiche der Franken im Norden (zum Beispiel das Reich der
Salfranken
)
- Reich der Burgunder im Sudosten
- Reich der
Westgoten
im Sudwesten
- Teile im Osten gehorten zum Herrschaftsgebiet der
Alamannen
.
- Teile im Sudosten waren Teil des italischen Reiches des
Odoaker
.
- Um
Paris
hatte sich als romisches Restgebiet das Reich des
Syagrius
gehalten.
- In der
Bretagne
(
Aremorica
) ließen sich keltische
Bretonen
nieder.
In der Folgezeit eroberten die Franken sowohl das Gebiet des spateren Frankreich als auch weite Teile Europas.
Der
Merowinger
Chlodwig I.
schaltete die anderen frankischen Kleinkonige aus und errichtete das
Frankische Reich
. Die Merowinger eroberten nach und nach die umliegenden Reiche und Gebiete 502?507
Alamannien
, 507?511
Aquitanien
von den Westgoten, 531 ebenfalls von den Westgoten das Gebiet des heutigen
Gascogne
und
septimanische
Gebiete an der oberen
Garonne
, 532?534 das Reich der Burgunder und 536 die ostgotischen Mittelmeergebiete um Marseille. Die Bretagne stand in loser Verbundenheit zum Frankenreich.
Im 8. Jahrhundert breiteten sich von Afrika her
Mauren
nach Europa aus und eroberten Spanien und Septimanien. Sie unterlagen 732 in der
Schlacht von Tours und Poitiers
dem Frankenreich. 759 wurde auch Septimanien frankisch. Das Frankenreich wurde seit 751 von den Karolingern gefuhrt.
Unter
Karl I.
(Karl der Große, Charlemagne) erreichte das Frankenreich seine großte Ausdehnung und beherrschte neben dem Gebiet des spateren Frankreich auch weite Teile des ubrigen Europa. Dieses Frankenreich wurde 843 in drei Teile geteilt. Aus dem
Westfrankenreich
entwickelte sich das Konigreich der Franken, das seit dem 13. Jahrhundert ?Konigreich Frankreich“ genannt wurde.
In den westlichen Gebieten des Frankischen Reiches entwickelten sich aus dem
Vulgarlatein
die romanischen Volkssprachen (
Langues d’oil
im Norden,
Langue d’oc
im Suden), in den ostlichen Gebieten wurden die germanischen Idiome weiterentwickelt (
Althochdeutsch
,
Altniederdeutsch
); bis um 1000 pendelte sich die romanisch-germanische
Sprachgrenze
zwischen Nordsee und Matterhorn ein.
843?1328: Vom Westfrankischen Konigreich zum Konigreich Frankreich
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Mit der Teilung im
Vertrag von Verdun
begann 843 die Geschichte
Frankreichs
als eigenstandiges Gemeinwesen. Die Sohne des
Karolingerkaisers
Ludwig I. des Frommen
(814?840) teilten das
Frankenreich
in einen
ostlichen
, einen
mittleren
und einen westlichen Teil, wie es damals ublich war, wenn der verstorbene Herrscher mehr als einen uberlebenden Sohn hatte. Erster Konig dieses
Westfrankischen Reichs
, dessen Wurzeln schon in fruheren Reichsteilungen in
Neustrien
und
Austrasien
begrundet liegen, wurde
Karl II. der Kahle
(843?877); dies kann als Ursprung des heutigen Frankreichs betrachtet werden, wobei der
Vertrag von Coulaines
843 nachtraglich gleichfalls als
Grundungsurkunde
erscheint, da er in dem Teilreich ein eigenstandiges Verfassungssystem begrundete. Franzosische Gelehrte greifen teilweise noch weiter in der Geschichte aus und sehen
Chlodwig I.
als ersten Konig an.
Faramund
(frz.
Pharamond
) ist hingegen ein legendenhafter Konig, der im fruhen 5. Jahrhundert gelebt haben soll.
Wie im Ostfrankenreich bilden sich große Territorien: Die
Herzogtumer
Franzien
,
Aquitanien
(Guyenne),
Gascogne
,
Bretagne
und
Normandie
, die
Grafschaften
Champagne
,
Grafschaft Toulouse
, Barcelona,
Grafschaft Flandern
, sowie die
Markgrafschaft
Gothien
. Ursprunglich wurde im Frankenreich das Konigreich unter allen Sohnen aufgeteilt. Dies wurde anfangs auch in den drei frankischen Teilreichen beibehalten. Schon bald anderte sich dies und es bildete sich eine Art staatliche Identitat im Westen, Osten sowie in Italien heraus. Das Mittelreich Lotharingien wurde dabei ab 925 endgultig dem Ostreich zugeschlagen. Verbunden war diese Anderung der Sichtweise mit Dynastiewechseln, mit der Einfuhrung neuer Namen fur die Reiche sowie mit dem Wechsel von der Erb- zur
Wahlmonarchie
; durch die Praxis, die Herrschersohne schon zu Lebzeiten der Vater zu kronen und an der Macht zu beteiligen, wurde in West- und Ostfranken die
dynastische
Herkunft dominierend. Anders als in Ostfranken/Deutschland, wo die
Karolinger
911 ausstarben und wahrend des gesamten Mittelalters nie mehr als funf Herrscher derselben Dynastie ununterbrochen aufeinanderfolgten, spielten in Westfranken/Frankreich dynastische Kontinuitat und das
Geblutsrecht
bis ins 19. Jahrhundert eine wesentliche Rolle, und die Konige erreichten Anfang des 13. Jahrhunderts sogar die Errichtung einer
Erbmonarchie
.
Anfangs hatte Westfranken eine starke Stellung unter den Karolingerreichen. Karl II. der Kahle konnte als letzter uberlebender Sohn Kaiser Ludwigs I. Italien erwerben und wurde 875 zum
Kaiser
gekront. Durch den fruhen Tod seines Sohnes und seiner beiden Enkel loste sich das Reich jedoch auf: 877 wurden
Niederburgund
(Arelat) und 888
Hochburgund
selbststandige Konigreiche, und auch die Herrschaft in Italien konnte nicht aufrechterhalten werden. 880 musste der Anspruch auf
Lothringen
aufgegeben werden, das an Ostfranken fiel. 884 wurde der ursprunglich ostfrankische Konig und Kaiser
Karl III. der Dicke
(881?887) Herrscher auch des westfrankischen Reichs, aber wegen seiner Passivitat angesichts der
normannischen
Bedrohung wurde er zur Abdankung gezwungen (
Reichstag
von
Tribur
). 888 wurde mit Graf
Odo von Paris
aus dem Geschlecht der
Robertiner
ein erster
Gegenkonig
in Westfranken gewahlt. In den nachsten 100 Jahren wechselte die Konigsstellung im Westfrankenreich ofter zwischen den Karolingern und den Robertinern. Aber selbst nachdem die Robertiner 987 endgultig die Konigsherrschaft im Westfrankenreich ubernommen hatten, war das franzosische Konigtum weitgehend auf seinen Kernraum in der Ile de France beschrankt und ubte nur eine nominelle Oberherrschaft uber die ubrigen Herzogtumer in Frankreich aus.
Zu einem Machtfaktor entwickelte sich das
burgundische
Kloster Cluny
und die von ihm ausgehende monastische Reformbewegung (
cluniazensische Reform
). Der Stifter von Cluny, Herzog
Wilhelm der Fromme von Aquitanien
, gab dem 910 gegrundeten Kloster eine von jeder weltlichen und bischoflichen Gewalt freie Verfassung; es war lediglich dem
Papst
unterstellt. Konig
Heinrich I.
des Ostfrankenreiches (919?936) erteilte dem Kloster das Privileg,
Tochterkloster
zu grunden und die Reform auch auf diese zu ubertragen. Begunstigend fur die Ausbreitung war nicht zuletzt das Machtvakuum im Grenzgebiet von Frankreich, Deutschem Reich und dem Arelat, sodass sich die cluniazensische Reform rasch ausbreiten konnte ? vor allem im westfrankischen Reich. Das Kloster wuchs im Laufe der Zeit zu einem zentralisierten Monchsstaat heran, dem im 12. Jahrhundert uber 200
Abteien
und
Priorate
unterstellt waren. Cluny entwickelte sich neben dem
romisch-deutschen Kaiser
zum zweiten bedeutenden abendlandischen Machtfaktor dieser Zeit und trug wesentlich zum Mitte des 11. Jahrhunderts eskalierenden
Investiturstreit
bei.
Nach dem Aussterben der Karolinger wurde 987 Herzog
Hugo Capet
von Franzien, ein Nachfahre des Gegenkonigs
Robert I.
aus dem Geschlecht der Robertiner, mit Unterstutzung der Kaiserin
Theophanu
Konig von Frankreich und begrundete die spater sogenannte
Kapetinger
-Dynastie.
1066 konnte Herzog
Wilhelm der Eroberer
England
erobern. Er war gleichzeitig
Vasall
des franzosischen Konigs. Das englische Konigshaus entwickelte sich zur großten Bedrohung fur die franzosische Krone uber die nachsten vier Jahrhunderte.
Der Aufstieg der Kapetinger begann mit
Ludwig VI.
dem Dicken (1106?1137); durch Ausbildung des
Lehnsrechts
und Privilegierung der Stadte konnte er die Starkung der Krone auf Kosten des niederen
Adels
einleiten. Ein franzosisches Nationalgefuhl entstand durch den Angriff
Kaiser Heinrichs V.
1124 und durch die
Kreuzzuge
, in denen sich die Franzosen als ?auserwahltes Werkzeug Gottes“ sahen. Ludwig verband sich mit dem Papsttum zum ?Schutz gegen Deutschland“. Sein
Kanzler
, der Zisterzienserabt
Suger von Saint-Denis
, stellte zudem eine Verbindung zwischen der Krone und den
Zisterziensern
her. Sein Kirchenbau, die
Kathedrale von Saint-Denis
, ist die Grabstatte fast aller franzosischen Konige und verkorpert als Initialbau der
Gotik
, die uber die nachsten 250 Jahre die europaische
Baukunst
dominieren wird, die gewachsene Bedeutung Frankreichs.
Unter
Ludwig VII.
(1137?1180) widerfuhr der Krone ein ernster Schlag: Ludwigs geschiedene Frau
Eleonore von Poitou und Aquitanien
heiratete 1152
Heinrich Plantagenet
, Herzog der Normandie, Graf von
Anjou
,
Maine
und
Touraine
, der 1154 auch Konig von
England
wurde. Das
Angevinische Reich
nahm damit etwa die Halfte des franzosischen Staatsgebiets ein. Ludwigs Sohn
Philipp II. August
(1180?1223) eroberte im
Franzosisch-Englischen Krieg ab 1202
die Normandie und verdrangte England aus dem Gebiet nordlich der
Loire
. Die englischen Ruckeroberungsversuche konnte er im Schulterschluss mit den
Staufern
1214 in der
Schlacht bei Bouvines
zuruckweisen. Im
Vertrag von Paris
konnte
Ludwig IX. der Heilige
(1226?1270) die englische Herrschaft auf Teile der
Gascogne
und
Aquitanien
im Sudwesten Frankreichs beschranken, die unter dem Namen Herzogtum
Guyenne
zusammengefasst wurden. Der englische Konig
Heinrich III. (England)
musste zudem Ludwig IX. als
Lehnsherrn
anerkennen.
Ein weiterer nahezu unabhangiger
Vasall
war der Graf von
Toulouse
, der neben der Grafschaft Toulouse auch uber das
Languedoc
gebot. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts unterschied sich der franzosische Suden kulturell und mit dem
Okzitanischen
auch sprachlich deutlich vom Norden. Die Verfolgung der
?Ketzerei“
im sudostlichen Teil des Reichs loste den
Albigenserkreuzzug
aus (1209?1229). Erste Ziele der mit außerster Brutalitat vorangetriebenen ?Bekehrung“ waren
Beziers
und
Carcassonne
. Ursprunglich begonnen durch den
Papst
, spielten ab 1216 religiose Fragen dabei nur noch eine untergeordnete Rolle ? die Kriegfuhrung lag jetzt beim Konig. Die Krone war auch hier siegreich, und Toulouse und das Languedoc fielen bis 1271 ebenfalls an sie. Der Papst ubernahm die Verfolgung der ?Ketzer“ (Katharer). Die zu diesem Zweck gegrundete
Inquisition
erhielt im Languedoc beinahe uneingeschrankte Macht. In der Region kam es hierauf immer wieder zu Aufstanden. 1244 wurde in einem letzten Kriegszug die Festung
Montsegur
erobert.
1226 gelang es
Ludwig VIII. (Frankreich)
, das Reich zur
Erbmonarchie
zu machen, was in
Deutschland
bis in die Neuzeit allen Herrscherfamilien verwehrt blieb. Nach dem Tod Kaiser
Friedrichs II.
im Jahre 1250 wurde
Ludwig IX.
zum machtigsten Herrscher des
Abendlandes
.
1246 vergab Konig Ludwig IX. die 1204 von den Plantagenets an die Krone zuruckgefallene Grafschaft
Anjou
an seinen jungeren Bruder
Karl
und begrundete so das
Haus Anjou
. Anjou erwarb in der Folge exterritoriale Gebiete: 1246 die
Grafschaft Provence
im romisch-deutschen Kaiserreich, 1266?1442 das
Konigreich Neapel
(papstliches Lehen aus dem
staufischen
Erbe), 1278?1283 das
Furstentum Achaia
(im von den
Kreuzfahrern
gebildeten
Lateinischen Kaiserreich
).
Konig
Philipp IV. der Schone
(1285?1314) starkte das Konigtum weiterhin durch kluge Finanzpolitik, die Liquidierung des
Templerordens
zugunsten der Krone und die Erweiterung der
Domaine royal
(
Krondomane
) um die
Champagne
. Der Konflikt mit England verscharfte sich aber erneut, und es kam 1297?1305 zu einer ersten militarischen Auseinandersetzung mit den traditionell pro-englischen Stadten in
Flandern
, in der der Konig aber letztlich die Oberhand behielt.
Auch der Konflikt mit dem
Papst
um dessen Weltherrschaftsanspruch eskalierte. 1303 setzte
Philipp der Schone
den Papst gefangen, und 1309 besiegelte er die Abhangigkeit der
Kurie
von Frankreich durch deren erzwungene Ubersiedlung nach
Avignon
. Wahrend des nun folgenden mehr als 100-jahrigen
Papsttums in Avignon
erfuhr die Kirche einen starken Autoritatsverlust.
Die
Kapetinger
-Dynastie erlosch 1328 in der alteren, direkten Linie mit dem Tod Konig
Karls IV.
Ihr folgte die
Valois-Dynastie
, die im Mannesstamm ebenfalls auf
Hugo Capet
zuruckgeht, auf den Thron (bis 1589).
Nach dem Tod des letzten
Kapetingers
wurde 1328 nach salischem Erbfolgerecht (mannliche Thronfolge)
Philipp
von Valois, Graf von Anjou, der Cousin des verstorbenen
Karl IV.
zum neuen Konig gewahlt; er begrundete die
Valois-Dynastie
(bis 1498). Thronanspruche erhob aber ebenfalls
Eduard III. Plantagenet
, Konig von
England
und Herzog von
Aquitanien
. Eduard war Neffe Karls IV. in weiblicher Folge. Vor diesem Hintergrund kam es 1337 bis 1453 zum
Hundertjahrigen Krieg
. England erzielte große Anfangserfolge und eroberte bis 1360 neben
Calais
den gesamten Nordwesten Frankreichs. Es kam in Frankreich zu schweren inneren Konflikten ? das Land hatte zusatzlich zu der
Pestepidemie
von 1348 unter den Kriegsfolgen und dem
Burgerkrieg der Armagnacs und Bourguignons
zu leiden. Ab 1369 konnte Frankreich den Gegner im Kleinkrieg abnutzen und bis 1380 auf wenige Stutzpunkte (Calais,
Cherbourg
,
Brest
,
Bordeaux
,
Bayonne
) zuruckdrangen.
Konig
Johann II. der Gute
(1350?1364) belehnte seine jungeren Sohne mit den wichtigen Territorien
Anjou
,
Berry
und
Burgund
. Diese Nebenlinien der Valois hatten bis 1477 erheblichen Einfluss im Konigreich. Insbesondere das
Haus Burgund
konnte wahrend dieser Zeit einen erheblichen Besitz anhaufen. Einen ersten Schritt dazu unternahm
Philipp der Kuhne
, Herzog von Burgund (1363?1404), als es 1378 zu einer Auflehnung der
flandrischen
Stadte gegen die kriegsbedingt hohe Steuerlast kam. Philipp von Burgund konnte diesen Aufstand niederschlagen und erhielt mit der Hand der flandrischen Grafin
Margarete von Male
1384 Flandern, mit dem
Artois
,
Hennegau
und der
Franche-Comte
. Philipp und sein Neffe
Ludwig Herzog von Orleans
(1392?1407) nahmen weiterhin die Regentschaft fur den geisteskranken Konig
Karl VI.
(1380?1422) wahr, waren aber untereinander in Machtkampfe verstrickt.
Es kam zur Staatskrise, als 1415 England mit der
Schlacht von Azincourt
erneut den Hundertjahrigen Krieg aufgriff. Herzog
Philipp der Gute
von Burgund (1419?1467) stellte sich auf die Seite Englands, als 1419 Anhanger des
Dauphin
seinen Vater ermordeten. England und Burgund besetzten schnell die
Normandie
und den Norden Frankreichs einschließlich Aquitanien und der
Ile-de-France
(
Krondomane
) mit
Paris
. Die Rettung kam mit
Jeanne d’Arc
(auch bekannt als ?Jungfrau von Orleans“). Diese konnte den nationalen Widerstand entfachen, zwang 1429 England zur Aufhebung der Belagerung von
Orleans
und fuhrte
Karl VII.
(1422?1461) zur
Salbung
in die
Kathedrale von Reims
. Schließlich wurde sie von den Burgundern gefangen genommen, an die Englander verkauft und am 30. Mai 1431 auf dem
Scheiterhaufen
verbrannt. In Frankreich gilt sie seither als Nationalheldin. Von der Romisch-katholischen Kirche wurde sie 1920
heiliggesprochen
. 1435 versohnte sich der Konig mit Burgund, 1436 wurde Paris und 1449?1453 schließlich die Normandie zuruckerobert. Nach der
Schlacht bei Castillon
wurde der Krieg beendet.
In der Zwischenzeit konnten die Burgunder weiter ihren Herrschaftsbereich ausbauen. Der Konig konnte 1435 deren Abwendung von England nur durch die Entlassung Burgunds aus der franzosischen Lehnsabhangigkeit erkaufen. Burgund verdankte seinen Aufstieg der anhaltenden Schwache der franzosischen Monarchie. Als jedoch 1461 nach Beilegung des Hundertjahrigen Krieges
Ludwig XI.
den franzosischen Thron bestieg, anderte sich die politische Lage: Da Burgund nach wie vor als Teil Frankreichs galt, war der Zusammenprall unausweichlich. Der Konflikt wurde noch durch die aggressive Politik Herzog
Karls des Kuhnen
(1467?1477) verscharft, der Burgund zum unabhangigen Konigreich erklaren wollte. Er traf eine entsprechende Vereinbarung mit dem
Habsburger
Kaiser Friedrich III.
(1440?1493), der aber im Gegenzug die Hand der burgundischen Erbin
Maria
fur seinen Sohn
Maximilian
forderte. Dem stimmte Karl letztlich auch zu, konnte jedoch die Fruchte seiner Politik nicht mehr ernten, da er 1477 in der
Schlacht bei Nancy
fiel.
Mit dem Erbfall erhob nun
Habsburg
Anspruche auch auf franzosisches Territorium. Es kam zum Krieg; erst 1493 fielen die
Grafschaft Flandern
und das
Artois
mit dem
Vertrag von Senlis
an Habsburg und wurden in das
romisch-Deutsche Reich
eingegliedert. Bei Frankreich verblieben die ubrigen franzosischen Territorien aus dem burgundischen Erbe (
Burgund
,
Nevers
,
Picardie
).
Im Zuge der
Italienischen Kriege
seit 1495 wurden Spanien und Frankreich zunehmend Machtkonkurrenten. Frankreich versuchte mehrfach Mailand zu annektieren und so die Oberhoheit in Italien zu erlangen. Unter der Regierung
Franz I.
kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit Kaiser Karl V., der seinen Besitz in Suditalien (Neapel) zu verteidigen suchte. Franz’ Offensivkriege blieben letztlich ohne Folgen.
Sein Nachfolger
Heinrich II.
unternahm ebenfalls Angriffskriege gegen das Haus
Habsburg
, die nur maßige Erfolge brachten. Durch die Unterzeichnung des
Friedens von Cateau-Cambresis
suchte man einen außenpolitisch stabilen Frieden, da es zu inneren Konflikten mit den
Hugenotten
kam. Durch diesen Frieden verlor Frankreich seine Vormachtposition an Spanien.
Es kam zur inneren Schwachung Frankreichs und der Krone. Katholisches und protestantisches Lager bekampften sich in den
Hugenottenkriegen
gegenseitig, um Einfluss auf die Regierung zu erhalten. In der
Bartholomausnacht
am 23./24. August 1572 in Paris wurden wichtige protestantische Personlichkeiten ermordet. Dies loste erneut
Fluchtlingsstrome
aus.
Das Ende der direkten Linie der sogenannten
Valois
fuhrte zu Kampfen, bei denen schließlich
Heinrich IV.
aus dem
Haus Bourbon
rechtmaßig Konig wurde (1589). Er war der bedeutendste mannliche Nachkomme des franzosischen Konigshauses und Neffe des Konigs Franz I., so dass er sich gegen das pro-spanische
Haus Guise
durchsetzen konnte, das den Thron usurpieren wollte. Er war
Protestant
und musste zum Katholizismus ubertreten, um seine Herrschaft zu festigen; dies soll er mit dem Ausspruch ?Paris ist eine
Messe
wert“ kommentiert haben. 1598 brachte das von Heinrich IV. erlassene
Edikt von Nantes
eine zeitweilige Beruhigung der Lage, die bis zur
Eroberung von La Rochelle
1628 anhielt.
Mit der Thronbesteigung Heinrich IV. begann die bedeutendste Epoche der franzosischen Geschichte: der erneute Aufstieg Frankreichs zur Vormacht in Europa und die Durchsetzung der absolutistisch-zentralistischen
Staatsform
. Heinrich installierte eine zentral gelenkte, vom Konig vollig abhangige
Burokratie
und schlug eine aggressive Außenpolitik gegenuber Spanien ein. Seine Ermordung (1610) verhinderte jedoch eine Invasion in den
Spanischen Niederlanden
. Sein Sohn
Ludwig XIII.
stand zunachst unter der Regentschaft seiner Mutter
Maria de’ Medici
. Es folgte eine Zeit, in der zwei
Kardinale
?
Armand-Jean du Plessis, duc de Richelieu
und
Jules Mazarin
? die Geschicke Frankreichs an Stelle des Konigs lenkten und den Protestantismus energisch zuruckdrangten. Mit der
Einnahme von La Rochelle 1628
verloren die Hugenotten den letzten der ihnen im Edikt von Nantes gewahrten befestigten Ruckzugsplatze und waren danach schutzlos der koniglichen absolutistischen Politik ausgeliefert. Unter der Leitung Richelieus wurde die Macht der Krone weiter gefestigt, die innere Opposition ausgeschaltet und sehr aktiv Außenpolitik betrieben. Auf Betreiben Richelieus griff 1635 Frankreich aktiv in den
Dreißigjahrigen Krieg
in Mitteleuropa ein und geriet damit automatisch in Konflikt mit Spanien (
Franzosisch-Spanischer Krieg (1635?1659)
). Im
Westfalischen Frieden
von 1648 erhielt Frankreich Gebiete im
Elsass
zugesprochen und erreichte eine dauerhafte Schwachung der Zentralgewalt im Heiligen Romischen Reich. Mit dem
Pyrenaenfrieden
(1659) ging die Zeit der Hegemonie Spaniens in Europa auch außerlich sichtbar zu Ende und das Zeitalter der franzosischen Dominanz in Europa begann. Diese Dominanz war militarisch und auch kulturell. Fast alle Fursten Europas orientierten sich am Vorbild der franzosischen Kultur am Hof von
Schloss Versailles
.
Franzosisch
wurde ab dem 17. Jahrhundert die
lingua franca
des europaischen Adels, zunachst in Mitteleuropa, im 18. und 19. Jahrhundert auch in Osteuropa (
Polen
,
Russland
,
Rumanien
); zahlreiche
Gallizismen
gelangten in die Sprachen Europas.
[2]
Jahrhundertelang wurde das Franzosische vom
Adel
und den
Intellektuellen
Europas gesprochen und galt als Sprache des Hofes und der Gebildeten (
Bildungssprache
).
1643 erbte der damals vierjahrige
Ludwig XIV.
den Thron, Mazarin fuhrte die Regierung weiter. Der Adelsaufstand der sogenannten
Fronde
bekampfte vergeblich die Herrschaft Mazarins und die absolutistische Macht. Nach dem Tod Mazarins 1661 nahm Ludwig XIV. selbst die Regierung in die Hand. Unter ihm gelangte Frankreich auf den Gipfel seiner Macht. Der Konig verfugte dabei uber eine bisher nie gekannte Machtfulle; er konnte alle Geschicke im Land bestimmen. Der
Sonnenkonig
war gewissermaßen das Zentralgestirn im
absolutistischen
Staat, um das sich alles drehte.
Außenpolitisch betrieb Ludwig XIV. in der politischen Tradition seines Großvaters und Richelieus eine expansive Politik mit dem Ziel, das Gewicht Frankreichs in Europa zu starken. Im blutigen
Londoner Kutschenstreit
(1661) erzwang er symbolhaft die Anerkennung des diplomatischen Vorrangs der franzosischen vor der spanischen Krone. Der franzosische Staat wurde von Grund auf reformiert, indem die Burokratie effektiv ausgebaut und das Rechtswesen vereinfacht wurde. Die Wirtschaft wurde nach den Grundsatzen des
Merkantilismus
umstrukturiert und das franzosische
stehende Heer
wurde zum großten des Kontinents ausgebaut. Eine
große Marine
kam hinzu. Dabei stand
Jean-Baptiste Colbert
dem Konig zur Seite. Ludwigs
Schloss Versailles
und die staatliche Organisation Frankreichs wurden uberall in Europa in kleinerer Form kopiert. Paris wuchs zu einer der großten Stadte und zum wissenschaftlichen und intellektuellen Zentrum Europas heran.
Wahrend der Herrschaft Ludwig XIV. fuhrte Frankreich vier expansive Kriege: Den
Devolutionskrieg
(1667?1668), den
Hollandischen Krieg
(1672?1678), den
Pfalzischen Erbfolgekrieg
gegen die
Augsburger Allianz
(1688?1697) und den
Spanischen Erbfolgekrieg
(1701?1713). Letzterer fuhrte zu einer exorbitanten
Staatsverschuldung
bis nahe an den Staatsbankrott und das Land hatte schwer unter den wirtschaftlichen Belastungen des Krieges zu leiden. Letztlich konnte sich Frankreich jedoch gegenuber der großen Koalition der europaischen Machte behaupten. Die Kriege fuhrten zu einer enormen territorialen Erweiterung Frankreichs vor allem im Osten gegenuber dem Heiligen Romischen Reich. Durch die zum Teil außerst rucksichtslose Kriegsfuhrung mit Zerstorung grenznaher Regionen zum Beispiel im Pfalzischen Erbfolgekrieg kam es jedoch zur Entwicklung von antifranzosischen Ressentiments, worin der Keim der spater sogenannten
deutsch-franzosischen Erbfeindschaft
gesehen werden kann.
Durch Ludwigs
Edikt von Fontainebleau
1685 wurde das
Toleranzedikt von Nantes
aufgehoben, um die Einheit des Staates zu vollenden. Kirchen der
Hugenotten
wurden zerstort, protestantische Schulen geschlossen. Wer im Lande blieb und noch als Protestant erkennbar war, wurde verfolgt. Trotz des Verbots der Auswanderung bei schwersten Strafandrohungen flohen Hunderttausende franzosische Protestanten in die reformierten Nachbarlander (das Vereinigte Konigreich, die Niederlande, Preußen, Hessen etc.). Fur Frankreich bedeutete die Massenemigration meist gut ausgebildeter Menschen einen schweren wirtschaftlichen Schaden; die Einwanderungslander profitierten davon.
Ludwig uberlebte seinen Sohn und seinen altesten Enkel und starb am 1. September 1715. Sein Urenkel
Ludwig XV.
folgte ihm auf dem Thron; in der Zeit der
Regentschaft
Philipps von Orleans
(1715?1723) gingen der wirtschaftliche Aufschwung und die kulturelle Blute weiter. Legendar sind die Hofintrigen um
Madame de Pompadour
und
Madame Dubarry
. Durch seine erfolglose Teilnahme am
Siebenjahrigen Krieg
(1756 bis 1763) gegen England verlor Ludwig XV. erhebliche Teile der franzosischen Kolonien in Nordamerika (
Quebec
,
Louisiana
) und Teile von Indien an England.
Ludwig XV. starb 1774; dann kam dessen Enkel
Ludwig XVI.
auf den Thron, der mit
Marie-Antoinette
, einer Tochter der osterreichischen Erzherzogin
Maria Theresia
verheiratet war. Ludwig XVI. machte die von Ludwig XV. noch kurz vor seinem Tod begonnenen Reformen zum großen Teil wieder ruckgangig und suchte durch eigene Reformen den Staat zu reorganisieren. Dabei unterlief ihm der Fehler, dass er die Obersten Gerichtshofe mit mehr Machtkompetenz ausstattete, wodurch es Hochadel und Klerus besser moglich war, seine Reformvorhaben zu bekampfen. Dies fuhrte in den 1780er Jahren zu einer großen Finanzkrise, zu der auch die Teilnahme am
Amerikanischen Unabhangigkeitskrieg
beitrug. Der Konig reagierte mit Sparmaßnahmen und versuchte das Finanzwesen neu zu regeln; auch versuchte er die direkte Besteuerung des 1. und 2. Standes (
Klerus
und
Adel
) zu erreichen. Nach dem extrem harten
Winter 1783/84
(siehe auch
Kleine Eiszeit#Franzosische Revolution
) und den Missernten der Jahre 1787 und 1788 sah sich der Konig im August 1788 genotigt, die alte standische Versammlung, die
Generalstande
(frz.
les Etats generaux
), einzuberufen, um die nicht mehr allein zu losenden Probleme anzugehen. Am 17. Juni 1789 erklarten sich die Abgeordneten des
Dritten Standes
zur
Nationalversammlung
und schworen, nicht eher auseinanderzugehen, bis eine
Verfassung fur Frankreich
geschaffen sei (
Ballhausschwur
). Diese Ereignisse gelten als der ?Anfang vom Ende“ des
Ancien Regime
(dt. ?ehemalige Herrschaft“).
1789?1814: Von der Franzosischen Revolution zum Ersten Kaiserreich
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Die Franzosische Revolution begann mit dem
Sturm auf die Bastille
in Paris am 14. Juli 1789 (heute
Nationalfeiertag Frankreichs
). Die Revolutionare wollten dem Absolutismus ein Ende setzen, der nach der Blutezeit unter Ludwig XIV. eine dekadente Phase unter Ludwig XVI. erreicht hatte. Am 26. August 1789 wurde in der
Nationalversammlung
die
Erklarung der Menschen- und Burgerrechte
als erste
Menschenrechtserklarung
in
Europa
proklamiert. Nach der missgluckten
Flucht des Konigs nach Varennes
organisierte der radikale
Club des Cordeliers
eine Demonstration, die am 17. Juli 1791 zum
Massaker auf dem Marsfeld
fuhrte. Die
Verfassung des 3. September 1791
wandelte Frankreich von einer absolutistischen in eine
konstitutionelle Monarchie
.
Einen Tag nach der
Kanonade von Valmy
wurde am 21. September 1792 die
Erste Franzosische Republik
ausgerufen. Die Verscharfung der Gegensatze fuhrte nach dem
Tuileriensturm
zu den
Septembermassakern
und letztlich zur
Enthauptung
des Konigs am 21. Januar 1793. Nach dem Aufstand der
Jakobiner
erfolgte der Ausschluss der
Girondisten
aus dem
Konvent
. Die
Terrorherrschaft
des zwolfkopfigen
Wohlfahrtsausschusses
von Jakobinern, der zuerst von
Georges Danton
und dann zunehmend von
Maximilien de Robespierre
geleitet wurde, begann mit der Annahme der
demokratischen Verfassung von 1793
, die allerdings nie in Kraft trat. Die Jakobinerherrschaft wurde am 27. Juli 1794 (
9. Thermidor
) mit der Verhaftung und tags darauf der Hinrichtung Robespierres und seiner Anhanger durch die
Thermidorianer
beendet, worauf das
Direktorium
die Macht ubernahm. Der Beginn der
Koalitionskriege
zwischen Frankreich und seinen Nachbarlandern war durch zahlreiche franzosische Siege gekennzeichnet, darunter Napoleons
Italienfeldzug
von 1796 bis 1797.
Am 9. November 1799 ergriff
Napoleon Bonaparte
mit dem
Staatsstreich des 18. Brumaire VIII
die Macht als
Erster Konsul
. Er ließ 1802 die Sklaverei, die im Zuge der Revolution abgeschafft worden war, in den Kolonien wieder einfuhren, was in der Kolonie
Haiti
im Jahre 1804 zu einem erneuten Aufstand fuhrte, worauf
Jean-Jacques Dessalines
die Unabhangigkeit Haitis erklarte.
In der
Kaiserkronung Napoleons I.
am 2. Dezember 1804 setzte sich
Napoleon
selbst die
Kaiserkrone
aufs Haupt. Napoleon setzte die Annexionspolitik seiner Vorganger fort und brachte in den
Koalitionskriegen
den großten Teil Europas unter seine direkte oder indirekte Kontrolle. Er agierte als
Imperialist
, wobei er den eroberten Landern auch Errungenschaften der Revolution und des Liberalismus uberbrachte:
Rechtsgleichheit
etwa oder den
Code civil
(?Code Napoleon“).
Am 2. Dezember 1805 siegte Napoleon gegen
Russland
und
Osterreich
in der
Schlacht bei Austerlitz
, auch
Dreikaiserschlacht
genannt. Im Oktober 1806 kam es zu der
Schlacht bei Jena und Auerstedt
, in der die
preußischen
Truppen vernichtend geschlagen wurden. Die franzosischen Truppen marschierten in
Berlin
ein. Napoleon marschierte durch
Polen
und unterzeichnete ein Abkommen mit dem russischen
Zar
Alexander I.
, das Europa zwischen den beiden Machten aufteilte.
Napoleon setzte einen europaweiten Handels
boykott
(die sog.
Kontinentalsperre
) gegen
Großbritannien
durch und setzte wahrend des
Kriegs auf der Iberischen Halbinsel
seinen Bruder
Joseph Bonaparte
als Konig in
Spanien
ein. Die Spanier erhoben sich, und es gelang Napoleon nicht, den Aufstand niederzuschlagen.
1809 kam es neuerlich zum Krieg mit Osterreich, das dieses Mal jedoch auf sich alleine gestellt war. Napoleon eroberte Wien, bußte aber kurz darauf in der
Schlacht bei Aspern
den Nimbus der Unbesiegbarkeit ein. Anderthalb Monate spater nahm er in der
Schlacht bei Wagram
erfolgreich Revanche und Osterreich musste sich im
Frieden von Schonbrunn
geschlagen geben.
In diesem Jahr ließ sich Napoleon von
Josephine
scheiden, da sie ihm keine Kinder gebaren konnte, und heiratete 1810
Marie-Louise von Habsburg
. Nach der Niederlage der
Grande Armee
(?Großen Armee“) im
Russlandfeldzug 1812
kam das Franzosische Kaiserreich ins Wanken. Die endgultige Niederlage der Franzosen kam 1813 in der
Volkerschlacht bei Leipzig
. Nach der Niederlage ging Napoleon ins Exil nach
Elba
, einer kleinen Mittelmeerinsel.
Ludwig XVIII.
wurde als Konig eingesetzt. Schon 1815 kehrte Napoleon aber wieder aufs Festland zuruck, wo ihn das Militar, das ihn aufhalten sollte, begeistert empfing. In Paris ubernahm Napoleon die
Herrschaft der Hundert Tage
, bis er
bei Waterloo
(auch ?Belle Alliance“ genannt), in der Nahe von
Brussel
endgultig besiegt wurde. Frankreich musste die eroberten Gebiete wieder aufgeben, konnte sein altes Territorium (einschließlich Elsass-Lothringens) aber fast vollstandig erhalten und musste nur die seit dem 17. Jahrhundert in seinem Besitz befindlichen Grenzfestungen
Philippeville
,
Mariembourg
,
Saarlouis
und
Landau in der Pfalz
im
Zweiten Pariser Frieden
abtreten.
1814?1871: Von der Restauration zum Zweiten Kaiserreich
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Die Restauration wurde in Frankreich mit der
Charte constitutionnelle
von 1814 eingeleitet, die nach dem kurzen Zwischenspiel der
napoleonischen hundert Tage
bis 1830 galt. Es wurden nun wieder Konige aus dem
Haus Bourbon
eingesetzt, das mit
Ludwig XVIII.
und
Karl X.
immer despotischer regierte. Am 26. Juli 1830 loste Karl X. das Parlament auf. Auf den ?Staatsstreich“ reagierte die
liberale
Opposition
mit Aufrufen zum
Widerstand
gegen das Regime.
Nach der
Julirevolution von 1830
ubernahm der
Burgerkonig
Louis-Philippe
aus der Nebenlinie Orleans des Hauses Bourbon die Herrschaft. In der
Julimonarchie
fuhrte er seine vom
Großburgertum
gestutzte Regierung zunachst liberal, gab dann aber seiner Politik eine zunehmend reaktionare Richtung, bis hin zum Beitritt Frankreichs in die
Heilige Allianz
, ein ursprunglich von Preußen, Russland und Osterreich gegrundetes, der
Restauration
verpflichtetes Staatenbundnis. Louis-Philippe wurde durch die
Februarrevolution 1848
, die zur
zweiten franzosischen Republik
fuhrte, gesturzt.
Louis Napoleon Bonaparte
, ein Neffe
Napoleon Bonapartes
, wurde zum
Prasidenten
gewahlt.
Am 2. Dezember 1852, ein Jahr nach dem
Staatsstreich vom 2. Dezember 1851
, kronte sich Louis Napoleon Bonaparte als
Napoleon III.
zum Kaiser (
Zweites Kaiserreich
). Er sicherte seine Macht durch Militar und Repressionsmaßnahmen, durch materielle Zugestandnisse an die Bevolkerung und durch eine aggressive Außenpolitik. Als Großbritannien 1857 den
Zweiten Opiumkrieg
gegen das Kaiserreich China begann, schloss Frankreich sich an. 1858 begann Frankreich mit der Eroberung von Territorien, die spater
Franzosisch-Indochina
wurden. Napoleon III. regierte bis zum 2. September 1870, als er bei der
Schlacht von Sedan
in preußische Gefangenschaft geriet. Am 4. September wurde die
Dritte Franzosische Republik
ausgerufen. Der
Deutsch-Franzosische Krieg
endete nach langen Verhandlungen am 10. Mai 1871 mit dem
Frieden von Frankfurt
.
1870?1958: Von der Pariser Kommune zur Vierten Republik
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Nach einer Kapitulation des Kaiserreichs kam es in Paris zum Volksaufstand gegen diese Kapitulation; die sogenannte
Pariser Kommune
entstand. Die Abgeordneten der Kommune forderten die Grundung einer
foderalistischen
Republik. Die konservative Mehrheit der franzosischen Nationalversammlung schickte Truppen gegen die Kommune. Nach zweimonatiger Belagerung kam es vom 21. bis 28. Mai 1871 zu erbitterten
Barrikadenkampfen
um die franzosische Hauptstadt. Fast ein Viertel der
Arbeiterbevolkerung
kam bei den Kampfen und den darauffolgenden Massenexekutionen ums Leben.
In der Folge wurde Frankreich wieder eine Republik. 1905 wurde als eine Konsequenz aus der
Affare Dreyfus
das
Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat
angenommen, wodurch die vollstandige
Trennung zwischen Staat und religiosen Institutionen
? franzosisch
laicite
, deutsch
Laizismus
? in der
franzosischen Verfassung
verankert wurde. Im
Ersten Weltkrieg
von 1914 bis 1918 (franzosisch
La Grande Guerre
) starben etwa 1,5 Millionen franzosische Soldaten. Frankreich gehorte nach dem Krieg zu den Siegermachten der
Entente
und
diktierte
den Verlierern 1919 im
Friedensvertrag von Versailles
harte Bedingungen. Das 1871 an Deutschland verlorene
Elsass-Lothringen
kam wieder an Frankreich.
In der
Zwischenkriegszeit
verfolgte Frankreich zunachst die Politik der Sicherheit am Rhein (
Ruhrgebietsbesetzung im Januar 1923
unter
Ministerprasident
Raymond Poincare
), der die deutsch-franzosische Annaherung im
Locarnovertrag
1925 folgte. Die folgenden Jahre waren Krisenjahre mit schnell wechselnden Regierungen. 1930 bis 1936 baute man mit bis zu 20.000 Arbeitern die
Maginot-Linie
; sie war sehr teuer und erwies sich im Juni 1940 (als die
Wehrmacht
Frankreich im
Westfeldzug
besiegte) als personalintensiv und nutzlos. Offensive Taktiken wurden nicht oder zu spat ergriffen; die Entwicklung der Panzer wurde unterschatzt (siehe auch:
Panzer (1914?1933)#Frankreich
).
Am 6. Februar 1934 beteiligten sich die
faschistische
Bewegung
Croix de Feu
und andere rechtsradikale Ligen an einer
großen antiparlamentarischen Straßenschlacht
. Nach dem Rucktritt von
Edouard Daladier
(1934) bildete
Gaston Doumergue
eine
Allparteienregierung
(franzosisch
Union Nationale
), die ohne Zustimmung der
Kommunisten
und
Sozialisten
auskommen musste. Sie hielt 272 Tage (vom 9. Februar bis zum 8. November 1934), die folgende Regierung Flandin I 204 Tage, die Regierung
Bouisson
3 Tage und die
Regierung Laval IV
229 Tage. Im Mai 1936 konnte die neu gebildete
Front populaire
(ubersetzt: Volksfront) aus Sozialisten, Kommunisten und
Radikalsozialisten
die Parlamentswahlen gewinnen (mit der
Parole
≪Brot, Frieden, Freiheit≫). Der Sozialist
Leon Blum
wurde 1936/37 und 1938 Ministerprasident (386+26=412 Tage). Sein Nachfolger wurde zweimal der Radikalsozialist Edouard Daladier. Die 'Front populaire' verfolgte konsequent das Prinzip der
Nichteinmischung
und war auf Frieden und Verteidigung eingestellt. Gegenuber
Deutschland
verfolgte sie eine
Appeasement-Politik
(ahnlich wie
Neville Chamberlain
, der von Mai 1937 bis 1940 britischer Premierminister war). Da seit 1930 die
Maginot-Linie
gebaut wurde, fuhlten sich viele vor einem deutschen Angriff sicher (ahnlich die Tschechoslowakei, die von 1933 bis 1938 den
Tschechoslowakischen Wall
baute).
Als
Hitler
am 1. September 1939 den
Uberfall auf Polen
begann, erklarten Frankreich und Großbritannien ihm zwei Tage spater
den Krieg
. Frankreich war jedoch militarisch kaum vorbereitet. Die
franzosische Armee
blieb bis 10. Mai 1940 (Beginn des deutschen
Angriffs auf die Beneluxlander
) in der Defensive (?
Sitzkrieg
“). Der
Westfeldzug
der
Wehrmacht
endete nach wenigen Wochen (?
Blitzkrieg
“) mit der volligen Niederlage der franzosischen Armee. Am 14. Juni 1940 besetzten deutsche Truppen die
offene Stadt
Paris. Staatsprasident
Albert Lebrun
beauftragte nach dem Rucktritt des Ministerprasidenten
Philippe Petain
am 16. Juni 1940 mit der Regierungsbildung und Waffenstillstandsverhandlungen. Hitler konnte den Besiegten die Bedingungen diktieren; der
Waffenstillstand von Compiegne (22. Juni 1940)
war de facto eine Kapitulation.
Nach der
Niederlage von 1940
wurde Frankreich in verschiedene Zonen aufgeteilt. Die von den Deutschen besetzte und unter Militarverwaltung gestellte ?Zone occupee“ (besetzte Zone) umfasste den Nordosten und Norden des Landes, die Atlantik- und die Kanalkuste, Gebietsabtretungen waren nicht vorgesehen. De facto annektierte das Deutsche Reich das
Elsass
, das ab Marz 1941 zum
Gau Baden
gehorte, wahrend das
CdZ-Gebiet Lothringen
einem deutschen
Chef der Zivilverwaltung
unterstellt war. Der deutsche
Militarbefehlshaber
(MBF) residierte mit seinen Behorden in Paris. Die
Departements
Nord
und
Pas-de-Calais
unterstanden der
Militarverwaltung in Belgien und Nordfrankreich
, der außerste Sudosten dem Bundnispartner Italien. In der ?Zone libre“ (
Freie Zone
) entstand das von den Deutschen abhangige konservativ-autoritare
Vichy-Regime
(offizielle Bezeichnung
Etat Francais
), das bis zum Einmarsch der Alliierten 1944 mit Deutschland
kollaborierte
und nach dem Regierungssitz, dem Kurort
Vichy
in der
Auvergne
, benannt wurde.
Chef de l’Etat
(Staatschef) war Marschall
Philippe Petain
. Die Freie Zone wurde am 11. November 1942 von Wehrmacht-Truppen besetzt (
Unternehmen Anton
), als den Alliierten die
Landung in Nordafrika
gelang. Wie in den anderen von Deutschland besetzten Staaten kam es auch in Frankreich zu bewaffnetem Widerstand gegen die Besatzung und ihre Helfer (siehe
Resistance
). Der deutschen
Partisanenbekampfung
fielen insgesamt rund 13.000 bis 16.000 Franzosen zum Opfer, darunter 4000 bis 5000 unbeteiligte Zivilisten.
[3]
Charles de Gaulle
rief in einer Radioansprache (
Radio Londres
,
Appell vom 18. Juni 1940
) die Franzosen zum
Widerstand gegen den Nationalsozialismus
auf, wobei er sich zugleich an die Spitze der Widerstandsbewegung stellte. Die
franzosische Exilregierung
erhielt Unterstutzung von
Winston Churchill
sowie durch das
Leih- und Pachtgesetz
der US-Regierung. Bei der
Landung in der Normandie
und der
Befreiung Frankreichs
waren mit untergeordneter Bedeutung auch Truppen des
Freien Frankreichs
beteiligt.
De Gaulle bildete am 3. Juni 1944 eine provisorische Regierung. Nach dem Ruckzug bzw. der Kapitulation der deutschen Besatzer kam es zuerst zu wilden Ausschreitungen. Frauen, die der
?horizontalen Kollaboration“
mit deutschen Besatzern beschuldigt bzw. verdachtigt wurden, wurden offentlich gedemutigt. Spater wurde die Einrichtung einer
Commission d’Epuration
auf regionaler Ebene bewirkt. Marschall Petain wurde am 15. August 1945 zum Tod verurteilt (von de Gaulle wurde die Strafe zwei Tage spater in lebenslange Haft umgewandelt) und der Ministerprasident des Vichy-Regimes
Pierre Laval
am 15. Oktober 1945 hingerichtet.
Am 13. November 1945 wahlte die
franzosische Nationalversammlung
de Gaulle zum Ministerprasidenten; danach bildete er das
Kabinett de Gaulle II
. Am 2. Juni 1946 wurde eine verfassunggebende Versammlung gewahlt; am 13. Oktober 1946 fand ein Verfassungsreferendum statt und am 10. November 1946 die erste Parlamentswahl. Die
Kommunistische Partei Frankreichs
(PCF) erhielt 182 Abgeordnetensitze, das
Mouvement republicain populaire
173 und die
Section francaise de l’Internationale ouvriere
102.
Georges Bidault
(MRP), Ministerprasident seit dem 24. Juni 1946, bildete eine Koalition aus PCF, MRP und SFIO und blieb nach der Wahl noch einige Wochen Ministerprasident; ihm folgten
Leon Blum
(
Kabinett Blum III
),
Paul Ramadier
(Kabinette
I
und
II
) und
Robert Schuman
(
I
).
Die
Verfassung der Vierten Republik
war bereits am 13. Oktober 1946 durch einen
Volksentscheid
beschlossen worden. Als erster Staatsprasidenten trat 1947 der Sozialist
Vincent Auriol
sein Amt an. 1954 wurde
Rene Coty
sein Nachfolger. Herausragende Politiker der Vierten Republik waren
Rene Pleven
,
Robert Schuman
,
Pierre Mendes France
und
Georges Bidault
.
Frankreich war trotz der
Niederlage 1940
gegen das Deutsche Reich von den Siegermachten (
USA
,
Großbritannien
,
Sowjetunion
) als gleichberechtigte Macht (
Besatzungsmacht
) anerkannt worden und wurde eine
UNO-Vetomacht
im
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
. In die Zeit der Vierten Republik fielen der
Indochinakrieg
, mit dem durch die
Niederlage Frankreichs
1954 das Ende des
franzosischen Kolonialreichs
eingeleitet wurde, und die ersten Jahre des
Algerienkriegs
(1954 bis 1962).
Wahrend dieses Krieges kulminierte die Krise der Vierten Republik; am 1. Juni 1958 beauftragte das
franzosische Unterhaus
Charles de Gaulle
mit der
Bildung einer neuen Regierung
und Verfassung. De Gaulle verlangte vor seiner Wahl als
Staatsprasident
Sondervollmachten zur Losung der Algerienkrise sowie eine Verfassungsanderung zur Starkung der prasidialen Autoritat gegenuber Regierung und Parlament.
1958?1981: Prasidentschaften de Gaulles, Pompidous und Giscard d’Estaings
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Im September 1958 bestatigten die Franzosen per Referendum mit 80 % die
Verfassung
der
Funften Franzosischen Republik
, die auf einen Vorschlag Charles de Gaulles zuruckging.
[4]
Sie trat am 4. Oktober 1958 in Kraft. Seitdem gilt Frankreich als
semiprasidentielle
Demokratie, der Begriff ist in der
Politikwissenschaft
allerdings umstritten. In der Verfassung wurde die exekutive Macht bekraftigt und dem
President de la Republique
weiterhin die Reprasentation des Staates zugesprochen. Er ist Befehlshaber
der Armee
, kann Gesetze verabschieden und die
Assemblee Nationale
jederzeit auflosen.
Als Staatsprasident bestimmte de Gaulle die politische Entwicklung Frankreichs bis 1969. Zwischen 1958 und 1960 wurden die
afrikanischen Kolonien
in die Unabhangigkeit entlassen. Im Zuge des anhaltenden Algerienkrieges wurde im Oktober 1961 in Paris eine nicht genehmigte, aber friedliche Demonstration mehrerer zehntausend
Algerier
blutig niedergeschlagen, zu der die algerische Unabhangigkeitsbewegung
FLN
aufgerufen hatte. Das
Massaker von Paris
, bei dem mindestens 200 Menschen ihr Leben verloren,
[5]
wurde in den franzosischen Medien fur lange Zeit totgeschwiegen und sollte erst uber 50 Jahre spater durch den franzosischen Staatsprasidenten
Francois Hollande
anerkannt und verurteilt werden.
[6]
Der Algerienkrieg wurde am 18. Marz 1962 mit den
Vertragen von Evian
und gegen den Widerstand großer Teile der Generalitat und vieler
Algerienfranzosen
beendet. Damit war die algerische Unabhangigkeit besiegelt, die meisten Franzosen mussten Algerien daraufhin verlassen. Die franzosische Untergrundbewegung
Organisation de l’armee secrete
(OAS), die den Status Algeriens als Bestandteil des franzosischen Mutterlandes erhalten wollte, suchte daraufhin die offene Konfrontation mit dem Staat, was in einem
Attentat
auf den franzosischen
Staatsprasidenten
de Gaulle mundete.
Die Entwicklung einer eigenen
Atomstreitmacht
und die Losung aus der militarischen Integration in die
NATO
dienten der angestrebten Rolle einer selbstandigen Großmacht. Weitere außenpolitische Ziele waren ein ?Europa der Vaterlander“ und die Annaherung an die Ostblockstaaten. Mit dem
Elysee-Vertrag
(1963) verstarkte sich die Annaherung und die Kooperation in den
deutsch-franzosischen Beziehungen
. Gegen den Beitritt
Großbritanniens
zur
Europaischen Wirtschaftsgemeinschaft
(EWG) legte Frankreich sein Veto ein. Bei den ersten direkten
Prasidentschaftswahlen 1965
wurde de Gaulle in seinem Amt bestatigt.
Die Funfte Republik wurde im
Mai 1968
durch Studentenunruhen und einen
Generalstreik
stark erschuttert, was langfristig kulturelle, politische und okonomische Reformen in Frankreich nach sich zog. Als Reaktion darauf loste de Gaulle die Nationalversammlung auf, die Neuwahlen im Juni 1968 fuhrten zu einem klaren Sieg der
Gaullisten
. 10 Monate spater verlor er jedoch ein Referendum zur Verfassungsreform und trat daraufhin vom Prasidentenamt zuruck.
Sein Nachfolger
Georges Pompidou
, der von 1962 bis 1968 Premierminister war, fuhrte die Politik des
Gaullismus
im Wesentlichen fort und trieb die wirtschaftliche Modernisierung des Landes voran. Sein Premierminister war zunachst
Jacques Chaban-Delmas
, ab 1972
Pierre Messmer
. Um 1971, also schon vor der
Olpreiskrise
von 1973, beschloss Frankreich, sich durch Nutzung der
Kernenergie
vom Erdol unabhangiger zu machen. Pompidou forderte insbesondere die franzosische Autoindustrie und den Bau von Schnellstraßen in den Stadten, dagegen wurden beim Schienenverkehr zahlreiche Nebenstrecken endgultig stillgelegt. Ebenso fallt die Konkretisierung einiger technischer Großprojekte in seine Amtszeit: Erster Flug einer
Concorde
1969, Grundung des
Airbus
-Konsortiums 1970, erster Prototyp eines
TGVs
1972, Start des
Ariane
-Programms 1973. Außenpolitisch befurwortete Pompidou die politische Einigung Europas und die Erweiterung der EWG, insbesondere den Beitritt Großbritanniens.
Nach dem plotzlichen Tod von Georges Pompidou im Jahre 1974 wurde der liberal-konservative
Valery Giscard d’Estaing
, der zuvor Minister fur Finanzen und Wirtschaft war, sein Nachfolger. Er gewann knapp die
Prasidentschaftswahlen
gegen
Francois Mitterrand
, dem Vorsitzenden der 1972 gegrundeten
Parti socialiste
und gemeinsamen Kandidaten der Linken. In seiner Amtszeit wurde ein gesellschaftliches Reformprogramm durchgesetzt, wie etwa die Liberalisierung der
Abtreibung
und eine Gesetzgebung zur Ehescheidung in gegenseitigem Einvernehmen. Als entschiedener Befurworter des europaischen Aufbauprozesses begrundete Giscard d’Estaing unter anderem die regelmaßige Abhaltung von Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EWG. Als Folge der Olkrise trat ab 1975 eine neue Form von Massenarbeitslosigkeit auf. Daraufhin trat der Premierminister
Jacques Chirac
1976 zuruck, sein Nachfolger
Raymond Barre
war zu einer strengen Sparpolitik gezwungen. 1979 kam es in einer
Banlieue von Lyon
zu den ersten Jugendunruhen.
Eine Zasur war der Sieg von
Francois Mitterrand
bei der
Prasidentschaftswahl in Frankreich 1981
und die Regierungsubernahme der Sozialistischen Partei bei den direkt anschließenden Parlamentswahlen. Mitterrand war das erste sozialistische Staatsoberhaupt der Funften Republik. Er anderte aber nichts an den Institutionen, sondern regierte mit denselben Mitteln wie seine Vorganger; seit dieser Zeit war das System der Funften Republik auch von der Linken weitgehend akzeptiert.
Der neue Premierminister
Pierre Mauroy
bildete eine Koalition mit den
Kommunisten
. Als eine der ersten Maßnahmen wurde die
Todesstrafe
abgeschafft und die Verwaltung
dezentralisiert
. Hinzu kamen weitreichende wirtschaftliche Maßnahmen wie die Erhohung des Mindestlohns (
SMIC
) und der Renten,
Verstaatlichung
von Banken und Schlusselindustrien sowie die Einfuhrung der 39-Stunden-Woche. Aufgrund einer schlechten wirtschaftlichen Entwicklung verließen die Kommunisten die Regierung und zum Nachfolger von Mauroy wurde 1984
Laurent Fabius
ernannt, der ein
Austeritatsprogramm
umsetzte. Ein bedeutendes Ereignis war ein Jahr spater die
Versenkung des Greenpeace-Schiffs ?Rainbow Warrior“
durch den franzosischen Geheimdienst in Neuseeland.
Im Jahr 1986 verlor die Linke bei den Parlamentswahlen ihre Mehrheit und es kam zur ersten
Cohabitation
der Funften Republik mit
Jacques Chirac
von der gaullistischen
RPR
als Premierminister. Bei den nachsten
Prasidentschaftswahlen 1988
setzte sich Mitterrand dann in der zweiten Runde gegen seinen Premier durch. Wahrend dieser Prasidentschaft waren vier Premierminister im Amt: Die Sozialisten
Michel Rocard
,
Edith Cresson
und
Pierre Beregovoy
sowie ab 1993 in einer weiteren Cohabitation der gaullistische
Edouard Balladur
. Als wichtige soziale Maßnahme fuhrte die Regierung die Sozialhilfe
Revenu minimum d'insertion
(RMI) ein. Der deutschen Wiedervereinigung stimmte Mitterrand nach anfanglichem Zogern zu. Frankreich beteiligte sich 1991 am
Zweiten Golfkrieg
und ratifizierte 1992 den
Vertrag von Maastricht
.
1995 gewann Chirac die
Prasidentschaftswahl in Frankreich 2002
gegen den PS-Kandidaten
Lionel Jospin
, zum Premierminister wurde
Alain Juppe
ernannt. Ende 1995 kam es zu Streiks hauptsachlich gegen die geplante Reform der Renten und der Sozialversicherungen; es waren die großten Streiks seit Mai 1968. Nach einer um ein Jahr
vorgezogenen Parlamentswahl
verlor Chirac 1997 die absolute Mehrheit in der
Nationalversammlung
. So kam es zu einer funfjahrigen
Cohabitation
mit
einem Kabinett
unter Jospin, das auf einer Allianz linker Parteien basierte (frz.
Gauche plurielle
). Zur Schaffung neuer Arbeitsplatze wurde unter anderem die
35-Stunden Woche
eingefuhrt, vorangetrieben durch Ministerin
Martine Aubry
. Außerdem bereitete die Regierung die Einfuhrung des
Euro
als neue gemeinsame europaische Wahrung vor, am 1. Januar 2002 loste er den franzosischen Franc als Zahlungsmittel ab.
Durch ein Referendum wurde im Jahr 2000 die Amtszeit des Prasidenten
von sieben auf funf Jahre
reduziert. Außerdem sollten in Zukunft die Parlamentswahlen direkt nach den Prasidentschaftswahlen stattfinden, um dem Prasidenten immer eine Mehrheit im Parlament zu sichern. Bei den
Wahlen 2002
belegte Jospin in der ersten Runde mit 16,18 % der Stimmen nur Platz drei knapp hinter
Jean-Marie Le Pen
, dem Chef der rechtsextremen
Nationalen Front
(franzosisch
le Front National
), unter anderem da sich die Stimmen der Linken auf viele Kandidaten aufgeteilt hatten. Er trat daraufhin von allen Amtern zuruck. In der Stichwahl wurde Amtsinhaber Chirac dann deutlich mit 82,21 % der Stimmen im Amt bestatigt. Von 2002 bis 2007 amtierten wieder konservative Regierungen unter den Premierministern
Jean-Pierre Raffarin
(Kabinette
Raffarin I
,
II
und
III
) und
Dominique de Villepin
(
Kabinett de Villepin
).
Im Sommer 2003 kostete eine
Hitzewelle
Tausende meist altere Menschen das Leben. Im selben Jahr bruskierte Chirac die USA, indem er ? wie Bundeskanzler
Gerhard Schroder
in Deutschland ? die Teilnahme am
Irakkrieg
verweigerte.
[7]
[8]
Zwei Jahre zuvor hatte sich Frankreich bei der
Intervention in Afghanistan
noch beteiligt.
Am 29. Mai 2005 wurde die geplante
EU-Verfassung
in einem
Referendum
abgelehnt. Soziale Missstande und eine verfehlte Integrationspolitik losten im Herbst 2005
Unruhen in vielen franzosischen Vorstadten
aus. Auch als Reaktion auf diese Unruhen wollte die Regierung einen ?Vertrag zur Ersteinstellung“ (frz.
Contrat premiere embauche
, CPE) einfuhren, mit dem ohne Kundigungsschutz mehr Jobs fur junge Erwachsene entstehen sollten, zog das Vorhaben aber nach Demonstrationen zuruck. Ansonsten war die franzosische Innenpolitik lange Zeit von der
Clearstream-Affare
bestimmt.
Im Mai 2007 gewann der ehemalige Wirtschafts- und Innenminister
Nicolas Sarkozy
die Stichwahl der
Franzosischen Prasidentschaftswahl
gegen die Sozialistin
Segolene Royal
, zum Premierminister ernannte er
Francois Fillon
. Mitte 2008 brachte Sarkozy eine große Verfassungsreform auf den Weg, die unter anderem die Amtszeit des Prasidenten auf zwei Legislaturperioden begrenzt und dem Parlament mehr Einfluss auf die Politik des Landes geben soll. Des Weiteren wurde mit dem Sozialgesetz
TEPA
unter anderem die Besteuerung der Uberstunden gesenkt und die Sozialhilfe durch das
Revenu de solidarite active
(RSA) reformiert.
[9]
Als Reaktion auf die
Weltfinanzkrise 2007
verabschiedete das
Kabinett Fillon II
2009 ein Hilfspaket von 360 Milliarden Euro. Im Jahr 2010 wies Frankreich massenweise illegal im Land lebende
Roma
aus und brachte damit die
EU-Kommission
gegen sich auf. Außenpolitisch fuhrte Sarkozy Frankreich 2009 in die
NATO
-Kommandostruktur zuruck und setzte sich 2011 wahrend des
Arabischen Fruhlings
maßgeblich fur den
Militareinsatz in Libyen
ein.
Fur die
Prasidentschaftswahl 2012
wurde
Francois Hollande
in einer Vorwahl
zum Kandidaten der
Parti socialiste
und der
PRG
bestimmt, die zum ersten Mal fur alle Wahlberechtigten offenstand, die sich ?zu den Werten der Linken und der Republik“ bekannten.
[10]
Am 6. Mai 2012 gewann er in der zweiten Runde gegen den Amtsinhaber Nicolas Sarkozy. Zum Premierminister ernannte er
Jean-Marc Ayrault
, der zwei Jahre spater vom vorherigen Innenminister
Manuel Valls
abgelost wurde. Eine der ersten umgesetzten Maßnahmen war 2013 die Einfuhrung der
gleichgeschlechtlichen Ehe
(frz.
mariage pour tous
), die auch zu Gegendemonstrationen fuhrte (
La Manif pour tous
). Im Jahr 2014 startete eine Reform der
Regionen
mit dem Ziel einer Effizienzsteigerung der Verwaltung, durch die es seit Anfang 2016 im europaischen Teil Frankreichs statt der bisherigen 22 nur noch 13 Regionen gibt.
Hollande ist seit Amtsbeginn mit der
europaweiten Krise
, der zunehmenden Uberschuldung von Staat und Sozialsystemen sowie der anhaltenden Deindustrialisierung Frankreichs konfrontiert. In diesem Rahmen werden außerdem Frankreichs
Staatsquote
, Reformfahigkeit und anderes kritisch diskutiert.
[11]
[12]
Im Jahr 2015 war Paris von zwei
islamistischen Terroranschlagen
betroffen: Am 7. Januar 2015 drangen maskierte Tater in die Redaktion der Satirezeitschrift
Charlie Hebdo
in Paris ein und toteten elf Personen. Daraufhin kam es spontan zu Solidaritatskundgebungen fur die insgesamt 17 Opfer des
Anschlags
, auf denen viele Plakate mit dem Slogan
Je suis Charlie
(?Ich bin Charlie“) zu sehen waren. Am 11. Januar versammelten sich landesweit mindestens 3,7 Millionen Demonstranten, davon allein 1,5 Millionen in Paris, zum sogenannten
Republikanischen Marsch
,
[13]
an dem auch 44 Staats- und Regierungschefs aus dem Ausland teilnahmen. Als politische Reaktion wurde die hochste Stufe ?alerte attentats“ des Sicherheitsmaßnahmenkatalogs
Plan Vigipirate
ausgerufen. Am Abend des 13. November verubten Terroristen an sechs verschiedenen Orten in der Stadt
Anschlage
, bei denen 130 Menschen starben und uber dreihundert Menschen teils lebensgefahrlich verletzt wurden. Die Angriffsserie richtete sich gegen die Zuschauer eines Fußballspiels im
Stade de France
, gegen die Besucher eines Rockkonzerts im
Bataclan
-Theater sowie gegen die Gaste zahlreicher Bars, Cafes und Restaurants. Als Konsequenz auf die Anschlage, zu denen sich die terroristische Vereinigung ?
Islamischer Staat
“ (IS) bekannte, verhangte die Regierung den
Ausnahmezustand
und rief eine dreitagige
Staatstrauer
aus.
Als weiteres wichtiges Ereignis des Jahres 2015 fand in Paris vom 30. November bis 12. Dezember die
UN-Klimakonferenz
unter Vorsitz von Außenminister
Laurent Fabius
statt, auf der das
Ubereinkommen von Paris
verabschiedet wurde.
Im Dezember 2016 gab Francois Hollande seinen Verzicht auf eine Kandidatur fur eine zweite Amtszeit bekannt.
Emmanuel Macron
, der ehemalige Wirtschaftsminister im
Kabinett von Manuel Valls
, konnte die
Prasidentschaftswahlen 2017
fur sich entscheiden. Er war mit einem
sozialliberalen
,
wirtschaftsliberalen
und pro-europaischen Programm angetreten und gewann die zweite Runde gegen
Marine Le Pen
, die Vorsitzende des
Front National
. Die Wahlbeteiligung lag jedoch nur bei 42 %.
[14]
Benoit Hamon
, der Kandidat der Linken (
Belle alliance populaire
), und
Francois Fillon
, der Kandidat der Rechten und des Zentrums, schieden beide bereits in der ersten Runde aus. Fillon galt bis zum Bekanntwerden des
Verdachts der Veruntreuung offentlicher Gelder
als Favorit fur die Wahlen. Noch weit hinter
Jean-Luc Melenchon
(
La France insoumise
) wurde Hamon nur Funfter.
Nach seinem Amtsantritt ernannte Macron den konservativen
Edouard Philippe
zum Premierminister. Bei den anschließenden
Parlamentswahlen
konnte die erst im April 2016 von Macron gegrundeten Partei
La Republique en Marche
(LREM) die absolute Mehrheit der Sitze gewinnen. In etwa die Halfte der Kandidaten von LREM kam aus der Zivilgesellschaft ohne bisheriges politisches Amt.
Als Reaktion auf die
Rentenreform
im Jahr 2023 kam es landesweit
Protesten
.
Als Folge der
Totung von Nahel Merzouk
bei einer Polizeikontrolle am 27. Juni 2023 kam es in ganz Frankreich zu schweren Ausschreitungen.
Im Marz 2024 wurde das Recht auf
Schwangerschaftsabbruch
nach einer Entscheidung der
Nationalversammlung
und des
Senats
in die
Verfassung
aufgenommen. Frankreich wurde damit das weltweit erste Land, in der das Recht auf Abtreibung in der Verfassung verbrieft wurde. Bereits zuvor war der Schwangerschaftsabbruch bis zur 14. Schwangerschaftswoche erlaubt.
[15]
- Heinz-Gerhard Haupt u. a.:
Geschichte Frankreichs.
Reclam, Stuttgart 2014.
- Jean Favier (Hrsg.):
Geschichte Frankreichs.
6 Bande, Stuttgart 1989 ff.
- Ernest Lavisse:
Histoire de France depuis les origines jusqu’a la Revolution.
9 Bande, Paris 1903?1911.
- Nouvelle Histoire de la France contemporaine.
20 Bande, Paris 1972?2005.
- Wolfgang Schmale:
Geschichte Frankreichs.
Ulmer (UTB), Stuttgart 2000,
ISBN 3-8252-2145-8
.
- Olivier Buchsenschutz u. a.:
Gallien (Frankreich).
In:
Reallexikon der Germanischen Altertumskunde
(RGA). 2. Auflage. Band 10, Walter de Gruyter, Berlin/New York 1998,
ISBN 3-11-015102-2
, S. 345?402.
- Matthias Waechter:
Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert.
C.H. Beck Verlag, Munchen 2019.
- Hippolyte Taine
:
Die Entstehung des modernen Frankreich
, (behandelt die Zeit vom
Ancien Regime
bis Napoleon und seinem Staatsneubau), sechs Bande, Berlin 2019, J. G. Hoof Verlag,
ISBN 978-3-936345-98-8
.
- ↑
?Soldaten fur Atomtests missbraucht“
(
Memento
des
Originals
vom 7. Mai 2010 im
Internet Archive
)
Info:
Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß
Anleitung
und entferne dann diesen Hinweis.
@1
@2
Vorlage:Webachiv/IABot/orf.at
, Bericht des
ORF
vom 17. Februar 2010
- ↑
Vgl.
Joachim Grzega
:
Latein ? Franzosisch ? Englisch: Drei Epochen europaischer Sprach- und Wortschatzgeschichte
, in: Grzega, Joachim,
EuroLinguistischer Parcours: Kernwissen zur europaischen Sprachkultur
, Frankfurt: IKO,
ISBN 3-88939-796-4
, S. 73?114.
- ↑
Peter Lieb
:
Konventioneller Krieg oder NS-Weltanschauungskrieg? Kriegfuhrung und Partisanenbekampfung in Frankreich 1943/44
, Munchen, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2007,
ISBN 978-3-486-57992-5
- ↑
Volksabstimmung in Frankreich
- ↑
Bert Eder:
50 Jahre danach: Keiner zahlte die Opfer
.
In:
Der Standard
.
21. Oktober 2011
- ↑
Hollande erkennt Massaker an Algeriern an.
In:
Spiegel Online
. 17. Oktober 2012.
- ↑
Library of Congress ? Federal Reserve Division:
Country Profile France
(PDF; 178 kB)
, S. 2?5.
- ↑
Stephen C. Jett und Lisa Roberts:
Modern World Nations ? France
, Philadelphia 2003,
ISBN 0-7910-7607-5
, S. 35?64.
- ↑
Start der Reformprojekte in Frankreich
Neue Zurcher Zeitung, 11. Juli 2007
- ↑
Francois Hollande wird Nicolas Sarkozy herausfordern
welt.de, 28. November 2013,
- ↑
zeit.de /
Gero von Randow
(16. November 2012):
Bon courage! ? Unser wichtigster Nachbar konnte Europas schlimmster Patient werden ? schuld ist ein unglaublicher Reformstau
.
- ↑
Berthold Seewald:
Funf Grunde fur Frankreichs Reformunfahigkeit.
welt.de, 16. Oktober 2011
- ↑
1,5 Millionen gedenken den Terror-Opfern
www.osterreich.at, 11. Januar 2015
- ↑
Julie Hamann:
Die Parlamentswahlen in Frankreich: Absolute Mehrheit fur Macron.
Bundeszentrale fur politische Bildung,
abgerufen am 24. Marz 2023
.
- ↑
Frankreich nimmt ≫garantierte Freiheit≪ der Abtreibung in die Verfassung auf.
In:
Der Spiegel.
4. Marz 2024,
abgerufen am 4. Marz 2024
.
Geschichte neuzeitlicher Staaten in Europa