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Anwar as-Sadat

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Anwar as-Sadat (1980)
Unterschrift as-Sadats in arabischer Schrift
Unterschrift as-Sadats in arabischer Schrift

Anwar as-Sadat , agyptisch-arabisch Mohamed Anwar el-Sadat ( arabisch ???? ???? ??????? , DMG Mu?ammad Anwar as-S?d?t , * 25. Dezember 1918 in Mit Abu el-Kum , Gouvernement al-Minufiyya ; † 6. Oktober 1981 in Kairo ), war ein agyptischer Staatsmann . Von 1970 bis 1981 bekleidete er das Amt des Staatsprasidenten .

Mit Gamal Abdel Nasser und anderen war er Mitbegrunder des Geheimbunds der Freien Offiziere , seit dem Staatsstreich 1952 bekleidete er hohe Amter. Als Nasser 1970 starb, wurde er sein Nachfolger als Staatsprasident. Sadat fuhrte Agypten zwar in den Jom-Kippur-Krieg 1973, loste in der Folge jedoch das Land aus der engen Bindung an die Sowjetunion und schloss 1979 einen Friedensvertrag mit Israel . Fur seine Bemuhungen im Friedensprozess mit Israel erhielt er zusammen mit Menachem Begin 1978 den Friedensnobelpreis . Er fiel 1981 einem Attentat von Gegnern seiner Politik zum Opfer.

Kindheit und Jugend [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Anwar Sadat wurde unter dem Familiennamen Sadati geboren. Er war sehr mit seiner Heimat und seinem Heimatdorf, M?t Abu 'l-K?m (??? ??? ?????) im Nildelta , verbunden, was auch daran zu erkennen ist, dass er die gesamten Erlose seiner Biographie sowie das Preisgeld seines Nobelpreises dem Dorf schenkte, aus dem er stammte. Sadat war stets stolz auf seine landliche Herkunft und betonte, dass er ursprunglich ein Fellache , also ein Bauer sei.

Sadat wuchs mit seinen 13 Geschwistern in Mit Abu 'l Kum bei seiner Großmutter auf, wahrend sein Vater, Muhammad Muhammad al-Sadati , mit seiner zweiten Frau Chairallah im Sudan lebte, wo er bei einem britischen Sanitatstrupp als Dolmetscher arbeitete. Sadat erlebte in seiner Kindheit Krankheit, Armut und Analphabetismus. Diese fruhen Eindrucke spiegelten sich in seiner spateren Sozialpolitik wider, in der er sich fur Armenfursorge, ein gutes Gesundheitssystem und Bildung fur alle einsetzte. 1924 bezog er mit seinem Vater eine Wohnung im Kairoer Vorort Kubri el-Kubba .

Die folgenden Jahre als Heranwachsender in Kairo waren fur Sadat gepragt von der Suche nach sich selbst. Nachdem sich Sadat kurze Zeit fur die Schauspielerei interessiert hatte und sich auch fur Rollen bewarb, entschied er sich schließlich doch fur den Eintritt in die Armee, die zu dieser Zeit ein hohes Ansehen genoss. Mit einigen Schwierigkeiten schaffte er es, in die Militarakademie aufgenommen zu werden, die er nach einem neunmonatigen Kurzlehrgang im Februar 1938 als Leutnant der Infanterie verließ.

Widerstand [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Nach seiner Entlassung von der Militarakademie heiratete er 1940 Iqb?l M??? (????? ????), die Tochter des Ortsvorstehers seines Heimatdorfes M?t Abu 'l-K?m, mit der er zwei Kinder, Rudayyah Sadat und Camila Sadat hatte. Er wurde dann in den Kairoer Vorort Maadi zu einer Fernmeldeeinheit versetzt, wo sein politisches Interesse zu keimen begann. Dies bedeutete vor allem, dass die Frustration uber den Status Agyptens als Quasi-Vasallenstaat Großbritanniens in ihm wuchs. Er fand es emporend, dass Agypten von einer Monarchie abhangig war, die nicht agyptisch war, und dass die agyptischen Politiker die britische Herrschaft in Agypten tolerierten und sogar legitimierten.

Sadat war zu der Uberzeugung gekommen, dass Agypten nur durch Gewalt sowohl von den Englandern als auch von der herrschenden korrupten Regierung jener Zeit befreit werden konne. Dazu wollte er eine Organisation innerhalb der Streitkrafte bilden, um die Revolution auszufuhren. Wahrend seiner Stationierung im oberagyptischen Manqabad (Sudan) fand er einige Gleichgesinnte. Zu dieser Zeit begegnete er auch erstmals Gamal Abdel Nasser . 1939 grundeten sie dann die erste geheime Organisation von Militars, die sich The Free Officers (Freie Offiziere) nannte und von Nasser geleitet wurde.

Im Februar 1941 griff auch der Zweite Weltkrieg auf Nordafrika uber und machte Agypten zum Kriegsschauplatz. Die Sympathien der Agypter lagen dabei auf Seiten der Deutschen, die die verhassten Briten bekampften und mit denen man keine schlechten Erfahrungen gemacht hatte. Die Erfolge, die General Rommel anfangs in Nordafrika verbuchen konnte, wurden bewundert.

Auch Sadat, der im Sommer 1941 nach Marsa Matruh versetzt wurde, war von diesem Mann fasziniert. Doch bei ihm blieb es nicht bei der bloßen Bewunderung fur den Feind seines Feindes, sondern er schmiedete heimlich Plane, wie man sich die Deutschen nutzlich machen konnte. Er geriet in Kontakt mit einem Geheimbund innerhalb der agyptischen Luftwaffe , dessen Ziel es war, Kontakt mit den Deutschen aufzunehmen und mit deren Hilfe die Briten zu vertreiben. Sadat wurde Mitglied dieser Truppe, und es kam tatsachlich zu einem Verschworungsversuch mit zwei deutschen Spionen . Sadat sollte diesen dabei behilflich sein, einen Sender bei den Briten einzuschleusen. Das Komplott flog auf, und Sadat wurde von der britischen Sicherheitspolizei verhaftet. Er wurde zunachst ins Auslandergefangnis in Kairo gebracht und dann Ende 1942 in ein Gefangnis im 260 Kilometer sudlich gelegenen Minieh verlegt.

Im Oktober 1944 gelang es Sadat, aus einem Militarhospital zu fliehen, nachdem er zwei Jahre in verschiedenen Gefangnissen verbracht hatte. Fortan musste er als Fluchtling im Untergrund leben. Die Jahre der Inhaftierung waren nicht spurlos an Sadat vorubergegangen. Im Gefangnis hatte er viel Zeit, sich auf sich selbst zu besinnen. Obwohl er nun von seiner Gruppe isoliert war, horte er nicht auf, sich als Teil dieser Gemeinschaft zu fuhlen und weiter fur das Ziel der Revolution zu arbeiten.

Nach seiner Flucht ? der Krieg war beendet ? wurde Sadat zum politischen Kampfer, als Ziel immer noch die Beseitigung der Briten vor Augen. Er verstrickte sich in verschiedene Mordkomplotte gegen die agyptische Fuhrungsriege, die mit der britischen Besatzungsmacht zusammenarbeitete. Das erste Ziel der Verschworer war Mustafa an-Nahhas Pascha , der Fuhrer der Wafd -Regierung, die mit Hilfe eines britischen Ultimatums 1942 installiert worden war. Als ein Attentat auf ihn scheiterte, wurde Amin Osman , ebenfalls ein Mitglied der Regierung Nahhas, zur nachsten Zielscheibe. Diesmal gelang der Anschlag: Osman wurde am 6. Januar 1946 erschossen. Sadat und seine Komplizen wurden festgenommen.

Zwei Jahre wartete Sadat auf seinen Prozess , der ab Januar 1948 stattfand und 84 Sitzungen beanspruchte. Kritiker bezeichnen ihn als Farce . Der Vorsitzende Richter des Kollegiums, das schließlich elf der Angeklagten einschließlich Sadats freisprach, erhielt spater aus seinen Handen die hochste agyptische Auszeichnung, die Nil-Kette .

1949 heiratete er Jehan Sadat , geborene Safwat Raouf. Das Paar bekam drei Tochter und zwei Sohne.

Aufstieg [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Sadat im Jahr 1953

Nach der Revolution von 1952 ging Konig Faruq I. am 26. Juli ins Exil. Am 18. Juni 1953 wurde die Republik Agypten ausgerufen und fortan hatte der Revolutionare Kommandorat , wie sich der Fuhrungsrat der Freioffiziere nun nannte, das Sagen. Nach einigen internen Debatten wurde Agypten im Marz 1953 zur Republik erklart. Muhammad Nagib wurde zum ersten Prasidenten ernannt und viele Mitglieder des revolutionaren Kommandorats wurden zu Ministern; Nasser bekleidete den Posten des Innenministers. Sadat ubte von 1954 bis 1956 das Amt des Informationsministers [1] aus und war Herausgeber der Zeitschriften Al Jumhuriya und Al Tahrir . [2] Ab 1957 war Sadat Vizevorsitzender und ab 1960 Vorsitzender der Nationalversammlung , was er bis zum Jahr 1968 blieb. [2] Zwischenzeitlich existierte vorubergehend die Vereinigte Arabische Republik . In den Jahren 1964 bis 1966 und 1969 bis 1970 war Sadat Vizeprasident von Agypten. [2]

Nasser und Parlamentsprasident Sadat bei ihrer Vereidigung 1965
Nasser und Chruschtschow leiten 1964 mit Vizeprasident Sadat die Fullung des Assuan-Stausees ein

Der Sechstagekrieg von 1967 brachte den arabischen Staaten und damit auch Agypten eine empfindliche Niederlage. Nach dem Suizid des Verteidigungsministers Abd al-Hakim Amr blieben von dem Revolutionaren Kommandorat neben Nasser nur noch Hussein Shafei , Zakarah Muhi ad-Din und Anwar as-Sadat ubrig. Nasser arbeitete am Wiederaufbau der Armee und des Landes. Mit Nassers Tod am 28. September 1970 ubernahm Sadat als Vizeprasident das Prasidentenamt ? wie von der Verfassung vorgesehen ? kommissarisch. Hernach gab es eine Ubergangszeit von 60 Tagen. Am 15. Oktober 1970 wurde Sadat durch ein Referendum als neuer Prasident Agyptens bestatigt. [3]

Der lange Weg zum Frieden [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die gescheiterte Friedensinitiative von 1971 [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Anwar Sadat stand zu Beginn seiner Amtszeit vor großen Herausforderungen. Der Sechs-Tage-Krieg von 1967 hatte in Agypten und in der gesamten arabischen Welt ein Trauma hinterlassen.

Sadat setzte sich 1971 in einem innenpolitischen Machtkampf durch. Große Differenzen gab es vor allem mit der pro-sowjetischen Gruppe um Ali Sabri , die alles daransetzte, Sadats Macht zu beschneiden. Doch dieser zeigte schnell, dass er mit der Macht umzugehen wusste: Er besetzte alle wichtigen Positionen in Regierung, Kabinett und Massenmedien mit loyalen Unterstutzern. [4]

Sadats erster und unerwarteter außenpolitischer Schritt war das Verkunden einer Friedensinitiative am 4. Februar 1971, also nur vier Monate nach seiner Machtubernahme. Er hatte das Jahr 1971 als Jahr der Entscheidung proklamiert, das er nicht verstreichen lassen wollte, ohne einen Fortschritt im Streit mit Israel errungen zu haben. Der Inhalt seines Friedensplans war folgender: Israel sollte sich aus dem Sinai bis zu den Passen zuruckziehen; im Gegenzug wurde Agypten den Sueskanal wiedereroffnen. Im Anschluss sollte ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet werden, Agypten wurde die diplomatischen Beziehungen zu den USA wiederherstellen, und schließlich sollte mit Hilfe des UN -Sondergesandten fur den Nahen Osten, Gunnar Jarring , ein Friedensvertrag mit Israel geschlossen werden.

Die 1971 von Sadat verkundete Friedensinitiative hatte bei weitem nicht die Wirkung wie sein Vorstoß sechs Jahre spater. Es schien, dass die Zeit fur eine solche Initiative noch nicht reif war, und es bestanden ernsthafte Zweifel an der Glaubwurdigkeit Sadats, der nur durch fehlende militarische Mittel an einer Fortsetzung des Abnutzungskriegs mit Israel gehindert worden war. Die erste offizielle Reaktion aus Israel kam von Premierministerin Golda Meir in einem NBC Interview vom 6. Februar 1971. Eine detailliertere und vorsichtigere Reaktion der Premierministerin gab es am 9. Februar nach einer langen Debatte in der Knesset. Ihr seien die Außerungen Sadats ?viel zu vage“, sagte sie, und sie sehe in ihnen die ?Wiederholung ublicher Phrasen“.

Die erste großere außenpolitische Tat Sadats war die Unterzeichnung eines Freundschafts- und Bundnisvertrags mit der Sowjetunion am 27. Mai 1971. Dies verwirrte nicht zuletzt die Amerikaner, denn es war ihnen unverstandlich, warum Sadat zuerst die agyptischen pro-sowjetischen Regierungsmitglieder beseitigt hatte und anschließend einen solchen Vertrag unterzeichnete. Sadat gelang es trotz starkster Uberwachung durch die Geheimdienste der UdSSR, der USA und Saudi-Arabiens, seine außenpolitischen Motive zu verbergen. Insgeheim hatte er sich aber wohl schon langst dazu entschieden, was er am 8. Juli 1972 in die Tat umsetzte: die Ausweisung aller sowjetischen Experten. Anlass fur diesen drastischen Schritt war das erneute Ausbleiben sowjetischer Waffenlieferungen. Sadat verfugte, dass alle Experten (ca. 15.000) Agypten binnen einer Woche verlassen sollten und samtliche Ausrustung, darunter vier MiG-25 -Flugzeuge, in die UdSSR zuruckgebracht werden sollten.

Der Jom-Kippur-Krieg 1973 und die Folgen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Sadat hatte schon langer an dem 1972 vollzogenen Kurswechsel in der agyptischen Außenpolitik gearbeitet. Vor allem durch die Saudis waren ihm Andeutungen zugespielt worden, die USA konnten ihm bei der Ruckgewinnung der besetzten Gebiete behilflich sein. Sadat begann, einen ?begrenzten“ Krieg zu planen mit einer doppelten Zielsetzung: die Ehre der agyptischen Armee, die sie in der Schmach von 1967 eingebußt hatte, durch eine Revanche an Israel zuruckzugewinnen und die Supermachte ? insbesondere die USA ? zu alarmieren, um sie zum Eingreifen in den Friedensprozess zu bewegen.

Die Folge dieser Politik war der Jom-Kippur-Krieg . Er wurde sorgfaltig in Abstimmung mit Syrien vorbereitet und begann am 6. Oktober 1973 mit einem Uberraschungsangriff. Schon kurz vor und wahrend des Krieges begann sich eine entscheidende Entwicklung abzuzeichnen: Henry Kissinger engagierte sich in der Sache, der Außenminister erst unter US-Prasident Nixon und dann unter dessen Nachfolger Ford . Kissinger kontaktierte Sadat bereits vier Tage nach Kriegsbeginn, um ihm mitzuteilen, dass durch einen Waffenstillstand eine gute Chance auf eine befriedigende Losung fur beide Kriegsparteien bestunde. Diese Initiative und eine zwei Tage spater durch den britischen Premierminister Edward Heath angeregte Initiative mit demselben Ziel lehnte Sadat, der unter dem Eindruck der agyptischen Anfangserfolge stand, ab. Dies und die Eroffnung der zweiten agyptischen Angriffswelle am 14. Oktober veranlassten Washington zur Freigabe der Waffenluftbrucke nach Israel. Letztlich aber fuhrten der Druck der Supermachte USA und UdSSR sowie der Einschluss seiner 3. Armee am Sinai dazu, dass der agyptische Staatsprasident in einen Waffenstillstand auf der Grundlage der UN-Resolutionen 242 und 338 einwilligen musste. Dasselbe tat Israel, worauf am 24. Oktober das Feuer eingestellt wurde.

Im November 1973 stimmte Sadat einem Sechs-Punkte-Plan von Golda Meir zu. Sie vereinbarten Gesprache Agyptens und Israels, um zu den Frontlinien vom 22. Oktober zuruckzukehren. Diese Verhandlungen wurden unter Aufsicht der Vereinten Nationen gefuhrt, zogen sich aber lange hin. Im Januar 1974 wurde das erste Abkommen zur Truppenentflechtung zwischen Agypten und Israel unterzeichnet.

Das Verhaltnis zu den USA begann sich trotz der Vorbehalte auf beiden Seiten zu intensivieren. Washington verfolgte als Reaktion auf den Oktoberkrieg und auf das arabische Olembargo eine Umarmungstaktik gegenuber den arabischen Frontstaaten, vor allem Agypten, die eine Revision der bisherigen Pramissen bedeutete. Diese neue Außenpolitik fand symbolisch ihren Ausdruck in Nixons Kairo -Besuch im Juni 1974. Mit der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen und dem demonstrativen Abschluss eines Wirtschaftsabkommens war die amerikanische Bereitschaft, Agypten und Syrien nunmehr scheinbar gleichrangig neben Israel zu behandeln, kundgetan. Die Nixon- bzw. Ford -Regierung machte allmahlich ihre Ankundigung wahr und raumte der Nahost- und Olpolitik nach dem Abschluss des Vietnam-Abkommens 1973 Prioritat ein.

Im Gegensatz zu diesen Interessen der USA, die auch eine starke wirtschaftliche Motivation beinhalteten, standen die Forderungen der arabischen Staaten: Ruckzug der israelischen Truppen aus den 1967 besetzten Gebieten, Wiederherstellung der nationalen Rechte der Palastinenser und ein Ende der Siedlungspolitik. Der wichtigste Faktor in der Strategie Sadats war die Zuruckgewinnung des besetzten Landes.

Gerald Ford mit Sadat in Salzburg, 1975

Der Nixon-Besuch 1974 weckte in Sadat neue Hoffnungen. Sadat machte deutlich, dass sich Agypten seine verlorenen Territorien zuruckholen werde, ob mit Gewalt oder ohne. Kissinger uberzeugte Sadat schließlich davon, dass ein schrittweises Vorgehen einem umfassenden Friedensvertrag vorzuziehen sei. Am 1. September wurde ein zweites Truppenentflechtungsabkommen unterzeichnet.

Von der Sadat-Initiative bis Camp David [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Menachem Begin , Jimmy Carter und Anwar as-Sadat in Camp David
Anwar as-Sadat mit den amerikanischen Senatoren Joe Biden (links) und Frank Church 1979

Die Einsetzung der neuen US-Regierung unter Carter (1977) markierte den Beginn eines Versuchs, die Konfliktparteien und Streitpunkte umfassender anzusprechen. Wahrend des Wahlkampfes 1976 hatte Carter eine ehrgeizigere Strategie gefordert, die zur Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Staaten fuhren sollte. Die neue US -Strategie schien jedoch noch nicht aufzugehen. Sie ruckte zwar von einer fur die arabischen Staaten wenig hoffnungsvollen eindimensionalen Nahostpolitik ab, doch wurde die einseitige Parteinahme fur Israel in allen strittigen Fragen beibehalten. Dies außerte sich in einer Fortfuhrung der US- Vetopolitik im UN-Sicherheitsrat , wo man 1976 und 1977 gegen eine uberwaltigende Mehrheit Resolutionen blockierte, die einen vollstandigen Ruckzug Israels ultimativ forderten sowie den Palastinensern Rechte auf Selbstbestimmung zugestanden.

Sadat entschloss sich, selbst vor die Knesset zu treten, um den Reprasentanten des israelischen Volkes klarzumachen, dass es an ihnen liege, zu entscheiden, ob sie wirklich den Frieden wollten. Hieruber beriet er sich im Vorfeld seiner Entscheidung in mehreren ausfuhrlichen Telefongesprachen mit dem damaligen Bundeskanzler und politischen Freund Helmut Schmidt. [5] So kam es zu jener historischen Rede anlasslich der agyptischen Parlamentseroffnung am 9. November 1977, in der Sadat verkundete, er werde bis ans Ende der Welt ? und selbst nach Israel in die Knesset ? gehen, wenn er dadurch den Tod eines einzigen Soldaten vermeiden konne.

Kaum jemand nahm das ernst, aber als der israelische Ministerprasident Menachem Begin Sadat einlud, sagte dieser zu. [6] Die Reaktionen seitens der arabischen Staaten waren verheerend. Syrien , Irak , Libyen und Algerien brachen die diplomatischen Beziehungen mit Agypten ab, die PLO verurteilte die Initiative energisch. Sadat hatte gehofft, dass die arabischen Staaten an den Verhandlungen teilnehmen wurden, und glaubte auch weiterhin, dass ein agyptisch-israelischer Friede eine Art Domino-Effekt auf die Region haben konnte. Sadats Hauptinteresse galt der Ruckgewinnung des Sinai .

Bereits am 19. November begann der spektakulare Israel-Besuch Sadats mit seiner Landung auf dem Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv . Begin und Staatsprasident Ephraim Katzir begrußten Sadat mit militarischen Ehren. [6] Am Tag darauf sprach Sadat vor dem israelischen Parlament. Erstmals erkannte ein arabischer Staatschef das Existenzrecht Israels an, ohne Wenn und Aber.

In seiner Rede erklarte Sadat, er sei nicht nach Israel gekommen, um ein Separat-Abkommen mit Israel zu schließen, denn ein solches konne nicht zu einem dauerhaften Frieden in der Region fuhren. Dazu sei eine Losung des Palastinenserproblems notig, und er wolle dieses Problem nicht verschieben, sondern jetzt eine umfassende Losung herbeifuhren. Als Grundlage fur einen Frieden nannte er den vollstandigen israelischen Abzug aus den besetzten Gebieten einschließlich Ost- Jerusalems , die Anerkennung eines Palastinenserstaates inkl. dessen international anerkannter und sicherer Grenzen, die Begrundung bilateraler Beziehungen auf Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen ; in der Summe also Gewaltverzicht im Interesse der Losung von Meinungsverschiedenheiten und die Beendigung des Kriegszustandes im Nahen Osten.

Es dauerte fast ein ganzes Jahr, bis sich Sadat und Begin nach zahen Verhandlungen ? und durch das Eingreifen Jimmy Carters bewegt ? zu Friedensgesprachen nach Camp David zuruckzogen. Nach 13 harten Verhandlungstagen wurde schließlich ein Friedensabkommen mit historischem Stellenwert vereinbart, denn es war das erste zwischen einem arabischen Staat und Israel uberhaupt. Schnell hatte sich jedoch gezeigt, dass die Vorstellungen, die Sadat in seiner Knesset -Rede der Weltoffentlichkeit prasentiert hatte, illusorisch und nicht wirklich umsetzbar waren: Zu einem umfassenden Frieden, den es ja bis heute noch nicht gibt, war die Zeit lange nicht reif. Die ubrigen arabischen Staaten reagierten verletzt, fuhlten sich verraten und waren zu keinen weiteren Verhandlungen bereit. Letztlich war auch Israel zu keinen großeren Zugestandnissen bereit. Sadat konnte allerdings den Sinai fur Agypten zuruckgewinnen, was die arabische Moral starkte und den Mythos von Israels Unbesiegbarkeit zunichtemachte. 1978 erhielten Begin und Sadat fur ihren Einsatz fur den Frieden den Friedensnobelpreis . Altbundeskanzler Helmut Schmidt bezeichnete Sadat als einen Freund und integeren Menschen mit Weitblick.

In der arabischen und islamischen Welt geriet Agypten durch den Separatfrieden jedoch in die Isolation. Außer Sudan (das eine wirtschaftliche, politische und militarische Integration mit Agypten anstrebte), Somalia und Oman brachen alle arabischen Staaten ihre Beziehungen zu Agypten ab, Agyptens Mitgliedschaft sowohl in der Arabischen Liga als auch in der Organisation fur Islamische Zusammenarbeit wurde 1979 suspendiert und die Liga verlegte ihr Hauptquartier von Kairo nach Tunis. Vergeblich versuchte Sadat 1980, mit nichtarabischen islamischen, vor allem schwarzafrikanischen Staaten eine Gegenorganisation, die Liga der arabischen und islamischen Volker , aufzubauen.

Islam und Staat unter as-Sadat [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

As-Sadat wandte sich wahrend seiner Prasidentschaft vollig vom sozialistischen und panarabisch-nationalistischen Kurs seines Vorgangers Nasser ab und leitete eine ?Reislamisierung“ der Gesellschaft ein. Schon kurz nach seinem Machtantritt amnestierte er die unter Nassers Herrschaft inhaftierten Muslimbruder. Sadat suchte offenbar ein gutes Verhaltnis zu diesen Gruppen, um sie als Verbundete im Kampf gegen linke Gruppierungen zu gewinnen. Auf ihre Forderungen eingehend, sorgte er dafur, dass in der neuen Verfassung von September 1971 die ?Prinzipien der islamischen Scharia als eine Hauptquelle der Gesetzgebung“ (Art. 2) verankert wurden. [7]

Auch nach außen hin gab er sich als betont frommer Muslim. Indem er plotzlich seinen zweiten Vornamen Muhammad betonte, unterstrich Sadat seinen Anspruch, ein ?glaubiger Prasident“ (ra??s mu?min ) zu sein. 1971 begann er bei den Feierlichkeiten anlasslich des Prophetengeburtstags offentliche Ansprachen zu halten. [8]

Im Marz 1973 berief er ?Abd al-Hal?m Mahm?d , einen dezidierten Befurworter der Anwendung der Scharia , zum Scheich der Azhar . [9]

Im Dezember 1976 forderte Sadat in einer Regierungserklarung, dass der Islam auch die Basis der staatlichen Erziehung werden musse. Auf seine direkte Anweisung hin wurde mit Beginn des Schuljahres 1977/78 der Religionsunterricht an den Schulen in den Rang eines obligatorischen Haupt- und Prufungsfaches erhoben. [10] Islam als Kultur und Wertesystem sollte ein Fundament fur den moralischen Aufbau eines neuen Agyptens sein. 1980 wurde Art. 2 der Verfassung erneut geandert und die Scharia zu der Hauptquelle der Gesetzgebung erklart. [11] Die Muslimbruder hatten insgesamt unter Sadat relativ große Bewegungsfreiheit. 1976 wurde ihr Zentralorgan ad-Da?wa wieder zugelassen. [12]

Als nach dem Beginn des Friedensprozesses mit Israel die Kritik an ihm aus islamischen Kreisen starker wurde, versuchte er den Einfluss religioser Autoritaten einzudammen. So benutzte er zwischen 1979 und 1980 in offentlichen Reden haufig die Formel: ?Keine Politik in der Religion, und keine Religion in der Politik.“ Nach Unterzeichnung des Camp-David-Abkommens im Marz 1979 unternahm er eine Reise durch die agyptische Provinz, auf der er die islamistischen Gruppen und Muslimbruder heftig kritisierte. [13]

1981 ließ Sadat Artikel 201 des agyptischen Strafgesetzbuches in der Weise abandern, dass Geistliche, die sich in Ausubung ihres Amtes oder bei einer offentlichen Versammlung uber die Regierung, ein Gesetz, Dekret oder Handlungen der offentlichen Verwaltung ausfallend außern, mit einer Haftstrafe von zwei Monaten belegt werden konnen. [14]

Ermordung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Grab des unbekannten Soldaten und Grab von Anwar as Sadat in Nasr City , Kairo

Im Sommer 1981 fanden in Kairo Pogrome statt, bei denen Kopten von Islamisten ermordet wurden. Sadat ließ daraufhin landesweit 1536 Oppositionelle verhaften, vorwiegend Muslimbruder . Als der Leutnant Chalid Islambuli am 3. September von der Verhaftung eines Bruders erfuhr, geriet er außer sich. Er wandte sich an Faradsch , den Fuhrer der Gruppe Al-Dschihad und schlug ihm vor, Sadat bei der fur den 6. Oktober anstehenden Militarparade zu toten. [15] Die Parade sollte an die Uberquerung des Sueskanals zu Beginn des Jom-Kippur-Krieges erinnern. Er selbst war zu dieser Parade als Kommandant eines Lastwagens eingeteilt worden.

Islambuli beurlaubte drei Untergebene, ersetzte sie durch eingeschleuste Komplizen und besorgte Sturmgewehre , Munition und Handgranaten , die die Gruppe in ihrem Fahrzeug unbemerkt mit sich fuhrte. Hierbei kam ihnen zugute, dass das Tragen geladener Waffen wahrend der Parade zwar verboten war, Offiziere aber diesbezuglich nicht kontrolliert wurden. Vor der Tribune Sadats hielt Islambuli das Fahrzeug an, er und seine Komplizen sprangen heraus und griffen die Tribune mit Handgranaten und Gewehren an. Sadat wurde von 37 Kugeln getroffen und starb zusammen mit sieben seiner Gaste. [16] Der neben Sadat stehende Vizeprasident Husni Mubarak wurde verletzt. Das Attentat geschah vor den laufenden Kameras des Fernsehens, in deren Richtung der Anfuhrer der Attentater rief: ?Ich habe den Pharao getotet!“ [15] [17]

In Vorbereitung des Attentats hatten sich am 26. September in Saft al Laban, einem Kairoer Elendsviertel, die Fuhrer von Gruppen aus Kairo und Mittelagypten getroffen, deren Ziel ein anschließender Volksaufstand war. [15] Wahrend in Kairo nur eine Bombe explodierte, gingen am 8. Oktober Aufstandische in Assiut zum Angriff uber, um die Volksrevolution auszulosen. Da dies der erste Tag des Opferfestes war, einer Reihe von Feiertagen, die traditionsgemaß zu Hause in der Familie verbracht werden, gelang der uberraschende Schlag gegen das Hauptquartier der Sicherheitspolizei, das nur von einem Bereitschaftsdienst unter Fuhrung eines christlichen Offiziers besetzt war. Dieser wurde enthauptet, die Schawisch-s, einfache Polizisten, wurden ebenfalls getotet. Da die mittelagyptische Polizei die Stadt nicht unter ihre Kontrolle bringen konnte, zerschlugen am ubernachsten Tag aus Kairo eingeflogene Fallschirmjager die Rebellion. [15] Die erhoffte islamische Volksrevolution blieb aus, Nachfolger Sadats wurde sein Stellvertreter Mubarak.

Den Trauerzug am Tag der Beisetzung begleiteten zahlreiche westliche Politiker, so die ehemaligen Prasidenten der Vereinigten Staaten Jimmy Carter , Richard Nixon und Gerald Ford , Prinz Charles von Großbritannien, der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt , der damalige Prasident Frankreichs, Francois Mitterrand , sowie politische Fuhrer aus der Sowjetunion und Afrika. Außer dem Prasidenten des Sudan , Numeiri , und dem Prasidenten Somalias , Siad Barre , war kein arabischer Fuhrer gekommen, um Sadat die letzte Ehre zu erweisen. In Libyen und im Sudlibanon wurde sein Tod sogar gefeiert. In der iranischen Hauptstadt Teheran wurde eine Straße nach dem Morder Sadats benannt, die jedoch 2001 in Intifada -Straße umbenannt wurde, um die iranisch-agyptischen Beziehungen zu verbessern.

Nach Massenverhaftungen von Islamisten wurden die meisten nach und nach freigelassen. Nur die gefassten Al-Dschihad-Mitglieder wurden in zwei Prozessen abgeurteilt. Im ersten Prozess wurden funf der 24 Angeklagten zum Tode verurteilt, die vier Attentater und der Fuhrer der Kairoer Gruppe, der Chefideologe Faradsch, wurden am 15. April 1982 hingerichtet. Im zweiten Prozess standen 302 Personen unter Anklage. [15] Die in den Prozessprotokollen festgehaltenen Aussagen der Attentater spiegeln ihren Stolz uber den Anschlag wider; sie sind daher ein wertvolles Zeugnis uber die Denkweise und Einstellung einer islamistischen Terrorgruppe.

Ehrungen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Filme [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Days of Sadat , Originaltitel Ayam El-Sadat , aus dem Jahr 2001. Ein Film aus der Perspektive von Sadat und seiner Frau Jehan. Grundlage des Filmes waren laut Vorspann die jeweiligen Memoiren der beiden. Sadat wird gespielt von Ahmed Zaki , der kurz vorher schon Nasser gespielt hatte.

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Anwar Sadat  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Sadat Mohammed Anwar As, Harenberg Personenlexikon, Dortmund 2000, S. 859.
  2. a b c Anwar al-Sadat - Biographical. Nobel Foundation, 1979, abgerufen am 10. Juli 2013 .
  3. Transformation: Agypten. Bertelsmann-Stiftung , archiviert vom Original (nicht mehr online verfugbar) am 16. Marz 2013 ; abgerufen am 10. Juli 2013 .
  4. Henry Kissinger: Memoiren. 1968 - 1973 . Bertelsmann, Gutersloh 1979, S.   1353 .
  5. Interview. NZZ , 19. November 2009, abgerufen am 11. November 2015 .
  6. a b Egyptian leader's Israel trip makes history. BBC , 19. November 1977, abgerufen am 10. Juli 2013 .
  7. Vgl. Kogelmann 87f.
  8. Vgl. Kogelmann 87.
  9. Vgl. Malika Zeghal: Gardiens de l'Islam. Les oulemas d'al Azhar dans l'Egypte contemporaine. Paris 1996. S. 145.
  10. Vgl. Kogelmann 92.
  11. Vgl. Kogelmann 98.
  12. Vgl. Kogelmann 102.
  13. Vgl. Zeghal 238.
  14. Vgl. Zeghal 238.
  15. a b c d e Gilles Kepel : Der Prophet und der Pharao. Das Beispiel Agypten: Die Entwicklung des muslimischen Extremismus . Piper Verlag, Munchen 1995, ISBN 3-492-03786-0 , Kapitel Tod dem Pharao , S.   208 und 224–234 ( englischer Text in der Google-Buchsuche [abgerufen am 6. Juli 2013] franzosisch: Le prophete et pharaon . Ubersetzt von Gabriele Deja).
  16. Herbst in Kairo. In: Der Tagesspiegel . 23. September 2011, abgerufen am 21. Juli 2013 .
  17. Gilles Kepel: Das Schwarzbuch des Dschihad. Aufstieg und Niedergang des Islamismus . Piper Verlag , Munchen 2002, ISBN 3-492-04432-8 , Kapitel Die Ermordung von Anwar as-Sadat und der exemplarische Charakter des agyptischen Islamismus , S.   109 (franzosisch: Jihad ? Expansion et declin de l’islamisme . Ubersetzt von Bertold Galli).