Peter I.
(
portugiesisch
Dom Pedro I
; mit vollstandigem Namen
Pedro de Alcantara Francisco Antonio Joao Carlos Xavier de Paula Miguel Rafael Joaquim Jose Gonzaga Pascoal Cipriano Serafim de Braganca e Bourbon
; *
12. Oktober
1798
in
Queluz
; †
24. September
1834
ebenda) war von 1822 bis 1831
Kaiser von Brasilien
und unter dem Namen Peter IV. 1826
Konig von Portugal
. Er stammte aus dem
Haus Braganza
.
Peter I.
wurde am 12. Oktober 1798 um 8:00 Uhr im
Konigspalast von Queluz
in der Nahe von
Lissabon
geboren.
[1]
Er wurde nach
Petrus von Alcantara
benannt, und sein voller Name war
Pedro de Alcantara Francisco Antonio Joao Carlos Xavier de Paula Miguel Rafael Joaquim Jose Gonzaga Pascoal Cipriano Serafim
.
[2]
[3]
Er besaß ab seiner Geburt ein Anrecht auf die Anrede
Dom
(?Herr“).
[4]
Durch seinen Vater, Prinz Johann (spater
Konig Johann VI.
), war Peter ein Mitglied des
Hauses Braganza
(portugiesisch:
Braganca
) und ein Enkel des Konigs
Peter III.
und der Konigin
Maria I
. von Portugal, welche sowohl Onkel und Nichte als auch Ehemann und Ehefrau waren.
[5]
[6]
Seine Mutter,
Charlotte Joachime
, war die Tochter des
Konigs Karl IV. von Spanien
.
[7]
Seine Eltern fuhrten eine sehr ungluckliche Ehe. Charlotte Joachime war eine ehrgeizige Frau, die immer versuchte, die
spanischen
Interessen zu fordern, auch wenn diese zum Nachteil fur Portugal ausfielen. Sie war angeblich ihrem Ehemann untreu und ging so weit, mithilfe unzufriedener portugiesischer Adliger den Sturz ihres Ehemanns zu planen.
[8]
[9]
Als zweitaltester Sohn und viertes Kind wurde Peter aufgrund des Todes seines alteren Bruders
Francisco Antonio
im Jahre 1801 zum Erben seines Vaters und zum Prinzen von Beira erklart.
[10]
Nachdem Konigin Maria I. 1793 fur unheilbar geisteskrank erklart wurde, ubernahm ihr Sohn Prinz Johann als Regent die Regierungsgeschafte im Auftrag seiner Mutter.
[11]
[12]
Bis 1802 entfremdeten sich Peters Eltern immer mehr, sodass Johann im
Nationalpalast von Mafra
und Charlotte Joachime im Ramalhao-Palast wohnte. Peter und seine Geschwister hingegen residierten mit ihrer Großmutter Maria I. im Queluz-Palast, weit entfernt von ihren Eltern, die sie nur bei staatlichen Anlassen in Queluz sahen.
[13]
[14]
Ende November 1807 fluchtete die konigliche Familie mit dem neunjahrigen Peter nach
Brasilien
, da sich eine von
Napoleon
gesandte franzosische Invasionsarmee auf dem Weg nach Lissabon befand. Napoleon wollte das Land so fur seine Weigerung bestrafen, an der
Kontinentalsperre
gegen
England
teilzunehmen.
Wahrend der langen und beschwerlichen Reise las Peter
Vergils
Aeneis
und unterhielt sich mit der Schiffsbesatzung, um Navigationskenntnisse zu erwerben.
[15]
[16]
Peter und seine Familie kamen im Marz 1808 in
Rio de Janeiro
, der Hauptstadt der großten und reichsten Kolonie Portugals, an, welche zur neuen Residenzstadt ernannt wurde.
[17]
Peter sollte Portugal erst 1832, also nach 24-jahriger Abwesenheit, wieder betreten.
In Brasilien ließen sich Peter, sein jungerer Bruder
Michael
und sein Vater nach einem kurzen Aufenthalt im
Paco Real
(koniglicher Palast) oder
Paco de Sao Cristovao
(St.-Christophs-Palast) nieder.
[18]
[19]
Obwohl Peter nie ein sehr enges Verhaltnis zu seinem Vater hatte, liebte er ihn und missbilligte die standige Erniedrigung, die Johann durch die außerehelichen Affaren von Charlotte Joachime erlitten hatte.
[20]
Im Erwachsenenalter betitelte Peter seine Mutter, fur die er nur Gefuhle der Verachtung hegte, in aller Offentlichkeit als ?Hundin“.
[21]
Diese fruhen Erfahrungen von Verrat, Kalte und Vernachlassigung hatten großen Einfluss auf die Bildung von Peters Charakter.
[22]
Ein gewisses Maß an Stabilitat in seiner Kindheit bot seine
Aia
(Gouvernante), Maria Genoveva do Rego e Matos, die er wie eine Mutter liebte, und sein
Aio
(Oberaufseher) Bruder Antonio de Arrabida, der sein Mentor wurde.
[23]
[24]
Beide waren verantwortlich fur die Erziehung von Peter und versuchten, ihn mit einer angemessenen Ausbildung zu versehen. Seine Ausbildung umfasste eine breite Palette von Themen wie Mathematik, politische Okonomie, Logik, Geschichte und Geographie.
[25]
Er lernte sowohl Portugiesisch als auch
Latein
und
Franzosisch
.
[26]
Er konnte aus dem
Englischen
ubersetzen und verstand
Deutsch
.
[27]
Auch als Kaiser widmete Peter mindestens zwei Stunden am Tag dem Studium und der Lekture.
[27]
[28]
Trotz der großen thematischen Breite von Peters Ausbildung erwies sich diese nur als mangelhaft. Der Historiker Otavio Tarquinio de Sousa sagte, dass Pedro ?ohne Schatten des Zweifels intelligent, schlagfertig und scharfsinnig war“.
[29]
Der Historiker Roderick J. Barman berichtet jedoch, dass er von Natur aus ?zu uberschwanglich, zu unberechenbar und zu emotional“ sei. Er blieb impulsiv und lernte nie,
Selbstbeherrschung
zu uben oder die Folgen seiner Entscheidungen einzuschatzen sowie seine Ansichten den veranderten Situationen anzupassen.
[30]
Dennoch erlaubte sein Vater keiner Person, ihn zu disziplinieren.
[25]
Wahrend Peters Ausbildung zwei Stunden Unterricht pro Tag vorschrieb, umging er dies manchmal, indem er seine Ausbilder zugunsten von Aktivitaten, die er interessanter fand, wegschickte.
[25]
1815 wurde Brasilien durch einen Beschluss des
Wiener Kongresses
zu einem eigenen Konigreich, das mit Portugal durch
Personalunion
verbunden war (
Vereinigtes Konigreich von Portugal, Brasilien und den Algarven
). Damit endete fur Brasilien der Kolonialstatus. Peters Großmutter, Konigin
Maria I.
, erhielt so neben ihren portugiesischen Titeln auch noch die Wurde einer Konigin von Brasilien. 1816 starb Maria I., und ihr Sohn Johann VI. bestieg den portugiesischen und den brasilianischen Thron. Peter wurde dadurch in beiden Reichen Thronfolger.
Der Prinz fand seine Erfullung vor allem in Aktivitaten, die seine physischen Fahigkeiten forderten, anstatt im Klassenzimmer zu lernen. Auf der Farm seines Vaters in Santa Cruz trainierte Peter Pferde und wurde ein ausgezeichneter Reiter und Hufschmied.
[31]
[32]
Er und sein Bruder Michael liebten Reitjagden auf unbekanntem Terrain, durch Walder und sogar in der Nacht oder bei schlechtem Wetter.
[31]
Er zeigte Talent beim Zeichnen und bei handwerklichen Arbeiten und beschaftigte sich mit Holzschnitzerei und Mobelbau.
[33]
Außerdem hatte er eine Vorliebe fur Musik und wurde unter Anleitung von
Marcos Portugal
ein fahiger Komponist. Er hatte eine gute Singstimme und beherrschte mehrere Musikinstrumente (darunter Klavier, Flote und Gitarre), auf denen er beliebte Lieder und Tanze spielte.
[34]
Peter war schlicht in seinen Gewohnheiten und im Umgang mit Menschen. Normalerweise bestand seine Alltagskleidung aus einer weißen Baumwollhose, einer gestreiften Baumwolljacke und einem breitkrempigen Strohhut oder, in formelleren Situationen, aus Gehrock und Zylinder. Nur zu offiziellen Anlassen trug er hofische Kleidung.
[35]
Er nahm sich haufig Zeit, sich mit Leuten auf der Straße zu unterhalten und ihre Bedenken zur Kenntnis zu nehmen.
[36]
Peter besaß eine Energie, die an Hyperaktivitat grenzte. Er war ungestum und tendenziell herrschsuchtig und aufbrausend. Er langweilte sich leicht und ließ sich sehr schnell ablenken. In seinem Privatleben beschaftigte er sich neben seinen Jagd- und Reitaktivitaten vor allem mit Frauen.
[40]
Sein ruheloser Geist zwang ihn, Abenteuer zu suchen. Er verkleidete sich manchmal als Reisender und stieg in den anruchigsten Vierteln von Rio de Janeiro in Tavernen ab.
[41]
Er trank selten Alkohol, war aber ein unverbesserlicher Frauenheld.
[42]
Seine fruheste bekannte langere Affaire war mit einer franzosischen Tanzerin namens Noemi Thierry, die ein totes Kind von ihm gebar. Als Pedros Vater als Johann VI. den Thron bestieg, entfernte er Thierry vom Hof, um die Verlobung des Prinzen mit Erzherzogin
Maria Leopoldina
, der Tochter von Kaiser Franz I. von Osterreich (ehemals
Franz II., Romisch-deutscher Kaiser
), nicht zu gefahrden.
[43]
Am 13. Mai 1817 wurde Leopoldine in der
Augustinerkirche
, der Hochzeitskirche der
Habsburger
in
Wien
,
per Stellvertreter
mit Dom Pedro verheiratet. Als Stellvertreter fungierte ihr Onkel, Erzherzog
Karl
.
[44]
Als die junge Erzherzogin am 5. November in Rio de Janeiro ankam, verliebte sie sich sofort in Peter, der viel charmanter und attraktiver war, als sie erwartet hatte: ?Nach Jahren unter einer tropischen Sonne war sein Teint noch hell, seine Wangen rosig.“ Der 19-jahrige Prinz war gutaussehend, etwas uber mittelgroß, mit glanzenden dunklen Augen und dunkelbraunem Haar.
[45]
Es folgte die Hochzeitsmesse mit der Wiederholung der Eheversprechen.
[46]
Aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor: Maria (spater Konigin
Maria II. von Portugal
), Miguel, Johann,
Januaria
, Paula,
Franziska
und Peter (spater Kaiser
Peter II. von Brasilien
).
[47]
Eine schwere Belastung fur die Ehe war Peters langjahrige Beziehung mit
Domitilia de Castro Canto e Melo
, die er zur Markgrafin von Santos (portugiesisch
Marquesa de Santos
) erhob, deren uneheliche Tochter er legitimierte und die er sogar zur Hofdame seiner Frau machte, was diese tief demutigte. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten und sogar zu Handgreiflichkeiten.
Im November 1826 verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Kaiserin rapide; sie litt unter Erbrechen, Krampfen, Blutungen und Verwirrtheit. Am 2. Dezember erlitt die im dritten Monat Schwangere eine Fehlgeburt. Leopoldine starb am 11. Dezember 1826 im Palast Boa Vista bei Rio de Janeiro.
Schon kurz nach ihrem Tod tauchten Geruchte auf, wonach die Fehlgeburt und ihr Tod dadurch verursacht worden seien, dass ihr Mann sie bei einem heftigen Streit in den Bauch getreten habe. Diese Version wurde auch von einigen Historikern aufgegriffen. Eine grundliche forensische Untersuchung ihrer sterblichen Uberreste im Jahr 2012 ergab jedoch keinerlei Hinweise darauf, sondern machte einen Tod infolge einer Infektion wahrscheinlich.
[48]
In Portugal hatten inzwischen britische Truppen die franzosische Besatzung beendet. Da der Konig aber zunachst nicht nach Portugal zuruckkehren wollte, wurde das Land vom britischen Oberbefehlshaber
William Carr Beresford
als Militardiktator regiert. Am 17. Oktober 1820 kam die Nachricht, dass die Militargarnisonen in Portugal meuterten, was zur sogenannten Liberalen Revolution von 1820 fuhrte. Das Militar bildete eine provisorische Regierung, welche die von Johann VI. eingesetzte Regentschaft ersetzte und die
Cortes
einberief, das jahrhundertealte portugiesische Parlament. Dieses wurde demokratisch gewahlt und hatte das Ziel, eine nationale Verfassung zu schaffen.
[49]
Peter war uberrascht, als sein Vater ihn nicht nur um seinen Rat bat, sondern auch beschloss, ihn nach Portugal zu schicken, um dort die Regentschaft zu ubernehmen und die Revolutionare zu beschwichtigen.
[50]
Das Problem war, dass Peter niemals auf die Ausubung der Herrschaft vorbereitet worden war und zuvor niemals an staatlichen Angelegenheiten teilnehmen durfte. Die Rolle, die ihm als Thronfolger zugestanden hatte, wurde stattdessen von seiner alteren Schwester Maria Teresa ausgeubt: Johann VI. hatte sich auf sie verlassen, und sie war es, die Mitglied im Staatsrat wurde.
[51]
Peter wurde von seinem Vater und den engsten Beratern des Konigs, die alle an den Prinzipien der absoluten Monarchie festhielten, mit Argwohn betrachtet. Im Gegensatz dazu war der Prinz ein bekannter, uberzeugter Anhanger des Liberalismus und der konstitutionellen reprasentativen Monarchie. Er hatte die Werke von
Voltaire
,
Benjamin Constant
,
Gaetano Filangieri
und
Edmund Burke
gelesen.
[52]
[53]
Sogar seine Frau Maria Leopoldina bemerkte: ?Mein Mann, Gott helfe uns, liebt die neuen Ideen.“
[54]
Johann VI. verschob Peters Abreise so lange wie moglich, weil er befurchtete, dass Peter, sobald er in Portugal eintraf, von den Revolutionaren zum neuen Konig ausgerufen werden wurde.
[50]
Am 26. Februar 1821 meuterten portugiesische Truppen in Rio de Janeiro. Weder Johann VI. noch seine Regierung unternahmen Schritte gegen die meuternden Einheiten. Peter entschied, selbststandig zu handeln und traf sich mit den Rebellen. Er verhandelte mit ihnen und uberzeugte seinen Vater, ihre Forderungen zu akzeptieren. Dazu gehorte die Ernennung eines neuen Kabinetts und der Gehorsam gegenuber der zukunftigen portugiesischen Verfassung.
[55]
[56]
Am 21. April traf sich der Adel von Rio de Janeiro in der Borse, um seine Vertreter fur die
Cortes
zu wahlen. Eine kleine Gruppe von Unruhestiftern kaperte das Treffen und bildete eine revolutionare Regierung. Wiederum blieben Johann VI. und seine Minister passiv, und der Monarch war bereit, die Forderungen der Revolutionare zu akzeptieren, bis Peter die Initiative ergriff und Truppen zur Wiederherstellung der Ordnung entsandte.
[57]
[58]
Unter dem Druck der
Cortes
reisten Johann VI. und seine Familie, darunter Konigin Charlotte Joachime und Peters jungerer Bruder Prinz
Michael
, schweren Herzens am 26. April nach Portugal ab.
[59]
Peter wurde von seinem Vater zum Regenten in Brasilien ernannt und blieb in Rio de Janeiro.
Zu Beginn seiner Regentschaft verkundete Peter, dass er die Personlichkeits- und Eigentumsrechte garantieren werde. Er reduzierte weiterhin die Regierungsausgaben und die Steuern.
[60]
Sogar die Revolutionare, die nach dem Vorfall in der Borse festgenommen worden waren, wurden wieder freigelassen.
[61]
Am 5. Juni 1821 meuterten Truppen unter Generalleutnant
Jorge Avilez
(spaterer Graf von Avilez) und verlangten, dass Peter schworen solle, die portugiesische Verfassung zu unterstutzen. Der Militarputsch hatte zum Ziel, die Macht an Avilez zu ubertragen und Peter in eine bloße Galionsfigur zu verwandeln.
[62]
Der Prinz ritt allein zu den Meuterern, verhandelte ruhig und einfallsreich mit ihnen, gewann den Respekt der Truppen und konnte eine Abmilderung der inakzeptableren Forderungen erreichen.
[63]
Er akzeptierte das immer noch unbefriedigende Ergebnis, bemerkte aber, dass dies das letzte Mal sei, dass er unter Druck nachgeben wurde.
[64]
Als die
Cortes
in Portugal die Auflosung der Regierung in Rio de Janeiro und Peters Ruckkehr anordneten, kam es zur Krise,
[65]
da die Brasilianer dies als Versuch werteten, ihr Land, das seit 1815 keine Kolonie mehr, sondern ein eigenes Konigreich war, erneut Portugal zu unterwerfen.
[66]
Am 9. Januar 1822 legte man Peter eine Petition mit 8000 Unterschriften vor, in der man ihn bat, nicht nach Portugal zuruckzukehren.
[67]
Er bewilligte diesen Wunsch mit der Begrundung, dass ?es fur das Wohl aller und das allgemeine Gluck der Nation“ sei.
[68]
Avilez versuchte daraufhin, mit einer erneuten Meuterei Peters Ruckkehr nach Portugal zu erzwingen. Diesmal fugte sich der Prinz nicht; er sammelte brasilianische Truppen, die sich bei fruheren Meutereien nicht den Portugiesen angeschlossen hatten, Milizeinheiten und bewaffnete Zivilisten um sich und ging zum Gegenschlag uber.
[69]
Der zahlenmaßig unterlegene Avilez musste kapitulieren und wurde zusammen mit seinen Truppen aus Brasilien vertrieben.
[70]
Wahrend der folgenden Monate versuchte Peter, den Anschein der Einheit von Brasilien und Portugal zu wahren, bereitete sich aber zugleich auf den drohenden Bruch vor. Beraten von einem fahigen Minister,
Jose Bonifacio de Andrada
, suchte er Unterstutzung außerhalb von Rio de Janeiro. Er reiste im April nach
Minas Gerais
und im August nach Sao Paulo und wurde in beiden brasilianischen Provinzen herzlich empfangen, was seine Autoritat starkte.
[71]
Bei seiner Ruckkehr aus Sao Paulo erhielt er am 7. September 1822 die Nachricht, dass die
Cortes
die Selbstverwaltung Brasiliens nicht akzeptierten und allen mit Bestrafung drohten, die ihren Befehlen nicht gehorchen wurden.
[72]
Daraufhin rief er noch am selben Tag in der Nahe des Flusschens
Riacho do Ipiranga
die Unabhangigkeit Brasiliens aus, indem er erklarte: ?Freunde, die portugiesischen
Cortes
wollten uns versklaven und verfolgen. Ab heute sind unsere Bande beendet. Mit meinem Blut, bei meiner Ehre, bei meinem Gott schwore ich, die Unabhangigkeit Brasiliens herbeizufuhren. Brasilianer, lasst unsere Parole von diesem Tag an Unabhangigkeit oder Tod sein!“
[73]
Die Parole ?Unabhangigkeit oder Tod“
(Independencia ou morte!),
ging als ?Ruf vom Ipiranga“
(Grito do Ipiranga)
in die Geschichte ein.
Einiges deutet allerdings darauf hin, dass dieser Schritt vorher mit seinem Vater, dem portugiesischen Konig, abgesprochen war. Durch
Lateinamerika
ging zu diesem Zeitpunkt eine breite revolutionare Bewegung; die Brasilien benachbarten spanischen Kolonien erklarten reihenweise ihre Unabhangigkeit und wurden zu Republiken (vgl.
Simon Bolivar
). Der portugiesische Konig befurchtete wohl zu Recht eine ahnliche Entwicklung in Brasilien, wenn die Cortes ihren Willen durchsetzen und Brasilien wieder zur Kolonie erklaren wurden. In der Unabhangigkeit wurde also eine Moglichkeit gesehen, Brasilien, das reichste Territorium der Krone, dem
Haus Braganza
zu bewahren. Auch war die Unabhangigkeit die eleganteste Moglichkeit, das Land dem Einfluss des portugiesischen Parlaments vollkommen zu entziehen. Zwar konnte der portugiesische Konig die Unabhangigkeit Brasiliens nicht sofort anerkennen (dies geschah erst 1825), aber er bestrafte seinen Sohn auch nicht. Insbesondere entzog er ihm nicht das Thronfolgerecht in Portugal und wahrte damit die Moglichkeit, beide Lander in Zukunft wieder in einer
Personalunion
zusammenzufuhren.
Am 12. Oktober 1822, Peters 24. Geburtstag, wurde mit seiner Ausrufung zum Kaiser Dom Pedro I. das brasilianische Kaiserreich begrundet; am 1. Dezember wurde er in der heutigen Kathedrale von Rio de Janeiro gekront. Seine Position als Kaiser wurde nicht sofort von allen brasilianischen Gebieten anerkannt; er musste die Unterwerfung mehrerer Provinzen in den nordlichen, nordostlichen und sudlichen Regionen erzwingen. Die letzten portugiesischen Widerstandskampfer ergaben sich Anfang 1824.
[74]
[75]
Inzwischen verschlechterte sich die Beziehung Peters I. zu Bonifacio.
[76]
Nachdem dieser seine Stellung dazu benutzt hatte, politische Gegner zu schikanieren, juristisch zu verfolgen, zu verhaften und sogar zu verbannen, wurde er von Peter entlassen.
[77]
[78]
Die Gegnerschaft zwischen dem Monarchen und seinem fruheren Minister wurde unmittelbar in der Generalversammlung spurbar, die zur Ausarbeitung einer Verfassung gewahlt worden war.
[79]
Als Mitglied der verfassunggebenden Versammlung behauptete Bonifacio, dass es eine portugiesische Verschworung gegen brasilianische Interessen gebe, und deutete an, dass der in Portugal geborene Peter I. daran beteiligt gewesen sei.
[80]
[81]
Der daruber emporte Kaiser
[82]
loste am 12. November 1823 die verfassunggebende Versammlung auf und forderte Neuwahlen.
[83]
Am folgenden Tag beauftragte er den neu gebildeten Staatsrat mit der Erstellung eines Verfassungsentwurfs. Kopien des Entwurfs wurden an alle Stadtrate geschickt und die große Mehrheit stimmte fur eine sofortige Annahme der neuen Verfassung des Kaiserreichs.
[84]
Gegen den durch die Verfassung geschaffenen stark zentralisierten Staat erhoben sich
sezessionistische
Rebellen in
Ceara
,
Paraiba
und
Pernambuco
, die versuchten, diese Gebiete von Brasilien abzuspalten und zur
Aquator-Konfoderation
(
Confederacao do Equador
) zusammenzuschließen.
[85]
[86]
Um Blutvergießen zu vermeiden, versuchte Peter I. zunachst vergeblich, die Rebellen zu beschwichtigen.
[87]
[88]
Sie konnten zu keinem Zeitpunkt die Kontrolle uber ihre Provinzen sichern und wurden leicht unterworfen. Ende 1824 war die Rebellion beendet.
[86]
[89]
16 Rebellenfuhrer wurden hingerichtet,
[89]
[90]
alle anderen vom Kaiser begnadigt.
[91]
In Portugal versuchten 1824 konservative Krafte unter Fuhrung der Konigin und des Prinzen Michael, das Ergebnis der liberalen Revolution ruckgangig zu machen und den
Absolutismus
wieder einzufuhren. Da der Konig diesen Bestrebungen ablehnend gegenuberstand, wurde er von seiner Frau und seinem Sohn praktisch als Gefangener gehalten. Er konnte jedoch schließlich entkommen und mit britischer Hilfe die Regierung wieder ubernehmen. Peters Bruder Michael musste ins Exil nach
Wien
gehen. Die liberale Verfassung von 1821 wurde jedoch von Johann VI. widerrufen.
Nach langen Verhandlungen unterzeichnete Portugal am 29. August 1825 einen Vertrag, in dem die Unabhangigkeit Brasiliens anerkannt wurde.
[92]
Im Gegenzug verpflichtete sich Brasilien zu Entschadigungszahlungen an Portugal. Alle in Brasilien lebenden portugiesischen Staatsburger sollten fur erlittene Verluste, beispielsweise beschlagnahmte Grundstucke, entschadigt werden.
Johann VI.
behielt das Recht, sich Kaiser von Brasilien zu nennen.
[93]
Dass die von Brasilien erkampfte Unabhangigkeit im Vertrag als eine vom Konig gewahrte Wohltat dargestellt wurde, empfand man in Brasilien als Demutigung.
[94]
Da Brasilien die von Portugal geforderte Entschadigung in Hohe von zwei Millionen englischen Pfund nicht selbst aufbringen konnte, musste es sich bei britischen Banken verschulden.
[95]
Auf Druck Großbritanniens musste Brasilien 1826 Vertrage abschließen, in denen die Vorrechte Großbritanniens im Handel erneuert wurden und Brasilien sich verpflichtete, den Sklavenhandel mit Afrika innerhalb von vier Jahren abzuschaffen. Beide Abkommen waren fur die brasilianischen Wirtschaftsinteressen außerst schadlich.
[96]
[97]
Einige Monate spater erhielt der Kaiser die Nachricht, dass sein Vater am 10. Marz 1826 gestorben war und dass er ihm auf dem portugiesischen Thron als Konig Peter IV. nachfolgen sollte.
[98]
Seit dem Aufstand von 1824 hatte Portugal keine Verfassung mehr. Peter gab dem Land daher umgehend eine neue Verfassung, die so genannte
Charta von 1826
. Die portugiesische Regentin, seine Schwester
Isabella Maria
, und die sie umgebenden Politiker waren jedoch absolutistisch eingestellt und versuchten das Inkrafttreten der Charta zu verhindern. Erst das beherzte Eingreifen des spateren
Herzogs von Saldanha
fuhrte schließlich dazu, dass die Charta in Portugal in Kraft treten konnte.
Peter IV. gelang es nicht, seine beiden Reiche wieder zu vereinen. Er scheiterte nach kurzer Zeit an der Unmoglichkeit, Brasilien und Portugal gleichzeitig zu regieren. In Portugal war man nicht mehr gewillt, erneut einen Konig zu ertragen, der nicht im Lande residierte. In Brasilien dagegen wurde die Kritik daran, dass der Kaiser mehr und mehr Energie zur Losung der portugiesischen Probleme aufwendete, immer lauter. Der Monarch musste sich schließlich zwischen Brasilien und Portugal entscheiden, und er entschied sich fur Brasilien. So dankte er im Mai 1826 nach nur zwei Monaten Regierung in Portugal ab.
Vorher regelte er allerdings noch die Nachfolge in seinem Sinne: In Portugal sollte ihm seine alteste Tochter
Maria II.
auf den Thron folgen, in Brasilien dagegen nach seinem Tod einer seiner Sohne. Da seine Schwester Isabella Maria mit der Regentschaft in Portugal offensichtlich uberfordert war, setzte er seinen Bruder Michael, der sich seit 1824 im Exil in Wien befand, als Regenten fur seine noch minderjahrige Tochter ein. Er plante zudem eine Heirat zwischen ihnen, um die beiden verfeindeten Linien des Hauses Braganza wieder zusammenzufuhren.
In Wien wurde sogar bereits eine
Stellvertreterhochzeit
durchgefuhrt. Maria, die sich bis dahin am Hof ihres Vaters in Rio de Janeiro aufgehalten hatte, reiste nach Wien, wo sie am kaiserlichen Hof ihre Erziehung beenden sollte. Michael dagegen reiste, nachdem er seinem Bruder und seiner Nichte als Konigin sowie der Verfassungscharta die Treue geschworen hatte, nach Lissabon, wo er von Isabella Maria die Regentschaft ubernahm.
Trotz seiner Abdankung mischte sich Peter I. weiterhin in diplomatische und interne Angelegenheiten Portugals ein.
[99]
Es fiel ihm offenbar schwer, seine Position als brasilianischer Kaiser von seinen Verpflichtungen zum Schutz der Interessen seiner Tochter in Portugal zu trennen.
[100]
Allerdings hatte Peter die Rechnung ohne seinen Bruder gemacht: Sobald Michael in Lissabon angekommen war, widerrief er die getroffenen Absprachen, verbundete sich mit den reaktionaren Kreisen um Isabella Maria, loste das neue Zweikammerparlament auf, berief traditionelle Cortes (Rat der drei Stande,
Conselho dos tres Estados
) ein und ließ sich von diesen als
Michael I.
zum Konig ausrufen (1828). Damit war die rechtmaßige Konigin, seine minderjahrige Nichte und Braut Maria II., fur die er die Regierung hatte fuhren sollen, abgesetzt. Als legalistische Begrundung dieses Coups wurde unter Hinweis auf die zwischenzeitlich von Portugal anerkannte Unabhangigkeit Brasiliens angefuhrt, dass Peter IV., als er sich 1822 zum Kaiser von Brasilien ausrufen ließ, zum auslandischen Monarchen geworden und deshalb fur sich und seine Nachkommen aller Anspruche auf den portugiesischen Thron verlustig gegangen sei.
Peter war nicht bereit, den Vertrauensbruch seines jungeren Bruders hinzunehmen, und wollte seiner Tochter den portugiesischen Thron erhalten. So begann der ?Krieg der zwei Bruder“ oder
Miguelistenkrieg
(1832?1834).
Von den
Vereinigten Provinzen des Rio de la Plata
(dem heutigen
Argentinien
) unterstutzt, erklarte eine kleine Gruppe im April 1825 die sudlichste Provinz Brasiliens,
Cisplatina
, fur unabhangig.
[101]
Die brasilianische Regierung nahm diesen Sezessionsversuch zunachst als kleinen Aufstand wahr. Es dauerte Monate, bis die Beteiligung der Vereinigten Provinzen ernsthafte Besorgnis erregte. Das Kaiserreich erklarte im Dezember den Vereinten Provinzen den Krieg und loste somit den
Argentinisch-Brasilianischen Krieg
aus.
[102]
Der Kaiser reiste im Februar 1826 mit seiner Frau und seiner Tochter Maria nach
Bahia
im Nordosten Brasiliens, um zur Unterstutzung der Kriegsanstrengungen aufzurufen.
[103]
In seinem Gefolge befand sich
Domitila de Castro
(damalige Vicomtesse und spatere Markgrafin von Santos), die Peter I. seit ihrem ersten Treffen im Jahr 1822 geliebt hatte. Obwohl er Maria Leopoldina nie treu gewesen war, hatte er zuvor darauf geachtet, seine Eskapaden mit anderen Frauen zu verbergen. Seine Liebe zu seiner neuen Geliebten sei jedoch ?sowohl offen als auch grenzenlos geworden“, was seine Frau in Schwierigkeiten brachte und sie dem Klatsch aussetzte.
[104]
Peter I. wurde immer unhoflicher und abweisender gegenuber Maria Leopoldina, ließ ihr wenig Geld, verbot ihr das Verlassen des Palastes und zwang sie, Domitilas Anwesenheit als Hofdame zu ertragen.
[105]
[106]
In der Zwischenzeit nutzte seine Geliebte die Gelegenheit, um ihre Interessen sowie die ihrer Familie und Freunde zu fordern. Wer Gefalligkeiten suchte oder Projekte fordern wollte, bemuhte sich zunehmend um ihre Hilfe, unter Umgehung des gesetzmaßigen Weges.
[107]
Am 24. November 1826 segelte Peter I. von Rio de Janeiro nach
Sao Jose
in der
Provinz Santa Catarina
. Von dort ritt er nach
Porto Alegre
, der Hauptstadt der Provinz
Rio Grande do Sul
, wo die Hauptarmee stationiert war. Bei seiner Ankunft am 7. Dezember stellte der Kaiser fest, dass die militarische Lage weitaus schlechter war als nach fruheren Berichten erwartet. Er ?reagierte mit seiner gewohnten Energie: Er erließ eine Flut von Befehlen, feuerte angebliche Pfropflinge und Unbefugte, verbruderte sich mit den Truppen und schuttelte im Allgemeinen die Militar- und Zivilverwaltung auf.“
[108]
Er war bereits auf dem Weg zuruck nach Rio de Janeiro als ihm mitgeteilt wurde, dass Maria Leopoldina nach einer Fehlgeburt gestorben sei.
[108]
Unbegrundete Geruchte verbreiteten sich bald und gaben an, sie sei gestorben, nachdem sie von Peter I. korperlich angegriffen worden war. In der Zwischenzeit ging der Krieg weiter, ohne dass ein Abschluss in Sicht war. Peter I gab Cisplatina im August 1828 auf, und die Provinz wurde die unabhangige Nation von
Uruguay
.
[109]
[110]
Nach dem Tod seiner Frau wurde Peter I. klar, wie elend er sie behandelt hatte, und seine Beziehung zu Domitila begann zu brockeln. Maria Leopoldina war im Gegensatz zu seiner Geliebten beliebt gewesen, ehrlich und sie hatte ihn geliebt, ohne Gegenleistungen zu erwarten. Der Kaiser vermisste sie sehr und selbst seine Besessenheit zu Domitila konnte sein Gefuhl von Verlust und Bedauern nicht uberwinden.
[111]
Eines Tages fand Domitila ihn weinend auf dem Boden als er ein Portrat seiner verstorbenen Frau umarmte, deren traurig aussehender Geist Peter I. angeblich gesehen haben soll.
[112]
Spater verließ der Kaiser das Bett, das er mit Domitila teilte, und rief: ?Geh weg von mir! Ich weiß, ich lebe ein unwurdiges Leben eines Herrschers. Der Gedanke an die Kaiserin verlasst mich nicht.“
[113]
[114]
Er vergaß seine Kinder nicht, die ihre Mutter verloren haben, und der Kaiser wurde mehr als einmal beobachtet, dass er seinen Sohn, den jungen Peter, in den Armen hielt und sagte: ?Armer Junge, du bist der unglucklichste Prinz der Welt.“
[115]
Auf Drangen Peters I. verließ Domitila am 27. Juni 1828 Rio de Janeiro.
[116]
Er hatte beschlossen, wieder zu heiraten und ein besserer Mensch zu werden. Er versuchte sogar, seinen Schwiegervater von seiner Aufrichtigkeit zu uberzeugen, indem er in einem Brief behauptete: ?Alle meine Bosheit ist vorbei, ich werde nicht wieder in die Fehler geraten, in die ich geraten bin, die ich bedauere und die ich Gott um Vergebung bat“.
[117]
Wegen des schlechten Rufs Peters I. aufgrund seines fruheren Verhaltens lehnten Prinzessinnen aus verschiedenen Nationen in Europa seine Heiratsantrage nacheinander ab.
[118]
Sein Stolz war so stark verletzt, dass er seiner Geliebten erlaubte zuruckzukehren, was sie am 29. April 1829 tat, nach fast einem Jahr der Abwesenheit.
[119]
Als er jedoch erfuhr, dass endlich eine Verlobung arrangiert worden war, beendete der Kaiser seine Beziehung zu Domitila. Am 27. August kehrte sie fur immer in ihre Heimatprovinz Sao Paulo zuruck dort.
[120]
Tage zuvor, am 2. August, war der Kaiser durch einen Stellvertreter mit
Amelie von Leuchtenberg
verheiratet worden. Er war fassungslos von ihrer Schonheit, nachdem er sie personlich getroffen hatte.
[121]
Die zuvor von der Stimmrechtsvertretung geleisteten Gelubde wurden am 17. Oktober in einer Hochzeitsmesse bestatigt.
[122]
Amelie war freundlich und liebevoll zu seinen Kindern und bot sowohl seiner Familie als auch der Offentlichkeit das dringend benotigte Gefuhl der Normalitat.
[123]
Nach Domitilas Verbannung vom Hof erwies sich das Gelubde des Kaisers, sein Verhalten zu andern, als aufrichtig. Er hatte keine Affaren mehr und blieb seiner Gattin treu. In dem Versuch, die Missetaten der Vergangenheit zu mildern und sie zu uberwinden, schloss er Frieden mit Jose Bonifacio, seinem ehemaligen Minister und Mentor.
[124]
[125]
Seit den Tagen der verfassunggebenden Versammlung im Jahr 1823 und mit erneuter Entschlossenheit der Eroffnung der Generalversammlung (des brasilianischen Parlaments) 1826 gab es einen ideologischen Kampf um das Krafteverhaltnis zwischen Kaiser und gesetzgebendem Organ. Auf der einen Seite standen diejenigen, die Peters I. Ansichten teilten. Politiker, die der Meinung waren, dass der Monarch die Freiheit haben sollte, Minister, nationale Politik und die Richtung der Regierung vorzugeben. In der Opposition standen diejenigen, die damals als Liberale Partei bekannt waren und glaubten, dass Kabinette die Macht haben sollten, die Richtung der Regierung zu bestimmen, und aus Abgeordneten der Mehrheitspartei bestehen sollten, die gegenuber dem Parlament rechenschaftspflichtig waren.
[126]
Genau genommen befurworteten sowohl die Partei, die die Regierung von Peter unterstutzte, als auch die Liberale Partei den
Liberalismus
und damit die
konstitutionelle Monarchie
.
[127]
Ungeachtet des Versagens Peters als Herrscher respektierte er die Verfassung: Er manipulierte nicht die Wahlen, lehnte es ab, von der Regierung ratifizierte Gesetze zu unterzeichnen oder die Meinungsfreiheit einzuschranken.
[128]
[129]
Obwohl es im Rahmen seiner Befugnisse lag, loste er die Abgeordnetenkammer nicht auf und forderte daraufhin Neuwahlen, wenn dies nicht mit seinen Zielen vereinbar war.
[130]
Liberale Zeitungen und Broschuren waren voll von Anschuldigungen. Einige davon waren sowohl berechtigt (z. B. dass ein Großteil seiner Energie auf Angelegenheiten in Bezug auf Portugal gerichtet war)
[131]
als auch falsch und frei erfunden (z. B. dass er an Verschworungen zur Unterdruckung der Verfassung beteiligt war, um Brasilien und Portugal wieder zu vereinen).
[132]
Fur die Liberalen waren die in Portugal geborenen Freunde des Kaisers, die Teil des kaiserlichen Hofes waren, einschließlich
Francisco Gomes da Silva
, der den Spitznamen ?der Possenreißer“ trug, Teil dieser Verschworungen und bildeten ein ?
Geheimkabinett
“.
[133]
Keine dieser Figuren zeigte Interesse an solchen Themen, und was auch immer sie geteilt haben mogen, es gab keine Plane der Palastkabalen, um die Verfassung aufzuheben oder Brasilien wieder unter die Kontrolle Portugals zu bringen.
[134]
Eine weitere Kritikquelle der Liberalen betraf die abolitionistischen Ansichten Peters I.
[135]
Der Kaiser hatte in der Tat einen schrittweisen Prozess zur Beseitigung der Sklaverei geplant. Die verfassungsmaßige Befugnis zum Erlass von Gesetzen lag jedoch in den Handen der Versammlung, die von sklavenbesitzenden Landbesitzern dominiert wurde, die somit jeden Versuch der Abschaffung vereiteln konnten.
[136]
[137]
Der Kaiser entschied sich dafur, mit Hilfe seines eigenen moralischen Vorbilds, die Versammlung zu uberzeugen, indem er seinen befreiten Sklaven in Santa Cruz Land gewahrte.
[138]
[139]
Peter I. bekannte sich auch zu anderen fortgeschrittenen Ideen: Als er seine Absicht erklarte, am 9. Januar 1822 in Brasilien zu bleiben und die Bevolkerung ihm die Ehre erweisen wollte, die Pferde abzuspannen und seine Kutsche selbst zu ziehen, lehnte der damalige Prinzregent ab. Seine Antwort war eine gleichzeitige Verurteilung des
Gottesgnadentums
, des angeblich uberlegenen Blutes des Adels, und des Rassismus: ?Es schmerzt mich zu sehen, dass meine Mitmenschen einem Mann den Tribut zollen wollen, der einer Gottheit angemessenen ist. Ich weiß, dass mein Blut dieselbe Farbe hat wie das der Neger.“
[140]
[141]
Die Bemuhungen des Kaisers, die Liberale Partei zu beschwichtigen, fuhrten zu sehr gravierenden Veranderungen. Er unterstutzte ein Gesetz von 1827, das die
Ministerverantwortlichkeit
festlegte.
[142]
Am 19. Marz 1831 ernannte er ein Kabinett, das sich aus Politikern der Opposition zusammensetzte und dem Parlament eine großere Rolle in der Regierung einraumte.
[143]
Zuletzt bot er Francisco Gomes und einem anderen in Portugal geborenen Freund Positionen in Europa an, um Geruchte uber ein ?Geheimkabinett“ auszuloschen.
[123]
Zu seiner Besturzung hielten seine palliativen Maßnahmen die anhaltenden Angriffe der Liberalen auf seine Regierung und seine Geburt im Ausland nicht auf. Durch ihre Unnachgiebigkeit enttauscht, war er nicht mehr gewillt, sich mit seiner verschlechternden politischen Situation auseinanderzusetzen.
[123]
In der Zwischenzeit kampften portugiesische Exilanten darum, ihn davon zu uberzeugen, Brasilien aufzugeben und seine Energien stattdessen dem Kampf um den Anspruch seiner Tochter auf die portugiesische Krone zu widmen.
[144]
Die Idee, abzudanken und nach Portugal zuruckzukehren, kam ihm in den Sinn, und ab Anfang 1829 sprach er haufig daruber.
[145]
Bald bot sich die Gelegenheit, diesen Gedanken nachzugeben. Radikale innerhalb der Liberalen Partei versammelten Straßenbanden, um die portugiesische Gemeinde in Rio de Janeiro zu schikanieren. Am 11. Marz 1831, in der sogenannten
noite das garrafadas
(Nacht der zerbrochenen Flaschen), rachten sich die Portugiesen und Unruhen ergriffen die Straßen der Landeshauptstadt.
[146]
[147]
Am 5. April entließ Peter I. das liberale Kabinett (erst seit dem 19. Marz an der Macht) wegen seiner Inkompetenz bei der Wiederherstellung der Ordnung.
[143]
[148]
Eine große Menge versammelte sich am Nachmittag des 6. April in der Innenstadt von Rio de Janeiro und forderte die sofortige Wiederherstellung des aufgelosten Kabinetts.
[149]
Die Antwort des Kaisers lautete: ?Ich werde alles fur das Volk tun und nichts, was vom Volk erzwungen wird.“
[149]
Irgendwann nach Einbruch der Dunkelheit verließen ihn seine Armeetruppen, einschließlich seiner Wachen, und schlossen sich den Protesten an. Erst dann wurde ihm klar, wie isoliert und losgelost er von den brasilianischen Angelegenheiten geworden war, und dankte zu jedermanns Uberraschung am 7. April gegen 3:00 Uhr ab.
[150]
Als er den Abdankungsbrief einem Boten ubergab, sagte er: ?Hier haben Sie meine Abdankung, ich kehre nach Europa zuruck und verlasse ein Land, das ich sehr geliebt habe und immer noch liebe.“ Sein Nachfolger in Brasilien wurde sein Sohn
Peter II.
; nun konnte sich Peter I. ganz den portugiesischen Problemen widmen.
Am Morgen des 7. April wurden Pedro, seine Frau und andere, einschließlich seiner Tochter Maria II. und seiner Schwester Ana de Jesus, an Bord des britischen Kriegsschiffs
HMS Warspite
gebracht. Das Schiff blieb vor Rio de Janeiro vor Anker und am 13. April reiste der ehemalige Kaiser an Bord der
HMS
Volage
nach Europa.
[152]
Er traf am 10. Juni in
Cherbourg-Octeville
in Frankreich ein.
[153]
In den nachsten Monaten pendelte er zwischen Frankreich und Großbritannien. Er wurde von beiden Regierungen herzlich begrußt, erhielt aber keine wirkliche Unterstutzung.
[154]
Er befand sich in einer schwierigen Situation, da er weder im brasilianischen Kaiserhaus noch im portugiesischen Konigshaus einen offiziellen Status innehatte. Er nahm am 15. Juni den Titel eines
Herzogs von Braganza
an und obwohl der Titel nur den Erben von Maria II. zustand, wurde er allgemein anerkannt.
[155]
Am 1. Dezember wurde seine einzige Tochter von Amelie,
Maria Amelia
, in Paris geboren.
[156]
Er hat seine in Brasilien zuruckgelassenen Kinder nicht vergessen. Er schrieb jedem von ihnen ergreifende Briefe, in denen er mitteilte, wie sehr er sie vermisste, und bat sie wiederholt, sich ernsthaft um ihre Erziehung zu kummern. Kurz vor seiner Abdankung hatte Peter seinem Sohn und Nachfolger gesagt: ?Ich habe die Absicht, dass mein Bruder Michael und ich die letzten schlecht Gebildeten der Familie Braganza sein werden.“
[157]
Seine Briefe an Peter II. waren oft in einer Sprache verfasst, die uber die Lesefahigkeit des Jungen hinausging. Historiker gehen davon aus, dass solche Passagen hauptsachlich als Ratschlag gedacht waren, den der junge Monarch bei Erreichen des Erwachsenenalters nachgehen konnte.
[153]
Wahrend seines Aufenthalts in Paris lernte der Herzog von Braganza
Gilbert du Motier
kennen, den Marquis von Lafayette, einen Veteranen des
amerikanischen Unabhangigkeitskrieges
, der zu einem seiner treuesten Anhanger wurde.
[155]
[158]
Peter verabschiedete sich am 25. Januar 1832 von seiner Familie, Lafayette und etwa zweihundert Gratulanten. Er kniete vor Maria II. und sagte: ?Meine Dame, hier ist ein portugiesischer General, der Ihre Rechte wahrt und Ihre Krone wiederherstellt.“ Unter Tranen umarmte ihn seine Tochter.
[159]
Peter segelte zum atlantischen Archipel der
Azoren
, dem einzigen portugiesischen Territorium, das seiner Tochter treu geblieben war. Auf den Azoren hatte inzwischen der spatere
Herzog von Terceira
eine Flotte Michaels geschlagen, so dass dieser Teil Portugals außerhalb Michaels Einflussbereich blieb. Peter landete am 3. Marz 1832 auf den Azoren und betrat damit zum ersten Mal seit 1807, als er als Neunjahriger zusammen mit seinem Vater vor den Truppen Napoleons nach Brasilien geflohen war, wieder portugiesischen Boden. Dort stellte er ein eigenes Heer zusammen, mit dem er noch im gleichen Jahr das portugiesische Festland betrat. Mit Hilfe der ihm treu ergebenen liberalen Heerfuhrer, der Herzoge von Terceira und
Saldanha
, gelang es ihm relativ schnell, die beiden wichtigsten Stadte des Landes, Lissabon und Porto, unter Kontrolle zu bekommen und so Michael in die Defensive zu treiben. Nach der Schlacht von
Evoramonte
wurden Michaels Truppen vollstandig geschlagen und dieser musste erneut ins Exil nach Osterreich gehen. Konigin Maria II. war bereits 1833 nach Lissabon zuruckgekehrt, wo sie begeistert empfangen worden war.
Peters Armee belagerte mehr als ein Jahr lang Porto. Dort erhielt er Anfang 1833 Nachrichten aus Brasilien uber den bevorstehenden Tod seiner Tochter Paula. Monate spater, im September, traf er
Antonio Carlos de Andrada
, einen Bruder von Bonifacio, der aus Brasilien gekommen war. Als Vertreter der Partei der Restauratoren bat Antonio Carlos den Herzog von Braganza, nach Brasilien zuruckzukehren und sein ehemaliges Reich als Regent wahrend der Minderjahrigkeit seines Sohnes zu regieren. Peter erkannte, dass die Restauratoren ihn als Werkzeug ihres eigenen Machtaufstiegs einsetzen wollten. Er stellte fast unmogliche Forderungen, um festzustellen, ob das brasilianische Volk und nicht nur eine Fraktion ihn wirklich zuruckhaben mochten. Er bestand darauf, dass jeder Antrag auf Ruckkehr als Regent verfassungsrechtlich gultig sei. Der Wille des Volkes musste durch seine ortlichen Vertreter ubermittelt und seine Ernennung von der Generalversammlung genehmigt werden. Nur dann und ?nach Vorlage einer Petition in Portugal durch eine offizielle Delegation des brasilianischen Parlaments“ wurde er die Regentschaft in Betracht ziehen.
[160]
Wahrend des Krieges montierte der Herzog von Braganza Kanonen, grub Schutzengraben aus, pflegte die Verwundeten, aß in der Menge und kampfte unter schwerem Feuer, bei dem neben ihm seine Manner erschossen oder in Stucke geschossen wurden. Seine Sache war fast verloren, bis er den riskanten Schritt unternahm, seine Streitkrafte zu teilen und eine Gruppe zu entsenden, um einen
amphibischen Angriff
auf Sudportugal zu starten. Die
Algarve
fiel der Streitkraft zum Opfer, die dann direkt nach Norden nach Lissabon marschierte und am 24. Juli die Kapitulation Lissabons errang.
[161]
Peter unterwarf den Rest des Landes, doch gerade als der Konflikt zu Ende zu gehen schien, griff sein spanischer Onkel
Don Carlos
ein, der versuchte, nach der Krone seiner Nichte
Isabel II.
zu greifen. In diesem großeren Konflikt, der die gesamte
Iberische Halbinsel
erfasste, dem Ersten Karlistenkrieg, verbundete sich der Herzog von Braganza mit den liberalen spanischen Armeen, die Isabel II. treu waren, und besiegte sowohl Michael I. als auch Carlos. Ein Friedensabkommen wurde am 26. Mai 1834 erreicht.
[162]
Peter war somit erneut Regent Portugals, Maria II. wieder Konigin. Uber Versuche Peters, mit seinem Bruder zu einem Ausgleich zu kommen und diesem den Titel eines koniglichen Infanten von Portugal zu belassen und eine angemessene
Apanage
im Ausland zu zahlen, kam es allerdings zu einem Zerwurfnis mit den neu einberufenen Cortes, die in Erinnerung der Grausamkeiten, die Michael wahrend seiner Herrschaft in Portugal begangen hatte, nicht bereit waren, dem Ex-Konig entgegenzukommen.
Mit Ausnahme von Epilepsiezustanden, die sich alle paar Jahre in Anfallen manifestierten, war Pedro stets gesund geblieben.
[33]
[163]
Der Krieg jedoch verschlechterte seine gesundheitliche Verfassung erheblich.
[164]
Peter war bereits todkrank und zog sich aus der portugiesischen Politik zuruck. Seine Tochter wurde von den Cortes fur volljahrig erklart, so dass seine Regentschaft auch offiziell endete.
[165]
Pedro diktierte den Brasilianern einen offenen Brief, in dem er die schrittweise
Abschaffung der Sklaverei
forderte. Er warnte sie: ?Die Sklaverei ist ein Ubel und ein Angriff auf die Rechte und die Wurde der menschlichen Spezies, aber ihre Folgen sind fur diejenigen, die in Gefangenschaft leiden, weniger schadlich als fur die Nation, deren Gesetze die Sklaverei zulassen. Es ist ein Krebs, der seine Moral verschlingt.“
[166]
Nach einer langen und schmerzhaften Krankheit starb Pedro am 24. September 1834 um 14.30 Uhr an
Tuberkulose
.
[167]
Auf seinen Wunsch hin wurde sein Herz in die Lapa-Kirche von Porto gelegt und sein Korper im koniglichen Pantheon des Hauses Braganza beigesetzt (
getrennte Bestattung
).
[168]
Die Nachricht von seinem Tod traf am 20. November in Rio de Janeiro ein, aber seine Kinder wurden erst nach dem 2. Dezember informiert.
[169]
Bonifacio, der als ihr Vormund entlassen worden war, schrieb an Peter II. und seinen Schwestern: ?Dom Pedro starb nicht. Nur gewohnliche Manner sterben, keine Helden.“
[170]
Anlasslich des 200. Jahrestages der Unabhangigkeit wurde Peters Herz nach Brasilien uberfuhrt und am 24. August 2022 von Staatsprasident
Jair Bolsonaro
in Brasilia mit militarischen Ehren empfangen.
[171]
Dort wurde es im Außenministerium offentlich zur Schau gestellt. Es kehrte am 9. September nach Porto zuruck und wurde eine Weile in der Kirche
Nossa Senhora da Lapa
in Porto ausgestellt.
[172]
Am 6. November 1817 heiratete er in erster Ehe in
Rio de Janeiro
Erzherzogin
Maria Leopoldine von Osterreich
(* 22. Januar 1797; † 11. Dezember 1826), eine Tochter von Kaiser
Franz I. von Osterreich
und der
Maria Theresia von beiden Sizilien
. Die Ehe verlief fur die Erzherzogin nicht glucklich, da Peter offen seine Geliebte seiner Frau vorzog. Auch vermutet man, dass die Misshandlungen von Pedro und die darauf zuruckzufuhrende Fehlgeburt das Leben der noch nicht 30-jahrigen Leopoldine ausloschten.
Aus der Ehe stammen folgende Kinder:
- Maria da Gloria
(* 4. April 1819; † 15. November 1853), Konigin von Portugal
- Miguel (*/† 1820)
- Johann Karl (* 6. Marz 1821; † 4. Februar 1822)
- Januaria Maria
(* 11. Marz 1822; † 13. Marz 1901) ? Ludwig
von Bourbon
(1824?1897), Prinz beider Sizilien (identisch mit Luigi Carlo, Graf von Aquila)
- Paula Mariana (* 17. Februar 1823; † 16. Januar 1833)
- Franziska
(* 2. August 1824; † 27. Marz 1898), ? 1843
Franz von Orleans, Furst von Joinville
, einen Sohn von Konig
Ludwig Philipp
von Frankreich
- Peter II.
(* 2. Dezember 1825; † 5. Dezember 1891), Kaiser von Brasilien
In zweiter Ehe vermahlte er sich am 17. Oktober 1829 mit Prinzessin
Amelie von Leuchtenberg
(* 31. Juli 1812; † 26. Januar 1873), Tochter von
Eugene de Beauharnais
, eines Stiefsohns
Napoleons
, und
Auguste von Bayern
, einer Tochter von Konig
Maximilian I. von Bayern
.
Aus dieser Ehe ging eine Tochter hervor:
Zudem war er Vater folgender unehelicher Kinder mit
Domitilia de Castro Canto e Melo
:
- Isabel Maria (* 23. Mai 1824; † 13. November 1898) ? 17. April 1843 mit Ernst (von) Fischler Graf von Treuberg (* 1. Juni 1810; † 14. Mai 1867)
- Pedro (* 7. Dezember 1825; † 27. Dezember 1825)
- Maria Isabel (* 13. August 1827; † 25. Oktober 1828)
- Maria Isabel II. (* 28. Februar 1830; † 13. September 1896)
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Brasilien empfangt eingelegtes Kaiserherz mit Staatsehren
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soll nach Porto kommen
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