Als
Mauren
(spanisch
moros
) werden all jene in
Nordafrika
? teilweise als
Nomaden
? lebenden
Berberstamme
bezeichnet, die seit Jahrhunderten in Marokko leben. Zur Zeit der romischen Herrschaft in Nordafrika lebten sie zum Teil außerhalb der romischen Provinz. Spater drang der Islam durch verschiedene Bewegungen und Truppen in dieses Gebiet ein. Die Islamisierung war ein komplexer Prozess und dauerte zum Teil bis ins 13. Jahrhundert. Der erste muslimische Kampfer, der auf das europaische Festland ubersetzte, war der Berber Tarik Ibn Ziyad (
arabisch
???? ??? ????
?
??riq Ibn Ziy?d
‘) aus dem marokkanischen Norden. Er gehorte dem berberischen Stamm der Zneta Nefzawa an. Der Fels ?Gibraltar“ (von
arabisch
??? ??????
,
DMG
?abal a?-??riq
?Berg des ??riq‘)
[1]
ist nach ihm benannt.
Ein kleiner Teil der Kampfer, die mit dem Gouverneur Moussa ibn Nussayr kamen, bestand aus Arabern, doch der großere Teil aus Berbern, die im Gebiet der heutigen
Maghreb
-Staaten
Tunesien
,
Algerien
und
Marokko
beheimatet waren. Im spateren Mittelalter, insbesondere seit der Zeit der
Kreuzzuge
, nannte man die Mauren auch ?
Sarazenen
“.
Die
Etymologie
des Begriffs Mauren leitet sich aus der Berbersprache ab. Der Begriff ?Amur“ und ?Tamurt“ bedeuten in berberischer Sprache ?Das Land und die Heimat“. Der Name der romisch-berberischen Provinz ?Mauretanien“ sowie der Name der Stadt ?Marrakech“ (Ubersetzung: Amur n akech = Das Land Gottes. Akuch, Akech = Gott in berberischer Sprache) gehen auch auf diesen Begriff zuruck. Die alte Herleitung von
griechisch
mauros
?dunkel“ bezieht sich auf die Hautfarbe der Mauren, denn einige Mauren hatten eine etwas dunklere Haut. Bei einigen antiken Historikern fand man die Bezeichnungen fur das Gebiet als ?Maurusien“. Die Mauren waren ihrerseits Namensgeber fur das
antike Reich Mauretanien
, die romischen Provinzen
Mauretania Caesariensis
und
Mauretania Tingitana
sowie fur den modernen Staat
Mauretanien
.
Die Bezeichnung ?
Mohr
“ ist im
Althochdeutschen
des 8. Jahrhunderts in der Form
m?r
belegt, im
Mittelhochdeutschen
als
m?r
oder
m?re
. Es bezeichnete zunachst einen Mauren, also einen ?Bewohner Mauretaniens (Marokkos), Athiopiens“, dann auch einen Menschen mit dunkler Hautfarbe, und ist eine Entlehnung aus
lateinisch
Maurus
, ?Bewohner der nordafrikanischen Provinz
Mauretanien
, Maure, Nordwestafrikaner“.
[2]
Im Altertum bewohnten zahlreiche Berberstamme den Norden Afrikas von der Atlantikkuste bis zur Westgrenze des Pharaonenreiches, die
Kanarischen Inseln
und den Suden der iberischen Halbinsel. Die in Stammen lebenden Berber stellten keine politische Einheit dar. Der hellenistische Einfluss, teils durch Griechen und Punier, fuhrte im Westen Nordafrikas zur Herausbildung von neuen Herrschaften, die schließlich von Furstentumern zu romischen Klientelkonigreichen aufstiegen, so in
Mauretanien
und
Numidien
. Nach der
Schlacht bei Thapsus
46 v. Chr. ging Numidien in die Provinz Africa auf. Die romische Provinz stellte in der Kaiserzeit Soldaten fur die Auxiliartruppen, zumeist als leichte Kavalleristen. Das Pferd war das bevorzugte Reittier in Nordafrika und es bestand lange vor der romischen Eroberung ein reger Pferdehandel mit
Sizilien
und Sardinien.
Die Romer wehrten im Westen des Reiches am Limes Mauretania die plundernden
Marusier
ab. Als in der
Spatantike
das westromische Reich zerfiel, bildeten sich im 5. Jahrhundert mindestens sieben kleine maurische Kleinkonigreiche (
regna
). Die 429 n. Chr. eingefallenen
Vandalen
hatten ebenfalls ein eigenes Konigreich errichtet, konnten jedoch die Berberfursten im Atlas nicht kontrollieren. Die romischen Traditionen wurden weiter aufrechterhalten, so bezeichnete sich der christliche Berber
Masties
als Imperator seines im Osten des heutigen Algerien liegenden Gebietes.
[3]
Das
Exarchat von Karthago
musste sich gleichzeitig gegen ihre Herrschaftsanspruche wehren.
Im spaten 7. Jahrhundert gelang es den muslimischen Arabern die animistischen, judischen und mehrheitlich christlichen Berberstamme gegen den hartnackigen Widerstand einiger Stamme zu einigen. Behilflich war ihnen wie einst bei der vandalischen Eroberung die Verbreitung endzeitlicher (Donatismus) und arianischer Vorstellungen im Westen Nordafrikas.
Im Jahr 711 drangen Mauren und Araber in das christliche Reich der
Westgoten
ein. Unter ihrem Anfuhrer
T?riq ibn Ziy?d
brachten sie den großten Teil der Iberischen Halbinsel in einem achtjahrigen Feldzug unter islamische Herrschaft. Die herrschenden Westgoten waren durch innere Konflikte geschwacht und hatten dem Ansturm der Mauren nicht viel entgegenzusetzen. Womoglich boten auch die unter den Westgoten teilweise unterdruckten
Sepharden
den einruckenden Mauren ihre Unterstutzung an.
Beim Versuch, auch Gebiete nordlich der
Pyrenaen
zu erobern, wurden die Mauren allerdings vom
frankischen
Hausmeier
Karl Martell
in der
Schlacht von Tours und Poitiers
(732) zuruckgeschlagen. Bis zum Jahr 759 war die vollstandige Vertreibung der Mauren nordlich der Pyrenaen mit der Eroberung der Kustenlandschaft
Septimanien
durch
Pippin den Jungeren
vollzogen. Dennoch konnten die Mauren bis ins 10. Jahrhundert hinein in
Sudfrankreich
operieren.
Die Mauren herrschten mehrere Jahrhunderte lang uber weite Teile der Iberischen Halbinsel und Nordafrikas. Im Jahr 750 wurde das Maurenreich durch einen Burgerkrieg erschuttert. Das Land zerbrach in der Folge in zahlreiche islamische Lehen unter dem
Kalifat von Cordoba
. Im Rahmen der
Reconquista
dehnten die christlichen Reiche ihre Macht im Norden und Westen allmahlich wieder uber die ganze Iberische Halbinsel aus. Es entstanden die christlichen Konigreiche
Asturien
,
Galicien
,
Leon
,
Navarra
,
Aragon
,
Katalonien
und
Kastilien
, spater aus diesen
Spanien
und
Portugal
.
Die fruhe Periode der arabisch-maurischen Herrschaft ist bekannt fur die gegenseitige
Toleranz
und Akzeptanz, die
Christen
,
Juden
und
Muslime
einander entgegenbrachten. Im Jahr 1031 brach jedoch das
Kalifat von Cordoba
zusammen, und es bildeten sich die
Taifa-Konigreiche
, die bald unter die Herrschaft nordafrikanischer Mauren kamen. In einem dieser Kleinreiche, dem schon 1019 gegrundeten der
Ziriden von Granada
, kam es 1066 zum
ersten Judenpogrom Europas
. Mit der Zeit konzentrierte sich die Macht in den Handen der Berber-Dynastien der
Almoraviden
(ca. 1050?1147),
Almohaden
(1147?1269) und
Meriniden
(1269?1465).
Am 16. Juli 1212 vertrieb ein Bund christlicher Konige unter Fuhrung
Alfons VIII.
von
Kastilien
in der
Batalla de Las Navas de Tolosa
die Muslime aus Zentralspanien. Dennoch gedieh das maurische
Emirat von Granada
unter den
Nasriden
weitere drei Jahrhunderte. Dieses Konigreich wurde spater fur architektonisch-asthetische Meisterleistungen wie die
Alhambra
geruhmt. Am 2. Januar 1492 wurde
Boabdil
, der Fuhrer der letzten muslimischen Hochburg Granada, von den Truppen des vereinigten christlichen Spaniens besiegt. Die verbliebenen Muslime und alle spanischen Juden (
Sephardim
) mussten nach Erlass des
Alhambra-Edikts
Spanien verlassen oder zum
Christentum
konvertieren. Nachkommen der konvertierten Muslime wurden
Moriscos
genannt. Sie bildeten z. B. in
Aragon
,
Valencia
und
Andalusien
einen wichtigen Anteil der bauerlichen Bevolkerung, bis sie der
Herzog von Lerma
in den Jahren 1609?1615 endgultig vertrieb. Die meisten wanderten nach Nordafrika aus; einige ließen sich auch im
Osmanischen Reich
nieder. Wieder andere zogen als
Fahrendes Volk
(Zigeuner, Musikanten, Akrobaten,
Moriskentanzer
etc.) durch Europa.
Unter maurischer Kunst wird gemeinhin die Kunst des islamischen Westens (
Andalusien
,
Maghreb
) und vor allem Marokkos verstanden. Streng genommen ist jedoch jene der Fruhphase, darunter die
Moschee von Cordoba
, noch der Tradition des islamischen Ostens (
Damaskus
) zuzurechnen. Stand die
islamische Kunst
im islamischen Orient in ihrer Anfangszeit noch in hohem Maße unter antik-romischem bzw. byzantinischem Einfluss, so bildete sich im muslimischen Westen (Maghreb) und genauer in Fez und Marrakesch seit der Machtubernahme der marokkanisch-berberischen Dynastien der Almoraviden und Almohaden im 11. und 12. Jahrhundert ein Kunststil heraus, der als spezifisch maurisch bezeichnet wird. Die Kunsthandwerker schufen mit Materialien und Dekormotiven aus der eigenen Tradition eine Kunst, die sie nach Andalusien brachten. Die Handwerker, die diese Kunst beherrschten, kamen aus Marokko. Die Restaurierung andalusischer Bauwerke wird noch heute oft von Handwerkern aus der marokkanischen Stadt Fez durchgefuhrt.
In der Architektur wird dies besonders deutlich:
Saulen
,
Kuppeln
, Innenhofe etc. stammen vornehmlich aus der antiken Baukunst, die die Mauren (Berber) im Zuge ihrer Eroberungs- und Beutezuge kennenlernten und adaptierten. Auch die meisten ? oft zu Endlos-Mustern vereinten ? Dekorelemente (Flechtbander, Rauten, Sechsecke, Sterne etc.) waren in der spatantiken Mosaikkunst bereits vorgebildet, wurden aber von den Kunsthandwerkern der islamischen Welt, speziell des Maghreb, zu wahren Meisterwerken weiterentwickelt (siehe auch:
Sebka
).
Typische Materialien der maurischen Architektur sind
Ziegelsteine
fur die tragende Struktur,
Kachelmosaike
,
Stuck
und
Zedernholz
als Verblendungen und grunglasierte Dachziegel (anfangs nur fur Moscheen, spater auch fur Mausoleen und Palaste). Auch die Lehmbauweise der Berber hat dabei eine Rolle gespielt. Behauene
Natursteine
wurden nur bei Saulen und
Kapitellen
verwendet.
In der
Keramik
- und Schmuckkunst sowie in der
Teppich
- bzw. Stoffweberei verwendete man oft ahnliche Motive wie in der Architektur. Ursprunglich hatten diese ? uber ihren rein dekorativen Zweck hinaus ? auch unheilabwehrende (
apotropaische
) Funktionen.
als Namensgeber:
- Marianne Barucand,
Achim Bednorz
:
Maurische Architektur in Andalusien.
Taschen-Verlag, Koln,
ISBN 3-8228-0424-X
.
- Arnold Betten:
Marokko. Antike, Berbertraditionen und Islam ? Geschichte, Kunst und Kultur im Maghreb.
DuMont, Ostfildern 2012,
ISBN 978-3-7701-3935-4
.
- Georg Bossong
:
Das maurische Spanien. Geschichte und Kultur.
Beck, Munchen 2007,
ISBN 978-3-406-55488-9
.
- Burchard Brentjes
:
Die Mauren. Der Islam in Nordafrika und Spanien (642?1800)
. Wien 1989,
ISBN 3-7008-0381-8
.
- Burchard Brentjes:
Die Kunst der Mauren. Islamische Traditionen in Nordafrika und Sudspanien.
DuMont, Koln 1992,
ISBN 3-7701-2720-X
.
- Michael Brett,
Werner Forman
:
Die Mauren. Islamische Kultur in Nordafrika und Spanien
. Atlantis-Verlag, Luzern 1986,
ISBN 3-7611-0684-X
.
- Andre Clot
:
Das maurische Spanien. 800 Jahre islamische Hochkultur in Al Andalus
. Patmos, Dusseldorf 2004,
ISBN 3-491-96116-5
.
- Wolfgang Creyaufmuller:
Nomadenkultur in der Westsahara. Die materielle Kultur der Mauren, ihre handwerklichen Techniken und ornamentalen Grundstrukturen.
Burgfried, Hallein 1983,
ISBN 3-85388-011-8
.
- Catherine Gaignard:
Maures et chretiens a Grenade 1492?1570
. Paris u. a. 1997,
ISBN 2-7384-5656-1
.
- Arnold Hottinger
:
Die Mauren ? arabische Kultur in Spanien
. Fink, Munchen 2005,
ISBN 3-7705-3075-6
.
- Franz Wordemann
:
Die Beute gehort Allah. Die Geschichte der Araber in Spanien.
Piper, Munchen/Zurich 1985,
ISBN 3-492-02794-6
.
- Michael Kassar
:
Maurische Architektur und Kultur in Andalusien am Beispiel des Real Alcazar von Sevilla
. Salzburg 2011,
ISBN 978-3-7357-3772-4
.
- ↑
Zur Aussprache: Der arabische Artikel
al-
wird hier als
a?-
mit den nachfolgenden ?Sonnenbuchstaben“ (Buchstaben, die das ?l“ des Artikels assimilieren)
?
des Namens
??riq
verbunden, wobei das Schriftbild
al-
gleich bleibt.
- ↑
Etymologisches Worterbuch des Deutschen
, erarbeitet unter der Leitung von Wolfgang Pfeifer, 7. Auflage, Munchen 2004
s. v.
Mohr
.
Kluge, Etymologisches Worterbuch des Deutschen,
25. Auflage, Berlin/Boston 2011,
s. v.
Mohr
- ↑
Mischa Meier:
Geschichte der Volkerwanderung. Europa, Asien und Afrika vom 3. bis zum 8. Jahrhundert n.Chr.
Beck, Munchen 2021,
ISBN 978-3-406-73959-0
, S. 718.