Jordanischer Burgerkrieg

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Als Jordanischen Burgerkrieg (im palastinensischen Sprachgebrauch haufig Schwarzer September , arabisch ????? ?????? , DMG Ail?l al-aswad ) bezeichnet man die gewalttatigen Auseinandersetzungen 1970?1971 zwischen jordanischen Sicherheits- und Streitkraften auf der einen sowie palastinensischen Guerillas und syrischen Truppen auf der anderen Seite. Die Gefechte endeten mit der Vertreibung der palastinensischen Organisationen aus Jordanien.

Hintergrund [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Nach dem Sechstagekrieg 1967 verschlechterte sich das Verhaltnis zwischen den Mitgliederorganisationen der Palastinensischen Befreiungsorganisation und dem jordanischen Konigshaus deutlich. Die jordanische Niederlage im Krieg und der Verlust des Westjordanlandes fuhrten zu einem Gesichtsverlust des Staates unter vielen Palastinensern. Die jordanische Regierung sah die mit ihr nicht abgesprochenen Angriffe auf israelisches Territorium als Verletzung ihrer Souveranitat. So fuhrte die Schlacht von Karame zu einem Zerwurfnis zwischen beiden Seiten. Die palastinensische Seite hatte rund 100.000 bewaffnete Kampfer in Jordanien, und ihre Fuhrungsschicht sah in der mehrheitlich palastinensischstammigen Bevolkerung des Konigreichs eine potentielle Machtbasis, den Staat zu kontrollieren. So verdrangten palastinensische Milizen jordanische Sicherheitskrafte aus den Fluchtlingslagern und mehreren Stadten. Ebenso unterwarf sich die Guerilla demonstrativ keiner Kontrolle durch das jordanische Militar . Im Oktober zerschlug das jordanische Militar die palastinensische Organisation an-Nasr (Der Sieg), welche sich ein Feuergefecht mit der Polizei geliefert hatte. [1] [2] Ebenso kam es zur Eintreibung von Geld von der Bevolkerung, dies mitunter mit Waffengewalt. Versuche der jordanischen Regierungen, unangemeldete Waffenlager und offentliches Tragen von Waffen einzuschranken, wurden von der PLO unter Protest zuruckgewiesen. [3]

Im Juni 1970 wurde die Geheimdienstzentrale in Amman von palastinensischen Radikalen angegriffen, und Konig Hussein entging knapp einem Attentat. Noch am selben Tag bombardierten Einheiten der jordanischen Armee zwei Fluchtlingslager mit Artillerie. Auf Befehl Konig Husseins wurden die Truppen zuruckbeordert. Hussein und Jassir Arafat gaben eine Erklarung ab, dass die Kampfe zu beenden seien. Die marxistisch-leninistische Organisation PFLP besetzte jedoch zwei Hotels in Amman und nahm die dortigen Zivilisten als Geiseln. Als Forderung stellten sie die Entlassung ihnen unliebsamer Staatsbeamter, Kabinettsmitglieder und Militars. Arafat schloss sich trotz seiner vorhergehenden Beteuerungen diesen Forderungen an. Mit der Absicht, die innenpolitische Lage zu beruhigen, stimmte Konig Hussein den Forderungen zu. Im September 1970 sorgte die Entfuhrung von funf Passagierflugzeugen mitsamt 435 ? vorwiegend westlichen ? Zivilisten durch die PFLP, die den Waffenstillstand zwischen Hussein und Arafat ablehnte, fur eine weitere Provokation. Jassir Arafat begrußte die Aktion offentlich und bruskierte somit das Konigshaus. Wahrenddessen kam es in Irbid , Zarqa und Ma?an zu bewaffneten Gefechten zwischen palastinensischen Freischarlern und dem jordanischen Militar. Am 16. September riefen palastinensische Militante in Irbid eine Volksregierung aus und forderten so offen die Legitimitat des Konigshauses heraus. In der darauffolgenden Nacht proklamierte Konig Hussein das Kriegsrecht und ubergab die exekutive Kontrolle an ein Militarkabinett unter dem palastinensischstammigen Offizier Muhammad Daoud . Ebenso wurde Habas al-Madschali zum Generalstabschef der Streitkrafte ernannt. Damit gab der Konig der Armee das politische Signal, gegen die militanten Palastinensergruppen vorzugehen. [4]

Verlauf der Kampfe [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Krafteverhaltnisse [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die jordanischen Streitkrafte bestanden aus rund 70.000 Soldaten, und die Armee verfugte uber eine mechanisierte und drei gepanzerte Brigaden . Diese waren mit modernen US-amerikanischen Panzern der Typen M60 und alteren britischen Centurion L7 ausgerustet. Die jordanischen Luftstreitkrafte besaßen an Flugzeugen 32 Hawker Hunter und 18 Lockheed F-104 . Der PLO standen rund 25.000 Soldaten und 76.000 Milizionare, die nur rudimentares militarisches Training absolviert hatten und unzureichend organisiert waren, zur Verfugung, jedoch keine schweren Waffen. [1] [2]

Die PLO kontrollierte große Teile der Hauptstadt Amman. Dortige Hochburgen waren die ortlichen Fluchtlingslager. Ebenso waren einige Stadte im Norden des Landes unter palastinensischer Kontrolle. Der jordanische Generalstab hatte fur die Niederschlagung der palastinensischen Guerilla eine zweitagige Operation ihrer mechanisierten und gepanzerten Krafte veranschlagt. [1] [2]

Ebenso befanden sich 17.000 irakische Soldaten mit 200 Panzern im Rahmen der arabischen Solidaritat gegenuber Israel im Land. Die Einheiten wurden nach Ausbruch der Kampfe dem irakischen Vizeprasidenten Hardan al-Tikriti unterstellt [5] und verhielten sich in dem Konflikt trotz gegenteiliger offentlicher Außerungen in den irakischen Medien strikt neutral. [6]

Scheitern der jordanischen Offensive [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Laut dem Zweitagesplan des jordanischen Militars sollte der Schwerpunkt der Auseinandersetzung in der Sicherung der Hauptstadt Amman bestehen. Dabei sollte die 1. Infanteriedivision uber den leicht bebauten Sudteil der Stadt ins Zentrum vorstoßen. Die Altstadt sollte von der 4. Mechanisierten Brigade und der 60. Panzerbrigade erobert werden. Der nordliche Teil des Landes inklusive der strategisch wichtigen Stadte Irbid, Adschlun und ar-Ramtha sollte von der 2. Infanteriedivision und der 40. Panzerbrigade gesichert werden. Die Operationen sollten zeitgleich am 17. September beginnen. Die mechanisierten Verbande blieben bereits am zweiten Kampftag in der Altstadt stecken und mussten in dem fur gepanzerte Einheiten schwierigen Terrain durch mit RPGs ausgerustete Milizionare hohe Verluste hinnehmen. Die Offensive im Suden der Stadt musste ebenso nach geringen Gelandegewinnen gestoppt werden. Die nordliche Offensive lief nur mit einer zeitlichen Verzogerung an, woraufhin die Palastinenser die Initiative ergriffen und zuerst die Kampfhandlungen eroffneten. Infolgedessen konnte die nordliche Offensive keines ihrer Ziele erreichen. Gleichzeitig stand die Armee vor einer inneren Krise, da rund 5.000 Soldaten und Offiziere desertierten oder zu den Palastinensern uberliefen. Selbst in der Armeefuhrung gab es Spannungen. So trat der Kommandeur der 2. Infanteriedivision , vermutlich aus Sympathie mit der PLO, am dritten Kampftag von seinem Posten zuruck. [1]

Syrische Intervention [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Syrien entsandte bis zum 20. September die 5. Infanteriedivision und drei Panzerbrigaden mit insgesamt 16.000 Soldaten und je nach Quelle 200 bis knapp 300 T-55 -Kampfpanzern in den Norden von Jordanien. Die Truppen trugen Uniformen der Palastinensischen Befreiungsarmee , was die jordanische Fuhrung von einer begrenzten Beteiligung Syriens ausgehen ließ. Zunachst gelang es den syrisch-palastinensischen Truppen, in einem Gefecht bei ar-Ramtha die jordanische 40. Panzerbrigade zuruckzudrangen und so den Weg nach Irbid zu offnen. Dabei verloren die Syrer 10 T-55-Panzer, die Jordanier 19 Centurion . Am 22. September entschied sich die jordanische Fuhrung um Konig Hussein zu einem massiven Luftschlag der Jordanischen Luftstreitkrafte . Die Luftwaffe flog mit ihren Kampfjets vom Typ Hawker Hunter und F-104 etwa 200 bis 250 Bodenangriffe gegen die syrischen Streitkrafte und zerstorte rund 120 Kampfpanzer und Panzerfahrzeuge. Infolgedessen zogen sich die syrischen Truppen am Folgetag wieder uber die Grenze zuruck. Der ehemalige Luftwaffenoberbefehlshaber und amtierende syrische Verteidigungsminister Hafiz al-Assad hielt die Luftwaffe bewusst zuruck, da der Einmarsch von seinem politischen Rivalen Salah Dschadid ausgegangen war. [7] [4] [8]

Wahrend der Kampfe kam es zu israelischen Luftwaffenmanovern und Verstarkung der Truppen an der syrischen Grenze, welche auf ein personliches Hilfsgesuch Konig Husseins an die USA, Großbritannien und Israel zuruckgingen. [7] [4] Gegenuber den USA erklarten sich die Israelis zu einem Einsatz von Bodentruppen auf jordanischem, jedoch nicht auf syrischem Territorium zur Unterstutzung des Konigshauses bereit. [8]

Zerschlagung der PLO in Jordanien [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Nach dem Ruckzug der syrischen Truppen zog der jordanische Generalstab die 40. Panzerbrigade und die 2. Infanteriedivision von der Grenze ab und eroffnete eine Offensive gegen die PLO in Irbid. Die PLO-Streitkrafte im Zentrum der Hauptstadt konnten sich weiterhin halten. Irbid fiel nach einwochigem Hauserkampf an die Regierungstruppen. Die Kampfhandlungen waren jedoch fur die Jordanier so erschopfend, dass der Konig am 27. September 1970 einem vom agyptischen Prasidenten Gamal Abdel Nasser vorgeschlagenen Waffenstillstand zustimmte. Der Konig beauftragte seinen Cousin und Generalstabschef General Scharif Sayyid bin Schaker mit der Ausarbeitung eines Offensivplans und ubertrug diesem den Oberbefehl. Die Armee erhielt aus den USA moderne Panzer des Typs M60 . [7] [9]

Der Plan Scharif Sayyid bin Schakers sah vor, durch Einsatz gepanzerter Krafte die noch in palastinensischer Hand verbliebenen Stadte und Fluchtlingslager voneinander zu isolieren und dann nach und nach mithilfe uberlegener Feuerkraft auszuraumen. Bis April 1971 konnte die jordanische Armee die Kontrolle uber die meisten Stadte zuruckgewinnen. 5.000 im Stadtzentrum von Amman eingeschlossene PLO-Guerillas verließen die Hauptstadt. Die letzten Freischarler zogen sich in die gebirgige Region um Adschlun zuruck und errichteten dort Feldbefestigungen. Die jordanische Armee zerschlug diese Verbande in viertagigen Kampfen. Am 18. Juli 1971 ergaben sich die letzten PLO-Kampfer den Streitkraften. [7] [9]

Folgen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Agyptens Prasident Nasser, Saudi-Arabiens Konig Faisal und PLO-Vorsitzender Arafat im September 1970 auf dem Gipfeltreffen der Arabischen Liga

Der Fehlschlag der syrischen Intervention starkte im Machtkampf innerhalb der syrischen Baath-Partei die Position von Hafiz al-Assad , der seinen Gegenspieler Dschadid kurz nach den Kampfen absetzte. [8]

Die PLO hatte die Bereitschaft von Libyen , Agypten und Syrien (alles von der Sowjetunion unterstutzte Lander) uberschatzt, einen Krieg gegen Jordanien (vom Westen unterstutzt) zu riskieren. Als Konsequenz musste die PLO ihre Stutzpunkte in den Libanon verlegen, und Jassir Arafat floh nach Kairo .

Die Niederlage im Burgerkrieg ging als Schwarzer September in den palastinensischen Sprachgebrauch ein. Die palastinensische Terrororganisation Schwarzer September benannte sich nach dem Krieg. Ihr erstes Mordopfer war 1971 der enge Vertraute des Konigs und jordanische Premierminister Wasfi at-Tall . [10]

Im Irak eskalierte die Nichteinmischung des Truppenkontingents in Jordanien das bestehende Zerwurfnis zwischen Saddam Hussein und seinem Rivalen Hardan at-Tikriti . Hussein hatte eine Intervention befohlen, welche at-Tikriti als lokaler Befehlshaber aus taktischen Bedenken nicht durchfuhrte. [11] At-Tikriti wurde Ende 1970 als Botschafter zunachst nach Algerien , dann nach Schweden geschickt. Unzufrieden mit seiner Abschiebung flog er nach Kuwait , wo er am 30. Marz 1971 auf Husseins Befehl ermordet wurde. Hussein nutzte die Affare, um Parteiganger at-Tikritis durch seine Gefolgsleute in den Streitkraften des Landes zu ersetzen. [12]

Siehe auch: Israelisch-palastinensischer Konflikt .

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. a b c d Kenneth Pollack: Arabs at War. Lincoln 2004, S. 335 f.
  2. a b c Kamal Salibi: The Modern History of Jordan. 2. Auflage, London 1998, S. 228 ff.
  3. Avi Shlaim : Lion of Jordan ? The Life of King Hussein in War and Peace. Allen Lane, London 2007, S. 312 f.
  4. a b c Kamal Salibi: The Modern History of Jordan. 2. Auflage, London 1998, S. 233 ff.
  5. Avi Shlaim: Lion of Jordan ? The Life of King Hussein in War and Peace. Allen Lane, London 2007, S. 334 f.
  6. Marion Farouk-Sluglett, Peter Sluglett: Der Irak seit 1958 ? Von der Revolution zur Diktatur. Frankfurt am Main 1991, S. 145.
  7. a b c d Kenneth Pollack: Arabs at War. Lincoln 2004; S. 338 ff.
  8. a b c Avi Shlaim: Lion of Jordan ? The Life of King Hussein in War and Peace. Allen Lane, London 2007, S. 333.
  9. a b Kamal Salibi: The Modern History of Jordan. 2. Auflage, London 1998, S. 340?343.
  10. Avi Shlaim: Lion of Jordan ? The Life of King Hussein in War and Peace , London 2007, S. 339.
  11. Spencer C. Tucker (Hrsg.): The Encyclopedia of Middle East Wars . Michael K. Beauchamp, S. 1241
  12. Marion Farouk-Sluglett, Peter Sluglett: Der Irak seit 1958 ? Von der Revolution zur Diktatur. Frankfurt am Main 1991, S. 146 f.