Unter dem Begriff
Hussiten
(tschechisch:
Husite
oder
Kali?nici
), auch
Bethlehemiten
genannt, werden verschiedene
reformatorische
beziehungsweise
revolutionare
Bewegungen im
Bohmen
des 15. Jahrhunderts zusammengefasst, die sich ab 1415 nach der Verbrennung des
Theologen
und
Reformators
Jan Hus
herausbildeten. Die Hussiten wurden von den meisten bohmischen Adeligen unterstutzt und richteten sich hauptsachlich gegen die bohmischen Konige, die damals gleichzeitig das Amt des
romisch-deutschen
Kaisers bekleideten, und gegen die
romisch-katholische Kirche
. Infolge der Auseinandersetzungen kam es in den Jahren 1419?1434 zu den
Hussitenkriegen
.
Der Sammelbegriff ?Hussiten“ umfasst eine heterogen zusammengesetzte Bewegung vorwiegend in Bohmen, deren Anhanger ein breites Sozialprofil aufwiesen (von Teilen des
bohmischen Hochadels
bis zum Kleinadel, von der niederen Geistlichkeit uber stadtische Unter- und Mittelschichten bis hin zur Bauernschaft). Sie gingen unter dem Druck von außen (antihussitische Kreuzzuge) zeitweilig Koalitionen ein. Das einigende Band bildete der in den
Vier Prager Artikeln (?ty?i artikuly pra?ske)
als Minimalprogramm enthaltene Forderungskatalog.
[1]
Der traditionelle
Utraquismus
war seit 1436 durch
Basler
Kompaktaten
in Bohmen und Mahren rechtlich anerkannt. Die hussitischen Utraquisten bildeten eine große Mehrheit (etwa 85 %) aller Christen in Bohmen und Mahren. 1458 bis 1471 regierte in Bohmen mit
Georg von Podiebrad
der erste nichtkatholische Konig Mitteleuropas. 1468 gerieten Mahren,
Schlesien
und die Lausitzen unter die Herrschaft des ungarischen Konigs
Matthias Corvinus
, der die Vorherrschaft des Katholizismus wiederherstellen wollte. 1485 wurden die Basler Kompaktaten im
Kuttenberger Religionsfrieden
durch bohmische Stande bestatigt. Nach dem Tod Corvinus 1490 wurden die Nebenlander Bohmens wieder unter Vladislav II. vereinigt. Die
Vladislavsche Landesordnung
von 1500 fuhrte keine Rechtbeschrankungen fur die Hussiten ein. Der
bohmische Landtag
von 1512 hat diese Vereinbarung auf ?ewige Zeiten“ verlangert.
1575 entstand im Auftrag der nichtkatholischen
Lander der Bohmischen Krone
die durch hussitische Neuutraquisten und
Lutheraner
verfasste
Confessio Bohemica
. Die Bildung einer Landeskirche gelang nicht, doch erlangten die protestantischen Glaubensrichtungen mit dem
Majestatsbrief
von 1609 ihre Anerkennung als erlaubte Konfessionen. 1620 nach der
Schlacht am Weißen Berge
wurde die große Mehrheit der Hussiten schließlich mit Gewalt zum Katholizismus zuruckgefuhrt, vertrieben oder fluchtete in die verbliebenen
protestantischen
Lander.
Der Name
Hussiten
geht auf den tschechischen
Theologen
und
Reformator
Jan Hus
(ca. 1370?1415) zuruck. Dieser beanstandete den Reichtum der
romisch-katholischen Kirche
, ihre Sittenlosigkeit und den
Ablasshandel
, bei dem gegen Zahlung eines Geldbetrages die Vergebung der Sunden versprochen wurde. Als einzige verbindliche Quelle in Glaubensfragen ließ Hus die
Bibel
gelten. Ferner erkannte er das
Primat des Papstes
nicht an und folgte damit
John Wyclif
und den
Waldensern
. Auf der
Leipziger Disputation
1519 wurden
Martin Luther
von
Johannes Eck
vom
Konstanzer Konzil
verurteilte Satze des Hus vorgelegt, und Luther erklarte, einige davon seien christlich und evangelisch. Fur Eck war Luther damit als hussitischer Ketzer uberfuhrt; Luther sah in der Folge Hus als seinen Vorlaufer an (Kirchenverstandnis, Laienkelch).
Jan Hus reiste zum
Konstanzer Konzil
(ab 1414), wobei
Konig Sigismund
ihm
Freies Geleit
von und nach
Prag
und wahrend seines Aufenthaltes in Konstanz zugesichert hatte. Trotzdem wurde er inhaftiert. Auch nach strengen Verhoren und Gefangenschaften weigerte er sich, seine Lehre zu widerrufen. Am 6. Juli 1415 wurde Jan Hus auf dem Bruhl in Konstanz zusammen mit seinen Schriften auf einem Scheiterhaufen verbrannt und die Asche in den Rhein gestreut.
Der Konstanzer Schuldspruch gegen Jan Hus wurde in Bohmen nicht anerkannt. 452 bohmische und mahrische Adlige sandten im September 1415 einen Protestbrief, die sogenannte
Protestatio Bohemorum
[2]
an das Konstanzer Konzil (
Kostnitzer Konzil
)
[3]
und schlossen sich in einem Bundnis zusammen. Auch in der Bevolkerung loste die Verbrennung heftige Proteste aus, in deren Folge eine bohmische Freiheitsbewegung entstand, die wesentliche Ziele von Jan Hus ubernahm. Man war sich einig, die freie Predigt des Wortes Gottes schutzen zu wollen und Verordnungen der
Bischofe
und des Papstes nur insoweit anzuerkennen, als sie in Einklang mit der
Heiligen Schrift
standen. Da die freie Religionsausubung eingeschrankt war, trafen sich die Anhanger von Jan Hus ab Ostern 1419 und 1420 an abgeschiedenen Orten, etwa auf Bergen, wie dem Beranek bei
Mlada Vo?ice
, dem Bzi, Bradlo, Olivetska hora und
Oreb
zu Wallfahrten unter freiem Himmel. Hohepunkt der
pout? na hory
bildete die Große Versammlung, die am 22. Juli 1419 mit der Abschlusspredigt vor 42.000 Anhangern auf dem Burkovak bei
Nem?jice
endete, der danach in Anlehnung an den biblischen
Weltenberg
Tabor
den Namen
Tabor
erhielt.
Nach der Verbrennung von Jan Hus 1415 versuchte der bohmische Konig
Wenzel
die emporten hussitischen Anhanger von Kirchen- und Staatsamtern auszuschließen. Dies fuhrte zu einem Aufstand. Dabei kam es am 30. Juli 1419 zum
ersten Prager Fenstersturz
, bei dem Hussiten in Prag das
Neustadter Rathaus
sturmten und einige Ratsherrn aus dem Fenster warfen. Konig Wenzel starb am 16. August. Seinen Bruder
Sigismund
wollten die Hussiten nicht als Konig anerkennen, da er das seinerzeit Jan Hus versprochene sichere Geleit nicht eingehalten hatte; er galt geradezu als dessen Morder. In den Tagen nach dem Tode Wenzels unterwarfen hussitische Volksmassen in Prag Kirchen und Kloster gewaltsam der
Kelchkommunion
oder zerstorten und verbrannten sie. Die Unruhen dauerten mehrere Wochen.
Im Marz 1420 erließ Papst
Martin V.
die sogenannte Kreuzzugs
bulle
. Aus dem Aufstand entwickelte sich ein Krieg.
1420 wurden die
Vier Prager Artikel
verfasst, welche folgende Forderungen enthielten:
- die Freiheit fur die Predigt
- die Freiheit fur den Kelch
- die Freiheit von sakularer Kirchenherrschaft
- die Freiheit von ungerechter weltlicher Herrschaft
Diese Forderungen wurden im Wesentlichen von dem Flugel der
Kalixtiner
als die wichtigsten erachtet. Die radikaleren
Taboriten
forderten außerdem die Abschaffung vieler kirchlicher Einrichtungen und Gebrauche.
Die Hussitische Bewegung bestand aus zwei Gruppierungen: Die Kalixtiner (von lat.
calix
Kelch, siehe
Hussitenkelch
) grundeten in Sudbohmen die nach dem
Berg Tabor
benannte Siedlung
Tabor
und rekrutierten sich zum großten Teil aus der mittellosen Stadt- und Landbevolkerung. Die Taboriten wollten das
Reich Gottes
mit Waffengewalt errichten und wandten sich damit auch gegen die bestehende weltliche Ordnung mit
Feudalismus
und
Monarchie
.
Im Fruhjahr 1421 vertrieben die ?neuen Obrigkeiten“ Tabors (
Jan ?i?ka
,
Nikolaus von Pelgrims
,
Johannes von Ji?in
) den radikalen Kern der Taboriten um
Martin Huska
aus der Stadt. Jan ?i?ka spurte sie in den Dorfern, in denen sie Zuflucht gesucht hatten, auf und ließ sie ausrotten. Den in Tabor und Prag popularen Martin Huska selbst ließen die (adligen) Calixtiner und ?i?ka vom (katholischen) Prager Erzbischof
Konrad von Vechta
foltern und im Sommer 1421 auf dem Scheiterhaufen verbrennen.
Nach der Ausloschung der Anhanger Huskas verleumdete Jan ?i?ka diese als angeblich systematisch Unzucht treibende ?
Adamiten
“ sowie als ?
Pikarden
“. Diese Benennung leitete sich ab von evangelischen Fluchtlingen aus der
Picardie
, deren ?
Haresie
“ sie angeblich ubernommen hatten.
?i?ka selbst wurde
postum
als ein Anfuhrer der zwischen Taboriten und Calixtinern verorteten ?
Orebiten
“ (bzw. Bezug nehmend auf ?i?kas Tod ?
Orphaniten
“, lat. ?Waisen, Verwaiste“) dargestellt. Das Motiv dieser Deutung war, ?i?ka von den zunachst insgesamt radikalen Taboriten nachtraglich abzugrenzen und ihn damit wenigstens teilweise fur die sich in der Tradition der Calixtiner wahnenden adligen und burgerlichen tschechischen National(ist)en zu vereinnahmen. Allerdings ist die Existenz der Orebiten nicht sicher belegt, zumal ?i?ka von Tabor aus gewirkt hat.
Im Dezember 1419 erlitt eine koniglich-katholische Einheit in der Nahe von Pilsen in der
Schlacht bei Nekmi?
eine erste Niederlage gegen ein kleines hussitisches Kontingent, eine zweite Niederlage erlitten die katholischen Truppen im Marz 1420 in Sudbohmen bei
Sudom??
. Katholische Truppen unter
dem spateren Kaiser Sigismund
zogen zwar im Juni 1420 auf der
Prager Burg
, dem Hradschin ein. Der Versuch, ganz Prag zu erobern, wurde aber am 14. Juli in der
Schlacht am Prager St. Veitsberg
von Hussitentruppen unter
Jan ?i?ka
zuruckgeschlagen. Im Herbst 1420 scheiterte die Eroberung der anderen Prager Burg, des
Vy?ehrad
. ?i?ka fuhrte ein straffes Regiment, das unter anderem zum Tod und zur Vertreibung vieler Deutscher aus Bohmen fuhrte. Die Juden stellte er vor die Alternative, sich taufen zu lassen oder hingerichtet zu werden, so etwa in
Komotau
.
[4]
Auch der zweite Feldzug gegen die Hussiten 1421 scheiterte. Der Sieg
Friedrichs von Meißen
uber die Hussiten in der
Schlacht bei Brux
im August blieb ohne nachhaltige Wirkung. Wenig spater, im September, raumte ein Kreuzheer beim nahegelegenen
Saaz
das Land in wilder Flucht, nachdem sich die Hussiten naherten.
Der dritte Feldzug endete im Januar 1422 mit zwei weiteren Niederlagen der koniglich-katholischen Heere bei
Kuttenberg
und
Deutschbrod
. Im Fruhjahr 1423 brachen schwere Differenzen innerhalb der verschiedenen hussitischen Stromungen auf. In der
Schlacht bei Horschitz
im April 1423 setzten sich die radikalen Taboriten unter Jan ?i?ka gegen die Prager (
Utraquisten
) durch. Im Juni kam es in
Konopischt
zu einem zeitweiligen Ausgleich zwischen den verschiedenen Parteien. Nachdem im Oktober 1423 Friedensverhandlungen der Utraquisten in Prag mit Sigismund gescheitert waren, brach der innerhussitische Gegensatz wieder auf.
Im Juni 1424 behielt ?i?ka in der
Schlacht bei Maleschau
erneut die Oberhand gegen die Prager Utraquisten. Der Schwerpunkt der Kampfe verlagerte sich nun nach Mahren. Wahrend der Schwiegersohn Sigmunds
Herzog Albrecht
im Juli von Suden her versuchte, das Land in die Hand zu bekommen, begann von Westen her ein verheerender hussitischer Angriff. Habsburgisch bzw. katholisch gesinnte Stadte wurden eingenommen und dem Erdboden gleichgemacht.
Nach dem Tode ?i?kas am 11. Oktober 1424 wahrend der Belagerung der Burg
Pribislau
ubernahm
Andreas Prokop
die Fuhrung der Hussiten. Auch unter Prokops Kommando blieben die Hussiten siegreich.
Im Jahre 1425 stießen die Hussiten erstmals nach
Schlesien
vor, doch ansonsten beschrankten sich die Kampfe, die von beiden Seiten mit großer Grausamkeit gefuhrt wurden, bis Herbst 1425 noch weitgehend auf mahrisch-bohmisches Gebiet. Im November 1425 drangen hussitische Heere erstmals nach
Niederosterreich
vor, um Herzog Albrecht, der in Mahren mit wechselndem Erfolg operierte, abzulenken, um die Belastung des eigenen Landes zu verringern und um Beute zu machen. Zahlreiche Kloster und Stadte wurden geplundert.
Der vierte Feldzug 1427 endete fur die katholischen Truppen mit einer schweren
Niederlage bei Tachau (Mies)
in Westbohmen am 4. August.
Schon ab 1428 gingen die Hussiten unter Andreas Prokop zum Angriff auf katholische Bastionen uber. Der Kriegszug des Jahres 1428 verheerte Niederosterreich und Teile Schlesiens, 1429 folgte ein neuerlicher Vorstoß nach Niederosterreich und in die Lausitz. Am 25. Juli 1429 kam es in Plauen zum Bundnis zwischen den Wettinern und den Hohenzollern gegen die Hussiten. Doch schon drei Monate spater wurde
Altendresden
von den Hussiten niedergebrannt, wenige Monate spater folgte ein Angriff der Hussiten die
Elbe
abwarts wahrscheinlich bis in die Gegend von
Torgau
und dann westwarts in Richtung
Leipzig
, durch das
Vogtland
nach
Oberfranken
. Die Stadt
Loßnitz
wurde 1429/30 vergeblich von einem Hussitentrupp belagert.
Der Hussitenzug des Jahres 1430 betraf außerdem Schlesien, der des Jahres 1431 Teile
Ungarns
(westliche
Slowakei
).
Auch ein Beschluss zur Bekampfung der Hussiten auf dem
Reichstag
zu
Nurnberg
im Jahre 1431 konnte das Kriegsgluck nicht wenden. Der funfte Kreuzzug unter Kardinal
Giuliano Cesarini
endete am 14. August 1431 mit einer blamablen
Niederlage bei Taus
. Sigmund suchte daraufhin nach einer Verhandlungslosung.
Wahrenddessen folgten 1432/34 die weitraumigsten Operationen der Hussiten, die im Osten nach
Oberschlesien
und in die westliche Slowakei fuhrten, in Richtung Norden in die
Lausitz
, nach
Niederschlesien
, uber die
Neumark
in das
Danziger
Gebiet des
Deutschordensstaats
sowie nach
Polen
. Ein kleinerer Vorstoß im April 1432 betraf erneut Brandenburg (u. a.
Frankfurt (Oder)
,
Bernau
,
Strausberg
).
Da den kaiserlichen und papstlichen Truppen bis auf kleinere Gefechte der Sieg gegen die Hussiten verwehrt blieb, wurde zwischen 1431 und 1433 mit ihnen verhandelt. Zwar hatte Kurfurst
Friedrich II. von Sachsen
am 23. August 1432 schon einen Sonderfrieden mit den Hussiten auf zwei Jahre geschlossen, doch erst 1436 endeten die Kriegshandlungen uberall.
Auf dem
Basler Konzil
wurden den Hussiten mit den
Prager Kompaktaten
einige Zugestandnisse gewahrt. Auf das Konzil wurde seitens der Bohmen unter
Prokop
durch die Belagerung der katholischen und reichstreuen Stadt
Pilsen
ab Mitte 1433 Druck ausgeubt. Die
Obere Pfalz
war dabei wiederum stark gefahrdet und wie schon ofter von Raubzugen der Hussiten bedroht. Am 21. September 1433 wurde ein Teilkontingent des hussitischen Belagerungsheeres, das zum
Fouragieren
in die Obere Pfalz eingedrungen war, von dem wesentlich kleineren Heer des Pfalzgrafen
Johann von Pfalz-Neumarkt
, der ?Hussitengeißel“, bei
Hiltersried
vernichtend geschlagen.
Wahrend des Konzils von Basel kehrte der weniger radikale Flugel der
Utraquisten
beziehungsweise
Calixtiner
wieder in den Schoß der katholischen Kirche zuruck und verbundete sich sogar mit den kaiserlichen Truppen gegen die radikaleren
Taboriten
. Diese wurden schließlich im Verbund mit katholischen Herren und Stadten am 30. Mai 1434 in der
Schlacht von Lipan
(
tschechisch
Lipany
) nach einem taktischen Fehler Prokops vernichtend geschlagen. Nur eine kleine Abordnung unter
Jan Roha? z Dube
rettete sich auf dessen
Burg Sion
bei Kuttenberg, bis auch diese 1437 erobert und Roha? in Prag hingerichtet wurde.
Als letztes Gefecht der Hussitenkriege gilt die
Schlacht bei Brux
am 23. September 1434, wobei die inzwischen mit den
Polen
verbundeten Hussiten eine schwere Niederlage gegen Kaiser Sigismund, Friedrich II. und Heinrich von Schwarzburg erlitten.
Zahlreiche der kriegsgeubten und gefurchteten Hussitenkrieger verdingten sich nach Ende der eigentlichen Kriegshandlungen weiterhin als Soldner zum Teil in katholischen Diensten, so z. B. in der
Soester Fehde
.
Die Folgen der Hussitenkriege fur die betroffenen Territorien waren gravierend: Das wirtschaftliche Leben in den Grenzregionen kam zum Erliegen, die Herzogtumer hatten Steuer- und Ernteausfalle zu verkraften und die kostspieligen Verteidigungsmaßnahmen und Feldzuge zu finanzieren. 1422 flossen etwa 21 % aller Ausgaben Niederbayern-Straubings in den Kampf gegen die Hussiten.
[5]
Die Bewegung des Hussitismus konnte sich letztlich nicht durchsetzen. Die aus Bohmen vertriebenen Katholiken forderten nach dem Ende der Kampfe die Ruckgabe ihres
Eigentums
, die ihnen 1436 verwehrt wurde. Die wenigen religiosen Zugestandnisse der katholischen Kirche an die Hussiten wurden durch Papst
Pius II.
am 31. Marz 1462 wieder zuruckgenommen.
Die zeitweilig gegebenen Zugestandnisse waren aber dennoch ein Anstoß fur die Bildung eines
tschechischen
Nationalbewusstseins
.
Georg von Podiebrad
, 1458 bis 1471 Konig von Bohmen, verfolgte zwar die verbliebenen Radikalen, kam aber selbst zu keiner Einigung mit dem Papsttum. Er scheiterte letztlich an einer Ubermacht, war aber doch der erste nicht-katholische Konig Mitteleuropas seit der Christianisierung.
Auch sein katholischer Nachfolger Konig
Vladislav II.
(1471?1516) musste 1485 auf dem Landtag zu Kuttenberg im
Kuttenberger Religionsfrieden
die Kompaktaten bestatigen. Der Reichstag von 1512 verlieh den Hussiten gar die gleichen Rechte wie den Katholiken.
Im Laufe des 16. Jahrhunderts naherten sich die
Utraquisten
den Lutheranern an. Eine eigene Richtung verfolgten in dieser Zeit eher die
Bohmischen Bruder
.
Nach der Niederlage der bohmischen Stande im Jahre 1620 in der
Schlacht am Weißen Berge
wurden die bohmischen Lander schließlich mit Gewalt zum Katholizismus zuruckgefuhrt, die gefluchteten Utraquisten gingen in den lutherischen oder reformierten Kirchen auf.
Die wissenschaftliche Diskussion uber das Wesen und die Triebkrafte der Hussitenbewegung ist unter Historikern nach wie vor nicht abgeschlossen. Schon Zeitgenossen werteten das Geschehen aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln. Neben die zunachst vordergrundigen religiosen Ursachen traten mit fortschreitendem zeitlichem Abstand zum Tod von Jan Hus zunehmend gleichberechtigt soziale und nationale Aspekte. Allerdings war die Hussitenbewegung sicher keine reine tschechische Nationalerhebung; schließlich gab es sowohl in Bohmen als auch im ubrigen Reichsgebiet eine ganze Anzahl ?deutscher“ Hussiten.
[6]
Außerdem fand die Rebellion auch in Bohmen eine entschiedene Opposition, welche letztlich in Lipan den entscheidenden Anteil an der Niederlage der Taboriten hatte.
Die 1918 gegrundete
Evangelische Kirche der Bohmischen Bruder
entstand durch die Vereinigung der evangelisch-lutherischen und der evangelisch-reformierten Kirche in Tschechien. Sie sieht sich auch in der Nachfolge der hussitischen
Utraquisten
und der tschechischen Bruderunitat.
[7]
Die 1920 gegrundete
Tschechoslowakische Hussitische Kirche
beruft sich auf die Hussiten und ist ? als Abspaltung von der katholischen Kirche ? mit der
Anglikanischen Kirche
vergleichbar. Sie wird auch als neuhussitisch bezeichnet.
- Israel Jacob Yuval:
Juden, Hussiten und Deutsche ? nach einer hebraischen Chronik
+ seiner deutschen Ubersetzung im Anhang:
Gilgul bne Chuschim (Geschichte der Hussiten)
von Salman von St. Goar, in:
Zeitschrift fur Historische Forschung
, Beiheft 13, S. 59?102, 1992
- Franz Grundler, Dominik Dorfner:
Hussen, Hymnen, Helden, Mythen, auf den Spuren der Hussiten
, Buch & Kunstverlag Oberpfalz, Amberg 2005,
ISBN 3-935719-28-0
.
- Franti?ek ?mahel
:
Haresie und vorzeitige Reformation im Spatmittelalter
(=
Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien.
Bd. 39). Oldenbourg, Munchen 1998,
ISBN 3-486-56259-2
(
Digitalisat
).
- Franti?ek ?mahel
:
Die Hussitische Revolution
(= Schriften der
Monumenta Germaniae Historica
, Bd. 43, 3 Teile). Hannover 2002,
ISBN 978-3-7752-5443-4
.
- Ferdinand Seibt
:
Rezension
zu: Franti?ek ?mahel:
Husitska revoluce (Die Hussitische Revolution
) In:
Bohemia
Band 40 Nr. 2 (1999)
S. 529?534.
- Michaela Bleicher:
Hussitenkriege
In:
Historisches Lexikon Bayerns
- Franz Machilek:
Hus und die Hussiten in Franken
In:
Jahrbuch fur frankische Landesforschung
Band 51 (1991)
S. 27?38.
- Hans Delbruck
:
Die Hussiten
. In:
Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte
. Berlin 1923,
S.
503?526
(
zeno.org
).
- ↑
Hussiten
In:
Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im ostlichen Europa
2013
- ↑
Thomas Krzenck:
Protestbrief des bohmischen und mahrischen Adels an das Konzil, in dem die Absender am 2. September 1415 gegen die Verbrennung des Jan Hus protestieren
Faksimile lat. Text, Transkription und Auflistung der Unterzeichner
- ↑
Pavel B. K?rka:
How Constantia became Kostnice (and vice versa).
In:
Bohemian Reformation and Religious Practice.
Band 6. Prag 2007, S. 265?274 (
brrp.org
[PDF; 379 kB]).
- ↑
Michael Toch:
Spatmittelalterliche Rahmenbedingungen judischer Existenz: Die Verfolgungen
. In: Sabine Hodl, Peter Rauscher, Barbara Staudinger (Hrsg.):
Hofjuden und Landjuden. Judisches Leben in der Fruhen Neuzeit
. Philo, Wien 2004,
ISBN 3-8257-0352-5
, S. 19?64, hier S. 37.
- ↑
Michaela Bleicher:
Hussitenkriege
- ↑
Ferdinand Seibt:
Deutschland und die Tschechen. Geschichte einer Nachbarschaft in der Mitte Europas
; Piper-Verlag 1993. Franti?ek ?mahel:
Die Hussitische Revolution
, 3 Bande; MGH-Schriften 43/I?III; Hannover, 2002.
- ↑
Uber uns.
Evangelische Kirche der Bohmischen Bruder,
abgerufen am 7. Juli 2013
.