Hans-Jochen Vogel
(*
3. Februar
1926
in
Gottingen
; †
26. Juli
2020
in
Munchen
) war ein
deutscher
Politiker
(
SPD
).
Vogel war von 1960 bis 1972
Oberburgermeister
von
Munchen
. Von 1972 bis 1981 und erneut von 1983 bis 1994 gehorte er dem
Deutschen Bundestag
an. Er war von 1972 bis 1974
Bundesminister fur Raumordnung, Bauwesen und Stadtebau
, danach bis 1981
Bundesminister der Justiz
. In
West-Berlin
war er von Januar bis Juni 1981
Regierender Burgermeister
und bis 1983 Mitglied des
Abgeordnetenhauses
.
Nach dem Ende der Kanzlerschaft
Helmut Schmidts
war er
Kanzlerkandidat
der SPD bei der
Bundestagswahl 1983
, scheiterte jedoch gegen die neu formierte
Koalition aus CDU/CSU und FDP
. Von 1983 bis 1991 war er in der Nachfolge
Herbert Wehners
Vorsitzender der
SPD-Bundestagsfraktion
und von 1987 bis 1991 als Nachfolger
Willy Brandts
Parteivorsitzender der SPD.
Hans-Jochen Vogel war der Sohn von
Hermann Vogel
(1895?1974) und dessen Frau Caroline, geb. Brinz. Sein Bruder ist der ehemalige Ministerprasident von Rheinland-Pfalz und Thuringen,
Bernhard Vogel
(
CDU
). Sein Großvater war der Tiermediziner
Leonhard Vogel
(1863?1942). Hermann Vogel war zunachst Diplom-Landwirt,
habilitierte
sich an der
Universitat Gottingen
und wurde im Wintersemester 1934/35 Ordinarius fur Tierzucht und Milchwirtschaft an der
Universitat Gießen
. Sohn Hans-Jochen besuchte zuerst das
Max-Planck-Gymnasium
in Gottingen und von 1935 bis 1943 in
Gießen
das
Landgraf-Ludwigs-Gymnasium
. Zu seiner Gymnasialzeit in Gießen gehorte er als
Scharfuhrer
der
Hitlerjugend
an. Am Landgraf-Ludwigs-Gymnasium bestand er im Marz 1943 die Abiturprufungen und erwarb die
allgemeine Hochschulreife
.
Im Sommersemester 1943 begann er ein Studium der
Rechtswissenschaft
an der
Ludwig-Maximilians-Universitat Munchen
und meldete sich im Juli 1943 freiwillig zur
Wehrmacht
,
[1]
um dem intensiven Werben der
Waffen-SS
zu entgehen. Nach zweimaliger Verwundung an der
italienischen Front
geriet Vogel Ende April 1945 als
Unteroffizier
in die
Kriegsgefangenschaft
der
United States Army
.
[2]
[3]
Zum Wintersemester 1946/47 setzte er das Studium der Rechtswissenschaft an der
Universitat Marburg
fort, das er 1948 mit dem ersten Staatsexamen und der Note ?gut“ beendete. 1950 folgte an der Universitat Munchen seine
Magna-cum-laude
-Promotion zum Dr. jur. Die Arbeit hatte den Titel
Der Irrtum des Taters uber die Rechtmaßigkeit der Amtsausubung in § 113 StGB und die Zustandigkeit der Behorde in § 156 StGB
.
1951 absolvierte er das zweite juristische Staatsexamen in Bayern als Bester aller Prufungsteilnehmer (Platznummer
[4]
1), weshalb er von Journalisten bisweilen als ?Einserjurist“ bezeichnet wurde. Er hatte aber nicht mit der Note ?sehr gut“ bestanden, sondern mit 2,3 oder 2,5 der damaligen Notenskala, wie er selbst klar stellte.
[5]
1952 trat er als
Assessor
in das
Bayerische Staatsministerium der Justiz
ein. 1954 erfolgte seine Ernennung zum Amtsgerichtsrat in
Traunstein
. Von 1955 bis 1958 war er als Justizbeamter in der
Bayerischen Staatskanzlei
tatig. Von 1958 bis 1991 (Erreichen des Pensionsalters) war Hans-Jochen Vogel als bayerischer Justizbeamter beurlaubt.
Mit der Vielzahl der von ihm bekleideten politischen Spitzenamter nahm Hans-Jochen Vogel als deutscher Sozialdemokrat in der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts eine Sonderstellung ein. Uber Regierungsfunktionen in zwei Landermetropolen und zwei Bundesministerien hinaus fuhrte Vogel die SPD zeitweise als Kanzlerkandidat, als Bundestagsfraktionsvorsitzender und als Parteivorsitzender. Allein fur die 12 Jahre als Munchner Oberburgermeister (OB) taxierte Vogel die von ihm bestrittenen Wahlveranstaltungen der SPD auf 500
[6]
und die gehaltenen Reden auf etwa 1.000.
[7]
In die SPD trat Hans-Jochen Vogel 1950 ein. Seine politische Karriere in der SPD begann 1958 mit der Wahl zum
Stadtrat
als Leiter des Rechtsreferats der Landeshauptstadt Munchen. Ab 1970 war er Mitglied im SPD-Bundesvorstand, von 1972 bis 1977 Landesvorsitzender der
SPD Bayern
und von 1972 bis 1991 Mitglied des SPD-Prasidiums. Vogel kandidierte auf verschiedenen Ebenen als
Spitzenkandidat
seiner Partei. Bei der
Landtagswahl in Bayern 1974
forderte er erfolglos den Ministerprasidenten
Alfons Goppel
(
CSU
) heraus.
Am 27. Marz 1960 wurde Hans-Jochen Vogel mit gerade 34 Jahren als Nachfolger des Sozialdemokraten
Thomas Wimmer
zum
OB von Munchen
gewahlt. Binnen weniger Wochen nach seiner Wahl reorganisierte er die Leitung der Rathausgeschafte und unterstellte dabei unter anderem das Stadtplanungsamt unmittelbar der eigenen Zustandigkeit.
[8]
Den im Juli 1963 beschlossenen Stadtentwicklungsplan, der die stadtebauliche und verkehrsmaßige Ordnung Munchens fur die kommenden 30 Jahre anvisierte, unterfutterte Vogel innerhalb von vier Jahren durch eine annahernde Verdreifachung des damit befassten Personals auf 120 Mitarbeiter.
[9]
Wichtige Errungenschaften dieser beispielgebenden Neuerung waren fur Vogel unter anderem eine fur Alternativen offene Langzeit-Entwicklungsprognose fur Munchen, die Anstoßfunktion fur regionale Entwicklungsplanung sowie die Schaffung eines ausgedehnten Fußgangerbereichs im Munchner Zentrum; auch die Planung eines leistungsfahigen offentlichen Personennahverkehrs durch die Schaffung eines
S-
und
U-Bahn
-Netzes geht auf den Stadtentwicklungsplan zuruck.
[10]
Von 1964 bis 1972 war Vogel Prasident des
Bayerischen Stadtetags
und 1971 Prasident des
Deutschen Stadtetags
. Gegen Ende von Vogels erster Amtszeit als Munchner OB fiel die Entscheidung fur die Bewerbung der Stadt um die
Olympischen Sommerspiele 1972
. Nachdem
Willi Daume
als Prasident des
Nationalen Olympischen Komitees fur Deutschland
(NOK) Vogel diesen Vorschlag unterbreitet und zunachst bei Ministerprasident Goppel die Zusage zu einer angemessenen Beteiligung an der Finanzierung erhalten hatte, holte er schließlich im November 1966 zusammen mit Daume bei Bundeskanzler
Ludwig Erhard
Finanzierungszusagen des Bundes ein.
[11]
Bei der Wiederwahl zum Munchner OB im Marz 1966 entfielen auf Vogel 78 Prozent der Stimmen. Wahrend der entscheidenden Tagung des
Internationalen Olympischen Komitees
(IOC) in Rom 1966 warben Daume und Vogel gegen die Konkurrenz von
Detroit
,
Madrid
und
Montreal
erfolgreich fur Munchen als Austragungsort der Sommerspiele 1972. Von 1966 bis 1972 war Vogel Vizeprasident der Olympia-Baugesellschaft und im selben Zeitraum Vizeprasident des Organisationskomitees fur die Olympischen Sommerspiele 1972.
Parallel zur Olympiaplanung und -finanzierung beschaftigten den Munchner OB Vogel in seiner zweiten Amtszeit auch die lokalen Proteste und Demonstrationen gegen den
Vietnamkrieg
, gegen die Erschießung
Benno Ohnesorgs
bei der
Demonstration am 2. Juni 1967 in West-Berlin
, gegen
Deutsche Notstandsgesetze
und das
Attentat auf Rudi Dutschke
, den prominentesten Kopf der
Studentenbewegung
. Am Ubergang zu den 1970er-Jahren nahmen auch in der Munchner SPD jene systemkritischen Krafte an Gewicht zu, denen die Reformperspektiven des
Godesberger Programms
der SPD von 1959 nicht genugten. In der Auseinandersetzung mit diesen innerparteilichen Tendenzen war auch der Munchner OB Vogel Anfeindungen ausgesetzt, die ihm die Kandidatur fur eine weitere Amtszeit von 1972 bis 1978 verleideten.
[12]
Vogel warf den
Jusos
dabei vor, eine ?Re-Ideologisierung der Partei im marxistisch-leninistischen Stil“ anzustreben und die Sprache ?kommunistischer Agitatoren“ zu sprechen.
[13]
Vogel selbst hielt die weitere Amtsausubung als Munchner OB auch fur unvereinbar mit der ihm angetragenen Funktion des Landesvorsitzenden der bayerischen SPD.
[14]
Als die Olympischen Spiele im August und September 1972 stattfanden, war nicht mehr Vogel Oberburgermeister, sondern
Georg Kronawitter
; Hans-Jochen Vogel verfolgte die Spiele als Zuschauer und Vizeprasident des Organisationskomitees.
Angesichts der Munchner SPD-Querelen erwog Vogel zeitweise den ganzlichen Ausstieg aus der Politik, ließ sich aber von
Willy Brandt
uberzeugen, neue Aufgaben in der SPD zu ubernehmen: Am 6. Mai 1972 wurde er zum bayerischen Landesvorsitzenden der SPD gewahlt; bald danach ruckte er anstelle von
Karl Schiller
in das SPD-Prasidium auf.
[15]
Bei der fur die SPD sehr erfolgreichen
Bundestagswahl 1972
wurde Vogel erstmals uber die
Landesliste
Bayern
in den
Bundestag
gewahlt. Anschließend berief ihn Bundeskanzler Brandt am 15. Dezember 1972 als Bundesminister fur Raumordnung, Bauwesen und Stadtebau in sein
zweites Kabinett
. Die Bilanz der anderthalb Jahre, die Vogel dieses Ressort leitete, fallt fur ihn selbst zwiespaltig aus: Die seinerzeitige Wohnungsbauforderung konne sich mit ihren Ergebnissen durchaus sehen lassen; und auch die vor allem fur die Wiederherstellung und Erhaltung von Innenstadtbereichen verwandten Mittel des Stadtebauforderungsgesetzes seien erfolgreich eingesetzt worden. Eine auf Eindammung der Bodenspekulation gerichtete Bodenrechtsreform sei dagegen im Wesentlichen und anhaltend gescheitert.
[16]
Nach dem Rucktritt Willy Brandts und der Wahl Helmut Schmidts zum Bundeskanzler ubernahm Hans-Jochen Vogel am 16. Mai 1974 das Amt des Bundesjustizministers. Zwei ?heiße Eisen“ bestimmten zu dieser Zeit die Reformagenda im Bereich des Rechts: die
Abtreibungsfrage
und das
Ehescheidungswesen
. Die von der
sozialliberalen Koalition
fur Schwangerschaftsabbruche vorgesehene
Fristenregelung
scheiterte an einer von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und mehreren unionsgefuhrten Landern erhobenen Verfassungsklage, der das
Bundesverfassungsgericht
mit der Konsequenz folgte, dass bis auf Weiteres ein Indikationenmodell gelten sollte, das neben der medizinischen und ethischen auch eine soziale Indikation fur ansonsten strafbewehrte Schwangerschaftsabbruche enthielt.
[17]
Bei der Reform des Scheidungsrechts trat an die Stelle des Leitbilds der Hausfrauenehe das der partnerschaftlichen Ehe sowie das Zerruttungsprinzip, dem gemaß auf individuelle Schuldfeststellung verzichtet werden konnte. Der damit einhergehende Anspruch auf einen
Versorgungsausgleich
fur geschiedene Ehegatten trug dem fur die Reform zustandigen Bundesminister Vogel, wie er ruckblickend schreibt, sehr unterschiedliche geschlechtsspezifische Reaktionen ein: Auch ublicherweise auf dem reformerisch-progressiven Flugel anzutreffende mannliche SPD-Genossen reagierten aufgebracht, wenn sie selbst von Scheidung betroffen waren.
[18]
Bei der
Bundestagswahl 1976
, wie auch 1980, gewann Vogel das Direktmandat im
Wahlkreis Munchen Nord
. Eine Herausforderung gerade fur den Bundesjustizminister stellte der gegen die staatliche Ordnung und ihre Reprasentanten gerichtete Terror der
Rote Armee Fraktion
(RAF) dar, der 1976 dazu fuhrte, dass ein neuer Tatbestand der
Bildung terroristischer Vereinigungen
per Gesetz eingefuhrt und dafur eine primare Verfolgungszustandigkeit durch den
Generalbundesanwalt
geschaffen wurde. Eine besondere Belastungsprobe stellte fur Vogel die nach der Ermordung von drei begleitenden Polizeibeamten und des Chauffeurs uber sechs Wochen sich hinziehende
Entfuhrung von Hanns Martin Schleyer
dar, des
Arbeitgeberprasidenten
, mit der RAF-Gefangene freigepresst werden sollten. Vogel vertrat in dem unter Vorsitz von Bundeskanzler Helmut Schmidt ofters tagenden Krisengremium hochrangiger Politiker den schon langer eingenommenen Standpunkt, dass der Staat den RAF-Forderungen nicht nachgeben konne, auch um den Terroristen nicht Anreize zu immer neuen derartigen Aktionen zu geben und damit weitere Opfer in der Zukunft zu provozieren. Fur den dann durch die Terroristen herbeigefuhrten Tod Schleyers sieht sich Vogel als Mitverursacher, ?auch wenn ich glaubte und heute noch glaube, mir keinen Schuldvorwurf machen zu mussen“. Auch Vogel selbst gehorte zu dieser Zeit zu den vorrangig vom RAF-Terror Bedrohten und stand 17 Jahre rund um die Uhr unter Bewachung von Sicherheitskraften.
[19]
Nachdem
Dietrich Stobbe
am 15. Januar 1981 nach einer gescheiterten Regierungsumbildung im Zuge der
Garski-Affare
als
Regierender Burgermeister von Berlin
zuruckgetreten war, schied Vogel auf ein Ersuchen seiner Berliner Parteifreunde, dem sich die Spitzen der Bundespartei wie auch Mitglieder der Bundesregierung anschlossen, am 22. Januar 1981 aus der Bundesregierung aus. Am Tag danach wurde er zum Regierenden Burgermeister von Berlin gewahlt.
Einem angelaufenen
Volksbegehren
zur Auflosung des Berliner Abgeordnetenhauses kam Vogel entgegen, indem er von sich aus
vorgezogene Neuwahlen
des
Berliner Abgeordnetenhauses
betrieb. Unterdessen war er als Regierungschef mit dem Problem verscharfter Spannungen um Wohnungsleerstande und
Hausbesetzungen
konfrontiert. Wahrend Vogels Wahlkampfstrategie den Eindruck zu vermitteln suchte, dass der Wechsel in der Berliner Politik unter seiner Fuhrung bereits stattgefunden habe, verwiesen seine konservativen politischen Gegner auf ein zu lasches Vorgehen der Polizei und auf eine vermeintliche Hinnahme von Rechtsbruchen.
[20]
Bei der
Wahl am 10. Mai 1981
unterlag Vogels SPD der vom Gegenkandidaten
Richard von Weizsacker
gefuhrten CDU. Der Weizsacker-Senat amtierte ab dem 11. Juni 1981 als
Minderheitsregierung
. Vogel blieb danach bis 1983 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und Vorsitzender der Berliner SPD-Fraktion. Er war der einzige deutsche Politiker, der in zwei Millionenstadten Stadtoberhaupt war.
Durch seine Amter in der SPD-Parteifuhrung, im Parteivorstand und in der
Grundwertekommission der SPD
war Vogel auch uber den Wechsel nach Berlin hinaus in alle wichtigen Entwicklungen der bundesdeutschen Politik eingebunden. SPD-interne Widerstande in der
Nachrustungsdebatte
einerseits, sozial- und wirtschaftspolitisch motivierte Spannungen in der sozialliberalen Koalition andererseits schwachten in den fruhen 1980er-Jahren die Regierung unter Bundeskanzler Helmut Schmidt. Angesichts einer fortschreitenden Erosion in der Regierungskoalition pladierte Vogel im Spatsommer 1982 mit anderen dafur, das Regierungsbundnis seitens der Sozialdemokratie zu beenden, damit nicht unnotig Ansehen verspielt wurde und der SPD zumindest eine wirksame Oppositionsrolle erhalten bliebe.
Nach dem Schwenk der FDP-Fuhrung und der Wahl
Helmut Kohls
zum Bundeskanzler suchte dieser die Bestatigung seiner Regierung in Neuwahlen. Da Helmut Schmidt als
Kanzlerkandidat
nicht mehr zur Verfugung stand und
Johannes Rau
die von ihm gefuhrte SPD-Landesregierung in
Nordrhein-Westfalen
nicht mit einer moglichen Niederlage auf Bundesebene belasten wollte, lief die Kanzlerkandidatur fur die SPD nun auf Vogel zu, der sich das Amt nach eigenem Bekunden auch zutraute.
[21]
Mit 4,7 Prozentpunkten Verlust fiel aber die SPD bei der
Bundestagswahl am 6. Marz 1983
auf 38,2 Prozent Stimmanteil und damit auf den Stand von 1965 zuruck, wahrend die Unionsparteien mit 48,8 Prozent ihr zweitbestes Ergebnis seit 1949 einfuhren.
Mit der
Bundestagswahl 1983
zog Vogel erneut in den Bundestag ein, diesmal als Berliner Abgeordneter, der er bis 1994 blieb. ?Fur lange Manoverkritiken und komplizierte personelle und organisatorische Erorterungen ? sonst auch eine sozialdemokratische Lieblingsbeschaftigung nach verlorenen Wahlen ?“, schreibt Vogel, ?war nach dem 6. Marz wenig Zeit. Schon zwei Tage spater wahlte mich die neue Bundestagsfraktion in ihrer konstituierenden Sitzung als Nachfolger Herbert Wehners zu ihrem Vorsitzenden.“
[22]
Die Fuhrung der SPD-
Bundestagsfraktion
ubte Hans-Jochen Vogel insgesamt acht Jahre bis 1991 aus.
Nachdem die SPD die Regierungsmacht verloren hatte, war es Vogels vorrangiges Ziel, die SPD-Fraktion zusammenzuhalten und zu einem ?Zentrum der Integration und der Erneuerung der Gesamtpartei“ zu machen.
[23]
Mit der weitgehend einmutigen Entscheidung des SPD-Parteitags im November 1983 gegen die Stationierung amerikanischer Pershing II-Raketen in der Bundesrepublik wurde dazu ein Grundstein gelegt. Uberparteiliche Akzente setzte Vogel mit der Unterstutzung der Wahl und Wiederwahl Richard von Weizsackers zum Bundesprasidenten.
Als herben Einschnitt in sozialdemokratische Initiativen fur mehr
betriebliche Mitbestimmung
verzeichnet Vogel den Skandal um Korruption, Missmanagement und Abwicklung bei der Wohnungsbaugesellschaft
Neue Heimat
, die den Gewerkschaften und der SPD nahestand: ?Die Auswirkungen waren verheerend. Sie diskreditierten fur geraume Zeit den Mitbestimmungsgedanken.“
[24]
Nach der
Nuklearkatastrophe von Tschernobyl
im April 1986 unterstutzte Vogel auf dem Nurnberger Parteitag Ende August die Abkehr der SPD von der Kernenergie und das Vorhaben, binnen zehn Jahren fur den vollstandigen Ausstieg daraus zu sorgen. Im Vorfeld zur
Bundestagswahl 1987
bot die SPD-Wahlkampffuhrung aber kein geschlossenes Bild, was dazu beitrug, dass der Kanzlerkandidat Johannes Rau mit der SPD noch hinter Vogels Ergebnis von 1983 zuruckblieb.
Zwei Tage nach der verlorenen Bundestagswahl bestatigte die SPD-Fraktion Hans-Jochen Vogel im Amt des Fraktionsvorsitzenden. Wenige Wochen spater war nach dem Rucktritt Willy Brandts am 23. Marz 1987 auch das Amt des Parteivorsitzenden neu zu besetzen. Der von Brandt im Sinne eines Generationswechsels gern gesehene
Oskar Lafontaine
sagte ebenso ab wie der gleichfalls in Frage kommende Johannes Rau. ?Ein drittes Mal in sieben Jahren stand ich nach der Berliner Kandidatur und der Kanzlerkandidatur vor der Situation, daß eine Aufgabe auf mich zukam, die kein anderer ubernehmen wollte. Deshalb sagte ich ja.“
[25]
Als wichtige parteispezifische Themen und Handlungsfelder in der ersten Phase nach dieser zusatzlichen Amtsubernahme nennt Vogel die Fertigstellung des seit 1985 in diversen Treffen vorbereiteten
Gemeinsamen Papiers von SPD und SED
, die Einfuhrung einer
Frauenquote
und den Abschluss der Arbeiten zu einem neuen
SPD-Grundsatzprogramm
. Der vom Munsteraner SPD-Parteitag 1988 angenommene Quotierungsschlussel sah vor, dass Frauen in Parteifunktionen ab 1994 und bei den Mandaten ab 1998 mindestens zu jeweils 40 Prozent vertreten sein mussten ? eine Vorgabe, die laut Vogel zwar nicht vollends erfullt wurde, aber diesbezuglich doch manches bewirkt habe. So stieg zum Beispiel der Frauenanteil in der SPD-Bundestagsfraktion auf mehr als ein Drittel.
[26]
Dass die Uberwindung der
deutschen Teilung
noch vor dem 21. Jahrhundert kommen konnte, zog Vogel nach eigenem Bekunden mit Blick auf
Gorbatschows
Reformpolitik und die Entwicklung in Polen zuerst an der Jahreswende 1988/89 in Betracht.
[27]
Die Neugrundung einer
sozialdemokratischen Partei in der DDR
(SDP) am 7. Oktober 1989, dem 40. Jahrestag der DDR-Grundung, begrußte die westdeutsche SPD unter Vogel schon am Folgetag. Im Unterschied zu den
Blockparteien
und zumal zur SED-Nachfolgepartei
PDS
habe der SDP anfanglich weder uberkommenes Vermogen noch ein Mitgliederbestand zur Verfugung gestanden: ?Die Sozialdemokratie in den heutigen neuen Bundeslandern hat in
Schwante
bei Null begonnen.“ Bei Bekanntwerden der
DDR-Grenzoffnung am 9. November 1989
außerte Vogel in einer kurzen Erklarung fur die SPD-Bundestagsfraktion unter anderem: ?Der bewegende Appell von
Christa Wolf
vom gestrigen Abend hat damit eine konstruktive Antwort gefunden. Wir respektieren auch die Entscheidung derer, die zu uns kommen. Sie machen von einem verbrieften Grundrecht Gebrauch. Aber wir bitten sie, zu uberlegen, ob jetzt nicht die Hoffnung fur die Zukunft in der DDR starker geworden ist.“
[28]
Den von Oskar Lafontaine alsbald vorgeschlagenen Zuzugsrestriktionen fur DDR-Burger, die nun ja ohne Gefahr daheimbleiben konnten, widersetzte sich das SPD-Prasidium mit Vogel an der Spitze nahezu geschlossen. Hinsichtlich des deutschen Einigungsprozesses zielte Vogel am 27. November 1989 auf eine
Konfoderation
von Bundesrepublik und DDR als Vorstufe zur Schaffung eines geeinten Deutschlands in einem geeinten Europa.
[29]
Neue Uneinigkeit mit dem inzwischen zum SPD-Kanzlerkandidaten fur die kommende Bundestagswahl bestimmten Lafontaine ergab sich, als dieser die einhellige Ablehnung des Vertrags uber die
Wahrungs-, Wirtschafts- und Sozialunion
mit der DDR durch die SPD-Bundestagsfraktion einforderte. Bei der ersten gesamtdeutschen
Bundestagswahl
nach dem Vollzug der staatlichen
Wiedervereinigung Deutschlands
kam die unterdessen ebenfalls fusionierte SPD mit Lafontaine auf 33,5 Prozent der Stimmen, ein Minus von 3,5 Prozentpunkten im Vergleich zur vorherigen Bundestagswahl. Die von Vogel ihm angetragene Ubernahme von Partei- und Fraktionsvorsitz lehnte Lafontaine nach kritischen innerparteilichen Stimmen zu seinem Agieren als Kanzlerkandidat ab, so dass der von Vogel nun forcierte Generationswechsel auf
Bjorn Engholm
zulief, der auf dem Bremer Parteitag Ende Mai 1991 gewahlt wurde. Nachdem Hans-Jochen Vogel am 28. Oktober 1991 seinen Verzicht auf die Bestatigung als Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion erklart hatte, wurde am 12. November
Hans-Ulrich Klose
zu seinem Nachfolger gewahlt. Vogel im Ruckblick: ?Meine Maxime war, man musse gehen, solange man seinen Mitmenschen die Bekundungen des Bedauerns noch glauben konne.“ In diesen Tagen habe er auch den Beschluss gefasst, 1994 nicht mehr fur den Bundestag zu kandidieren.
[30]
Stadtentwicklungsprobleme
Wahrend der gut sechseinhalb Jahrzehnte seiner SPD-Mitgliedschaft hat Hans-Jochen Vogel eine Reihe von uber die politischen Tagesgeschafte hinausweisenden Standortbestimmungen und perspektivischen Einschatzungen publiziert. So hat er, seine Munchner Oberburgermeister-Amtszeit resumierend und neuere Stadtentwicklungstendenzen verallgemeinernd, 1972 die Ansicht geaußert, dass der durch naturwissenschaftlichen Erkenntniszuwachs beschleunigte Wandel des stadtischen Lebens ?ein Menschheitsproblem ersten Ranges“ darstelle. Luftverschmutzung, Raubbau an Boden, Flora und Fauna bedrohten das okologische Gleichgewicht auf irreparable Weise. ?Die Krise ist die Krise des uber seine Grenzen hinauswuchernden okonomischen Systems, es ist die Krise der okonomischen Stadt. Sie besteht darin, daß auch in unseren Stadten die Zuwachsrate das ausschlaggebende Entscheidungskriterium darstellt. Alles was die Zuwachsrate des Sozialprodukts, des Konsums, des Profits steigert, ist gut und geschieht, alles was die Zuwachsrate auch nur abflacht, ist schlecht und unterbleibt.“
[31]
Gesellschaftliches Leitbild
Bei den innerparteilichen SPD-Flugelkampfen bezog Vogel aufgrund seiner Munchner Erfahrungen um die Mitte der 1970er-Jahre zugunsten des
Seeheimer Kreises
Stellung. Zu den wichtigen von diesem Kreis vertretenen Positionen zahlt Vogel einerseits ?die Identifizierung mit dem Staat des Grundgesetzes ungeachtet seiner Mangel und Unzulanglichkeiten, die Charakterisierung des demokratischen Sozialismus als dauernde Aufgabe und nicht als verdinglichter Endzustand, die Uberwindung der Gleichsetzung von Sozialismus und Sozialisierung, die Ablehnung einer zentralisierten Verwaltungswirtschaft zugunsten einer ?kontrollierten‘ Marktwirtschaft, die Bejahung der Pluralitat der Begrundungen fur die Grundwerte und Grundforderungen und die entschiedene Ablehnung ideologischer Monopole und absoluter Wahrheitsanspruche“ ? sowie andererseits Reformvorstellungen, die Lebensqualitat gegenuber reinen Wachstumsvorstellungen priorisierten, die Ansatze fur eine ?realistische Umweltpolitik“ enthielten, eine Humanisierung der Arbeitswelt, den Ausbau der Arbeitnehmer-Mitbestimmung und -Beteiligung am Produktivvermogen sowie eine verstarkte Burgerbeteiligung vorsahen.
[32]
Umgang mit Protestbewegungen und Regelverletzungen
In einem Referat fur den
Bergedorfer Gesprachskreis
uber Jugendprotest, Wertwandel und politische Kultur, vertrat Vogel 1981 die Auffassung, dass die jungeren gesellschaftlichen Protestbewegungen nicht grundlos auf ein hoheres Gefahrdungspotential reagierten, wie es sich etwa in der
Atomenergie
oder in der sich abzeichnenden
gentechnischen
Vorprogrammierung menschlicher Lebewesen zeige.
[33]
Im Umgang mit Protestbewegungen mahnte Vogel zur Wahrung der Verhaltnismaßigkeit der Mittel. Zwar sei das
Gewaltmonopol des Staates
eine unbedingt schutzenswerte Errungenschaft (und die Alternative dazu das Austragen politischer Auseinandersetzungen mit Steinen und Waffen auf der Straße); angesichts einer großen Mehrheit auf Gewaltvermeidung bedachter Demonstranten nicht nur in der
Friedensbewegung
seien massive Polizeieinsatze aber eher Treiber einer Gewaltspirale.
?Was die gewaltlosen Regelverletzungen angeht, so muß auch dagegen mit den Mitteln des Rechts vorgegangen werden. Aber dabei kommt es darauf an, Glaubwurdigkeit in beide Richtungen zu wahren und auch hier die Verhaltnismaßigkeit im Auge zu behalten. Ich selbst bin Adressat intensiver Belehrungen, wie sehr das Rechtsbewusstsein etwa durch Hausfriedensbruche tangiert werde und welch schlimme Folgen dies habe. Ich nehme solche Belehrungen durchaus ernst. Aber ich frage mich mitunter, warum diese Art von Regelverletzungen auf eine so nachhaltige und von Emotionen begleitete Aufmerksamkeit stoßt, wahrend gleichzeitig Steuerhinterziehungen, Wirtschaftsdelikte und Steuerprobleme, die alle demokratischen Parteien gemeinsam haben, ein weit geringeres Maß an emotionaler Empfindlichkeit auslosen. Nach dem Strafgesetzbuch ist die gewaltlose Regelverletzung ?Steuerhinterziehung‘ wesentlich hoher zu bewerten als die gewaltlose Regelverletzung ?Hausfriedensbruch‘. Man mußte eigentlich erwarten, daß der Grad der offentlichen Erregung, insbesondere in den Medien, sich auch an der Schwere der Regelverletzung orientieren wurde.“
[34]
Demokratie-Stabilisatoren
In dem mit
Rita Sussmuth
herausgegebenen Band 3 der Schriftenreihe des Vereins
Gegen Vergessen ? Fur Demokratie
zog Hans-Jochen Vogel 1999 als Vorsitzender des Vereins ein positives Resumee hinsichtlich des Gelingens der zu diesem Zeitpunkt ein halbes Jahrhundert alten deutschen Nachkriegsdemokratie. Im Vergleich zur
Weimarer Republik
hatten mehrere Elemente verfassungsseitig stabilisierend gewirkt, darunter: dass der Bundeskanzler anders als zu Weimarer Zeiten der
Reichskanzler
auf die Unterstutzung des Staatsoberhaupts in der Regierungspraxis nicht angewiesen ist; die Einfuhrung des
konstruktiven Misstrauensvotums
; die starke Stellung des
Bundesverfassungsgerichts
als Huter des
Grundgesetzes
(GG). Ebenfalls demokratieforderlich habe sich die
foderale
Struktur gezeigt, die eine ortsnahere politische Kontrolle ermogliche als der zentralisierte Einheitsstaat und zudem Identifikationsangebote und politische Mitwirkungsanreize in Landern und Gemeinden bereithielte. Besondere Bedeutung weist Vogel der Wertgebundenheit der grundgesetzlichen Ordnung zu, wie sie in den
Grundrechten
und deren Garantie durch
Art. 79
des Grundgesetzes zum Ausdruck komme und wegweisend in Art. 1 GG, der betont der NS-Vergangenheit abschwore und fur die Zukunft statuiere: ?Die Wurde des Menschen ist unantastbar.“
[35]
Eine Starkung der unmittelbaren Burgerbeteiligung auch auf Bundesebene ist aus Vogels Sicht im Zuge der Wiederherstellung der deutschen Einheit verpasst worden. Fur den Fortgang der europaischen Einigung etwa, meint Vogel, hatte bei der Einfuhrung des
Euro
ein deutschlandweiter Volksentscheid dem verbreiteten Eindruck von Fremdbestimmung vorgebeugt.
[36]
Den Parteien wies Vogel bei aller berechtigten Kritik an Missstanden eine zentrale Rolle im politischen System zu: ?Wahr ist auch, dass die Parteien fur eine funktionierende Demokratie unentbehrlich sind, und dass rund anderthalb Millionen Mitburgerinnen und Mitburger in ihnen das tun, wozu sich Kritiker in der Regel nicht entschließen konnen, namlich sich dort fur das Gemeinwesen und die Verwirklichung konkreter politischer Ziele zu engagieren, die meisten von ihnen, ohne dass sie davon irgendeinen materiellen Vorteil haben.“
[37]
Neue politische Herausforderungen
Mit Sorge betrachtete Hans-Jochen Vogel Tendenzen, ?die uns in Richtung einer Gesellschaft treiben, in der der Markt ? uberaus nutzlich und anderen wirtschaftspolitischen Instrumenten uberlegen ? seine Rolle als Instrument abstreift und sich als zustandige und letzte Instanz fur alle gesellschaftlichen Entscheidungen etabliert.“ Dem gelte es auf nationaler, europaischer und globaler Ebene entgegenzutreten.
[38]
In einem Zeitungsinterview aus Anlass seines 90. Geburtstags bekraftigte Hans-Jochen Vogel, dass Freiheit, Gerechtigkeit, Solidaritat und Einsatz fur die Schwacheren fur ihn wie seit 150 Jahren die Kernwerte der Sozialdemokratie seien. Einkommensdiskrepanzen zwischen Unternehmensvorstanden und Facharbeitern, die neuerdings teilweise auf das Zweihundert- und Dreihundertfache hinausliefen, sah Vogel mit Sorge und meint, dass an solchen Einkommenssteigerungen jedenfalls das Gemeinwesen durch Besteuerung starker zu beteiligen sei. Tatsachlich sei hingegen der Lohnsteueranteil am Gesamtaufkommen seit 1960 von 12,2 Prozent auf 26,1 Prozent gestiegen, der Anteil der Unternehmenssteuern von 19,9 Prozent auf 9,9 Prozent gefallen.
[39]
Bei der Bewaltigung des Fluchtlingszustroms nahm Vogel ein Spannungsverhaltnis zwischen dem mitmenschlich Gebotenen und dem tatsachlich Leistbaren wahr: ?Wenn es nicht gelingt, die Zahl derer, die Tag fur Tag bei uns Aufnahme suchen, deutlich geringer werden zu lassen, wird es sehr schwierig.“ Die zunehmende Anzahl von Problemen, die nur auf der Weltebene bewaltigt werden konnten, komplizieren laut Vogel das gegenwartige politische Geschaft im Vergleich zu der Zeit, als er selbst in der politischen Verantwortung stand. ?Globalisierung und Digitalisierung sind zwei Entwicklungen, die die politische Arbeit schwerer machen.“
[39]
Anlasslich der Einfuhrung eines
Mietpreisdeckels
in Berlin, gegen den aus Vogels Sicht ernste verfassungsrechtliche Bedenken sprechen, stellte Hans-Jochen Vogel im Interview mit der
Zeit
seine Vorstellungen fur eine langfristige Ruckkehr zu sozial vertraglichen Mieten auch in
Metropolen
vor. Dabei sprach er sich fur eine ?neue und gerechte Bodenordnung“ aus, die nicht den Marktmechanismen verhaftet ist und die sich der Bodenspekulation entzieht. Dafur wurde es laut Vogel genugen, wenn Stadte und Gemeinden ihren Anteil an Grund und Boden, der fur
Wohnungsbau
relevant ist, auf 20 bis 40 Prozent erweiterten und damit die Mietenhohe entscheidend beeinflussten. Das einmal Erworbene durfe die Gemeinde ?nie mehr hergeben“ und Grundstucke immer nur zeitlich befristet im Rahmen des
Erbbaurechts
zur Verfugung stellen. Neben Erfassung und Ankauf teils erheblicher Freiflachen in den Stadten durch die offentliche Hand sprach Vogel sich dafur aus, dass
Deutsche Bahn
und
Bundeswehr
ihren Flachenbesitz an die Gemeinden abtreten und dass zudem Wohnhauser in Privatbesitz zugekauft werden. Außerdem pladierte Vogel dafur, die Gewinne aus Bodenpreissteigerungen, die durch Umwidmungen in
Bauland
entstehen, bei den privaten Bodeneigentumern zu 100 Prozent abzuschopfen. Als Beispiel fur eine Bodenpolitik nach seinen Vorstellungen verwies Hans-Jochen Vogel auf
Wien
, wo man seit etwa 100 Jahren entsprechend vorgehe.
[40]
1970 bis 2020
|
Mitglied des Kuratoriums der
Friedrich-Ebert-Stiftung
|
1993 bis 2000
|
Mitbegrunder und Vorsitzender der Vereinigung ?Gegen Vergessen ? Fur Demokratie“
|
1994 bis 2013
|
Nichtberufliches Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs
|
1995 bis 2004
|
Mitglied des Beirats der vom Bundesprasidenten berufenen Parteienfinanzierungskommission
|
1995 bis 2008
|
Mitglied des Kuratoriums der
Stiftung Frauenkirche Dresden
|
1996 bis 2006
|
Mitglied des Kuratoriums des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelande in Nurnberg
|
1996 bis 2020
|
Mitglied des Beirats der Weißen Rose Stiftung
|
1999 bis 2004
|
Mitglied des Kuratoriums des Vereins zur Forderung der Ausstellung Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941?1944
|
1999 bis 2008
|
Mitglied des Kuratoriums der Ludwig-Maximilians-Universitat Munchen
|
2000 bis 2020
|
Mitglied des Ehrenrats von
AMCHA Deutschland
zur Unterstutzung des gleichnamigen israelischen Zentrums zur psychosozialen Hilfe fur Holocaust-Uberlebende
|
2000 bis 2001
|
Mitglied und Stellvertretender Vorsitzender der Unabhangigen Zuwanderungskommission
|
2001 bis 2005
|
Mitglied des Nationalen Ethikrates
|
2002 bis 2020
|
Mitglied des Kuratoriums der Eugen-Biser-Stiftung
|
2005 bis 2020
|
Mitglied und Stellvertretender Vorsitzender des NS-Dokumentationszentrums Munchen
|
2006 bis 2012
|
Mitglied des Stiftungsrates der Thomas-Wimmer-Stiftung
|
Hans-Jochen Vogel war Ehrenmitglied der SPD-
Grundwertekommission
.
Hans-Jochen Vogels Ehe mit seiner ersten Frau Ilse wurde 1949 geschlossen und 1971 geschieden.
[43]
Aus der Ehe gingen drei Kinder, zwei Tochter und ein Sohn, hervor.
[44]
Ab 1972 war Vogel in zweiter Ehe mit
Liselotte Vogel
(† 2024) verheiratet.
Anfang 2006 zog das Ehepaar Vogel aus seiner Munchner Wohnung in ein
Wohnstift
der
Augustinum Gruppe
in Munchen um.
[45]
Das Ehepaar thematisierte diesen fruhen Umzugsentschluss aus eigenem Antrieb in Interviews; Liselotte Vogel verfasste daruber ein Buch.
[46]
2015 machte Hans-Jochen Vogel seine
Parkinson
-Erkrankung offentlich.
Sein jungerer Bruder
Bernhard
(* 1932) ist
CDU
-Mitglied und war viele Jahre lang
Ministerprasident
von
Rheinland-Pfalz
und
Thuringen
.
Hans-Jochen Vogel war engagierter
Katholik
.
Benedikt Zenetti
,
Abt
der Benediktiner
abtei
St. Bonifaz
in Munchen von 1872?1904, war ein Urgroßonkel von Hans-Jochen und Bernhard Vogel.
[47]
[48]
Am 26. Juli 2020 verstarb Hans-Jochen Vogel nach langer Parkinson-Erkrankung im Alter von 94 Jahren in Munchen. Seine letzte Ruhestatte fand er auf dem
Bogenhausener Friedhof
in Munchen.
[49]
[50]
[51]
- Stadte im Wandel
(1971)
- Die Amtskette. Meine zwolf Munchner Jahre.
Suddeutscher Verlag, Munchen 1972,
ISBN 3-7991-5685-2
.
- Reale Reformen. Beitrage zu einer Gesellschaftspolitik der neuen Mitte.
Piper, Munchen 1973,
ISBN 3-492-00360-5
.
- Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland.
(Mitherausgeber und Verfasser des Beitrages
Die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes
), 2. Auflage (1994)
- Nachsichten. Meine Bonner und Berliner Jahre
. Piper, Munchen 1996,
ISBN 3-492-03828-X
.
- Hans-Jochen Vogel;
Klaus Schonhoven
(Hrsg.):
Fruhe Warnungen vor dem Nationalsozialismus. Ein historisches Lesebuch.
Mit einem Geleitwort von
Rita Sussmuth
. Dietz Verlag, Bonn 1998,
ISBN 3-8012-0262-3
.
[52]
- Demokratie lebt auch vom Widerspruch.
Pendo, Zurich/Munchen 2001,
ISBN 3-85842-393-9
.
- Politik und Anstand ? Warum wir ohne Werte nicht leben konnen.
Herder, Freiburg 2005,
ISBN 3-451-28608-4
.
- mit Bernhard Vogel:
Deutschland aus der Vogelperspektive. Eine kleine Geschichte der Bundesrepublik
. Verlag Herder, Freiburg 2007,
ISBN 3-451-29280-7
.
- Maß und Mitte bewahren. Reden des Munchner Oberburgermeisters 1960?1972
. Herbert Utz Verlag, Munchen 2010,
ISBN 978-3-8316-0979-6
- mit
Sandra Maischberger
:
Wie wollen wir leben? Was unser Land in Zukunft zusammenhalt
. Siedler, Munchen 2011,
ISBN 978-3-88680-991-2
.
- mit Erhard Eppler und Wolfgang Thierse:
Was zusammengehort. Die SPD und die deutsche Einheit 1989/90
. Herder, Freiburg/Basel/Wien 2014,
ISBN 978-3-451-33381-1
.
- Von rohen Sitten und hohlen Kopfen. Kuriose koniglich bayerische Rechtsvorschriften.
Rosenheimer Verlagshaus, Rosenheim 2016,
ISBN 978-3-475-54517-7
.
- Es gilt das gesprochene Wort. Reden, Grundwerte, Wurdigungen
. Herder, Freiburg im Breisgau 2016,
ISBN 978-3-451-34895-2
.
- Mehr Gerechtigkeit! Wir brauchen eine neue Bodenordnung ? nur dann wird auch Wohnen wieder bezahlbar.
Herder, Freiburg/Basel/Wien 2019,
ISBN 978-3-451-07216-1
.
[53]
[54]
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Hier sind wir die Jugend
.
In:
Die Zeit
, Nr. 13/2006; Gesprach uber den Beginn eines neuen Lebensabschnitts.
- Werner Breunig
,
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Biografisches Handbuch der Berliner Abgeordneten 1963?1995 und Stadtverordneten 1990/1991
(=
Schriftenreihe des Landesarchivs Berlin.
Band 19). Landesarchiv Berlin, Berlin 2016,
ISBN 978-3-9803303-5-0
, S. 377 f.
- Friedrich H. Hettler, Achim Sing (Hrsg.):
Die Munchner Oberburgermeister. 200 Jahre gelebte Stadtgeschichte.
Volk Verlag, Munchen 2008,
ISBN 978-3-937200-42-2
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In Daniela Forkmann,
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Gescheiterte Kanzlerkandidaten: Von Kurt Schumacher bis Edmund Stoiber.
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. In: Max Reinhardt:
Aufstieg und Krise der SPD. Flugel und Reprasentanten einer pluralistischen Volkspartei
, Nomos, Baden-Baden, S. 203?232,
ISBN 978-3-8329-6575-4
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Interviews
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Deutschland aus der Vogelperspektive
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Was bleibt noch vom staatsburgerlichen Grundkonsens? Jugendprotest, Wertwandel, Krise der politischen Kultur
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Liselotte und Hans-Jochen Vogel sind vor drei Jahren freiwillig in ein Altenheim gezogen. Dort werden sie auch Weihnachten feiern. Ein Gesprach ubers Abschiednehmen, uber Tischgemeinschaft: ?Meine Frau steuert die Vokale bei und ich die Konsonanten“.
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,. Transkript eines Beitrags in der Sendung
Studio 9
, 1. April 2019; abgerufen am 25. September 2020.
Justizminister der Bundesrepublik Deutschland
Thomas Dehler
(FDP, 1949?1953)
|
Fritz Neumayer
(FDP, 1953?1956)
|
Hans-Joachim von Merkatz
(DP, 1956?1957)
|
Fritz Schaffer
(CSU, 1957?1961)
|
Wolfgang Stammberger
(FDP, 1961?1962)
|
Ewald Bucher
(FDP, 1962?1965)
|
Karl Weber
(CDU, 1965)
|
Richard Jaeger
(CSU, 1965?1966)
|
Gustav Heinemann
(SPD, 1966?1969)
|
Horst Ehmke
(SPD, 1969)
|
Gerhard Jahn
(SPD, 1969?1974)
|
Hans-Jochen Vogel
(SPD, 1974?1981)
|
Jurgen Schmude
(SPD, 1981?1982)
|
Hans A. Engelhard
(FDP, 1982?1991)
|
Klaus Kinkel
(FDP, 1991?1992)
|
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(FDP, 1992?1996)
|
Edzard Schmidt-Jortzig
(FDP, 1996?1998)
|
Herta Daubler-Gmelin
(SPD, 1998?2002)
|
Brigitte Zypries
(SPD, 2002?2009)
|
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(FDP, 2009?2013)
|
Heiko Maas
(SPD, 2013?2018)
|
Katarina Barley
(SPD, 2018?2019)
|
Christine Lambrecht
(SPD, 2019-2021)
|
Marco Buschmann
(FDP, seit 2021)
Bauminister der Bundesrepublik Deutschland
Eberhard Wildermuth
(FDP, 1949?1952)
|
Fritz Neumayer
(FDP, 1952?1953)
|
Victor-Emanuel Preusker
(FDP/FVP, 1953?1957)
|
Paul Lucke
(CDU, 1957?1965)
|
Ewald Bucher
(FDP, 1965?1966)
|
Bruno Heck
(CDU, 1966)
|
Lauritz Lauritzen
(SPD, 1966?1972)
|
Hans-Jochen Vogel
(SPD, 1972?1974)
|
Karl Ravens
(SPD, 1974?1978)
|
Dieter Haack
(SPD, 1978?1982)
|
Oscar Schneider
(CSU, 1982?1989)
|
Gerda Hasselfeldt
(CSU, 1989?1991)
|
Irmgard Schwaetzer
(FDP, 1991?1994)
|
Klaus Topfer
(CDU, 1994?1998)
|
Eduard Oswald
(CSU, 1998)
|
Franz Muntefering
(SPD, 1998?1999)
|
Reinhard Klimmt
(SPD, 1999?2000)
|
Kurt Bodewig
(SPD, 2000?2002)
|
Manfred Stolpe
(SPD, 2002?2005)
|
Wolfgang Tiefensee
(SPD, 2005?2009)
|
Peter Ramsauer
(CSU, 2009?2013)
|
Barbara Hendricks
(SPD, 2013?2018)
|
Horst Seehofer
(CSU, 2018?2021)
|
Klara Geywitz
(SPD, seit 2021)
Oberburgermeister der Landeshauptstadt Munchen
Kabinett Brandt II, 15. Dezember 1972 bis 7. Mai 1974
Kabinett Schmidt I ? 16. Mai 1974 bis 14. Dezember 1976
Kabinett Schmidt II ? 16. Dezember 1976 bis 4. November 1980
Kabinett Schmidt III ? 6. November 1980 bis 1. Oktober 1982
Parteivorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands