Begnadigung

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Begnadigung ist der Erlass, die Umwandlung, die Ermaßigung oder die Aussetzung einer rechtskraftig verhangten Strafe , Nebenstrafe , Disziplinarstrafe oder Geldbuße bei Ordnungswidrigkeiten . Ob sie auch fur Maßregeln der Besserung und Sicherung gilt, ist umstritten. [1] Die Begnadigung ist im allgemeinen Sprachverstandnis die Erweisung von Gnade ( Gnadenerweis ) im Einzelfall. Wird eine Personengruppe begnadigt, spricht man von (General-) Amnestie . Das Recht, Gnade zu gewahren, wird als Gnadenbefugnis , Gnadenrecht oder Begnadigungsbefugnis bezeichnet. Die Begnadigung kann von Amts wegen oder auf Antrag , dem Gnadengesuch , erfolgen.

Die Begnadigung ist meistens Befugnis von Staatsoberhauptern (in der Schweiz allerdings eine kantonale Behorde oder das Parlament des Bundes), die einzelnen Tatern die ihnen strafrechtlich zuerkannte Strafe erlassen konnen. In dieser Praxis hat sich ein Rest der monarchischen Prarogative erhalten, wonach Herrschaftspersonen geltende Regeln außer Kraft setzen konnen (?Gnade vor Recht“). Abolition bedeutet dagegen die Einstellung eines laufenden Strafverfahrens und ist nur im Rahmen der strafprozessual vertypten Verfahrensbeendigungsgrunde moglich. [2]

Der Begriff der Gnade impliziert, dass ein Verurteilter keinen Rechtsanspruch auf Gnade hat. Das Gnadenrecht ist nicht justiziabel. Der ?Gnadenherr“ kann ohne Angabe von Grunden uber das Gnadengesuch entscheiden. Demzufolge ist gegen die Gewahrung oder die Ablehnung eines Gnadengesuchs kein Rechtsbehelf gegeben. Im Rechtsstaat gebietet jedoch die Menschenwurde ein Recht auf Anhorung und Prufung des Gnadengesuchs.

Keine Begnadigung ist die gesetzlich vorgesehene Aussetzung der Strafe bzw. des Strafrestes zur Bewahrung durch ein Gericht.

In den meisten Staaten, die ein monarchisches Staatsoberhaupt (Konig, Furst, Herzog usw.) kennen, ist das Begnadigungsrecht ein Privileg dieses Staatsoberhauptes. Dies ist ein Traditionsrest der absolutistischen Kabinettsjustiz und Souveranitat . In Republiken tritt an deren Stelle in der Regel der Staatsprasident oder das diesem entsprechende Organ. Eine Ausnahme bildet die Schweiz, wo in der Regel das Parlament (eines Kantons oder des Bundes) fur die Begnadigung zustandig ist.

In vielen Verfassungen wird aber dieses Recht dadurch eingeschrankt, dass die Gegenzeichnung eines Ministers erforderlich ist; bisweilen werden vom Gnadenrecht des Staatsoberhauptes gewisse Delikte wie Straftaten oder Amtsvergehen eines Ministers und dergleichen ausgenommen, von der Zustimmung der Gesamt-Regierung oder des Parlamentes abhangig gemacht. In solchen Fallen konnte eine Begnadigung durch das Staatsoberhaupt als Begunstigung unmittelbar ihm nachgeordneter Personen erscheinen. Amnestien sind in den meisten Landern nur durch Gesetze moglich.

Weil das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 weitgehend das Preußische Strafgesetzbuch ubernahm, wurde damit die Todesstrafe in den Landern wieder eingefuhrt, die sie schon abgeschafft hatten. [3] Sie war als Strafe fur Mord (§ 211) und fur Mordversuch am Kaiser oder dem eigenen Landesherrn (§ 80) vorgesehen. Todesurteile fallte eine Laienjury. Ein einmaliges Berufungsverfahren war moglich. Danach konnte der Verurteilte im Fall des § 211 seinen Landesherrn bzw. den Senat der jeweiligen Freien Stadt um Gnade ersuchen; im Fall des § 80 den Kaiser, sofern das Reich betroffen war. Erst wenn das Gnadengesuch ausdrucklich abgelehnt worden war, durfte das Urteil vollstreckt werden.

Im heutigen Deutschland steht dem Bund das Begnadigungsrecht in Strafsachen zu, in denen erstinstanzlich in ?Ausubung von Gerichtsbarkeit des Bundes“ (§ 452, S. 1 StPO ) entschieden wurde, z. B. bei Staatsschutzdelikten wie der Bildung terroristischer Vereinigungen .

Das Begnadigungsrecht fur den Bund ubt gemaß Art. 60 Abs. 2 des GG der Bundesprasident aus, soweit die Verurteilung durch ein Bundesgericht erfolgt war oder Gerichte der Lander gemaß Art. 96 Abs. 5 in Organleihe Gerichtsbarkeit des Bundes ausgeubt haben. Da der Bund in Strafsachen uber kein Eingangsgericht verfugt, klagt der Generalbundesanwalt in den Fallen, in denen er fur die Anklage zustandig ist (vgl. § 142a GVG), beim Oberlandesgericht (in Berlin: Kammergericht ) an, das dann als Bundesgericht agiert. Der Bundesprasident kann die Gnadenbefugnisse gemaß Art. 60 Abs. 3 GG auf andere Behorden ubertragen. [4] Die Gnadenentscheidung des Bundesprasidenten unterliegt keiner gerichtlichen Kontrolle und wird nicht offentlich bekannt gegeben. [5] Sie bedarf aber der Gegenzeichnung durch ein Mitglied der Bundesregierung . In der Regel ist dies der Bundesjustizminister .

Unter dem Titel Das Begnadigungsrecht des Bundesprasidenten [6] hat der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages unter anderem erklart: ?[…] das Begnadigungsrecht kann nur im Einzelfall ausgeubt werden.“

In den ubrigen Fallen, das heißt in den Fallen, in denen ein Land- oder Amtsgericht das Urteil gesprochen hat, liegt das Recht der Begnadigung bei den Landern. Gemaß den Landesverfassungen wird es ausgeubt von:

Auch die Landesverfassungen lassen meist eine Ubertragung des Begnadigungsrechts ? z. B. auf den Justizminister ? zu, so etwa in Niedersachsen . [7] Die Inhaber des Begnadigungsrechts haben ihre Befugnis in weniger bedeutsamen Fallen regelmaßig in Gnadenordnungen auf nachgeordnete Stellen ubertragen, in der Regel auf die Vollstreckungsbehorde ( Staatsanwaltschaft ), in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel ist die Gnadenstelle zustandig. Amnestien hingegen bedurfen eines Gesetzes, da sie sich nicht nur auf Einzelfalle beziehen.

Ein aufsehenerregender Fall war im Fruhjahr 2007 das Gnadengesuch des wegen mehrerer Morde und Mordversuche zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten RAF -Terroristen Christian Klar . Klar wollte damit eine vorzeitige Entlassung knapp zwei Jahre vor Ablauf der vom Gericht wegen besonderer Schwere der Schuld auf 26 Jahre festgelegten Mindestverbußungsdauer erreichen. Das Gnadengesuch war Anlass einer breiten offentlichen Debatte uber den Umgang mit der RAF-Geschichte in Deutschland. Im Zentrum der Diskussion stand auch die Frage, ob Reue und die Bereitschaft zur vollstandigen Aufklarung der Straftaten, die viele bei Klar vermissten, notwendige Bedingungen eines Gnadenerweises seien. Am 7. Mai 2007 lehnte Bundesprasident Horst Kohler Klars Gnadengesuch nach einer personlichen Anhorung ab. Hingegen wurden Verena Becker durch Richard von Weizsacker im November 1989 und Adelheid Schulz am 26. Februar 2002 durch Johannes Rau begnadigt. [8]

Umstritten sind,

  • ob eine gerichtliche Uberprufbarkeit der Begnadigung moglich ist. Dies lehnte das Bundesverfassungsgericht 1969 ab, da der Gnadenerweis den Gewaltenteilungsgrundsatz bewusst bricht, somit kein Rechtsschutz nach Art. 19 IV GG bestehe. [9] Dagegen geht eine in der Literatur vertretene Ansicht davon aus, die Begnadigung habe keinen rechtlichen Charakter. [6]
  • ob die Offentlichkeit informiert werden muss, welche Gnadengesuche im Bundesprasidialamt eingehen und wie daruber entschieden wurde. [10]

Im Jahre 2006 wurden in Nordrhein-Westfalen etwa 4000 Gnadengesuche gestellt, die Gnadenstellen der Landgerichte, das Justizministerium und der Ministerprasident beschieden jedes zehnte Gesuch positiv. [11] Begnadigungen des Bundesprasidenten sind geheim und das Bundesprasidialamt macht keine Angaben uber positive oder negative Gnadenentscheidungen der Bundesprasidenten. [12] [13] [14]

Seit dem 1. Juli 1974 bis zum Ende der Amtszeit von Joachim Gauck am 18. Marz 2017 wurden 898 Disziplinargnadenentscheidungen und 97 Strafgnadenentscheidungen von den Bundesprasidenten gefallt. [15]

Das Begnadigungsrecht steht in Osterreich dem Bundesprasidenten zu (Art. 65 Abs. 2 lit. c B-VG, § 25 Abs. 3 UG 1920, § 10 HDG).

In der Schweiz ist die Bundesversammlung zustandig fur die Begnadigung in den Fallen, in denen die Strafkammer des Bundesstrafgerichts oder eine Verwaltungsbehorde des Bundes geurteilt hat ( Art. 381 Bst. a StGB). Die beiden Kammern der Bundesversammlung ( Nationalrat und Standerat ) beschliessen in gemeinsamer Verhandlung als Vereinigte Bundesversammlung ( Art. 157 Abs. 1 Bst. e BV). Diese entscheidet auf Antrag ihrer "Kommission fur Begnadigungen und Zustandigkeitskonflikte". [16] Im Zeitraum von 1997 bis 2008 wurden der Vereinigten Bundesversammlung zehn Begnadigungsgesuche gestellt; zwei davon wurden gutgeheissen. Nach einer zwolfjahrigen Pause wurde 2020 erstmals wieder ein Begnadigungsgesuch eingereicht, das abgelehnt wurde. [17] Die uberwiegende Mehrheit der Urteile wird aber durch kantonale Gerichte gefallt; in diesen Fallen ist die jeweilige Begnadigungsbehorde des Kantons, in der Regel das Kantonsparlament , fur den Entscheid uber ein Begnadigungsgesuch zustandig ( Art. 381 Bst. b StGB). Das Begnadigungsgesuch kann mit der Zustimmung des Verurteilten nicht nur von ihm selbst, sondern auch bspw. vom Ehegatten gestellt werden ( Art. 382 StGB).

In Belgien ist der Konig zustandig (Art. 110 der Verfassung ) unter Gegenzeichnung eines Ministers (Art. 106 der Verfassung); Regierungsmitglieder konnen nur nach parlamentarischer Zustimmung begnadigt werden (Art. 111 der Verfassung).

In Luxemburg ist der Großherzog zustandig (Art. 38 der Verfassung) unter Gegenzeichnung der Regierung (Art. 45); Begnadigungen von Regierungsmitgliedern setzen ein Ersuchen der Abgeordnetenkammer voraus (Art. 83).

Nicht deutschsprachige EU-Staaten

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  • Danemark : Der Konig bzw. die Konigin ist zustandig; Minister konnen nur mit Zustimmung des Parlaments begnadigt werden (Verfassung § 24); ministerielle Gegenzeichnung ist erforderlich (§ 14 der Verfassung).
  • Estland : Der Prasident der Republik ist zustandig (§ 78, Nr. 19 der Verfassung).
  • Finnland : Der Prasident der Republik ist zustandig, er entscheidet auf Gutachten des Obersten Gerichtshofes hin (§ 105 der Verfassung in Verbindung mit § 58 der Verfassung).
  • Frankreich : Der Prasident der Republik ist zustandig (Art. 17 der Verfassung); Gegenzeichnung durch Premierminister oder verantwortlichen Minister ist erforderlich (Art. 19 der Verfassung).
  • Griechenland : Der Staatsprasident ist zustandig; er bedarf eines Vorschlages und der Gegenzeichnung des Justizministers sowie des Berichts eines mehrheitlich aus Richtern bestehenden Rates (Art. 47 I der Verfassung); Minister konnen nur mit Zustimmung des Parlamentes begnadigt werden (Art. 47 II der Verfassung ). [18]
  • Irland : Der Prasident ist zustandig, das Gesetz kann weitere Stellen zustandig erklaren (Verfassung Art. 13 VI der Verfassung); der Prasident bedarf des Rats der Regierung (Art. 13 IX der Verfassung).
  • Italien : Der Prasident der Republik ist zustandig (Art. 87 der Verfassung) unter Gegenzeichnung eines Ministers (Art. 89 der Verfassung). [19]
  • Lettland : Der Staatsprasident ist nach Maßgabe der Gesetzgebung zustandig (Art. 45 Verfassung); ministerielle Gegenzeichnung ist erforderlich (Art. 53 der Verfassung).
  • Litauen : Der Prasident der Republik ist zustandig (Art. 84, Nr. 23 der Verfassung); keine Gegenzeichnung ist erforderlich (Art. 85 der Verfassung).
  • Malta : Der Prasident ist zustandig; er bedarf dazu eines Rates/Gutachtens der Regierung (Verfassung Art. 93 in Verbindung mit Art. 85 der Verfassung).
  • Niederlande : Der Konig ist zustandig nach Maßgabe der Gesetzgebung und auf Empfehlung eines Gerichtes hin (Verfassung Art. 122 I); ministerielle Gegenzeichnung ist erforderlich (Art. 47 der Verfassung)
  • Polen : Der Prasident ist zustandig (Verfassung Art. 139); keine ministerielle Gegenzeichnung ist erforderlich (Art. 144 III, Nr. 18). Das Begnadigungsrecht findet im Fall der vom Staatsgerichtshof verurteilten Personen keine Anwendung. Nachdem Prasident Andrzej Duda im November 2015 den designierten Geheimdienstkoordinator Mariusz Kami?ski , der erstinstanzlich wegen Amtsmissbrauchs zu drei Jahren Gefangnis verurteilt worden war, noch vor Durchfuhrung der Berufungsverhandlung begnadigte und dem Gericht mitteilte, dass das Verfahren damit eingestellt sei, wird in Polen daruber debattiert, ob der Prasident Personen noch vor ihrer rechtskraftigen Verurteilung begnadigen und damit der Strafverfolgung entziehen darf. [20] [21] [22]
  • Portugal : Der Prasident ist zustandig nach Anhorung der Regierung (Art. 134, lit. f der Verfassung); Gegenzeichnung der Regierung ist erforderlich (Art. 140 I der Verfassung).
  • Schweden : Die Regierung als Gesamtheit (Kabinett) ist zustandig (Kap. 11, § 13 der Verfassung).
  • Slowakei : Der Prasident ist zustandig (Verfassung Art. 102 I, lit. j) unter ministerieller Gegenzeichnung (Art. 102 II der Verfassung).
  • Slowenien : Der Staatsprasident ist zustandig (Art. 107 der Verfassung).
  • Spanien : Der Konig ist zustandig (Art. 62, lit. i der Verfassung), ministerielle Gegenzeichnung ist erforderlich (Art. 64 I).
  • Tschechien : Der Prasident der Republik ist zustandig (Verfassung Art. 62, lit. g der Verfassung [23] ).
  • Ungarn : Der Prasident der Republik ist zustandig (Art. 30a I, lit. k der Verfassung), ministerielle Gegenzeichnung ist erforderlich (Art. 30a II der Verfassung).
  • Zypern : Der Prasident (bzw. Vizeprasident; durch die Trennung in zwei Teile z. Z. faktisch außer Kraft) ist zustandig, ggf. auf Vorschlag der General-Staatsanwalte (Art. 53 der Verfassung).

Vereinigtes Konigreich

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Das Begnadigungsrecht steht theoretisch dem britischen Staatsoberhaupt im Rahmen seiner Prarogative zu; gemaß allgemeiner Verfassungskonvention handelt es ausschließlich auf ministeriellen Rat hin. In der Praxis ubt das Begnadigungsrecht der Innenminister im Namen der Krone aus. Im Fall Reg. v. Secretary of State for the Home Department, ex p Bentley [1994] QB 349 entschied die Queen's Bench Division des Hohen Gerichts entgegen fruherer Auffassung, dass das Begnadigungsrecht, obwohl dem Minister ein weiter Ermessensspielraum zustehe, grundsatzlich justiziabel sei.

Das Begnadigungsrecht steht in Russland dem Prasidenten zu (Art. 89; Статья 89 [24] ). Das brisanteste Beispiel des beginnenden 21. Jahrhunderts dafur ist die Begnadigung Michail Chodorkowskijs durch den russischen Staatsprasidenten Wladimir Putin im Dezember 2013. [25]

Vereinigte Staaten

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Urkunde uber die Begnadigung von Joe Arpaio durch Prasident Trump
Bundesstrafrecht

In den Vereinigten Staaten von Amerika ist der Prasident alleine befugt, Gnadenerweise in Bundesstrafsachen, aber nicht Bundesstaatsstrafsachen, auszusprechen. Der Wortlaut der Verfassung lasst es dabei zu, dass Begnadigungen bereits vor erfolgter Verurteilung ausgesprochen werden konnen. Diese Kompetenz des Prasidenten war in der jungeren Geschichte schon mehrmals umstritten:

  • 1974, nach dem Rucktritt Richard Nixons vom Prasidentenamt im Zuge der Watergate-Affare , erteilte der nachruckende Vizeprasident Gerald Ford ihm eine generelle Begnadigung fur jegliches im Amt begangene Vergehen. Ford war im Oktober 1973 als Vizeprasident von Nixon selbst nominiert worden, nachdem Vizeprasident Spiro T. Agnew zuruckgetreten war. Manche Stimmen sagen, diese Begnadigung habe Prasident Ford nachhaltigen politischen Schaden zugefugt.
  • Caspar Weinberger und mehrere weitere Akteure in der Iran-Contra-Affare wurden noch wahrend der Ermittlungen von George H. W. Bush begnadigt, mit der Folge, dass die Befragung hochrangiger Regierungsmitglieder eingestellt wurde. Als Folge davon wurden die Rollen von Bush , Reagan und Rumsfeld nie ganz geklart.
  • Am letzten Tag im Amt sprach Bill Clinton 140 Begnadigungen aus. Jene des Unternehmers und Steuerbetrugers Marc Rich , den die US-Justiz jahrelang vergeblich verfolgt hatte und dessen Auslieferung durch das Bundesgericht der Schweiz abgelehnt worden war, stieß auf große Kritik; sein Nachfolger George W. Bush wurde aufgefordert, diese Begnadigung ruckgangig zu machen, was aber vermutlich nicht zulassig gewesen ware. Bush außerte, es gelte, fur die Betroffenen auf lange Sicht Rechtssicherheit zu schaffen; deshalb konne es nicht in Frage kommen, an der durch Clinton erteilten Begnadigung zu rutteln. Im gleichen Zug hatte Clinton seinen Halbbruder, Roger Clinton Jr. , begnadigt. Ihm war es wegen eines fruheren Drogendeliktes untersagt, uber die Grenzen von Bundesstaaten hinweg Geschafte abzuschließen. Ebenso begnadigte Bill Clinton seine ehemalige Mitarbeiterin Susan McDougal , die wegen ihrer Weigerung, uber Clintons Whitewater-Geschafte auszusagen, eine 18-monatige Freiheitsstrafe verbußen musste.
  • 2017 wurde Joe Arpaio , der aus verschiedenen Grunden umstrittene Sheriff von Maricopa County , von Donald Trump begnadigt. Er hatte eine Haftstrafe antreten sollen, weil er eine Anordnung eines Bundesgerichts nicht umsetzen wollte. Joe Arpaio galt schon wahrend des Wahlkampfs von 2016 als vehementer Unterstutzer von Donald Trump. Im Januar 2020 hob Trump die restliche Haftstrafe von Rod Blagojevich auf; er hatte den vakanten Senatssitz von Barack Obama gegen Schmiergelder verkaufen wollen; ebenfalls beging er eine Erpressung, indem er Gelder fur ein Kinderkrankenhaus zuruckhielt.
  • Im Dezember 2020 begnadigte Donald Trump Charles Kushner, Vater seines Schwiegersohnes Jared Kushner , der 2004 wegen Falschaussagen an die Federal Election Commission , Zeugenmanipulationen und Steuerhinterziehung schuldig pladiert hatte. [26] Gleichzeitig begnadigte er seine ehemaligen Wahlkampfhelfer Paul Manafort und Roger Stone ; Stone hatte er schon im Juli 2020, nachdem der wegen Justizbehinderung, Meineids und Zeugenbeeinflussung zu 40 Monaten Haft verurteilt wurde, vor der Inhaftierung durch Strafmilderung ( commutation ) bewahrt. [27]
  • Am letzten Tag seiner Amtszeit begnadigte Donald Trump 70 Personen und wandelte das Strafmaß von weiteren 73 Personen um. [28] Begnadigt wurden dabei u. a. Steve Bannon , Kwame Kilpatrick sowie der Rapper Kodak Black .

In aller Regel bereitet der Justizminister Begnadigungen vor, und pruft, ob der Gesuchsteller einer Begnadigung wurdig ist. Von dieser Praxis wich z. B. Prasident Trump ab. [29]

?Eine Begnadigung durch den Prasidenten ist gewohnlicherweise ein Zeichen der Vergebung . Eine Begnadigung ist kein Zeichen der Rehabilitation, weder bedeutet noch begrundet sie Unschuld. Aus diesem Grund wird bei der Bearbeitung eines Gnadengesuchs die Anerkennung von Verantwortung, Reue und die geleistete Suhne fur die Straftat in Betracht gezogen.“

? Richtlinien des Justizministeriums [30]

Eine Begnadigung hat zur Folge, dass die Person in der Sache, in welcher die Begnadigung erfolgte, nicht mehr als Angeschuldigter gilt. Somit verliert er (diesbezuglich) das Recht, Zeugenaussagen zu verweigern . Der Prasident kann einer Person, die schon verurteilt wurde, die Strafe verkurzen, mildern oder aufschieben. In diesem Fall spricht man von einer commutation und die begnadigte Person gilt weiterhin als schuldig. Ebenso kann jemand nach vollstandiger Verbußung der Strafe begnadigt werden, um dessen Ehre wiederherzustellen. Uber die Bedeutung einer Begnadigung hat der Supreme Court mehrmals geurteilt. George Wilson, ein zum Tode verurteilter Postrauber, wurde von Prasident Jackson begnadigt. George Wilson nahm die Begnadigung nicht an, und so urteilte das Gericht, dass die Begnadigung somit keine Rechtskraft besitze [31] . Im Fall Burdick v. United States (1915) wurde festgehalten, dass die Annahme einer Begnadigung einem Schuldeingestandnis gleichkomme. Jedoch bleibt zu klaren, wie eine Nicht-Annahme im Fall von bereits verstorbenen Personen (z. B. dem ehemaligen Sklaven Henry Ossian Flipper , begnadigt von Clinton) oder im Fall einer Generalamnestie moglich ware. Ist die Begnadigung nach einem Schuldspruch erfolgt, bleibt der Eintrag im Strafregister erhalten.

Eine von den Gerichten bislang ungeklarte Frage ist auch, ob ein Prasident sich selbst begnadigen kann. Im Fall von Prasident Nixon kam das US-Justizministerium zum Schluss, dass dies nicht moglich ist. Jedoch konne der Prasident nach dem 25. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten sich selbst als temporar amtsunfahig erklaren, worauf der Vizeprasident dessen Geschafte ubernimmt, die Begnadigung ausspricht, und der Prasident wieder in sein Amt zuruckkehrt. Unklar ist auch, ob der US-Prasident geheime, insbesondere gegenuber dem Kongress der Vereinigten Staaten nicht dokumentierte Begnadigungen aussprechen kann. [29]

In den Bundesstaaten

In den US-Bundesstaaten gelten weitgehend ahnliche Regelungen wie fur die Bundesebene: In aller Regel sind die Gouverneure der Staaten alleine zustandig fur Gnadenerweise; in einigen Verfassungen gibt es Ausnahmen fur bestimmte Straftatbestande oder bestimmte Kategorien von Tatern (etwa Regierungsmitglieder und Staatsbeamte), deren Begnadigung die Zustimmung der Parlamente , Regierungen, einer besonderen Kommission oder dergleichen erfordert. In manchen Staaten gibt es auch Gnadenausschusse oder -kommissionen, die den Gouverneur beraten.

Besonders geregelt ist das Verfahren der Gnadenerweise in Texas : Der Gouverneur kann ein Gnadengesuch nur ablehnen oder einen befristeten Aufschub gewahren; in diesem Fall geht das Gesuch an eine besondere Kommission, deren Mitglieder teils vom Parlament gewahlt, teils vom Gouverneur ernannt sind. Nur auf Antrag dieser Kommission kann der Gouverneur ein Gnadengesuch endgultig bewilligen. Ein erfolgreiches Gnadengesuch muss deswegen vom Gouverneur in einem Vorentscheid bewilligt, von der Kommission genehmigt und wiederum vom Gouverneur bestatigt werden.

Die USA sind ein Staat, in dem relativ haufig die Todesstrafe verhangt wird (siehe Todesstrafe in den Vereinigten Staaten ). Zur Vielzahl von Begnadigungen sei erwahnt:

  • George Ryan , Gouverneur von Illinois , begnadigte im Januar 2003 ? wenige Tage vor Ende seiner Amtszeit ? alle in seinem Bundesstaat zum Tode Verurteilten. [32]
  • Laut einer Studie wurden Weiße deutlich haufiger begnadigt als Schwarze. [33]
  • Begnadigung bedeutet nicht immer Freilassung. Zum Beispiel wurde der Deutsche Dieter Riechmann , inhaftiert seit 1987 und 22 Jahre lang in einer Todeszelle , 2010 begnadigt ? zu lebenslanger Haft . [34]
  • Der Gouverneur von Mississippi Haley Barbour begnadigte im Dezember 2010 die 1994 zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilten Scott Sisters unter der Bedingung, dass Gladys ihrer Schwester Jamie die benotigte Niere spendet. [35]
  • In Folge der von ihm verlorenen Gouverneurswahl im November 2019 begnadigte der Gouverneur von Kentucky Matt Bevin 428 Menschen, darunter viele Gewalttater. Er wurde dafur sowohl von Republikanern als auch von Demokraten scharf kritisiert. Bevin beschuldigte seine Kritiker daraufhin, nicht mit den Einzelheiten der Falle vertraut zu sein. [36]
  • Dimitri Dimoulis: Die Begnadigung in vergleichender Perspektive: rechtsphilosophische, verfassungs- und strafrechtliche Probleme . Duncker & Humblot , Berlin 1996, ISBN 3-428-08771-2 (Zugl.: Saarbrucken, Univ., Diss., 1994/95).
  • Johann-Georg Schatzler: Handbuch des Gnadenrechts: Gnade ? Amnestie ? Bewahrung; eine systematische Darstellung mit den Vorschriften des Bundes und der Lander . C.H. Beck , Munchen 1992, ISBN 3-406-34143-8 .
  • Hansgeorg Birkhoff, Michael Lemke: Gnadenrecht. Handbuch . 1. Auflage. C.H. Beck , Munchen 2012, ISBN 978-3-406-57665-2 .
  • Cornelius Bollhoff: Begnadigung und Delegation: die Delegation der Entscheidungszustandigkeit des Begnadigungsrechts und ihre Grenzen . 1. Auflage. Duncker & Humblot , Berlin 2012, ISBN 978-3-428-13816-6 (Zugl.: Halle (Saale), Univ., Diss., 2011).
  1. Butzer in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 60 GG, Rn. 37; Herzog in: Maunz/Durig, Art. 60 GG, Rn. 37; a. A. Funk, Gnade und Gesetz , 2017, S. 90; Weyde, Grundzuge des Gnadenrechts , in: Vordermayer/Heintschel-Heinegg (Hrsg.): Handbuch fur den Staatsanwalt , 5. Aufl. 2016, Rn. 7; Kern/Roxin, Strafverfahrensrecht , 14. Aufl. 1976, § 58, S. 303; Fischer, Legitimation von Gnade und Amnestie im Rechtsstaat , Neue Kriminalpolitik 4/2001, S. 21 (23)
  2. Christian Waldhoff: Begnadigung in: Staatslexikon, hrsg. von der Gorres-Gesellschaft , Herder-Verlag, 22. Oktober 2019.
  3. Hania Siebenpfeiffer: Bose Lust. Gewaltverbrechen in Diskursen der Weimarer Republik. Bohlau, Wien 2005, ISBN 3-412-17505-6 , S. 30 eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche
  4. vgl. Cornelius Bollhoff: Begnadigung und Delegation; die Delegation der Entscheidungszustandigkeit des Begnadigungsrechts und ihre Grenzen. Berlin: Duncker & Humblot, 2012
  5. Dr. Max Kolter: "Gnade vor Recht?" bleibt Geheimnis des Bundesprasidenten . Hrsg.: LTO.de. 4. April 2024 ( [1] – Aktueller Begriff).
  6. a b Anja Eiardt, Sarab Borhanian: Das Begnadigungsrecht des Bundesprasidenten . Hrsg.: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages. 2007 ( online auf: bundestag.de [PDF] Aktueller Begriff).
  7. http://www.nds-voris.de/jportal/portal/t/d8s/page/bsvorisprod.psml/action/portlets.jw.MainAction?p1=a&eventSubmit_doNavigate=searchInSubtreeTOC&showdoccase=1&doc.hl=0&doc.id=VVND-VVND000020379&doc.part=S&toc.poskey=#focuspoint
  8. Fruhere RAF-Terroristin Schulz begnadigt. In: faz.net. 26. Februar 2002, abgerufen am 5. Dezember 2014 .
  9. BVerfG, Beschluss vom 23. April 1969 - 2 BvR 552/63
  10. Klage gegen Bundesprasidenten geht vor das Oberverwaltungsgericht. Abgerufen am 1. Februar 2023 .
  11. Gnade gibt’s auch fur Ganoven. In: wz.de. 8. Mai 2007, abgerufen am 6. Marz 2024 .
  12. Elisa Hoven: Begnadigungsrecht. Antiquiertes Majestatsrecht, das abgeschafft gehort. In: Pladoyer. Deutschlandfunk Kultur, 22. Februar 2021, abgerufen am 22. Februar 2021 .
  13. Jenseits jeglicher Kontrolle. In: Verfassungsblog. Abgerufen am 4. Mai 2022 .
  14. Gnade, bitte: Wir verklagen Bundesprasident. In: FragDenStaat-Blog. Abgerufen am 4. Mai 2022 .
  15. BeckOK GG/Pieper, 33. Ed. 1.6.2017, GG Art. 60 Rn. 20.1
  16. Alexandre Schneebeli Keuchenius: Art. 40: Kommission fur Begnadigungen und Zustandigkeitskonflikte . In: Martin Graf, Cornelia Theler, Moritz von Wyss (Hrsg.): Parlamentsrecht und Parlamentspraxis der Schweizerischen Bundesversammlung. Kommentar zum Parlamentsgesetz (ParlG) vom 13. Dezember 2002 . Basel 2014, ISBN 978-3-7190-2975-3 , S.   332–340 ( sgp-ssp.net ).
  17. Parlamentsdienste: Gewahrung von Begnadigungen und Amnestien. Abgerufen am 29. September 2020 .
  18. Volltext (deutsche Ubersetzung)
  19. Volltext (italienisch) Art. 87 vorletzter Satz: Puo concedere grazia e commutare le pene.
  20. Polen: Verfassungsrechtler schlagen Alarm Deutschlandfunk vom 25. November 2015, abgerufen am 10. April 2016
  21. Verfassungsrechtler uber Polen: ?Das hat Revolutionscharakter“ taz vom 8. April 2016
  22. Prezydent nad s?dem, Gazeta Wyborcza vom 31. Marz 2016, S. 1
  23. Volltext
  24. constitution.ru
  25. Daniel Brossler: Chodorkowskijs Freilassung ? Haftling von Putins Gnaden. In: sueddeutsche.de. 22. Dezember 2013, abgerufen am 16. Dezember 2014 .
  26. Matt Zapotosky, Josh Dawsey, Colby Itkowitz, Jonathan O'Connell: Trump pardons Charles Kushner, Paul Manafort, Roger Stone in latest wave of clemency grants. In: Washington Post . 23. Dezember 2020, abgerufen am 23. Dezember 2020 (englisch).
  27. Trump bewahrt seinen Vertrauten Stone vor dem Gefangnis. In: SZ.de , 11. Juli 2020.
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  30. “A presidential pardon is ordinarily a sign of forgiveness,” the office’s instructions say. “A pardon is not a sign of vindication and does not connote or establish innocence. For that reason, when considering the merits of a pardon petition, pardon officials take into account the petitioner’s acceptance of responsibility, remorse and atonement for the offense.” How far can Trump go in issuing pardons? In: New York Times. 31. Mai 2018, abgerufen am 31. Mai 2018 .
  31. Supreme Court of the United States: United States v. George Wilson Januar 1833
  32. Jubel und Emporung nach Begnadigung von Todeskandidaten. In: FAZ.net . 12. Januar 2003, abgerufen am 16. Dezember 2014 .
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  35. Susan Donaldson James: Supporters Applaud Plan to Release Scott Sisters in Kidney Deal ABCNews, 30. Dezember 2010
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