Dieser Artikel behandelt die Begnadigung in Sinne der Strafverschonung. Zum Roman von John Grisham siehe
Die Begnadigung
.
Begnadigung
ist der Erlass, die Umwandlung, die Ermaßigung oder die Aussetzung einer rechtskraftig verhangten
Strafe
,
Nebenstrafe
,
Disziplinarstrafe
oder
Geldbuße
bei
Ordnungswidrigkeiten
. Ob sie auch fur
Maßregeln der Besserung und Sicherung
gilt, ist umstritten.
[1]
Die Begnadigung ist im allgemeinen Sprachverstandnis die Erweisung von
Gnade
(
Gnadenerweis
) im Einzelfall. Wird eine Personengruppe begnadigt, spricht man von (General-)
Amnestie
. Das Recht, Gnade zu gewahren, wird als
Gnadenbefugnis
,
Gnadenrecht
oder
Begnadigungsbefugnis
bezeichnet. Die Begnadigung kann
von Amts wegen
oder auf
Antrag
, dem
Gnadengesuch
, erfolgen.
Die Begnadigung ist meistens Befugnis von
Staatsoberhauptern
(in der
Schweiz
allerdings eine kantonale Behorde oder das Parlament des Bundes), die einzelnen Tatern die ihnen
strafrechtlich
zuerkannte Strafe erlassen konnen. In dieser Praxis hat sich ein Rest der monarchischen
Prarogative
erhalten, wonach Herrschaftspersonen geltende Regeln außer Kraft setzen konnen (?Gnade vor Recht“).
Abolition
bedeutet dagegen die
Einstellung
eines laufenden Strafverfahrens und ist nur im Rahmen der strafprozessual vertypten Verfahrensbeendigungsgrunde moglich.
[2]
Der Begriff der Gnade impliziert, dass ein Verurteilter keinen
Rechtsanspruch
auf Gnade hat. Das Gnadenrecht ist nicht justiziabel. Der ?Gnadenherr“ kann ohne Angabe von Grunden uber das Gnadengesuch entscheiden. Demzufolge ist gegen die Gewahrung oder die Ablehnung eines Gnadengesuchs kein Rechtsbehelf gegeben. Im Rechtsstaat gebietet jedoch die
Menschenwurde
ein Recht auf Anhorung und Prufung des Gnadengesuchs.
Keine Begnadigung ist die gesetzlich vorgesehene
Aussetzung der Strafe bzw. des Strafrestes
zur Bewahrung durch ein Gericht.
In den meisten Staaten, die ein monarchisches Staatsoberhaupt (Konig, Furst, Herzog usw.) kennen, ist das Begnadigungsrecht ein Privileg dieses Staatsoberhauptes. Dies ist ein Traditionsrest der
absolutistischen
Kabinettsjustiz
und
Souveranitat
. In Republiken tritt an deren Stelle in der Regel der Staatsprasident oder das diesem entsprechende Organ. Eine Ausnahme bildet die Schweiz, wo in der Regel das Parlament (eines Kantons oder des Bundes) fur die Begnadigung zustandig ist.
In vielen Verfassungen wird aber dieses Recht dadurch eingeschrankt, dass die Gegenzeichnung eines Ministers erforderlich ist; bisweilen werden vom Gnadenrecht des Staatsoberhauptes gewisse Delikte wie Straftaten oder Amtsvergehen eines Ministers und dergleichen ausgenommen, von der Zustimmung der Gesamt-Regierung oder des Parlamentes abhangig gemacht. In solchen Fallen konnte eine Begnadigung durch das Staatsoberhaupt als Begunstigung unmittelbar ihm nachgeordneter Personen erscheinen.
Amnestien
sind in den meisten Landern nur durch Gesetze moglich.
Weil das
Reichsstrafgesetzbuch
von 1871 weitgehend das Preußische Strafgesetzbuch ubernahm, wurde damit die
Todesstrafe
in den Landern wieder eingefuhrt, die sie schon abgeschafft hatten.
[3]
Sie war als Strafe fur Mord (§ 211) und fur Mordversuch am
Kaiser
oder dem eigenen
Landesherrn
(§ 80) vorgesehen. Todesurteile fallte eine Laienjury. Ein einmaliges
Berufungsverfahren
war moglich. Danach konnte der Verurteilte im Fall des § 211 seinen Landesherrn bzw. den Senat der jeweiligen Freien Stadt um Gnade ersuchen; im Fall des § 80 den Kaiser, sofern das Reich betroffen war. Erst wenn das Gnadengesuch ausdrucklich abgelehnt worden war, durfte das Urteil vollstreckt werden.
Im heutigen
Deutschland
steht dem
Bund
das Begnadigungsrecht in Strafsachen zu, in denen
erstinstanzlich
in ?Ausubung von
Gerichtsbarkeit
des Bundes“ (§ 452, S. 1
StPO
) entschieden wurde, z. B. bei
Staatsschutzdelikten
wie der
Bildung terroristischer Vereinigungen
.
Das Begnadigungsrecht fur den Bund ubt gemaß
Art. 60 Abs. 2
des
GG
der
Bundesprasident
aus, soweit die Verurteilung durch ein
Bundesgericht
erfolgt war oder Gerichte der Lander gemaß
Art. 96 Abs. 5
in
Organleihe
Gerichtsbarkeit des Bundes ausgeubt haben. Da der Bund in Strafsachen uber kein Eingangsgericht verfugt, klagt der
Generalbundesanwalt
in den Fallen, in denen er fur die Anklage zustandig ist (vgl.
§ 142a
GVG), beim
Oberlandesgericht
(in Berlin:
Kammergericht
) an, das dann als Bundesgericht agiert. Der Bundesprasident kann die Gnadenbefugnisse gemaß Art. 60 Abs. 3 GG auf andere Behorden ubertragen.
[4]
Die Gnadenentscheidung des Bundesprasidenten unterliegt keiner gerichtlichen Kontrolle und wird nicht offentlich bekannt gegeben.
[5]
Sie bedarf aber der
Gegenzeichnung
durch ein Mitglied der
Bundesregierung
. In der Regel ist dies der
Bundesjustizminister
.
Unter dem Titel
Das Begnadigungsrecht des Bundesprasidenten
[6]
hat der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages unter anderem erklart: ?[…] das Begnadigungsrecht kann nur im Einzelfall ausgeubt werden.“
In den ubrigen Fallen, das heißt in den Fallen, in denen ein Land- oder Amtsgericht das Urteil gesprochen hat, liegt das Recht der Begnadigung bei den Landern. Gemaß den
Landesverfassungen
wird es ausgeubt von:
Auch die Landesverfassungen lassen meist eine Ubertragung des Begnadigungsrechts ? z. B. auf den Justizminister ? zu, so etwa in
Niedersachsen
.
[7]
Die Inhaber des Begnadigungsrechts haben ihre Befugnis in weniger bedeutsamen Fallen regelmaßig in Gnadenordnungen auf nachgeordnete Stellen ubertragen, in der Regel auf die Vollstreckungsbehorde (
Staatsanwaltschaft
), in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel ist die
Gnadenstelle
zustandig. Amnestien hingegen bedurfen eines Gesetzes, da sie sich nicht nur auf Einzelfalle beziehen.
Ein aufsehenerregender Fall war im Fruhjahr 2007 das Gnadengesuch des wegen mehrerer Morde und Mordversuche zu
lebenslanger Freiheitsstrafe
verurteilten
RAF
-Terroristen
Christian Klar
. Klar wollte damit eine vorzeitige Entlassung knapp zwei Jahre vor Ablauf der vom Gericht wegen besonderer Schwere der Schuld auf 26 Jahre festgelegten Mindestverbußungsdauer erreichen. Das Gnadengesuch war Anlass einer breiten offentlichen Debatte uber den Umgang mit der RAF-Geschichte in Deutschland. Im Zentrum der Diskussion stand auch die Frage, ob
Reue
und die Bereitschaft zur vollstandigen Aufklarung der Straftaten, die viele bei Klar vermissten, notwendige Bedingungen eines Gnadenerweises seien. Am 7. Mai 2007 lehnte Bundesprasident
Horst Kohler
Klars Gnadengesuch nach einer personlichen Anhorung ab. Hingegen wurden
Verena Becker
durch
Richard von Weizsacker
im November 1989 und
Adelheid Schulz
am 26. Februar 2002 durch
Johannes Rau
begnadigt.
[8]
Umstritten sind,
- ob eine gerichtliche Uberprufbarkeit der Begnadigung moglich ist. Dies lehnte das
Bundesverfassungsgericht
1969 ab, da der Gnadenerweis den
Gewaltenteilungsgrundsatz
bewusst bricht, somit kein Rechtsschutz nach Art. 19 IV GG bestehe.
[9]
Dagegen geht eine in der Literatur vertretene Ansicht davon aus, die Begnadigung habe keinen rechtlichen Charakter.
[6]
- ob die Offentlichkeit informiert werden muss, welche Gnadengesuche im Bundesprasidialamt eingehen und wie daruber entschieden wurde.
[10]
Im Jahre 2006 wurden in
Nordrhein-Westfalen
etwa 4000 Gnadengesuche gestellt, die Gnadenstellen der Landgerichte, das Justizministerium und der Ministerprasident beschieden jedes zehnte Gesuch positiv.
[11]
Begnadigungen des Bundesprasidenten sind geheim und das
Bundesprasidialamt
macht keine Angaben uber positive oder negative Gnadenentscheidungen der Bundesprasidenten.
[12]
[13]
[14]
Seit dem 1. Juli 1974 bis zum Ende der Amtszeit von
Joachim Gauck
am 18. Marz 2017 wurden 898 Disziplinargnadenentscheidungen und 97 Strafgnadenentscheidungen von den Bundesprasidenten gefallt.
[15]
Das Begnadigungsrecht steht in
Osterreich
dem
Bundesprasidenten
zu (Art. 65 Abs. 2 lit. c B-VG, § 25 Abs. 3 UG 1920, § 10 HDG).
In der
Schweiz
ist die
Bundesversammlung
zustandig fur die Begnadigung in den Fallen, in denen die Strafkammer des
Bundesstrafgerichts
oder eine Verwaltungsbehorde des Bundes geurteilt hat (
Art. 381
Bst. a StGB). Die beiden Kammern der Bundesversammlung (
Nationalrat
und
Standerat
) beschliessen in gemeinsamer Verhandlung als Vereinigte Bundesversammlung (
Art. 157
Abs. 1 Bst. e BV). Diese entscheidet auf Antrag ihrer "Kommission fur Begnadigungen und Zustandigkeitskonflikte".
[16]
Im Zeitraum von 1997 bis 2008 wurden der Vereinigten Bundesversammlung zehn Begnadigungsgesuche gestellt; zwei davon wurden gutgeheissen. Nach einer zwolfjahrigen Pause wurde 2020 erstmals wieder ein Begnadigungsgesuch eingereicht, das abgelehnt wurde.
[17]
Die uberwiegende Mehrheit der Urteile wird aber durch kantonale Gerichte gefallt; in diesen Fallen ist die jeweilige Begnadigungsbehorde des Kantons, in der Regel das
Kantonsparlament
, fur den Entscheid uber ein Begnadigungsgesuch zustandig (
Art. 381
Bst. b StGB). Das Begnadigungsgesuch kann mit der Zustimmung des
Verurteilten
nicht nur von ihm selbst, sondern auch bspw. vom Ehegatten gestellt werden (
Art. 382
StGB).
In
Belgien
ist der
Konig
zustandig (Art. 110 der
Verfassung
) unter Gegenzeichnung eines Ministers (Art. 106 der Verfassung);
Regierungsmitglieder
konnen nur nach parlamentarischer Zustimmung begnadigt werden (Art. 111 der Verfassung).
In
Luxemburg
ist der Großherzog zustandig (Art. 38 der Verfassung) unter Gegenzeichnung der Regierung (Art. 45); Begnadigungen von Regierungsmitgliedern setzen ein Ersuchen der Abgeordnetenkammer voraus (Art. 83).
- Danemark
: Der Konig bzw. die Konigin ist zustandig; Minister konnen nur mit Zustimmung des Parlaments begnadigt werden (Verfassung § 24); ministerielle Gegenzeichnung ist erforderlich (§ 14 der Verfassung).
- Estland
: Der
Prasident der Republik
ist zustandig (§ 78, Nr. 19 der Verfassung).
- Finnland
: Der
Prasident der Republik
ist zustandig, er entscheidet auf Gutachten des Obersten Gerichtshofes hin (§ 105 der Verfassung in Verbindung mit § 58 der Verfassung).
- Frankreich
: Der
Prasident der Republik
ist zustandig (Art. 17 der Verfassung); Gegenzeichnung durch Premierminister oder verantwortlichen Minister ist erforderlich (Art. 19 der Verfassung).
- Griechenland
: Der Staatsprasident ist zustandig; er bedarf eines Vorschlages und der Gegenzeichnung des Justizministers sowie des Berichts eines mehrheitlich aus Richtern bestehenden Rates (Art. 47 I der Verfassung); Minister konnen nur mit Zustimmung des Parlamentes begnadigt werden (Art. 47 II
der Verfassung
).
[18]
- Irland
: Der
Prasident
ist zustandig, das Gesetz kann weitere Stellen zustandig erklaren (Verfassung Art. 13 VI der Verfassung); der Prasident bedarf des Rats der Regierung (Art. 13 IX der Verfassung).
- Italien
: Der
Prasident der Republik
ist zustandig (Art. 87 der Verfassung) unter Gegenzeichnung eines Ministers (Art. 89 der Verfassung).
[19]
- Lettland
: Der
Staatsprasident
ist nach Maßgabe der Gesetzgebung zustandig (Art. 45 Verfassung); ministerielle Gegenzeichnung ist erforderlich (Art. 53 der Verfassung).
- Litauen
: Der
Prasident der Republik
ist zustandig (Art. 84, Nr. 23 der Verfassung); keine Gegenzeichnung ist erforderlich (Art. 85 der Verfassung).
- Malta
: Der Prasident ist zustandig; er bedarf dazu eines Rates/Gutachtens der Regierung (Verfassung Art. 93 in Verbindung mit Art. 85 der Verfassung).
- Niederlande
: Der Konig ist zustandig nach Maßgabe der Gesetzgebung und auf Empfehlung eines Gerichtes hin (Verfassung Art. 122 I); ministerielle Gegenzeichnung ist erforderlich (Art. 47 der Verfassung)
- Polen
: Der
Prasident
ist zustandig (Verfassung Art. 139); keine ministerielle Gegenzeichnung ist erforderlich (Art. 144 III, Nr. 18). Das Begnadigungsrecht findet im Fall der vom Staatsgerichtshof verurteilten Personen keine Anwendung. Nachdem Prasident
Andrzej Duda
im November 2015 den designierten Geheimdienstkoordinator
Mariusz Kami?ski
, der erstinstanzlich wegen Amtsmissbrauchs zu drei Jahren Gefangnis verurteilt worden war, noch vor Durchfuhrung der Berufungsverhandlung begnadigte und dem Gericht mitteilte, dass das Verfahren damit eingestellt sei, wird in Polen daruber debattiert, ob der Prasident Personen noch vor ihrer rechtskraftigen Verurteilung begnadigen und damit der Strafverfolgung entziehen darf.
[20]
[21]
[22]
- Portugal
: Der Prasident ist zustandig nach Anhorung der Regierung (Art. 134, lit. f der Verfassung); Gegenzeichnung der Regierung ist erforderlich (Art. 140 I der Verfassung).
- Schweden
: Die Regierung als Gesamtheit (Kabinett) ist zustandig (Kap. 11, § 13 der Verfassung).
- Slowakei
: Der Prasident ist zustandig (Verfassung Art. 102 I, lit. j) unter ministerieller Gegenzeichnung (Art. 102 II der Verfassung).
- Slowenien
: Der Staatsprasident ist zustandig (Art. 107 der Verfassung).
- Spanien
: Der
Konig
ist zustandig (Art. 62, lit. i der Verfassung), ministerielle Gegenzeichnung ist erforderlich (Art. 64 I).
- Tschechien
: Der
Prasident der Republik
ist zustandig (Verfassung Art. 62, lit. g der Verfassung
[23]
).
- Ungarn
: Der Prasident der Republik ist zustandig (Art. 30a I, lit. k der Verfassung), ministerielle Gegenzeichnung ist erforderlich (Art. 30a II der Verfassung).
- Zypern
: Der Prasident (bzw. Vizeprasident; durch die Trennung in zwei Teile z. Z. faktisch außer Kraft) ist zustandig, ggf. auf Vorschlag der General-Staatsanwalte (Art. 53 der Verfassung).
Das Begnadigungsrecht steht theoretisch dem britischen Staatsoberhaupt im Rahmen seiner
Prarogative
zu; gemaß allgemeiner Verfassungskonvention handelt es ausschließlich auf ministeriellen Rat hin. In der Praxis ubt das Begnadigungsrecht der
Innenminister
im Namen der Krone aus. Im Fall
Reg. v. Secretary of State for the Home Department, ex p Bentley
[1994] QB 349 entschied die
Queen's Bench Division
des Hohen Gerichts entgegen fruherer Auffassung, dass das Begnadigungsrecht, obwohl dem Minister ein weiter Ermessensspielraum zustehe, grundsatzlich justiziabel sei.
Das Begnadigungsrecht steht in
Russland
dem
Prasidenten
zu (Art. 89; Статья 89
[24]
). Das brisanteste Beispiel des beginnenden 21. Jahrhunderts dafur ist die Begnadigung
Michail Chodorkowskijs
durch den russischen Staatsprasidenten
Wladimir Putin
im Dezember 2013.
[25]
Urkunde uber die Begnadigung von Joe Arpaio durch Prasident
Trump
- Bundesstrafrecht
In den
Vereinigten Staaten von Amerika
ist der
Prasident
alleine befugt, Gnadenerweise in Bundesstrafsachen, aber nicht Bundesstaatsstrafsachen, auszusprechen. Der Wortlaut der Verfassung lasst es dabei zu, dass Begnadigungen bereits vor erfolgter Verurteilung ausgesprochen werden konnen. Diese Kompetenz des Prasidenten war in der jungeren Geschichte schon mehrmals umstritten:
- 1974, nach dem Rucktritt
Richard Nixons
vom Prasidentenamt im Zuge der
Watergate-Affare
, erteilte der nachruckende
Vizeprasident
Gerald Ford
ihm eine generelle Begnadigung fur jegliches im Amt begangene Vergehen. Ford war im Oktober 1973 als Vizeprasident von Nixon selbst nominiert worden, nachdem Vizeprasident
Spiro T. Agnew
zuruckgetreten war. Manche Stimmen sagen, diese Begnadigung habe Prasident Ford nachhaltigen politischen Schaden zugefugt.
- Caspar Weinberger
und mehrere weitere Akteure in der
Iran-Contra-Affare
wurden noch wahrend der Ermittlungen von
George H. W. Bush
begnadigt, mit der Folge, dass die Befragung hochrangiger Regierungsmitglieder eingestellt wurde. Als Folge davon wurden die Rollen von
Bush
,
Reagan
und
Rumsfeld
nie ganz geklart.
- Am letzten Tag im Amt sprach
Bill Clinton
140 Begnadigungen aus. Jene des Unternehmers und Steuerbetrugers
Marc Rich
, den die US-Justiz jahrelang vergeblich verfolgt hatte und dessen Auslieferung durch das Bundesgericht der Schweiz abgelehnt worden war, stieß auf große Kritik; sein Nachfolger
George W. Bush
wurde aufgefordert, diese Begnadigung ruckgangig zu machen, was aber vermutlich nicht zulassig gewesen ware. Bush außerte, es gelte, fur die Betroffenen auf lange Sicht
Rechtssicherheit
zu schaffen; deshalb konne es nicht in Frage kommen, an der durch Clinton erteilten Begnadigung zu rutteln. Im gleichen Zug hatte Clinton seinen Halbbruder,
Roger Clinton Jr.
, begnadigt. Ihm war es wegen eines fruheren Drogendeliktes untersagt, uber die Grenzen von Bundesstaaten hinweg Geschafte abzuschließen. Ebenso begnadigte Bill Clinton seine ehemalige Mitarbeiterin
Susan McDougal
, die wegen ihrer Weigerung, uber Clintons Whitewater-Geschafte auszusagen, eine 18-monatige Freiheitsstrafe verbußen musste.
- 2017 wurde
Joe Arpaio
, der aus verschiedenen Grunden umstrittene
Sheriff
von
Maricopa County
, von
Donald Trump
begnadigt. Er hatte eine Haftstrafe antreten sollen, weil er eine Anordnung eines Bundesgerichts nicht umsetzen wollte. Joe Arpaio galt schon wahrend des Wahlkampfs von 2016 als vehementer Unterstutzer von Donald Trump. Im Januar 2020 hob Trump die restliche Haftstrafe von
Rod Blagojevich
auf; er hatte den vakanten Senatssitz von
Barack Obama
gegen Schmiergelder verkaufen wollen; ebenfalls beging er eine Erpressung, indem er Gelder fur ein Kinderkrankenhaus zuruckhielt.
- Im Dezember 2020 begnadigte
Donald Trump
Charles Kushner, Vater seines Schwiegersohnes
Jared Kushner
, der 2004 wegen Falschaussagen an die
Federal Election Commission
, Zeugenmanipulationen und Steuerhinterziehung schuldig pladiert hatte.
[26]
Gleichzeitig begnadigte er seine ehemaligen Wahlkampfhelfer
Paul Manafort
und
Roger Stone
; Stone hatte er schon im Juli 2020, nachdem der wegen Justizbehinderung,
Meineids
und Zeugenbeeinflussung zu 40 Monaten Haft verurteilt wurde, vor der Inhaftierung durch Strafmilderung (
commutation
) bewahrt.
[27]
- Am letzten Tag seiner Amtszeit begnadigte
Donald Trump
70 Personen und wandelte das Strafmaß von weiteren 73 Personen um.
[28]
Begnadigt wurden dabei u. a.
Steve Bannon
,
Kwame Kilpatrick
sowie der Rapper
Kodak Black
.
In aller Regel bereitet der Justizminister Begnadigungen vor, und pruft, ob der Gesuchsteller einer Begnadigung wurdig ist. Von dieser Praxis wich z. B. Prasident Trump ab.
[29]
?Eine Begnadigung durch den Prasidenten ist gewohnlicherweise ein Zeichen der
Vergebung
. Eine Begnadigung ist kein Zeichen der Rehabilitation, weder bedeutet noch begrundet sie Unschuld. Aus diesem Grund wird bei der Bearbeitung eines Gnadengesuchs die Anerkennung von Verantwortung, Reue und die geleistete Suhne fur die Straftat in Betracht gezogen.“
?
Richtlinien des Justizministeriums
[30]
Eine Begnadigung hat zur Folge, dass die Person in der Sache, in welcher die Begnadigung erfolgte, nicht mehr als Angeschuldigter gilt. Somit verliert er (diesbezuglich)
das Recht, Zeugenaussagen zu verweigern
. Der Prasident kann einer Person, die schon verurteilt wurde, die Strafe verkurzen, mildern oder aufschieben. In diesem Fall spricht man von einer
commutation
und die begnadigte Person gilt weiterhin als schuldig. Ebenso kann jemand nach vollstandiger Verbußung der Strafe begnadigt werden, um dessen Ehre wiederherzustellen. Uber die Bedeutung einer Begnadigung hat der
Supreme Court
mehrmals geurteilt. George Wilson, ein zum Tode verurteilter Postrauber, wurde von
Prasident Jackson
begnadigt. George Wilson nahm die Begnadigung nicht an, und so urteilte das Gericht, dass die Begnadigung somit keine Rechtskraft besitze
[31]
. Im Fall
Burdick v. United States
(1915) wurde festgehalten, dass die Annahme einer Begnadigung einem Schuldeingestandnis gleichkomme. Jedoch bleibt zu klaren, wie eine Nicht-Annahme im Fall von bereits verstorbenen Personen (z. B. dem ehemaligen Sklaven
Henry Ossian Flipper
, begnadigt von Clinton) oder im Fall einer Generalamnestie moglich ware. Ist die Begnadigung nach einem Schuldspruch erfolgt, bleibt der Eintrag im Strafregister erhalten.
Eine von den Gerichten bislang ungeklarte Frage ist auch, ob ein Prasident sich selbst begnadigen kann. Im Fall von Prasident Nixon kam das US-Justizministerium zum Schluss, dass dies nicht moglich ist. Jedoch konne der Prasident nach dem
25. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten
sich selbst als temporar amtsunfahig erklaren, worauf der Vizeprasident dessen Geschafte ubernimmt, die Begnadigung ausspricht, und der Prasident wieder in sein Amt zuruckkehrt. Unklar ist auch, ob der US-Prasident geheime, insbesondere gegenuber dem
Kongress der Vereinigten Staaten
nicht dokumentierte Begnadigungen aussprechen kann.
[29]
- In den Bundesstaaten
In den
US-Bundesstaaten
gelten weitgehend ahnliche Regelungen wie fur die Bundesebene: In aller Regel sind die
Gouverneure der Staaten
alleine zustandig fur Gnadenerweise; in einigen Verfassungen gibt es Ausnahmen fur bestimmte Straftatbestande oder bestimmte Kategorien von Tatern (etwa Regierungsmitglieder und Staatsbeamte), deren Begnadigung die Zustimmung der
Parlamente
, Regierungen, einer besonderen Kommission oder dergleichen erfordert. In manchen Staaten gibt es auch Gnadenausschusse oder -kommissionen, die den Gouverneur beraten.
Besonders geregelt ist das Verfahren der Gnadenerweise in
Texas
: Der Gouverneur kann ein Gnadengesuch nur ablehnen oder einen befristeten Aufschub gewahren; in diesem Fall geht das Gesuch an eine besondere Kommission, deren Mitglieder teils vom Parlament gewahlt, teils vom Gouverneur ernannt sind. Nur auf Antrag dieser Kommission kann der Gouverneur ein Gnadengesuch endgultig bewilligen. Ein erfolgreiches Gnadengesuch muss deswegen vom Gouverneur in einem Vorentscheid bewilligt, von der Kommission genehmigt und wiederum vom Gouverneur bestatigt werden.
Die USA sind ein Staat, in dem relativ haufig die Todesstrafe verhangt wird (siehe
Todesstrafe in den Vereinigten Staaten
). Zur Vielzahl von Begnadigungen sei erwahnt:
- George Ryan
, Gouverneur von
Illinois
, begnadigte im Januar 2003 ? wenige Tage vor Ende seiner Amtszeit ? alle in seinem Bundesstaat zum Tode Verurteilten.
[32]
- Laut einer Studie wurden Weiße deutlich haufiger begnadigt als Schwarze.
[33]
- Begnadigung bedeutet nicht immer Freilassung. Zum Beispiel wurde der Deutsche
Dieter Riechmann
, inhaftiert seit 1987 und 22 Jahre lang in einer
Todeszelle
, 2010 begnadigt ? zu
lebenslanger Haft
.
[34]
- Der Gouverneur von
Mississippi
Haley Barbour
begnadigte im Dezember 2010 die 1994 zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilten
Scott Sisters
unter der Bedingung, dass Gladys ihrer Schwester Jamie die benotigte Niere spendet.
[35]
- In Folge der von ihm verlorenen Gouverneurswahl im November 2019 begnadigte der Gouverneur von
Kentucky
Matt Bevin
428 Menschen, darunter viele Gewalttater. Er wurde dafur sowohl von Republikanern als auch von Demokraten scharf kritisiert. Bevin beschuldigte seine Kritiker daraufhin, nicht mit den Einzelheiten der Falle vertraut zu sein.
[36]
- Dimitri Dimoulis:
Die Begnadigung in vergleichender Perspektive: rechtsphilosophische, verfassungs- und strafrechtliche Probleme
.
Duncker & Humblot
, Berlin 1996,
ISBN 3-428-08771-2
(Zugl.: Saarbrucken, Univ., Diss., 1994/95).
- Johann-Georg Schatzler:
Handbuch des Gnadenrechts: Gnade ? Amnestie ? Bewahrung; eine systematische Darstellung mit den Vorschriften des Bundes und der Lander
.
C.H. Beck
, Munchen 1992,
ISBN 3-406-34143-8
.
- Hansgeorg Birkhoff, Michael Lemke:
Gnadenrecht. Handbuch
. 1. Auflage.
C.H. Beck
, Munchen 2012,
ISBN 978-3-406-57665-2
.
- Cornelius Bollhoff:
Begnadigung und Delegation: die Delegation der Entscheidungszustandigkeit des Begnadigungsrechts und ihre Grenzen
. 1. Auflage.
Duncker & Humblot
, Berlin 2012,
ISBN 978-3-428-13816-6
(Zugl.: Halle (Saale), Univ., Diss., 2011).
- ↑
Butzer in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 60 GG, Rn. 37; Herzog in: Maunz/Durig, Art. 60 GG, Rn. 37; a. A. Funk,
Gnade und Gesetz
, 2017, S. 90; Weyde,
Grundzuge des Gnadenrechts
, in: Vordermayer/Heintschel-Heinegg (Hrsg.):
Handbuch fur den Staatsanwalt
, 5. Aufl. 2016, Rn. 7; Kern/Roxin,
Strafverfahrensrecht
, 14. Aufl. 1976, § 58, S. 303; Fischer,
Legitimation von Gnade und Amnestie im
Rechtsstaat
, Neue Kriminalpolitik 4/2001, S. 21 (23)
- ↑
Christian Waldhoff:
Begnadigung
in: Staatslexikon, hrsg. von der
Gorres-Gesellschaft
, Herder-Verlag, 22. Oktober 2019.
- ↑
Hania Siebenpfeiffer:
Bose Lust. Gewaltverbrechen in Diskursen der Weimarer Republik.
Bohlau, Wien 2005,
ISBN 3-412-17505-6
, S. 30
eingeschrankte Vorschau
in der Google-Buchsuche
- ↑
vgl. Cornelius Bollhoff:
Begnadigung und Delegation; die Delegation der Entscheidungszustandigkeit des Begnadigungsrechts und ihre Grenzen.
Berlin: Duncker & Humblot, 2012
- ↑
Dr. Max Kolter:
"Gnade vor Recht?" bleibt Geheimnis des Bundesprasidenten
. Hrsg.: LTO.de. 4. April 2024 (
[1]
– Aktueller Begriff).
- ↑
a
b
Anja Eiardt, Sarab Borhanian:
Das Begnadigungsrecht des Bundesprasidenten
. Hrsg.: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages. 2007 (
online auf:
bundestag.de
[PDF] Aktueller Begriff).
- ↑
http://www.nds-voris.de/jportal/portal/t/d8s/page/bsvorisprod.psml/action/portlets.jw.MainAction?p1=a&eventSubmit_doNavigate=searchInSubtreeTOC&showdoccase=1&doc.hl=0&doc.id=VVND-VVND000020379&doc.part=S&toc.poskey=#focuspoint
- ↑
Fruhere RAF-Terroristin Schulz begnadigt.
In:
faz.net.
26. Februar 2002,
abgerufen am 5. Dezember 2014
.
- ↑
BVerfG, Beschluss vom 23. April 1969 - 2 BvR 552/63
- ↑
Klage gegen Bundesprasidenten geht vor das Oberverwaltungsgericht.
Abgerufen am 1. Februar 2023
.
- ↑
Gnade gibt’s auch fur Ganoven.
In:
wz.de.
8. Mai 2007,
abgerufen am 6. Marz 2024
.
- ↑
Elisa Hoven:
Begnadigungsrecht.
Antiquiertes Majestatsrecht, das abgeschafft gehort. In:
Pladoyer.
Deutschlandfunk Kultur, 22. Februar 2021,
abgerufen am 22. Februar 2021
.
- ↑
Jenseits jeglicher Kontrolle.
In:
Verfassungsblog.
Abgerufen am 4. Mai 2022
.
- ↑
Gnade, bitte: Wir verklagen Bundesprasident.
In:
FragDenStaat-Blog.
Abgerufen am 4. Mai 2022
.
- ↑
BeckOK GG/Pieper, 33. Ed. 1.6.2017, GG Art. 60 Rn. 20.1
- ↑
Alexandre Schneebeli Keuchenius:
Art. 40: Kommission fur Begnadigungen und Zustandigkeitskonflikte
. In: Martin Graf, Cornelia Theler, Moritz von Wyss (Hrsg.):
Parlamentsrecht und Parlamentspraxis der Schweizerischen Bundesversammlung. Kommentar zum Parlamentsgesetz (ParlG) vom 13. Dezember 2002
. Basel 2014,
ISBN 978-3-7190-2975-3
,
S.
332–340
(
sgp-ssp.net
).
- ↑
Parlamentsdienste:
Gewahrung von Begnadigungen und Amnestien.
Abgerufen am 29. September 2020
.
- ↑
Volltext (deutsche Ubersetzung)
- ↑
Volltext (italienisch)
Art. 87 vorletzter Satz:
Puo concedere grazia e commutare le pene.
- ↑
Polen: Verfassungsrechtler schlagen Alarm
Deutschlandfunk vom 25. November 2015, abgerufen am 10. April 2016
- ↑
Verfassungsrechtler uber Polen: ?Das hat Revolutionscharakter“
taz vom 8. April 2016
- ↑
Prezydent nad s?dem, Gazeta Wyborcza vom 31. Marz 2016, S. 1
- ↑
Volltext
- ↑
constitution.ru
- ↑
Daniel Brossler:
Chodorkowskijs Freilassung ? Haftling von Putins Gnaden.
In:
sueddeutsche.de.
22. Dezember 2013,
abgerufen am 16. Dezember 2014
.
- ↑
Matt Zapotosky, Josh Dawsey, Colby Itkowitz, Jonathan O'Connell:
Trump pardons Charles Kushner, Paul Manafort, Roger Stone in latest wave of clemency grants.
In:
Washington Post
.
23. Dezember 2020,
abgerufen am 23. Dezember 2020
(englisch).
- ↑
Trump bewahrt seinen Vertrauten Stone vor dem Gefangnis.
In:
SZ.de
, 11. Juli 2020.
- ↑
Reuters:
Trump pardons and commutations ? the full list.
In:
The Guardian
.
20. Januar 2021,
abgerufen am 20. Januar 2021
(englisch).
- ↑
a
b
Daniel R. Alonso:
How Trump's pardons could get even more bizarre.
In:
CNN
.
24. Dezember 2020,
abgerufen am 20. Januar 2021
(englisch).
- ↑
“A presidential pardon is ordinarily a sign of forgiveness,” the office’s instructions say. “A pardon is not a sign of vindication and does not connote or establish innocence. For that reason, when considering the merits of a pardon petition, pardon officials take into account the petitioner’s acceptance of responsibility, remorse and atonement for the offense.”
How far can Trump go in issuing pardons?
In:
New York Times.
31. Mai 2018,
abgerufen am 31. Mai 2018
.
- ↑
Supreme Court of the United States:
United States v. George Wilson
Januar 1833
- ↑
Jubel und Emporung nach Begnadigung von Todeskandidaten.
In:
FAZ.net
.
12. Januar 2003,
abgerufen am 16. Dezember 2014
.
- ↑
Christiane Oelrich:
Weiße werden in den USA deutlich ofter begnadigt.
auf:
www.t-online.de
, 5. Dezember 2011.
- ↑
Deutscher Dieter Riechmann darf Todeszelle verlassen.
auf:
www.augsburger-allgemeine.de
, 14. Mai 2010.
- ↑
Susan Donaldson James:
Supporters Applaud Plan to Release Scott Sisters in Kidney Deal
ABCNews, 30. Dezember 2010
- ↑
Morgan Phillips:
GOP, Dems call for probe of hundreds of pardons issued by ex-Kentucky Gov. Bevin.
In:
Fox News.
FOX News Network, LLC, 13. Dezember 2019,
abgerufen am 14. Januar 2020
(englisch).