Die
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bis 1990
behandelt die Geschichte des
westdeutschen
Staats
von 1949 bis 1990. Auch wenn die Bundesrepublik die
Wiedervereinigung
mit der ebenfalls 1949 im Osten Deutschlands gebildeten
Deutschen Demokratischen Republik
1990
staatsrechtlich
ohne Bruch uberdauert hat, geht die historische Forschung von einer politischen und gesellschaftlichen
Zasur
zwischen der
alten
Bundesrepublik bis 1990 und der wiedervereinigten Bundesrepublik seit 1990 aus. Deren Geschichte wird unter
Geschichte Deutschlands seit 1990
beschrieben.
Die Bundesrepublik Deutschland entstand nach der Niederlage des
Deutschen Reiches
im
Zweiten Weltkrieg
unter der folgenden
Herrschaft der Besatzungsmachte
in
Nachkriegsdeutschland
. Auf Veranlassung der
Westalliierten
wurde das Gebiet der westlichen Besatzungszonen (
Trizone
) mit dem Inkrafttreten des vom
Parlamentarischen Rat
ausgearbeiteten
Grundgesetzes
am 24. Mai 1949 staatlich neu organisiert. Das Grundgesetz als
Verfassung
beruht auf
foderalen Traditionen
und legt die
freiheitlich-demokratische Grundordnung
als Basis einer demokratischen, sozialen und
rechtsstaatlichen
Republik
fest. Das mit der Uberwindung der Kriegsfolgen einsetzende
Wirtschaftswunder
brachte weitgehende
Vollbeschaftigung
und Einkommenssteigerungen fur breite Bevolkerungsschichten, wahrend die NS-Vergangenheit zunachst weitgehend
verdrangt
wurde. Ab den 1960er-Jahren folgten Liberalisierungs- und
Westernisierungsprozesse
, die sich in der
68er-Bewegung
manifestierten. Ab den 1970er-Jahren verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation mit einer dauerhaften
Sockelarbeitslosigkeit
.
Neue Soziale Bewegungen
kamen auf, die in den 1980er-Jahren unter anderem Umwelt-, Anti-Atom- und Frauenthemen relevant machten. Das zunachst angespannte Verhaltnis der in den
Westen eingebundenen
Bundesrepublik zur DDR im
Kalten Krieg
wurde durch die
neue Ostpolitik
entspannt und endete nach der
friedlichen Revolution im Jahr 1989
durch die Herstellung der Einheit Deutschlands am
3. Oktober 1990
.
Bei der
bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht
am 8. Mai 1945 standen US-amerikanische, britische und franzosische Truppen auf dem Gebiet
Westdeutschlands
und sowjetische Truppen auf dem Gebiet
Ostdeutschlands
einschließlich der gesamten Stadt Berlin. Amerikaner und Briten hatten zunachst noch
Thuringen
und Teile
Sachsens
, Teile des spateren
Sachsen-Anhalts
und
Mecklenburgs
besetzt. Aufgrund von vorher getroffenen Absprachen zogen sich die
Westalliierten
im Juli 1945 auf das vertraglich festgelegte Gebiet im Westen zuruck, im Gegenzug raumte die
Sowjetunion
den
Westteil Berlins
. So entstand neben den vier
Besatzungszonen
die von allen vier Machten gemeinsam regierte
Viersektorenstadt Berlin
mit je einem sowjetischen, amerikanischen, britischen und franzosischen Sektor.
Auf der
Potsdamer Konferenz
im Juli/August 1945 beschlossen die drei
Hauptsiegermachte
Vereinigte Staaten von Amerika
, Sowjetunion und
Vereinigtes Konigreich
am 2. August 1945, die
deutschen Ostgebiete
jenseits der
Oder-Neiße-Linie
unter die
Verwaltungshoheit
der Sowjetunion und Polens zu stellen. Das restliche Gebiet des
Deutschen Reiches
innerhalb der
Grenzen vom 31. Dezember 1937
teilten sie in Besatzungszonen auf.
Frankreich
, das erst auf der
Konferenz von Jalta
im Februar 1945 als vierte Siegermacht anerkannt worden war, aber an der Konferenz nicht teilgenommen hatte, stimmte dem Abkommen unter Vorbehalten zu.
Die Sowjetunion hatte bereits drei Monate zuvor die deutschen Ostgebiete mit der Ausnahme von
Konigsberg
und Nord-
Ostpreußen
(heute
Oblast Kaliningrad
) zur Verwaltung an die spatere
Volksrepublik Polen
ubertragen. Als Besatzungszone erhielt die Sowjetunion das Gebiet der spateren
Deutschen Demokratischen Republik
. Das Vereinigte Konigreich beanspruchte das Gebiet des heutigen
Schleswig-Holstein
,
Hamburg
,
Niedersachsen
und
Nordrhein-Westfalen
. Die
amerikanische Besatzungszone
erstreckte sich uber
Bayern
,
Hessen
, die nordlichen Teile von
Wurttemberg
und
Baden
. Als Hafenstadt kam
Bremen
mit
Bremerhaven
unter amerikanische Besatzung. Frankreich erhielt das spatere
Rheinland-Pfalz
, die sudlichen Teile von Wurttemberg und Baden und das
Saarland
als Besatzungszone. Die vier Siegermachte teilten die ehemalige
Reichshauptstadt
Berlin
in
vier Sektoren
auf.
Fur ganz
Deutschland
hatte der
Alliierte Kontrollrat
mit Sitz in Berlin die hochste
Regierungsgewalt
inne; zustandig fur
Groß-Berlin
war die dem Kontrollrat unterstellte
Alliierte Kommandantur
.
In den polnisch verwalteten Ostgebieten, der
Tschechoslowakei
und anderen
ostmitteleuropaischen
Landern begann in der Folgezeit die systematische
Vertreibung
der deutschen Bevolkerung. Etwa 14 bis 16 Millionen Menschen wurden in die
westlichen
sowie in die
Sowjetische Besatzungszone
vertrieben oder mussten fluchten und belasteten die ohnehin schwierige Lage zusatzlich, bald bestand in einigen Gebieten ein Großteil der Bevolkerung aus Vertriebenen. In einzelnen Stadten und Regionen uberwog somit der Anteil aus der Gruppe von Zwangsumgesiedelten.
In Deutschland selbst war das Leben in den teils zerbombten Stadten mangels Wohnraum sowie wegen Nahrungsmittelknappheit, zerstorter Infrastruktur, fehlender Stromversorgung und Brennstoffknappheit sehr schwierig. Weil viele Manner in
Kriegsgefangenschaft
waren, beseitigten
Trummerfrauen
die Trummer in den Stadten. Stadtbewohner fuhren massenhaft bei so genannten
Hamsterfahrten
aufs Land, um gegen Sachguter Lebensmittel einzutauschen. Die Reichsmark als amtliche
Wahrung
hatte wegen der weitgehenden Zwangsbewirtschaftung keinen realen Wert mehr, der
Schwarzmarkt
und der Handel mit Sachgutern bluhte, US-amerikanische
Zigaretten
wurden zu einer
Ersatzwahrung
. Wegen des Brennstoffmangels wurden zahlreiche Baume abgeholzt und Kohlezuge geplundert. Lebensmittel waren nur uber
Lebensmittelmarken
erhaltlich oder wurden aus eigenem Anbau gewonnen.
Die
Besatzungsmachte
ordneten eine
Entnazifizierung
an, verboten die
NSDAP
und ihre Unterorganisationen und ließen alle nationalsozialistischen Symbole entfernen. Die
Deutschen
in den westlichen Besatzungszonen wurden systematisch anhand von Fragebogen auf ihre
nationalsozialistische
Vergangenheit untersucht. Allerdings gab es zahlreiche Moglichkeiten, sich auf dem Schwarzmarkt einen sogenannten ?
Persilschein
“ zu besorgen. In den Behorden mussten zahlreiche Amter neu besetzt werden (vielerorts mit Altnazis), auch viele
Neulehrer
wurden in wenigen Monaten fur ihren Beruf ausgebildet. Am 14. November 1945 begann in
Nurnberg
der
Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher
; am 1. Oktober 1946 wurden 12 der 21 Hauptbeschuldigten (Angeklagten) zum Tode verurteilt. Daran anschließend gab es
Folgeprozesse gegen andere Kriegsverbrecher
.
Bis auf
Bayern
,
Bremen
und
Hamburg
entstanden die
Lander
Westdeutschlands 1946/47 durch Zusammenschluss vorher eigenstandiger Lander und ehemaliger preußischer Provinzen. Die ersten freien
Kommunal-
und
Landtagswahlen
konnten in diesen Jahren abgehalten werden. Im Februar 1946 wurde in der
Britischen Besatzungszone
ein
Zonenbeirat
aus Vertretern von
Parteien
,
Gewerkschaften
und der Verwaltung zur Beratung der
Militarregierung
gebildet. Am 1. Dezember 1946 gab sich
Hessen
als erstes Land
eine Nachkriegsverfassung
. Der
Artikel 41 der Hessischen Verfassung
, der die Uberfuhrung der Betriebe der Schlusselindustrien in Volkseigentum vorsah, wurde allerdings nie verwirklicht.
[1]
Mit
Konrad Adenauer
als Vorsitzendem der
CDU
in der britischen Zone und
Kurt Schumacher
als Vorsitzendem der
SPD
traten im Fruhjahr 1946 zwei wegweisende Personen auf den Plan. Im April 1946 nahmen die deutschen Gerichte wieder die Arbeit auf. Im August dieses Jahres begannen US-amerikanische
Wohlfahrtsverbande
mit der Lieferung von
CARE-Paketen
nach Westdeutschland und das
GARIOA
-Programm, um die
Hungersnot
zu lindern; im September 1946 grundete sich der
RIAS
in Berlin. Der
US-Außenminister
James F. Byrnes
betonte in seiner
Stuttgarter Rede
vom 6. September 1946 seine positive Einstellung in der Deutschlandpolitik und kundigte einen Wandel in den deutsch-amerikanischen Beziehungen an. Er deutete auch eine fortdauernde Prasenz der Westalliierten in Deutschland an.
Am 1. Januar 1947 entstand mit der Vereinigung von US-amerikanischer und britischer Besatzungszone die
Bizone
. Ebenfalls in diesem Monat erschien erstmals das Magazin
Der Spiegel
. Der Alliierte Kontrollrat loste im Februar 1947 das Land
Preußen
auf, um so eine Ruckwendung der Deutschen zu ihren militarischen Traditionen zu verhindern. Am 5. Juni 1947 lief der
Marshallplan
an, wahrend in Munchen eine gesamtdeutsche
Ministerprasidentenkonferenz
zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit der Landerregierungen zu keinem Ergebnis kam. Im Juli wurde ein
Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes
ohne Beteiligung der sowjetischen Besatzungszone gebildet, um das Wirtschaftsleben wieder in Gang zu bringen. Bei den Treffen der
Gruppe 47
konnten die ersten Werke der
Nachkriegsliteratur
vorgestellt werden.
Mit dem Scheitern der
Londoner Außenministerkonferenz
im Dezember 1947 wurde der Graben zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion unuberwindlich. In den Monaten Februar und Marz 1948 fand die
Londoner Sechsmachtekonferenz
mit den
USA
,
Großbritannien
,
Frankreich
, den
Niederlanden
,
Belgien
und
Luxemburg
statt, die uber die Bildung eines westdeutschen Staates und den
Brusseler Pakt
, ein Bundnis zur Wahrung westlicher Interessen gegen das Machtstreben der Sowjetunion, diskutierte. Aus Protest gegen die Beschlusse verließ der sowjetische Gesandte am 20. Marz den Kontrollrat, welcher damit gescheitert war. 1949 regelten die Alliierten entsprechend dem Beschluss der sechs Machte die deutsche Westgrenze gegenuber den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, dem Saargebiet und Frankreich. Einige Grenzgebiete (
Elten
-,
Selfkantgebiet
) wurden den Niederlanden angegliedert, im Gegenzug verzichte die niederlandische Regierung auf die Umsetzung des
Bakker-Schut-Plans
.
Ebenfalls im Marz 1948 begann
Ludwig Erhard
als Chef des ?Wirtschaftsrates“ der Bizone seine Karriere in der spateren Bundesrepublik; zur gleichen Zeit wurde die
Bank deutscher Lander
, Vorgangerin der
Bundesbank
, gegrundet.
Die mit der
Wahrungsreform in Westdeutschland
am 20. Juni 1948 verbundene Einfuhrung der
D-Mark
, die in der SBZ und Berlin wenige Tage spater mit der Einfuhrung der
DM-Ost
beantwortet wurde, spaltete Deutschland endgultig in zwei Wirtschaftsraume. Im Unterschied zur SBZ bedeutete sie in den Westzonen zugleich das Ende der Zwangsbewirtschaftung und entzog damit dem dortigen Schwarzmarkt schnell die Grundlage. Nachdem die Sowjetunion in Berlin mit der Einfuhrung der DM-Ost als einzige Wahrung gescheitert war, verhangte sie am 24. Juni 1948 die
Berlin-Blockade
uber die Westsektoren, worauf die Westalliierten ab dem 26. Juni 1948 mit der
Luftbrucke nach Berlin
reagierten.
Am 1. Juli 1948 ubergaben die
Militargouverneure
Frankreichs, des Vereinigten Konigreiches und der USA den westdeutschen Ministerprasidenten die
Frankfurter Dokumente
, Papiere, in denen sie ihre Vorstellungen zur Bildung eines westdeutschen
Staates
mitteilten. Daraufhin berieten sich die Landerchefs und fassten vom 8. bis 10. Juli 1948 die
Koblenzer Beschlusse
, worin sie verdeutlichten, dass es keiner Staatsgrundung, sondern lediglich einer Neuorganisierung Deutschlands bedurfte. Die Mitglieder einer
verfassunggebenden Versammlung
sollten von den
Landtagen
und nicht direkt gewahlt werden. Vom 10. bis zum 23. August 1948 traf sich der
Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee
zur Vorbereitung dieser Versammlung.
Am 1. September 1948 trat der 65-kopfige
Parlamentarische Rat
unter dem Vorsitz
Konrad Adenauers
im
Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig
in
Bonn
zusammen und arbeitete in den folgenden Monaten das
Grundgesetz fur die Bundesrepublik Deutschland
aus. Im April 1949 beschlossen die drei Westmachte, die Militarregierungen in den zuvor zur
Trizone
vereinigten
Westzonen
durch eine
Alliierte Hohe Kommission
abzulosen und das
Besatzungsstatut
festzuschreiben. Am 8. Mai 1949 legten die
Mitglieder des Parlamentarischen Rats
das Grundgesetz vor. Am 10. Mai erorterte der Parlamentarische Rat die
Frage des ?vorlaufigen Sitzes“
von Parlament und Regierung. Er entschied mit 33 zu 29 Stimmen zu Gunsten von Bonn gegen
Frankfurt am Main
. Weitere, vorher bereits ausgeschiedene Bewerber waren
Kassel
und
Stuttgart
. Einige Jahre spater gaben einige Abgeordnete zu, im Sinne der Abstimmung beeinflusst worden zu sein. Ob in diesem Zusammenhang auch Bestechungsgelder geflossen waren, konnte der hierzu eingesetzte
Untersuchungsausschuss
des
Deutschen Bundestages
aber nicht klaren. Am 12. Mai 1949 genehmigten die drei westlichen Militargouverneure das Grundgesetz, vorbehaltlich der Bestimmungen des Besatzungsstatuts. Am gleichen Tag beendete die Sowjetunion die Berlin-Blockade.
?Ich wurde bitten, in die Diskussion hereinzunehmen, dass wir uns heute einfach
Bundesrepublik Deutschland
nennen…
Mit dem Wort
Deutschland
geben wir dem Ganzen ein gewisses Pathos…“
Das Grundgesetz wurde von den Landtagen angenommen, ein
Verfassungsreferendum
war nicht vorgesehen. Nur
Bayern
verweigerte sich am 20. Mai 1949
[2]
mit 101 Gegenstimmen, weil es den Mangel an
Foderalismus
kritisierte, trotzdem akzeptierte der
Freistaat
die Gultigkeit der provisorischen
Bundesverfassung
auch fur sich. Laut
Art. 144
GG bedurfte es zur Rechtsverbindlichkeit des Grundgesetzes der
Zweidrittelmehrheit
?der deutschen Lander, in denen es zunachst gelten soll“. Der damalige Ministerprasident
Hans Ehard
(
CSU
) verkundete am 13. Mai 1949 im
Bayerischen Landtag
, dass die
Bayerische Staatsregierung
das Grundgesetz ablehne, die Rechtsverbindlichkeit aber akzeptiere.
[3]
Das Grundgesetz trat nach seiner Verkundung mit Ablauf des 23. Mai 1949 in Kraft, als
Bundesrecht
gleichzeitig mit der Entstehung der
Bundesrepublik
mit Anbruch des 24. Mai 1949. Das Verfassungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist von der uberwiegenden Mehrheit der Burger als rechtliche Grundordnung akzeptiert worden.
[4]
Der 23. Mai wird allgemein als der Grundungstag der Bundesrepublik angesehen.
Der Aufbau der
Bundesorgane
begann am 14. August 1949 mit der
ersten Wahl zum Deutschen Bundestag
. Erstmals handelte damit das ?
Bundesvolk
“, das hochste unmittelbare Bundesorgan. Die
CDU/CSU
erhielt 31,0 % der Stimmen, die
SPD
29,2 % und die FDP 11,9 %. Insgesamt zogen elf Parteien in
den Bundestag
ein. Die
konstituierenden Sitzungen
von Bundestag und
Bundesrat
fanden am 7. September 1949 in Bonn statt (vgl.
Art. 123
Abs. 1 GG).
Altersprasident
Paul Lobe
eroffnete die Bundestagssitzung und ubergab die Leitung spater an den gewahlten
Bundestagsprasidenten
Erich Kohler
. Der Bundesrat wahlte den
nordrhein-westfalischen
Ministerprasidenten
Karl Arnold
zum Vorsitzenden und damit zum Stellvertreter des Bundesprasidenten.
Am 12. September 1949
wahlte
die
Bundesversammlung
Theodor Heuss
(
FDP
) im zweiten Wahlgang zum
Bundesprasidenten
; sein starkster Gegenkandidat war
Kurt Schumacher
(SPD). Am 15. September wahlte der Deutsche Bundestag mit exakt der benotigten Mehrheit Adenauer zum
Bundeskanzler
. Dieser bildete eine Regierungskoalition aus CDU/CSU, FDP und
Deutscher Partei
. Ob die Bundesrepublik bereits mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes oder erst mit der Konstituierung ihrer
Verfassungsorgane
(also der ersten Bundestagssitzung) oder erst am 20. September 1949 mit dem Amtsantritt des
Kabinetts Adenauer
zu existieren begann, ist in der Forschung umstritten.
[5]
Konrad Adenauer betrieb in seiner Politik eine
Westintegration
der Bundesrepublik, was schon mit dem
Petersberger Abkommen
deutlich wurde, das er mit der
Alliierten Hohen Kommission
schloss. Vor allem seitens der SPD mit ihren Vorsitzenden Schumacher und spater
Erich Ollenhauer
gab es heftige Kritik an dieser Richtungsentscheidung, weil eine ?Zementierung“ der
deutschen Teilung
befurchtet wurde. Innerhalb der Regierungskoalition blieb die Politik ebenfalls nicht widerspruchslos. Bereits am 30. November 1949 erwog Adenauer die politische Durchsetzbarkeit eines deutschen Kontingentes fur eine europaische Armee. Im Oktober 1950 trat
Bundesinnenminister
Gustav Heinemann
aus Protest gegen die geplante
Wiederbewaffnung
und den Fuhrungsstil Adenauers zuruck.
Das seit der Grundung der Bundesrepublik eingerichtete
Vertriebenenministerium
regelte bis 1969 ein Wohnungsbauprogramm und den
Lastenausgleich
, den eine Vermogensabgabe besitzender Bundesdeutscher finanzierte. Von den uber zwolf Millionen
Deutschen
, die zwischen 1944/1945 und 1950 von
Flucht und Vertreibung
betroffen gewesen waren, siedelten sich etwa acht Millionen in den westlichen Besatzungszonen an.
[6]
Am 1. Marz 1950 berichtet der
Ausschuss fur das Besatzungsstatut und Auswartige Angelegenheiten
in seiner 10. Sitzung, dass die Bundesrepublik Deutschland von 1. Oktober 1948 bis zum 30. September 1949 rund 4.491,5 Millionen
DM
an die alliierten Besatzungsmachte gezahlt hat, was fast 50 Prozent der gesamten Bundeseinnahmen (8.750 Millionen DM) entsprach. Fur jeden Bundesburger bedeutete dies einen Anteil von 95,46 DM, was fast einem durchschnittlichen Monatslohn gleichkam.
[7]
Am 24. Mai 1950 ernannte Bundeskanzler Adenauer General a. D.
Gerhard Graf von Schwerin
zu seinem standigen Berater in militarischen und Sicherheitsfragen.
Am 26. Oktober 1950 folgte die Ernennung von
Theodor Blank
(CDU) zum
Beauftragten des Bundeskanzlers fur die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhangenden Fragen
. Blank berief hierzu die ehemaligen Generale der
Wehrmacht
Adolf Heusinger
und
Hans Speidel
als militarische Berater. Das ?
Amt Blank
“ wurde zur Keimzelle des spateren
Verteidigungsministeriums
.
1952 machte
Josef Stalin
den Vorschlag, Deutschland als ein neutrales Land wieder zu vereinigen. Die
Stalin-Noten
sorgten fur Irritationen, wurden aber seitens der Westmachte abgelehnt, weil man eine Vereinnahmung von ganz Deutschland durch die Sowjetunion befurchtete. 1954 folgte eine ergebnislose Außenministerkonferenz der
Vier Machte
in Berlin uber die
Wiedervereinigung
(der Brite
Anthony Eden
, der Amerikaner
John Foster Dulles
, der Franzose
Georges Bidault
und
Wjatscheslaw Molotow
fur die Sowjetunion; 25. Januar bis 18. Februar 1954).
[8]
1951 war das
Auswartige Amt
wieder errichtet und der
Bundesgrenzschutz
gegrundet; die Bundesrepublik wurde Mitglied im
Europarat
. 1952 einigten sich Adenauer und Heuss in einem Briefwechsel auf das
Hoffmann-Haydn’sche Lied
als
deutsche Nationalhymne
. Heuss ließ sich zunachst Zeit mit der prasidialen Entscheidung, teilte dann aber im
Bulletin
der
Bundesregierung
im Mai 1952 mit, dass bei staatlichen Anlassen die dritte Strophe des Deutschlandliedes gesungen werden solle.
[9]
Im April 1952 entstand das Bundesland
Baden-Wurttemberg
.
Die
Westbindung
schritt voran. 1952 entstand der Deutschlandvertrag, und der
EVG-Vertrag
wurde unterzeichnet. Die Verteidigungsgemeinschaft scheiterte aber 1954. Am 23. Juli 1952 trat auch die am 18. April 1951 gegrundete
Montanunion
in Kraft, die sich als Keimzelle der europaischen Einigung erweisen sollte; mit ihr endete die internationale Kontrolle uber das
Ruhrgebiet
.
Im September 1952 wurde mit
Israel
das
Luxemburger Abkommen
zur
Entschadigung von NS-Opfern
unterzeichnet. Im Oktober 1952 verbot das
Bundesverfassungsgericht
die rechtsradikale
Sozialistische Reichspartei
(SRP), im August 1956 erfolgte das
KPD-Verbot
. Dies blieben die einzigen
Parteiverbote
in der Bundesrepublik. Bei der
Bundestagswahl
im September 1953 konnte die CDU dazugewinnen und
Theodor Heuss
1954 als Bundesprasident
wiedergewahlt
werden. Ab 1954 wurde in der Bundesrepublik der 17. Juni als ?
Tag der deutschen Einheit
“ begangen; Anlass war der
17. Juni 1953
, der Tag des
Volksaufstandes
in der DDR.
Nach dem Scheitern der
Europaischen Verteidigungsgemeinschaft
wurde die Bundesrepublik im Mai 1955 in die
NATO
aufgenommen und trat der
WEU
bei.
Mit der Aufhebung des westalliierten Besatzungsstatuts wurde die Bundesrepublik Deutschland am 5. Mai 1955 souveran. Diese
Souveranitat
beschrankte sich auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes, das heißt, die Alliierten behielten ein
Vorbehaltsrecht
uber
Deutschland als Ganzes
und die
Viersektorenstadt
Berlin. Es kam nicht zu
freien Wahlen
in ganz Deutschland. Es folgten die
Pariser Vertrage
, inklusive westlichen
Deutschlandvertrages
, und die staatliche Souveranitat der
DDR
. Am 25. Januar 1955 erklarte die Sowjetunion einseitig den Kriegszustand mit Deutschland fur beendet. Ein gutes halbes Jahr spater verkundete der Generalsekretar der
KPdSU
,
Nikita Chruschtschow
, am 26. Juli auf einer Kundgebung in
Ost-Berlin
die sowjetische
Zwei-Staaten-Theorie
, die von zwei deutschen Staaten ausgeht, deren Wiedervereinigung ihre eigene Sache sei (siehe auch
Molotow-Plan
).
Ein wichtiges politisches Thema der Folgezeit war der
Alleinvertretungsanspruch
der Bundesrepublik fur Deutschland in den Grenzen von 1937. Die Bundesrepublik erkannte die DDR als Staat nicht an und unterhielt keine
diplomatischen Beziehungen
zu deren Verbundeten. Nachdem Adenauer aber im September 1955 nach
Moskau
gereist war, wo er die Freilassung der letzten
Kriegsgefangenen
aus sowjetischen Lagern gegen Aufnahme diplomatischer Beziehungen erreichte, bedurfte die bundesdeutsche Politik einer Klarstellung. Dies leistete die
Hallstein-Doktrin
, die besagte, dass die Bundesrepublik Deutschland mit jedem Staat, der die DDR diplomatisch anerkannte, jene Beziehungen beenden sollte. Sie wurde erstmals 1957 in Bezug auf
Jugoslawien
angewendet.
[10]
Die Doktrin verlor erst Ende der 1960er-Jahre ihre Bedeutung.
Gegen die Wiederbewaffnung gab es massive Widerstande und Bedenken quer durch alle Gesellschaftsschichten. Faktisch wirkte sich eine
Ohne mich
-Verweigerungshaltung
jedoch kaum aus.
[11]
Die Resonanz der
Anti-Atomwaffen
-Bewegung und des
Pazifismus
blieb begrenzt. Bei der Grundung der
Bundeswehr
wurde gleichzeitig die Moglichkeit eroffnet, den
Wehrdienst
zu verweigern und stattdessen
Zivildienst
zu leisten. Die Akzeptanz der erstmals in der deutschen Militargeschichte moglichen
Kriegsdienstverweigerung
war anfangs gering; Vorhaltungen gingen in Richtung
kommunistische
Infiltration
bzw. ?
Druckebergerei
“. Viele ehemalige Wehrmachtsoffiziere erhielten aufgrund ihrer Erfahrung Karrieremoglichkeiten in der neuen Armee. Das Verschweigen der
NS-Vergangenheit
von Angehorigen der Bundeswehr wie auch vieler anderer fuhrender Manner in Staat, Parteien, Verwaltung und Justiz sollte spater eine große Belastung fur die bundesrepublikanische Gesellschaft werden. Im April 1956 ging aus der fruheren
Organisation Gehlen
der
Bundesnachrichtendienst
hervor. Erster Verteidigungsminister wurde
Theodor Blank
, der spater von
Franz Josef Strauß
, dem fruheren Minister fur Atomfragen, abgelost wurde. Dessen Bestrebungen, die Bundeswehr auch mit
Atomwaffen
in deutscher Kontrolle auszurusten, scheiterten nach einigen Jahren.
Die internationale Gemeinschaft hielt sich mit offiziellen Kontakten zu Deutschland noch zuruck, so wurde der Bundesprasident erst 1956 durch einen Vorstoß
Griechenlands
zu einem Staatsbesuch eingeladen.
[12]
Heinrich von Brentano
, der damalige
Bundesaußenminister
, nahm die euphorische Stimmung und herzliche Begrußung der dortigen Bevolkerung zum Anlass, Abkommen im Bereich Kultur und Erziehung abzuschließen und somit bilaterale Beziehungen auf Ministerebene einzulauten. Auslandische Botschafter blieben dem offiziellen Empfang demonstrativ fern, es folgte jedoch eine Einladung der
Turkei
, der sich Theodor Heuss wie zu Griechenland personlich verbunden fuhlte.
Im aus der franzosischen Besatzungszone ausgegliederten und einer franzosischen Militarbehorde unterstellten
Saarland
wurde der Wunsch nach einem Anschluss an die Bundesrepublik bei der Landtagswahl 1952 deutlich, auch wenn die Parteien einen Anschluss nicht fordern durften. Adenauer versuchte das bisher ausgeklammerte Problem der saarlandischen Sonderstellung zugunsten von Frankreich zu losen, die Saarlander lehnten das
Saarstatut
jedoch in einer
Volksabstimmung
deutlich ab. Im weiteren Verlauf lenkten sowohl Adenauer als auch die Franzosen ein, der
Vertrag von Luxemburg
ermoglichte den zum Jahresbeginn 1957 wirksamen Beitritt des
Saarlandes
zur Bundesrepublik, wobei dies zunachst noch Zollausland blieb. Die wirtschaftliche Eingliederung in Form der zollrechtlichen Eingliederung und des Ersatzes des
Franc
durch die
Deutsche Mark
erfolgte am 6. Juli 1959.
Mit den
Romischen Vertragen
wurde am 25. Marz 1957 die
EWG
, Vorgangerorganisation von
EG
und
EU
, ins Leben gerufen, die Bundesrepublik war Grundungsmitglied. Am 13. Marz 1957 gab das US-amerikanische Hauptquartier in der Bundesrepublik die Ausrustung der US-Streitkrafte mit
Nuklearwaffen
bekannt.
Bei der
Bundestagswahl 1957
erhielten CDU/CSU erstmals und bisher einmalig die
absolute Mehrheit
im Bundestag. Adenauer zog 1959 eine Kandidatur als Bundesprasident in Betracht, die er dann aber verwarf. Im Juli 1959 wurde schließlich der fruhere CDU-Landwirtschaftsminister
Heinrich Lubke
zum Bundesprasidenten
gewahlt
. Im November 1959 streifte die SPD im
Godesberger Programm
ihr Selbstbildnis einer Arbeiterpartei ab und wandelte sich zu einer
Volkspartei
.
Um die
Flucht aus der DDR
in die Bundesrepublik zu stoppen, ließ die DDR-Regierung am 13. August 1961 das Gebiet der Westsektoren Berlins mit dem Bau der
Berliner Mauer
abriegeln. Die Westmachte protestierten lediglich verhalten, da dies keine Verletzung ihrer Rechte in Berlin darstellte.
US-Prasident
John F. Kennedy
sagte zwei Jahre spater, bei seiner Berliner Rede im Juni 1963, den beruhmten Satz ?
Ich bin ein Berliner
“.
Auf Basis des
Hollandvertrags
gaben die Niederlande am 1. August 1963 den
Selfkant
,
Elten
und weitere kleinere Gebiete, insgesamt 69 km² Flache, gegen Zahlung von 280 Millionen DM an die Bundesrepublik Deutschland zuruck.
Die Vielfalt in der Parteienlandschaft hatte sich zugunsten der CDU verringert, die Vertriebenenpartei (
Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten
, kurz BHE) war gespalten, und Abgeordnete der
DP
traten 1960 zur CDU uber. Bei den
Bundestagswahlen
im September 1961 verlor die Union aus CDU und CSU ihre absolute Mehrheit, bildete aber weiterhin die Regierung. Erstmals waren im Bundestag neben den
Unionsparteien
nur noch zwei andere Parteien vertreten, die SPD und die FDP, was fur den deutschen
Parlamentarismus
auf Bundesebene kennzeichnend in den nachsten beiden Jahrzehnten sein sollte. Im Oktober 1962 sturzte Verteidigungsminister Strauß uber die
Spiegel-Affare
. Im Januar 1963 erreichte mit dem
Elysee-Vertrag
die Aussohnung der bisherigen ?Erbfeinde“
Deutschland und Frankreich
ihren formellen Hohepunkt. Frankreich ist seither wichtigster Partner der deutschen Außenpolitik.
Schon 1961 hatte der 85-jahrige Adenauer erklart, keine volle Legislaturperiode mehr im Amt bleiben zu wollen. Trotz Querelen zwischen Adenauer und Wirtschaftsminister
Ludwig Erhard
bestimmte die CDU diesen im April 1963 zum Nachfolger als Bundeskanzler. Adenauer trat am 15. Oktober 1963 von seinem Amt zuruck.
Nachdem in der amerikanischen und britischen Besatzungszone im Jahr 1947 damit begonnen wurde, die kriegszerstorte Verkehrsinfrastruktur wiederherzustellen,
[13]
stieg ab Herbst 1947 die Produktion stark an, die Versorgungslage der Bevolkerung besserte sich jedoch noch nicht, da in Erwartung einer Wahrungsreform in großem Umfang auf Lager produziert wurde.
[14]
Nach der
Wahrungsreform von 1948
waren die Laden dann prall gefullt. In der Folgezeit kam es zu der sogenannten (volkswirtschaftlichen) ?Durchbruchskrise“, die Lebenshaltungskosten stiegen schneller als die Stundenlohne, und die Arbeitslosigkeit stieg von 3,2 % bis Anfang 1950 auf 12,2 %.
[15]
Die Situation auf dem Arbeitsmarkt entspannte sich im Zuge des
weltweiten Wirtschaftsbooms infolge des Koreakrieges
schnell wieder.
Westdeutschland
erhielt zudem Marshallplan-Hilfen. Die
Arbeitslosigkeit
der
Nachkriegszeit
ging so weit zuruck, bis schließlich 1962 die
Vollbeschaftigung
erreicht war. Der steigende Bedarf an Arbeitskraften wurde anfangs durch den
Fluchtlingsstrom aus der DDR
gedeckt; als dieser mit dem
Mauerbau
abbrach, warb die Bundesrepublik
Gastarbeiter
vor allem aus
Sudeuropa
und der
Turkei
an. Die sehr gute wirtschaftliche Entwicklung der 1950er- und 60er-Jahre wird als
Wirtschaftswunder
bezeichnet. Dieses war Teil des weltweiten
Nachkriegsbooms
.
Nachdem der Bedarf nach Grundnahrungsmitteln gedeckt war ? die
Lebensmittelkarten
wurden 1950 abgeschafft ?, entstand erstmals wieder ein Absatzmarkt fur
Feinkostartikel
. Anschließend wurde die Nachfrage nach Bekleidung gestillt (?Fresswelle“, ?Edelfresswelle“ und ?Bekleidungswelle“). Ab den 1960er-Jahren setzte die Verdrangung der ?
Tante-Emma-Laden
“ durch
Supermarkte
mit breitem Sortiment ein. Durch den steigenden Wohlstand vollzogen sich der Ubergang vom
Verkaufermarkt
zum
Kaufermarkt
und die Bedeutung der
Werbung
nahm stark zu. Der
Tourismus
entwickelte sich, auch durch die steigende Zahl von
Urlaubstagen
und Verkurzung der Arbeitszeit. Waren anfangs nur innerdeutsche Urlaubsziele gefragt, so stieg bei steigendem Wohlstand auch die Beliebtheit von Zielen im europaischen Ausland, z. B.
Italien
.
Anfang der 1950er-Jahre fuhren die meisten Bundesburger noch mit Fahrrad, Bus und Bahn. Zunehmend wurden Motorrader popular und in den 1960er-Jahren stiegen die Verkaufszahlen der nun
massenhaft produzierten Automobile
stark an. Der
VW Kafer
wurde so zum Symbol des deutschen Wirtschaftswunders. Im
Neu- und Wiederaufbau der Stadte
orientierte man sich in der Bundesrepublik uberwiegend an der
Charta von Athen (CIAM)
von 1933. Im Ergebnis folgte der Wiederaufbau dem Leitbild der
autogerechten Stadt
.
Wohnen
und
Gewerbe
wurden damit haufig voneinander getrennt. Fortan wurden auch zahlreiche
suburbane
Satellitenstadte
(?Schlafstadte“) geplant. Diese ineffiziente Art der Stadtentwicklung wurde bereits fruh als schwerer Missstand erkannt, aber dennoch uber Jahrzehnte beibehalten.
[16]
In der Landwirtschaft verdrangten große Agrarbetriebe mit ihrer modernen Technik kleine Landwirtschaftsbetriebe. Diese Entwicklung wurde auch durch die
Flurbereinigung
und die Agrarpolitik in der
EWG
begunstigt. Mit der vollen Ausbildung der spater sogenannten
zweiten industriellen Revolution
erreichte Mitte der 1960er-Jahre der Anteil der Industriearbeiterschaft an den Beschaftigten einen historischen Hochststand.
Die Frauen wurden rechtlich besser gestellt, trotzdem war ihre Haupttatigkeit weiterhin die der
Hausfrau und Mutter
.
Aus Protest gegen den ?Wohlstandsmief“ der Erwachsenen entwickelte die Jugend eine eigene Kultur, die sich vor allem im
Rock ’n’ Roll
ausdruckte. Idole der Zeit waren
James Dean
,
Marlon Brando
und
Elvis Presley
. Erstmals in der Geschichte stand einer breiten jugendlichen Altersgruppe, verursacht durch den steigenden Wohlstand,
Kaufkraft
zur Verfugung: sie wurde fur Konsumguter, Kleidung und Mobilitat verausgabt und nicht zuletzt von einer neu entstehenden
Popkultur
abgeschopft.
Da nach wie vor der Wohlstand sehr ungleich verteilt war und es eine hohe Anzahl von
Sozialhilfeempfangern
gab, versuchte die Bundesregierung, soziale Missstande abzubauen; dementsprechend stieg der Anteil der Sozialausgaben am Bundeshaushalt enorm an. Dennoch waren vor allem
kinderreiche Familien
,
Arbeitslose
und
Rentner
benachteiligt. 1956 wurde die
Arbeitslosenhilfe
, 1957 die
dynamische Rente
eingefuhrt, um die Einkommenssituation der Arbeitslosen zu verbessern sowie durch Anpassung der Einkommen der Rentner an die allgemeine Einkommensentwicklung der ubrigen Bevolkerung die Rentner am Wirtschaftswunder teilhaben zu lassen und die Altersarmut zu bekampfen. Ebenso dienten Maßnahmen wie das Mutterschaftsschutzgesetz und die Einfuhrung des
Kindergeldes
diesem Zweck. Der
Wohnungsbau
spielte in der Nachkriegszeit eine bedeutende Rolle. Durch schnell steigende Lohne kam auch zunehmend die breite Masse der Arbeiter in den Genuss der wirtschaftlichen Entwicklung. 1961 wurde mit dem
Bundessozialhilfegesetz
die
Sozialhilfe
eingefuhrt.
1950 wurde die
Arbeitsgemeinschaft der offentlich rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland
(
ARD
) gegrundet. Am 25. Dezember 1952 erschien das erste Fernsehtestprogramm. Verschiedene Spielfilme waren in der Anfangszeit des Fernsehens wahre ?
Straßenfeger
“. Aber auch die Eigenproduktionen erfreuten sich wachsender Beliebtheit, vor allem
Durbridge-Filme
wie
Das Halstuch
und
Tim Frazer
erreichten
Einschaltquoten
um 90 Prozent. 1963 nahm durch den
Rundfunkstaatsvertrag
das
Zweite Deutsche Fernsehen
(
ZDF
) seinen Betrieb auf. 1967 wurde das
Farbfernsehen
in der Bundesrepublik eingefuhrt.
Kinobesuche
waren ein beliebter Zeitvertreib. Man wollte die Vergangenheit vergessen und das Leben unbeschwert genießen, und so erhielt der
Heimatfilm
großen Zuspruch beim Publikum. Eine pragende Figur in Film und Fernsehen war
Heinz Erhardt
. Der 1951 gedrehte Film
Die Sunderin
wurde wegen angeblicher Glorifizierung von
Prostitution
,
Sterbehilfe
und
Suizid
zum Skandal. 1957 wurde die Prostituierte
Rosemarie Nitribitt
ermordet. Der 1958 uber diesen Mord gedrehte
Film
verstand sich auch als Gesellschaftskritik.
Rowohlts
Rotations Romane
(rororo) erschienen 1950 als
Taschenbucher
und revolutionierten wegen ihres gunstigen Preises den Buchermarkt.
Der WM-Titel der deutschen Elf bei der
Fußball-Weltmeisterschaft 1954
in der
Schweiz
hob das deutsche Selbstwertgefuhl und begrundete die Fußballbegeisterung ? das ?
Wunder von Bern
“ ging in die Geschichte ein. Von 1952 an gab es in der Bundesrepublik eine neunjahrige
Schulpflicht
. Der Glaube an den ungebremsten Fortschritt und die Wissenschaft war noch ungebrochen. Die friedliche Nutzung der
Kernenergie
wurde als Losung fur das Energieproblem angesehen. Das
Kernkraftwerk Kahl
wurde zur kommerziellen Stromerzeugung als erster deutscher
Kernreaktor
(nach dem
Forschungsreaktor Munchen
1957) gebaut und lieferte ab Juni 1961 Strom ans Netz. Bei der
Sturmflut 1962
in Hamburg bewahrte sich der damalige
Senator der Polizeibehorde
und spatere Bundeskanzler
Helmut Schmidt
als Krisenmanager. Bei dem
Grubenungluck von Lengede
wurden nach zwei Wochen Suche am 7. November 1963 elf nach einem Wassereinbruch eingeschlossene Bergarbeiter lebend gerettet.
Der neue Bundeskanzler
Ludwig Erhard
(seit 1963) wurde von der Bevolkerung mit dem Erfolg der
Sozialen Marktwirtschaft
in Verbindung gebracht. In der Sozialpolitik z. B. bei der
Rentenreform 1957
war Erhard nicht immer auf der Linie von Adenauer und insbesondere ein erklarter Gegner des durchgesetzten Umlagesystems der
Rentenversicherung
. Bei der
Wahl des deutschen Bundesprasidenten 1964
wurde
Heinrich Lubke
auch mit den Stimmen der SPD wieder gewahlt, die keinen eigenen Kandidaten aufstellte. Dies gilt als ein Schritt hin zur Großen Koalition. Die
Bundestagswahl 1965
bestatigte die Koalition von CDU/CSU und FDP und damit die Kanzlerschaft Ludwig Erhards, der jedoch recht schnell an Ansehen verlor. Es wurde deutlich, dass die Jahre des Wirtschaftswunders vorbei waren. 1965 waren 45 Prozent der Beschaftigten Westdeutschlands Fabrikarbeiter, mehr als je zuvor in der Geschichte. Von da an trat der Wandel ein: weniger Hauptschuler, weniger Industriearbeiter, der Dienstleistungssektor wachst seither zunehmend.
[17]
Ab 1966 geriet die Bundesrepublik in eine
Rezession
mit erhohter
Arbeitslosigkeit
. Dazu kam der Umstand, dass die Kohle aus dem Ruhrgebiet durch das billigere
Erdol
ihre Bedeutung als wichtiger Energielieferant zunehmend verlor. Es kam zu Zechenschließungen und einem langsamen
Strukturwandel
im Ruhrgebiet in den spaten 1960er- und den 1970er-Jahren. Erhard weigerte sich, eine aktive
Konjunkturpolitik
zu betreiben, weil dies seinem Konzept der Sozialen Marktwirtschaft widersprach. Auch die
Starfighter-Affare
, verschiedene Absturze der technisch noch unausgereiften Jagdflugzeuge und die Verwicklungen bei seinem Kauf, belastete die Regierung. Die FDP entfernte sich allmahlich programmatisch von der CDU. Schließlich erklarte Ludwig Erhard am 30. November 1966 seinen Rucktritt als Bundeskanzler. Vorausgegangen waren das Scheitern von neuen Koalitionsverhandlungen mit der FDP und das Zusammengehen mit der SPD zur
Großen Koalition
.
Nach dem
Eichmann-Prozess
1961 und den 1963 beginnenden
Auschwitzprozessen
beschaftigte 20 Jahre nach Kriegsende die
Verjahrungsdebatte
um die Verbrechen der
nationalsozialistischen Diktatur
die Gemuter. Nach damaligem
Strafrecht
verjahrten diese
Morde
1965. Um dies zu verhindern, versuchte man ab 1964 vor allem aus
Osteuropa
verstarkt Belastungsmaterial zu beschaffen. Da abzusehen war, dass die Zeit fur die Anklageerhebungen nicht ausreichte, einigte man sich nach langen Debatten, die Verjahrung auf das Jahr 1969 festzulegen, 20 Jahre nach Grundung der Bundesrepublik Deutschland. Die
Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit
wurde erst jetzt in nennenswertem Umfang thematisiert. Auch sorgten die Wahlerfolge der rechtsradikalen
NPD
in verschiedenen
Landesparlamenten
international fur Befurchtungen eines erneuten Abgleitens Deutschlands in den
Nationalismus
. 1969 wurde vom Bundestag zunachst die Verjahrungsfrist fur
Volkermord
aufgehoben, 1979 dann generell fur Mord.
Ein weiteres Thema der Zeit war der
Bildungsnotstand
. Uberfullte Horsale und Kritik an dem bestehenden
Schulsystem
fuhrten 1965 zu einer Großdemonstration der Schuler und Studenten ?Gegen den Bildungsnotstand“ in etwa 30 Stadten mit uber 200.000 Teilnehmern und danach zur Bildung eines nationalen Bildungsrates. Aber erst die
sozialliberale Regierung
(
Kabinett Brandt I
) sollte eine
Bildungsreform
anstreben. 1967 wurde erneut gegen den Bildungsnotstand in Westdeutschland demonstriert, nun aber weiteten sich die Themen des Protestes gegen
Notstandsgesetze
und
Vietnamkrieg
aus.
Im Juni 1966 wurde der Kindermorder
Jurgen Bartsch
verhaftet, in der Folgezeit entflammte die Debatte um eine Wiedereinfuhrung der
Todesstrafe
.
Der
Großen Koalition
unter Bundeskanzler
Kurt Georg Kiesinger
gelang es mit einer energischen
Wirtschaftspolitik
, die Rezession zu stoppen. Maßnahmen dazu waren das
Stabilitats- und Wachstumsgesetz
, das die wirtschaftspolitischen Ziele vorgab und auch als Mittel der Wahl zur Erreichung aller Ziele des
Magischen Vierecks
galt, und die
konzertierte Aktion
, eine Politik des Konsenses zwischen
Gewerkschaften
und
Arbeitgebern
. Ferner sorgte die Große Koalition fur die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten bei der
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
, zudem wurde mit der
Finanzreform 1969
die langgeplante Finanzreform verabschiedet. Die Einfuhrung des
Mehrheitswahlrechts
im Angesicht der
NPD
-Erfolge scheiterte vor allem am Widerstand der SPD.
Die
Notstandsgesetze
, die schon fruher erwogen worden waren, wurden nun durchgesetzt. Diese Gesetze, als ?Notverfassung“ konzipiert, sollten in Ausnahmesituationen wie Katastrophenfallen und Staatsbedrohungen die Machtbefugnisse und Zustandigkeiten des Bundes regeln. Damit einher gingen Einschrankungen der
Grundrechte
. Durch die Große Koalition war die notige Zweidrittelmehrheit zur Grundgesetzanderung erreichbar. Gegen die Notstandsgesetze und auch die Große Koalition bildete sich in der Bevolkerung ein breiter Widerstand, da mit Ausnahme der kleinen FDP keine
Opposition
im Parlament mehr vorhanden war. Es entstand die
außerparlamentarische Opposition
(APO) mit Massenkundgebungen und Protestmarschen.
Der
Vietnamkrieg
, der Bildungsnotstand, das Schweigen zur NS-Vergangenheit und eine Scheinmoral in der Gesellschaft fuhrten, hauptsachlich in der Studentenschaft, zu einer Bewegung, die die Gesellschaft verandern wollte. Ein Ausloser war die Erschießung des Studenten
Benno Ohnesorg
durch den Polizisten
Karl-Heinz Kurras
bei der
Demonstration am 2. Juni 1967 in West-Berlin
anlasslich des
Besuchs des persischen Schahs
. In der Folgezeit zog die
Protestbewegung
immer weitere Kreise und erlebte mit dem Attentat auf
Rudi Dutschke
im April 1968 in Berlin ihren Hohepunkt. In der Folge kam es zu massiven Ausschreitungen, besonders vor dem Gebaude des
Axel Springer Verlages
im Westteil Berlins, da dessen Zeitungen die Studenten in polemischer Weise kritisiert hatten.
Durch innerparteiliche Querelen verlor Kiesinger an Ansehen, wohingegen
Vizekanzler
und Außenminister
Willy Brandt
durch seine Politik und sein Auftreten an Profil gewann. Bei der
Bundesprasidentenwahl
im Marz 1969 gewann der gemeinsame Kandidat der SPD und FDP,
Gustav Heinemann
. Dieser Schritt war ein Vorgriff auf eine mogliche Regierungsverantwortung der beiden Parteien. Anderungen in der Zusammensetzung der Landerparlamente, welche die Halfte der Mitglieder der den Bundesprasidenten wahlenden Bundesversammlung entsenden, hatte ein solches Abstimmungsergebnis jedoch erst ermoglicht.
Durch die
Große Strafrechtsreform
wurde das
deutsche Strafrecht
im Hinblick auf die mogliche
Resozialisierung
von Straftatern verandert, die Strafbarkeit des
Ehebruchs
abgeschafft und die Strafbarkeit von
Gotteslasterung
(siehe
Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen
) und
Homosexualitat
(siehe
§ 175
) eingeschrankt.
[18]
Aus der
Bundestagswahl im September 1969
ging die CDU als starkste Fraktion hervor, aber SPD und FDP hatten zusammen die ?Kanzlermehrheit“ und bildeten die Regierung. Die Union ging zum ersten Mal in die Opposition. Brandt wurde Bundeskanzler, der FDP-Politiker
Walter Scheel
neuer Außenminister und Vizekanzler.
In der
Innenpolitik
wurden zahlreiche Reformvorhaben unter dem Motto ?Mehr Demokratie wagen“ umgesetzt: Das
Ehe-
und
Familienrecht
wurde im Sinne der
Gleichberechtigung
und Vereinfachung der
Ehescheidung
reformiert, und das
Sexualstrafrecht
liberalisiert.
[19]
Das
Pornographieverbot
wurde gelockert, der
§ 175 StGB
auf Handlungen uber 18- mit unter 18-jahrigen beschrankt und die Strafbarkeit der
Kuppelei
stark eingeschrankt. Nach heftigen Debatten wurde der
§ 218 StGB
zu einer weitreichenden Indikationsregelung bei der
Abtreibung
modifiziert. Das
Volljahrigkeitsalter
wurde von 21 auf 18 Jahre heruntergesetzt. Neu hinzu kamen Delikte der
Umwelt-
und
Wirtschaftskriminalitat
. Allgemein zeichnete sich die Tendenz zur Liberalisierung der Innenpolitik ab. Im Zuge des aufkommenden
RAF
-Terrorismus gab es gegen Ende der 1970er-Jahre aber auch teilweise Verscharfungen wie z. B. die
Rasterfahndung
und die darauf folgende Vereinheitlichung der Meldegesetze durch das
Melderechtsrahmengesetz
.
Die
Bildungsausgaben
der offentlichen Haushalte wurden enorm ausgeweitet. Mit Hilfe des 1971 eingefuhrten
BAfoG
sollten finanziell Schwache bei Ausbildung und Studium unterstutzt werden. Eine umfassende Bildungsreform scheiterte aber am Widerstand der CDU gegen die
Gesamtschule
und an der
Kulturhoheit der Lander
. Lediglich die
gymnasiale Oberstufe
wurde reformiert, indem Grund- und Leistungskurse angeboten wurden und mit Punkten zwischen 0 und 15 statt wie bisher mit Zensuren benotet wurde. Auch die Lehrplane wurden auf neue Inhalte umgestellt. Zahlreiche neue
Fachhochschulen
und die
Berufsakademien
als akademische Ausbildungstypen entstanden. Seit 1972 wird in einigen Studienfachern ein
Numerus clausus
vorausgesetzt, um die Studentenanzahl zu begrenzen.
Die neue Regierung hatte hierbei Schwierigkeiten, ihre Vorhaben durchzusetzen. Einerseits behinderte sie der
Bundesrat
, wo die CDU in den Landerparlamenten die Mehrheit hatte, andererseits mussten aufgrund der konservativen Haltung des Bundesverfassungsgerichts mehrere Reformen nachgebessert werden.
Zu den
Ostblockstaaten
schlug Willy Brandt Wege der Annaherung und Versohnung ein und versuchte durch die sogenannten
Ostvertrage
, unter dem Motto ?
Wandel durch Annaherung
“ eine Normalisierung der Beziehungen zu erreichen. Bei einer Kranzniederlegung am Denkmal fur die Opfer des Aufstandes im
Warschauer Ghetto
kniete Brandt nieder, um der Toten zu gedenken. Das Bild des ?
Kniefalls von Warschau
“ ging um die Welt. Die
Hallstein-Doktrin
wurde schon ab Ende der 1960er-Jahre schrittweise aufgegeben, und es kam zu einer Annaherung der beiden deutschen Staaten. Im Marz 1970 trafen sich Bundeskanzler Brandt und der Ministerprasident der
DDR
,
Willi Stoph
, zum ersten deutsch-deutschen
Gipfeltreffen in Erfurt
und anschließend im Mai in
Kassel
. In der Folgezeit unterzeichneten die Bundesrepublik, die DDR und die Siegermachte Vertrage, um die Beziehungen der beiden deutschen Staaten zu normalisieren. Am 18. September 1973 wurden Bundesrepublik und DDR in die
UNO
aufgenommen.
Die Opposition im Deutschen Bundestag fand sowohl in dieser Frage als auch zum
Grundlagenvertrag
mit der DDR zu keiner geschlossenen Haltung, was schließlich zum Rucktritt des
Unions-Fraktionschefs
Rainer Barzel
fuhrte.
[20]
Die
neue Ostpolitik
der Ara Brandt rief nach wie vor heftige Widerstande seitens der Opposition hervor, die von einem Ausverkauf deutscher Interessen sprach. Nur mit Muhe wurden die Ostvertrage im Bundestag ratifiziert.
Zwischen dem 26. August und dem 11. September 1972 fanden die
XX. Olympischen Sommerspiele
in
Munchen
statt, die von der todlich verlaufenen
Geiselnahme
palastinensischer Terroristen der Organisation
Schwarzer September
auf das Olympische Dorf uberschattet wurden. Israelische Sportler wurden als Geiseln genommen, bei deren versuchter Befreiung insgesamt 17 Personen starben. Als Folge der Ereignisse wurde die
GSG 9
als besondere Eingreiftruppe des Bundesgrenzschutzes gegrundet.
Im Oktober 1973 traf die
Olkrise
die Bundesrepublik hart. Als Reaktion auf den verlorenen
Jom-Kippur-Krieg
mit Israel verhangten die im Forderkartell der
OPEC
zusammengeschlossenen Staaten ein
Olembargo
gegen die Staaten, die ihrer Ansicht nach Israel unterstutzten. Damals lag der Anteil der Erdolforderung der OPEC-Staaten weit hoher als heute, so dass es zu drastischen Preissteigerungen bei Erdol kam. Zur Vermeidung von Versorgungsengpassen wurde eine Beschrankung der Abgabemenge an Tankstellen von 20 Litern pro Tankvorgang und an vier Sonntagen im November und Dezember 1973 ein
Wochenendfahrverbot
verhangt. Mit der Olkrise begann eine langanhaltende
Rezession
in der Bundesrepublik. 1974 wurde das
Bundes-Immissionsschutzgesetz
erlassen. Bei der
Fußball-Weltmeisterschaft 1974
im eigenen Land wurde Westdeutschland Weltmeister, obwohl man in der Vorrunde gegen die Mannschaft der DDR verloren hatte.
Nachdem wegen Kritik an der Ostpolitik einzelne Abgeordnete die Regierungskoalition verlassen hatten, kam es im April 1972 zu einem
konstruktiven Misstrauensvotum
im Bundestag, wobei der CDU-Vorsitzende Barzel zum Kanzler gewahlt werden sollte. Dieses scheiterte, da die notwendige Stimmenzahl nicht erreicht wurde. Da aber nicht klar war, ob die Regierung sich noch auf eine Mehrheit im Parlament stutzen konnte, und um den Weg fur Neuwahlen frei zu machen, ließ die SPD/FDP-Koalition eine
Vertrauensfrage
der Bundesregierung scheitern. Bei den
Bundestagswahlen
im November 1972 wurde die SPD erstmals und bisher einmalig starkste Fraktion, was die Koalition starkte. Im Juni 1973 gab der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Julius Steiner an, beim Misstrauensvotum bestochen worden zu sein. Der Bundestag richtete einen Untersuchungsausschuss zur
Steiner-Wienand-Affare
ein, dieser blieb aber ergebnislos. Im April 1974 wurde der Bundeskanzleramtsmitarbeiter
Gunter Guillaume
als DDR-Spion enttarnt. Willy Brandt trat daraufhin am 6. Mai wegen angeblicher Erpressbarkeit durch die ?
Guillaume-Affare
“ zuruck. Finanzminister
Helmut Schmidt
wurde sein Nachfolger als Bundeskanzler. Der bisherige Bundesaußenminister
Walter Scheel
wurde als Nachfolger von
Gustav Heinemann
, der nicht wieder antrat, zum
Bundesprasidenten
gewahlt.
Im Zuge der außerparlamentarischen Opposition entstanden auch zwei linksextremistische terroristische Gruppen: die
Bewegung 2. Juni
und die
Rote Armee Fraktion
(RAF). Primar begrundet mit der Bekampfung der RAF erging im Januar 1972 der umstrittene
Radikalenerlass
, ein Berufsverbot fur Beamte mit extremistischen Denkweisen im Staatsdienst, das jedoch vielfach missbrauchlich verwendet wurde, indem bereits Mitgliedschaft in Organisationen als ausreichender Beleg gewertet wurde. Die Terrorwelle der RAF erreichte 1977 im sogenannten ?
Deutschen Herbst
“ ihren Hohepunkt. Nach Ermordung von
Siegfried Buback
und
Jurgen Ponto
entfuhrten Mitglieder der RAF am 5. September den Arbeitgeberprasidenten
Hanns Martin Schleyer
. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, kaperten verbundete
palastinensische Terroristen
am 14. Oktober die Lufthansamaschine ?Landshut“. Die Bundesregierung ging jedoch nicht auf die Erpressung ein, sondern ließ die ?Landshut“ von GSG-9-Beamten auf dem Flughafen
Mogadischus
sturmen, wobei samtliche Passagiere befreit wurden. Kurz darauf wurde Schleyer von der RAF ermordet und die inhaftierten Linksterroristen nahmen sich im Gefangnis Stammheim das Leben.
Am 1. August 1975 wurde in
Helsinki
die Schlussakte der
Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
(KSZE) unterzeichnet. Damit unterstrichen die europaischen Staaten ihre verstarkten Verstandigungsbemuhungen. Diese Schlussakte und die Berufung von Burgerrechtsgruppen in der DDR auf die dort verbrieften Rechte sollten vor allem die deutsch-deutschen Beziehungen bis zum
Wendejahr 1989
nachhaltig pragen. Die Opposition aus CDU/CSU lehnte die Schlussakte wie zuvor schon die Ostvertrage ab, vornehmlich unter Verweis auf zu hohe Zugestandnisse an die Ostblockstaaten.
[21]
Die
Bundestagswahlen 1976
gewann Helmut Schmidt gegen
Helmut Kohl
,
1980
gegen
Franz Josef Strauß
. 1979 wurde der CDU-Kandidat
Karl Carstens
zum
Bundesprasidenten
gewahlt. Schmidt setzte auch angesichts der sich wieder verhartenden Fronten im
Ost-West-Konflikt
durch den
sowjetischen Einmarsch in Afghanistan
und die
Unruhen in Polen
die deutsch-deutschen Annaherungsbemuhungen fort. Im Dezember 1981 kam er zu einem Besuch in die DDR. Wahrend der Gesprache im mecklenburgischen Gustrow bei
Teterow
war die Stadt von der
NVA
abgeriegelt, um Sympathiekundgebungen gegenuber dem Bundeskanzler wie beim Besuch in Erfurt von Willy Brandt 1970 zu verhindern.
Nach dem
NATO-Doppelbeschluss
im Dezember 1979 uber atomare Mittelstreckenraketen in Europa kam es zu einem Anwachsen der
Friedensbewegung
. Zunehmend wurde der Doppelbeschluss in der SPD abgelehnt, Schmidt hielt aber daran fest. Diese widerspruchlichen Positionen und die wachsende
Arbeitslosigkeit
und
Staatsverschuldung
fuhrten zu einer Entfremdung der Koalitionspartner.
[22]
Am 17. September 1982 zerbrach die
Koalition
und die SPD stellte ein eigenes Kabinett auf. Am 1. Oktober sturzte der Bundestag Helmut Schmidt durch die Wahl Kohls im Rahmen der
Bonner Wende
:
Es kam zum Wechsel der Regierungsmacht an die konservativ-liberale Koalition.
Mit der
68er-Bewegung
ging ein neuer Lebensstil einher. In den Medien war besonders die
Sexuelle Revolution
, ermoglicht durch die
Antibabypille
, von nachhaltiger Wirkung. Die sich anbahnende
Frauenbewegung
stieß nicht auf uneingeschrankte Zustimmung bei den Wortfuhrern der 68er-Bewegung. Ein bekanntes Beispiel fur den Versuch den neuen Lebensstil nicht nur theoretisch zu meistern war die
Kommune I
. Der damals ebenfalls propagierte
Marsch durch die Institutionen
fuhrte Jahrzehnte spater zu einer Generation, die Schlusselpositionen in der deutschen Politik, in der
Presse
und im Beamtenapparat errungen hatte.
Die
Beatles
losten eine
Hysterie
unter den Jugendlichen aus. Aber auch andere Bands wie
The Rolling Stones
,
The Doors
und
Janis Joplin
feierten Erfolge. Es war die Zeit der
Hippies
,
Flower-Power
-Madchen, des
Drogenkonsums
und der
freien Liebe
. Als in den 1980er-Jahren die Immunschwache
AIDS
erstmals auftauchte, loste sie landesweit und uber die vermeintlichen Zielgruppen hinweg große Besorgnis aus.
Die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus der
RAF
fuhrte zum
Radikalenerlass
. Ende der 1970er-Jahre wurde standig zu seiner Verscharfung und zur Verfolgung der ?Sympathisanten“ aufgerufen. In dem Kurzroman
Die verlorene Ehre der Katharina Blum
klagte
Heinrich Boll
die
Regenbogenpresse
, vor allem aber die
Bild-Zeitung
, wegen
Rufmord
und Verletzung der Menschenrechte an. Bolls Buch wurde sogleich von
Volker Schlondorff
und
Margarethe von Trotta
verfilmt. Die mehrteilige Fernsehserie
Holocaust ? Die Geschichte der Familie Weiß
, die im Januar 1979 im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde, entfachte eine erneute Debatte uber die NS-Vergangenheit. Ein Gesetzesantrag im Bundestag hatte die Begrenzung der Strafbarkeit von Verbrechen wahrend der
Zeit des Nationalsozialismus
zum Ziel. Mit
Karl Carstens
stand die Wahl eines Erzkonservativen und ehemaligen NSDAP-Mitglieds zum Bundesprasidenten bevor. Seine NSDAP-Mitgliedschaft wurde von
Claus Peymann
, dem Direktor des Stuttgarter Staatstheaters, durch die Auffuhrung von
Thomas Bernhards
Stuck
Vor dem Ruhestand
thematisiert. Der baden-wurttembergische Ministerprasident
Hans Filbinger
erzwang Peymanns Entlassung, musste aber selbst noch vor Peymann sein Amt verlassen.
Rolf Hochhuth
hatte ein neues Stuck angekundigt, in dem die Todesurteile thematisiert wurden, die Filbinger als Marinerichter noch in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs gegen deutsche Soldaten verhangt hatte.
Vor allem der
sowjetische Einmarsch in Afghanistan
, die
Solidarno??
in Polen und der
NATO-Doppelbeschluss
ließen eine noch nie dagewesene Friedensbewegung mit zahlreichen Massendemonstrationen entstehen. Auch die Sorge um die
Umwelt
wurde immer mehr zu einem Thema. Neben der Friedensbewegung entwickelte sich eine Umweltbewegung, die die
Umweltpolitik
starker zur Geltung bringen wollte. Aus dieser Bewegung entstand die Partei
Die Grunen
, die 1983 erstmals in den Bundestag einzog und sich seitdem im
politischen System
etablieren konnte. Insbesondere die
Kernenergie
wurde nach der
Katastrophe von Tschernobyl
1986 in Teilen der Bevolkerung negativ gesehen und
alternative Energiequellen
werden seitdem gefordert und gefordert. Gegen atomare
Wiederaufarbeitungsanlagen
und Endlager regte sich Widerstand: Das
Zwischenlager Gorleben
geriet immer wieder bei Atommulltransporten in die Schlagzeilen. 1984 erzwangen die Gewerkschaften die
Einfuhrung der 38,5-Stunden-Woche
als Kompromiss zu ihrer Forderung der 35-Stunden-Woche. In den letzten Jahren der alten Bundesrepublik wurde deutlich, dass zahlreiche Bereiche reformiert werden mussten, aber wenig getan wurde. Der
Reformstau
wurde von der Opposition zum Markenzeichen der Regierung stilisiert und die Arbeitslosigkeit wurde fur viele zum
Menetekel
.
Bis Anfang der 1980er-Jahre konnten mit der
Neuen Deutschen Welle
deutschsprachige Lieder der
Punk
- und
New Wavemusik
Erfolge bei den
Teens
feiern. Nachdem die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen waren, gingen am 1. und 2. Januar 1984 die ersten
Privatfernsehkanale
auf Sendung.
RTL
und PKS, Vorlaufer von
Sat.1
, entstanden. Im Mai 1987 entstand
Eureka TV
, Vorlaufer von
ProSieben
.
Helmut Kohl
, der im Oktober 1982 durch das bislang
einzige erfolgreiche konstruktive Misstrauensvotum
zum Kanzler gewahlt worden war, wollte diesen Regierungswechsel durch eine Neuwahl bestatigen. Deshalb versagte ihm der Bundestag nach Absprache in
verfassungsrechtlich
umstrittener Weise das
Vertrauen
; es wurden Neuwahlen ausgeschrieben.
[23]
Die
Bundestagswahlen
im Marz 1983 gewann die CDU, erstmals zogen auch die
Grunen
als politische Kraft ins
Parlament
ein. 1984 erschutterte der
Flick-Parteispendenskandal
die Politik. Ebenfalls in diesem Jahr wurde
Richard von Weizsacker
zum
Bundesprasidenten
gewahlt. Dieser genoss hohes Ansehen, auch durch seine
Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes
. Der bayerische Ministerprasident Franz Josef Strauß gewahrte der DDR, mit Unterstutzung der Bundesregierung 1983/1984 Milliardenkredite, die ihren Verfall verzogerten.
Der
Reaktorunfall in Tschernobyl
im April 1986 erschutterte auch die Bundesrepublik und fuhrte zur Errichtung des
Bundesministerium fur Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
. Die
Bundestagswahl 1987
gewann erneut Kohl, in diesem Jahr kam mit
Erich Honecker
das erste DDR-Staatsoberhaupt zu einem
Staatsbesuch in die Bundesrepublik
. Die
Bespitzelung
des SPD-Kandidaten
Bjorn Engholm
bei den Landtagswahlen in
Schleswig-Holstein
durch den CDU-Ministerprasidenten
Uwe Barschel
sorgte bundesweit fur Aufsehen. Wenige Wochen spater starb Barschel, seine Todesumstande sind bis heute ungeklart.
Die Bundesregierung erneuerte ihre engen politischen Beziehungen mit dem franzosischen Staatsprasidenten
Francois Mitterrand
, durch die Grundung des
Eurokorps
, dem
Schengener Abkommen
1985 und den langjahrigen Vorarbeiten zur Grundung des Fernsehsenders
ARTE
.
Die zweite Halfte der 1980er-Jahre war von einer Entspannungspolitik der Supermachte gekennzeichnet, die in erster Linie eine Folge der
Perestroika
-Politik (Umgestaltungspolitik) des sowjetischen Prasidenten
Michail Gorbatschow
war, der die Bundesrepublik im Juni 1989 besuchte.
Mit dem
Poststrukturgesetz
wurde die
Deutsche Bundespost
aufgespalten in die drei offentlichen Unternehmen:
Deutsche Bundespost Postdienst
,
Deutsche Bundespost Postbank
und
Deutsche Bundespost Telekom
.
Bundesprasident Richard von Weizsacker wurde
1989 wieder gewahlt
.
Mit Bundesaußenminister
Hans-Dietrich Genscher
und DDR-Ministerprasident
Lothar de Maiziere
erreichte Kohl in den sogenannten
Zwei-plus-Vier-Gesprachen
die Zustimmung der Vier Machte zur Wiedervereinigung Deutschlands 1990. Am 17. Januar 1991 wahlte der Bundestag Kohl zum vierten Mal zum Bundeskanzler.
Nachdem Gorbatschow Generalsekretar der KPdSU geworden war, entspannte sich das Verhaltnis der Supermachte zueinander. Seine Reformprogramme
Perestroika
(Umstrukturierung) und
Glasnost
(Transparenz) ab 1985 waren ein wesentlicher Anstoß fur die spatere
Wende und friedliche Revolution in der DDR
.
DDR-Burger
forderten vehement eine Angleichung des politischen Kurses auf den der UdSSR, die schon vorher als ?Mutterland“ des Kommunismus eine Vorreiterrolle innehatte. Doch die ?alten Manner“ wie z. B. Honecker weigerten sich diesen Kurs zu fahren. Gorbatschow machte auch deutlich, dass die UdSSR nicht mehr in andere Staaten eingreifen werde, wie noch im Jahr 1953, als die Rote Armee einen Volksaufstand in der DDR blutig niederschlug. Dies war ein weiterer Grund fur DDR-Burger, auf die Straße zu gehen, um in Massendemonstrationen fur eine Wiedervereinigung Deutschlands zu demonstrieren. Bei einem Staatsbesuch Gorbatschows sagte dieser, laut der Live-Ubersetzung eines Dolmetschers, in die laufenden Kameras von Journalisten:
?Ich glaube, Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren. Und wer die vom Leben ausgehenden Impulse ? die von der Gesellschaft ausgehenden Impulse aufgreift und dementsprechend seine Politik gestaltet, der durfte keine Schwierigkeiten haben, das ist eine normale Erscheinung.“
[24]
Dies wurde spater haufig wiedergegeben als ?Wer zu spat kommt, den bestraft das Leben“, eine Formulierung, die in Wahrheit auf
Gennadi Iwanowitsch Gerassimow
zuruckgeht.
[25]
Seit 1988 zeigten sich im
Ostblock
Auflosungserscheinungen. So ließen sich etwa in der Volksrepublik Polen die Bemuhungen der Solidarno?? um gewerkschaftliche Freiheiten, die bereits seit Anfang der 1980er-Jahre bestanden, nicht langer unterdrucken, auch andere der bisher mit Gewalt im Warschauer Pakt zusammengehaltenen Volker strebten nach Freiheit. Als die
Volksrepublik Ungarn
die Grenzanlagen zu
Osterreich
abbaute, flohen DDR-Burger uber diese Staaten in die Bundesrepublik. Beim
Paneuropaischen Picknick
am 19. August 1989 kam es dann zur ersten großen Massenflucht von DDR-Burgern uber den Eisernen Vorhang. Mit einer Besetzung der bundesdeutschen Botschaft in Budapest versuchten sie ihre Ausreise in die Bundesrepublik zu erzwingen. Diesem Druck gab die DDR-Regierung am 23. August nach, wodurch sich ahnliche Ereignisse in den folgenden Wochen in den Botschaften der Bundesrepublik in
Warschau
,
Prag
und der Standigen Vertretung in Ost-Berlin abspielten. Nachdem die
Tschechoslowakei
im September ihre Grenzen geoffnet hatte, kam es zu einem regelrechten Fluchtlingsstrom in die Bundesrepublik. Das
Politburo
reagierte am 9. November 1989 mit der Offnung der
Berliner Mauer
und der Offnung der
innerdeutschen Grenze
; wobei die Form der Offnung einem Missverstandnis in der regierungsinternen Kommunikation entsprang, als Politburomitglied
Gunter Schabowski
auf der Pressekonferenz des
ZK der SED
im Internationalen Pressezentrum die neue Reiseregelung vorstellte.
Anfang 1990 begannen Gesprache zwischen der Bundesregierung und der DDR-Regierung uber eine deutsche Einheit. Im Februar folgten Gesprache zwischen Kohl und Gorbatschow, die am 16. Juli im
Kaukasus
gipfelten. Am 18. Mai wurde der Vertrag zur
Wahrungs-, Wirtschafts- und Sozialunion
unterzeichnet, der am 1. Juli in Kraft trat. Beide deutschen Parlamente beschlossen am 23. August das Datum der Vereinigung. Die Vier Machte stimmten im September mit dem
Zwei-plus-Vier-Vertrag
der Entstehung eines vereinten Deutschlands zu, losten samtliche noch bestehenden alliierten Einrichtungen auf und entließen
Deutschland
in die volle
Souveranitat
. Am 3. Oktober 1990 erfolgte der Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur (nunmehr ?erweiterten“
[26]
) Bundesrepublik Deutschland und damit die deutsche Einheit. Die
funf neuen deutschen Lander
wurden dem Bund eingegliedert, zugleich Ost- und West-Berlin zu einem einheitlichen Bundesland
Berlin
vereint.
Begrifflichkeiten ?Bonner“, ?Berliner“ und die ?zweite deutsche Republik“
[
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]
Die Bezeichnung des westdeutschen
Teilstaates
von 1949 bis 1990 als
Bonner Republik
als Analogie zur ?
Weimarer Republik
“ geht auf
Fritz Rene Allemanns
Buch
Bonn ist nicht Weimar
aus dem Jahr 1956 zuruck.
[27]
Nach 1990 entstand der Begriff
Berliner Republik
fur die je nach Sichtweise ab 1990 (Wiedervereinigung), 1991 (
Hauptstadtbeschluss
) oder 1999 (Regierungsumzug) folgende geschichtliche Phase.
[28]
Als Begrundung wurde angegeben, dass es sich gleichwohl ?seit der Weimarer Zeit […] in Deutschland eingeburgert [hat], die demokratisch verfassten Republiken jeweils mit dem Namen der Stadt zu bezeichnen, in der Regierung und Parlament ihren Sitz haben“.
[29]
Vor der deutschen Wiedervereinigung war auch der Begriff ?zweite Republik“ gelegentlich zu lesen.
[30]
Mit der ?ersten Republik“ ist wiederum die Weimarer Republik gemeint. Zuweilen wird auch von der ?alten Bundesrepublik“ in Abgrenzung zur ?Berliner Republik“ ab 1990 gesprochen. Fur das Gebiet des ehemaligen ostdeutschen Teilstaates war hingegen zunachst der Begriff
neue Lander
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