Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst

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Chlodwig Furst zu Hohenlohe-Schillingsfurst ( Franz von Lenbach , 1896)

Chlodwig Carl Viktor Furst zu Hohenlohe-Schillingsfurst, Prinz von Ratibor und von Corvey (*  31. Marz 1819 in Rotenburg an der Fulda ; † 6. Juli 1901 in Bad Ragaz in der Schweiz ), war ein deutscher Politiker . Er blieb parteilos , galt aber als gemaßigt liberal .

In der Revolutionszeit 1848/1849 war er Reichsgesandter und spater in Bayern Ministerprasident (1866?70). Im Kaiserreich wurde er 1871 Reichstagsabgeordneter , Gesandter und schließlich kurzzeitig Staatssekretar des Auswartigen, was heutzutage mit einem Minister vergleichbar ist. Er war Statthalter des Reichslandes Elsaß-Lothringen , als Kaiser Wilhelm II. ihn 1894 uberraschend zum Reichskanzler und preußischen Ministerprasidenten ernannte. Die dominierende Person in seiner Kanzlerschaft wurde allerdings ab 1897 sein Staatssekretar des Auswartigen, Bernhard von Bulow , der im Jahr 1900 Hohenlohes Nachfolger wurde.

Herkunft [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst stammte aus der seit 1153 urkundlich bekannten frankischen Familie Hohenlohe ab, die bis 1806 reichsunmittelbar gewesen war.

Er war der zweite von sechs Sohnen des Fursten Franz Joseph zu Hohenlohe-Schillingsfurst (1787?1841) und dessen Frau, Prinzessin Konstanze zu Hohenlohe-Langenburg (1792?1847). Wie sein Vater war er katholisch getauft, seine Mutter dagegen protestantisch. Die Bruder von Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst ? im Verwandtenkreis wurden die vier uberlebenden Sohne auch ?die vier Haimonskinder [1] genannt ? waren:

  • Viktor (1818?1893, der spatere Herzog von Ratibor),
  • Philipp Ernst (1820?1845),
  • Gustav Adolf (1823?1896, spater Kardinal),
  • Konstantin zu Hohenlohe-Schillingsfurst (1828?1896, der spatere Obersthofmeister des osterreichischen Kaisers in Wien).

Der Schwager des Vaters, der kinderlose Landgraf Victor Amadeus von Hessen-Rotenburg (1779?1834), hatte beschlossen, seinen Allodial -Besitz ? Ratibor in Schlesien, Corvey in Westfalen und Treffurt im Regierungsbezirk Erfurt ? den beiden altesten Sohnen des Fursten Franz Joseph zu vererben. Bei ihm in Rotenburg an der Fulda und im Schloss Schillingsfurst in der Nahe von Rothenburg ob der Tauber in Mittelfranken verbrachte Hohenlohe die meiste Zeit seiner Kindheit.

Sein Neffe Konrad zu Hohenlohe-Schillingsfurst amtierte 1906 kurzzeitig als k.k. Ministerprasident von Osterreich-Ungarn .

Ausbildung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Von 1832 an besuchte er das Gymnasium in Ansbach und das konigliche Gymnasium Erfurt . Seit 1837 studierte er in Gottingen , Bonn , Lausanne , Heidelberg und dann wieder in Bonn Rechtswissenschaft . Einige Monate nach dem Tod seines Vaters bestand er in Koblenz (am 3. April 1841) das Auskultator -Examen.

In einem Erbvertrag hatten die Bruder den Nachlass des Vaters und des Oheims so aufgeteilt, dass Chlodwig die Herrschaft Corvey, Viktor das Herzogtum Ratibor und Philipp Ernst die Herrschaft Schillingsfurst bekam. Ab 1842 strebte Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst die diplomatische Laufbahn an, und zwar zunachst in Preußen, wo er nun wohnte. Eine hierfur erforderliche Ausbildungszeit in der Justiz und bei der Regierung hoffte er durch Einreichung eines Bittgesuchs an Friedrich Wilhelm IV. uberspringen zu konnen. Das Gesuch scheiterte jedoch am Einspruch des Ministeriums der Auswartigen Angelegenheiten.

Im April 1842 trat er als Auskultator beim Gericht in Koblenz an, im August 1843 bestand er die zweite juristische Prufung. Anschließend war er als Referendar bei der Regierung in Potsdam tatig. Dieser Schritt in den nichtdiplomatischen Staatsdienst war fur einen Standesherrn , der sich gegenuber den regierenden Hausern als gleichrangig verstand, sehr ungewohnlich. [2] Allerdings hielt es Hohenlohe-Schillingsfurst auch wahrend seiner Ausbildung fur selbstverstandlich, als Gleichgestellter jede Woche mit dem Konig ( Friedrich Wilhelm IV. ) zu speisen. [3]

Politiker in Bayern vor und nach der Revolution von 1848/49 [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Als Mitte Mai 1845 der dritte der Bruder, Philipp Ernst, verstarb, trat er Corvey dem Herzog von Ratibor ab und ubernahm dafur das vaterliche Stammhaus Schillingsfurst. Da er damit in Bayern ansassig geworden war, schied er 1846 aus dem preußischen Staatsdienst aus. Durch die Ubertragung der Herrschaft Schillingsfurst auf ihn wurde er erbliches Mitglied in der bayerischen Kammer der Reichsrate (der Ersten Kammer des Landtags ). Er vertrat dort eine liberale, auf die Einigung Deutschlands abzielende Politik und bekampfte die osterreichisch- ultramontane Richtung. Innerhalb der Kammer blieb er aber ohne großere Resonanz fur seine Ideen. [2]

Wahrend der Revolution von 1848 unterstutzte er die Frankfurter Nationalversammlung und die provisorische Zentralgewalt . Zunachst uberbrachte er den Regierungen in Athen , Rom und Florenz die offizielle Nachricht uber den Antritt des Reichsverwesers Erzherzog Johann . Im Jahr 1849 war er Reichsgesandter in London . In der Revolution sah Hohenlohe-Schillingsfurst eine Chance fur das Erreichen der deutschen Einheit. [4] Dem Verfassungsentwurf von Friedrich Christoph Dahlmann (1785?1860) stand er sehr nahe.

Hohenlohe-Schillingsfurst im Jahr 1867

Nach dem Scheitern der Revolution unterstutzte Hohenlohe-Schillingsfurst offen den preußischen Anspruch auf Hegemonie in der deutschen Politik, da er die weiter bestehende Macht des deutschen Partikularismus ablehnte. Er war Anhanger der Unionspolitik . Seine preußenfreundliche Haltung vertrat Hohenlohe-Schillingsfurst trotz der mehrheitlich ablehnenden Haltung des ubrigen bayerischen Adels. Insbesondere zwischen 1861 und 1866 befand er sich in offener Opposition gegenuber Ludwig von der Pfordten [5] , der seit 1864 wieder Vorsitzender im Ministerrat war.

Regierungsverantwortung in Bayern [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Nach der Niederlage auch Bayerns im Deutschen Krieg war ein Wechsel in der Innenpolitik unabdingbar. Daher wurde Hohenlohe-Schillingsfurst nach dem Rucktritt von Ludwig von der Pfordten noch am 31. Dezember 1866 zum bayerischen Ministerprasidenten und Außenminister ernannt. Er kannte das Schutz- und Trutzbundnis vom 23. August 1866 mit Preußen an und sah in ihm ein ?Instrument [zur] Wahrung deutschen Gebiets“. Einen Beitritt Bayerns zum neuen Bundesstaat, dem Norddeutschen Bund , lehnte er ab. Ein Suddeutscher Bund kam nicht zustande. Trotz Bedenken musste Hohenlohe-Schillingsfurst dem Zollvereinsvertrag vom 8. Juli 1867 zustimmen. Der Versuch, Anderungen des Vertrages in Berlin zu erreichen, scheiterte. Auch in Bayern fand die Zollparlamentswahl 1868 statt. Hohenlohe-Schillingsfurst wurde Vizeprasident des Zollparlamentes. Sein Plan, daneben einen weiteren Bund unter Einschluss der suddeutschen Staaten, des norddeutschen Bundes und Osterreichs zu schaffen, scheiterte am Widerstand aus Wien . Die Losung wirtschaftspolitischer Probleme gelang ihm in dieser Zeit wesentlich besser. In seiner Amtszeit wurde die bayerische Armee durch Kriegsminister Freiherr von Pranckh auf der Grundlage des Wehrgesetzes von 1828 und der Bayerischen Verfassung von 1818 reorganisiert.

Die liberalen Parteien in Bayern, allen voran die schon 1863 in Nurnberg gegrundete Bayerische Fortschrittspartei, schlossen sich seit Mitte der 1860er-Jahre zur Vereinigten Liberalen im Landtag zusammen. Angesichts der liberalen Mehrheiten im Landtag bis Ende der 1860er-Jahre konnte zunachst mit Unterstutzung des Parlaments regiert werden. Seit dem deutschen Krieg von 1866 hatten sich die Liberalen entschieden, fur eine kleindeutsche Nationalstaatsgrundung unter Preußens Fuhrung und ohne Osterreich einzutreten. Von 1869 an lag die Mehrheit jedoch bei den Konservativen, namentlich der antipreußischen großdeutsch gesinnten Bayerischen Patriotenpartei . Hohenlohe-Schillingsfurst war ein Gegner der ultramontanen Katholiken und lehnte das papstliche Unfehlbarkeitsdogma ab. Hohenlohe-Schillingsfurst strebte eine starkere Trennung von Staat und Kirche an. Er legte ein Schulgesetz vor, das den Kirchen ihren bisherigen Einfluss auf die Schule nehmen sollte. Damit verstarkte er jedoch zugleich die Kritik von Seiten der partikularistisch-katholischen Patriotenpartei. Die Gegner seiner Bildungs- und propreußischen Politik vereinten sich gegen ihn, es kam zum Misstrauensvotum beider Kammern des bayerischen Parlaments. Daraufhin reichte er am 18. Februar seinen Rucktritt ein und am 7. Marz 1870 kam es zum Ende des Ministeriums von Hohenlohe-Schillingsfurst. [4] Sein Nachfolger im Amt wurde Otto von Bray-Steinburg .

Reichstagsabgeordneter, Diplomat und Statthalter [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Hohenlohe-Schillingsfurst setzte sich noch im gleichen Jahr fur die Eingliederung Bayerns in das Deutsche Reich ein und gehorte ab Marz 1871 bis 1881 als Abgeordneter dem Reichstag an. Zunachst war er Fraktionsvorsitzender der Liberalen Reichspartei , spater gehorte er den Freikonservativen an. Zeitweise war er erster Vizeprasident des Parlaments.

Trotz seines katholischen Glaubens war er Gegner der Jesuiten und trug die Kulturkampfpolitik mit. Dies trug Hohenlohe-Schillingsfurst die Feindschaft der Zentrumspartei ein. [6] Bedingt durch die Krankheit des Reichskanzlers Furst Otto von Bismarck erhielt er im Marz 1874 das Angebot die Stellvertretung zu ubernehmen. Das lehnte Hohenlohe-Schillingsfurst aber ab.

Im Jahr 1874 ging er dann als deutscher Botschafter nach Paris . Dort bemuhte er sich um eine Entspannung des deutsch-franzosischen Verhaltnisses. Hier trat er die Nachfolge des Botschafters Harry von Arnim (1824?1881) an, der in heftige Kontroversen mit Reichskanzler Otto von Bismarck gekommen war. Durch kluges taktisches Agieren gelang es Hohenlohe-Schillingsfurst hier, die großte Scharfe aus den deutsch-franzosischen Gegensatzen abzubauen. Er nahm als deutscher Bevollmachtigter 1878 am Berliner Kongress teil und amtierte 1880 ubergangsweise als Staatssekretar des Auswartigen Amtes .

Von 1885 bis 1894 bemuhte sich Hohenlohe-Schillingsfurst als Statthalter in Elsaß-Lothringen vergeblich darum, die Bevolkerung der Reichslande fur die deutsche Sache zu gewinnen. Zu diesem Misserfolg trugen auch eigene Ungeschicklichkeiten bei. [5]

Reichskanzler und Ministerprasident von Preußen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Regierungsubernahme im Reich und in Preußen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Chlodwig Furst zu Hohenlohe-Schillingsfurst

Nach dem Sturz von Leo von Caprivi als Reichskanzler und von Botho zu Eulenburg als preußischer Ministerprasident ubernahm Hohenlohe-Schillingsfurst am 29. Oktober 1894 als Nachfolger beide Amter, die nun wieder von einer Person ausgeubt wurden, was seine Stellung zunachst starkte. Er war der erste Katholik in diesem Amt. Die Ernennung stieß in der Offentlichkeit auf Erstaunen, hatte man doch allgemein angenommen, dass Wilhelm II. eine jungere und mehr rechts stehende Personlichkeit ernennen wurde. Immerhin war Hohenlohe-Schillingsfurst etwa gleichaltrig mit Otto von Bismarck und außerdem mit dem Kaiser verwandt. [7] Spekuliert wurde vor der Ernennung etwa uber Botho zu Eulenburg oder Alfred Graf von Waldersee . Starken Einfluss auf den Kaiser nahmen Großherzog Friedrich I. von Baden und der Vertraute Wilhelms Philipp zu Eulenburg . Der Großherzog sprach von Hohenlohe-Schillingsfurst als kenntnisreichem Staatsmann, der uber den Parteien stehe. Letztlich war diesem aber nur die Rolle eines Ubergangskanzlers zugedacht. Der Furst selber hatte massive Bedenken gegen die Annahme des Amtes. Abgesehen von altersbedingter psychischer und physischer Schwache, fuhrte er seine fehlende Rednergabe, die nur luckenhafte Kenntnis der preußischen Gesetze und Verhaltnisse an. Er erwahnte auch, dass er ein Nichtmilitar sei. Außerdem befurchtete er, dass ihm die notigen finanziellen Mittel fehlen wurden. Hohenlohe-Schillingsfurst erhielt daher insgeheim aus der kaiserlichen Privatschatulle ein zusatzliches Gehalt von 120.000 Mark im Jahr. [8]

Ein Grund dafur, dass Hohenlohe-Schillingsfurst doch annahm, war das kaiserliche Zugestandnis, die Auswahl der engen Mitarbeiter in einem gewissen Rahmen dem zukunftigen Kanzler zu uberlassen. Hohenlohe-Schillingsfurst machte den Staatssekretar des Auswartigen Adolf Marschall von Bieberstein zum preußischen Staatsminister. Dieser diente ihm als Unterstutzung im preußischen Staatsministerium und als Sprachrohr auch im Reichstag . Eine Rolle spielte auch, dass nahe Verwandte von ihm wichtige und einflussreiche Funktionen innehatten und es verwandtschaftliche Beziehungen zum Kaiserhaus gab: Die Mutter der Kaiserin Auguste Viktoria , Herzogin Adelheid von Schleswig-Holstein , war seine Cousine. Der Kaiser duzte ihn daher und nannte ihn Onkel Chlodwig. [8]

Reformen im Rechtswesen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Hohenlohe-Schillingsfurst sah sich selbst, bei einem ausgepragten Stolz auf seinen ehemals reichsfurstlichen Rang, [9] als einen gemaßigten Liberalen an. Konig Albert von Sachsen charakterisierte ihn als Nationalliberalen . [10] Er stand dem ? personlichen Regiment Kaiser Wilhelms II. ablehnend gegenuber. Nur vorsichtig wagte er doch eine zumindest interne Opposition gegen die kaiserlichen Eingriffe in die Regierungsgeschafte.

Dennoch kam es schon bald intern zu heftigen Konflikten. Dabei stand zunachst die Reform des preußischen Militargesetzes im Mittelpunkt. Ziel war die Annaherung an das zivile Recht und insbesondere die Einfuhrung des Prinzips der Offentlichkeit. Der Kaiser ? beeinflusst von seiner unmittelbaren Umgebung ? lehnte den Vorstoß kategorisch ab. Hohenlohe-Schillingsfurst war zum einen wegen seiner eher liberalen Ansichten und zum anderen deshalb, weil er selbst beim bayerischen Militar in seiner Amtszeit als Ministerprasident ahnliche Reformen durchgesetzt hatte, auf Seiten der Befurworter des Gesetzes. Der Konflikt zwischen Kanzler und Kaiser spitzte sich immer starker zu und kulminierte schließlich in einer Minister- und Kanzlerkrise. Die Krise um die Militarjustizreform war damit jedoch nicht ausgestanden. Als Hohenlohe-Schillingsfurst eine Erklarung zu dem Thema fur den Herbst 1896 ankundigte, versuchte der Kaiser, ihm den Text vorzuschreiben. Der Furst hielt sich nicht daran, sondern verlas seine eigene Fassung. Er telegraphierte an Wilhelm: ?Ich bin nicht Kanzleirat, sondern Reichskanzler und muss wissen, was ich zu sagen habe.“ [11] Die Auseinandersetzung endete 1898 mit der Unterzeichnung des Gesetzes durch den Kaiser. Allerdings hatte er sich in verschiedenen Punkten durchgesetzt. Vor allem gab es auf den unteren Ebenen keine von der Kommandogewalt unabhangige richterliche Gewalt. Nur das neue Reichsmilitargericht als hochste militarrechtliche Instanz war unabhangig. [12] Einige weitere Reformgesetze fielen in seine Amtszeit. Dazu gehort die Verabschiedung des Burgerlichen Gesetzbuches im Jahr 1896 (in Kraft getreten 1900). Die Erarbeitung und Beratung lag freilich schon lange vor seiner Zeit. Die vom Reichstag 1899 gebilligte Lex Hohenlohe erleichterte die Grundung von Vereinen.

Zunehmende Resignation [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Aber neben dem insgesamt gesehen doch als Detailfrage einzustufenden Konflikt um die Militarreform hat Hohenlohe-Schillingsfurst in den meisten ubrigen Politikbereichen keine so große Festigkeit gegenuber dem kaiserlichen Anspruch gezeigt. Vielmehr begann der ehemals liberale Furst zu resignieren. Im Gegensatz etwa zu seinem Vorganger Caprivi sah Hohenlohe-Schillingsfurst im Wandel Deutschlands zum Industriestaat keineswegs eine positive Entwicklung. Im Oktober 1897 nahm er die Entlassung seines engsten Mitarbeiters Marschall hin. [12]

Hohenlohe-Schillingsfurst war zwar ? anders als etwa Waldersee ? kein Befurworter eines ?Staatsstreichsgedankens“ mit dem Ziel, etwa das demokratische Reichstagswahlrecht zu andern, aber er sah in den Sozialdemokraten und dem Zentrum Krafte, durch deren Widerstand die konservativ-liberale Regierungspolitik immer wieder behindert wurde. Vor allem aber fehlte es der Regierung an einer dauerhaften Mehrheit im Reichstag. Wenn er auch gewaltsame Anderungen im Staatsaufbau ausschloss, pladierte Hohenlohe-Schillingsfurst intern dafur, das Zentrum auf die Seite der Regierung zu ziehen, um mit der dann vorhandenen Mehrheit das Reichstagswahlrecht zu andern. Diese Planspiele kamen jedoch nicht zur Ausfuhrung. [13]

Der Reichskanzler versuchte insgesamt, im Parlament keine Konfliktpolitik zu betreiben. Daher stand er dem vom Kaiser geforderten Zuchthausgesetz auch ablehnend gegenuber, wenngleich er auch in diesem Fall keine offene Opposition betrieb. [14]

Schattenkanzler [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Furst Chlodwig zu Hohenlohe begrußt Kaiser Franz Joseph I. von Osterreich, der ihn 1899 in Bad Aussee besucht

Hinter den Kulissen wurde relativ bald nach dem Beginn der Regierung von Hohenlohe-Schillingsfurst Wilhelm II. Bernhard von Bulow als kommender Kanzler empfohlen. Insbesondere Philipp von Eulenburg spielte dabei eine wesentliche Rolle. Zum Schluss glaubte Wilhelm, die Idee dafur sei von ihm selbst gekommen. Bereits 1895 war die Entscheidung gefallen, Bulow systematisch als Nachfolger von Hohenlohe-Schillingsfurst aufzubauen. Der Kaiser selbst informierte den Kanzler von diesen Planen. Nach der Entlassung Marschalls wurde Bernhard von Bulow im Oktober 1897 Staatssekretar des Auswartigen. Im selben Jahr nahm Wilhelm daruber hinaus sowohl in der Reichsleitung wie auch im Staatsministerium zahlreiche Umbesetzungen vor. Darunter war auch die Ernennung Alfred Tirpitz ’ als Leiter des Reichsmarineamtes . In der Summe bedeutete die kaiserliche Personalpolitik eine faktische Entmachtung von Hohenlohe-Schillingsfurst. Dieser war sich dessen wohl bewusst, ohne daraus die Konsequenzen zu ziehen. Der Grund dafur war zum einen, dass er sein Amt nicht in einer lacherlichen Form aufgeben wollte. Außerdem hoffte er, allein durch seine Gegenwart die vom unsteten Kaiser durch sein Eingreifen in das Regierungshandeln angerichteten Schaden mildern und ausgleichen zu konnen. [15]

In seinen Memoiren schrieb Wilhelm II. zu dieser Zeit: “You can’t change the jokey while running” (?Man kann den Jockey wahrend des Rennens nicht wechseln“).

Aber Hohenlohe-Schillingsfurst war nicht mehr in der Lage dazu und versuchte gar nicht erst, den seit 1897 einsetzenden Ubergang zur imperialistischen deutschen Weltpolitik oder die Flottenrustung aufzuhalten. Die Wiederannaherung an Russland und eine Verschlechterung der Beziehungen zu Großbritannien ( Kruger-Depesche , Samoa-Konflikt ) liefen ebenso an ihm vorbei wie die Reaktion auf den Boxeraufstand .

Insgesamt hat Hohenlohe-Schillingsfurst von den sechs Jahren seiner Kanzlerschaft nur etwa drei Jahre effektiv Politik machen konnen, danach wird er nur noch als Platzhalter fur seinen Nachfolger Bulow eingeschatzt.

Ehrungen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst war Ehrendoktor der Universitaten Wurzburg und Straßburg, Ehrenmitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften , seit Dezember 1878 Ritter des Ordens des Schwarzen Adlers und seit 1890 Trager des Schwarzen Adlerordens in Brillanten.

Ehe und Nachkommen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst heiratete 1847 Marie zu Sayn-Wittgenstein (1829?1897), Tochter des Ludwig zu Sayn-Wittgenstein-Sayn und Enkelin des russischen Generalfeldmarschalls Ludwig Adolf Peter zu Sayn-Wittgenstein , deren Cousine Marie 1859 Chlodwigs Bruder Konstantin zu Hohenlohe-Schillingsfurst heiratete. Marie erbte nach dem Tod ihres kinderlosen Bruders Peter 1887 den Großgrundbesitz ihrer Mutter Stefanie Radziwiłł in Russisch-Polen, der großer war als manche deutschen Kleinstaaten, etwa 18.000 km² Flache mit zahlreichen Orten und Stadten im Gebiet des ehemaligen Großherzogtums Litauen mit dem Zentrum Schloss Mir . Sie musste ihn jedoch Ende des 19. Jahrhunderts veraußern, da neue russische Gesetze keinen auslandischen Landbesitz in Russland zuließen.

Aus der Ehe gingen vier Sohne und zwei Tochter hervor:

Die Sohne wurden nach dem Vater katholisch, die Tochter nach der Mutter protestantisch getauft.

Memoiren [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Denkwurdigkeiten des Fursten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst ( Friedrich Curtius , Hrsg.), Stuttgart 1906, 2 Bande (englische Ausgabe: Memoirs of Prince Chlodwig of Hohenlohe-Schillingsfurst , London 1907). 3. Band: Denkwurdigkeiten der Reichskanzlerzeit ( Karl Alexander von Muller , Hrsg.), Stuttgart 1931.

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Heinz Gollwitzer: Die Standesherren. 2. Auflage. Gottingen 1964, S. 175.
  2. a b Gunter Richter:  Hohenlohe-Schillingsfurst, Chlodwig Furst zu. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 9, Duncker & Humblot, Berlin 1972, ISBN 3-428-00190-7 , S. 487?489 ( Digitalisat ). [hier: S. 487].
  3. Hans-Ulrich Wehler : Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Band 3: Von der deutschen Doppelrevolution bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges. 1849?1914. Munchen 1995, ISBN 3-406-32490-8 , S. 174.
  4. a b Winfried Baumgart: Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst . In: Wilhelm v. Sternburg (Hrsg.): Die deutschen Kanzler. Von Bismarck bis Kohl. 2. Auflage. Berlin 1998, S. 55?67, hier: S. 57. Gunter Richter:  Hohenlohe-Schillingsfurst, Chlodwig Furst zu. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 9, Duncker & Humblot, Berlin 1972, ISBN 3-428-00190-7 , S. 487?489 ( Digitalisat ). [hier: S. 488].
  5. a b Gunter Richter:  Hohenlohe-Schillingsfurst, Chlodwig Furst zu. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 9, Duncker & Humblot, Berlin 1972, ISBN 3-428-00190-7 , S. 487?489 ( Digitalisat ). [hier: S. 488]
  6. Winfried Baumgart: Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst . In: Wilhelm v. Sternburg (Hrsg.): Die deutschen Kanzler. Von Bismarck bis Kohl. 2. Auflage. Berlin 1998, S. 55?67, hier: S. 57. Gunter Richter:  Hohenlohe-Schillingsfurst, Chlodwig Furst zu. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 9, Duncker & Humblot, Berlin 1972, ISBN 3-428-00190-7 , S. 487?489 ( Digitalisat ). [hier: S. 488].
  7. Kaiser Wilhelm II: Ereignisse und Gestalten aus den Jahren 1878?1918 . Verlag von K. F. Koehler, Leipzig/Berlin 1922.
  8. a b Winfried Baumgart: Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst . In: Wilhelm v. Sternburg (Hrsg.): Die deutschen Kanzler. Von Bismarck bis Kohl. 2. Auflage. Berlin 1998, S. 55?67, hier: S. 58f.
  9. Vgl. Bogdan Graf von Hutten-Czapski : Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft. Band 1, Berlin 1936, S. 227 f.: ?Trotz seiner durchaus liberalen Ansichten fuhlte der Furst sich stets als ebenburtiger deutscher Reichsfurst. An allen Traditionen seines mediatisierten Standes hielt er zah fest. Das Bewusstsein dieser Zugehorigkeit war fur viele seiner Handlungen maßgebend. Als er einmal von seiner Reise nach Wien zu seinem Bruder Konstantin zuruckkam, sprach er mir seine Befriedigung daruber aus, dass er nicht als erster Wurdentrager neben dem gemeinsamen (osterreichisch-ungarischen) Minister und dem Kaiser gegenuber, sondern hinter vielen Erzherzogen, aber auf der sogenannten ?Blutseite‘ seinen Platz gehabt hatte.“
  10. Winfried Baumgart: Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst . In: Wilhelm v. Sternburg (Hrsg.): Die deutschen Kanzler. Von Bismarck bis Kohl. 2. Auflage. Berlin 1998, S. 55?67, hier: S. 57.
  11. zit. nach Winfried Baumgart: Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst . In: Wilhelm v. Sternburg (Hrsg.): Die deutschen Kanzler. Von Bismarck bis Kohl. 2. Auflage. Berlin 1998, S. 55?67, hier: S. 61.
  12. a b Winfried Baumgart: Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst . In: Wilhelm v. Sternburg (Hrsg.): Die deutschen Kanzler. Von Bismarck bis Kohl. 2. Auflage. Berlin 1998, S. 55?67, hier: S. 63.
  13. Winfried Baumgart: Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst . In: Wilhelm v. Sternburg (Hrsg.): Die deutschen Kanzler. Von Bismarck bis Kohl. 2. Auflage. Berlin 1998, S. 55?67, hier: S. 64.
  14. Winfried Baumgart: Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst . In: Wilhelm v. Sternburg (Hrsg.): Die deutschen Kanzler. Von Bismarck bis Kohl. 2. Auflage. Berlin 1998, S. 55?67, hier: S. 65.
  15. Winfried Baumgart: Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst . In: Wilhelm v. Sternburg (Hrsg.): Die deutschen Kanzler. Von Bismarck bis Kohl. 2. Auflage. Berlin 1998, S. 55?67, hier: S. 67.
  16. Gabriele B. Clemens: Rezension zu: Stalmann, Volker: Furst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst 1819?1901. Ein deutscher Reichskanzler. Paderborn 2009 . In: H-Soz-Kult , 15. Marz 2011, abgerufen am 26. Januar 2022.