XI. Olympische Winterspiele
|
Austragungsort:
|
Sapporo
(
Japan
)
|
Stadion:
|
Makomanai-Stadion
|
Eroffnungsfeier:
|
3. Februar 1972
|
Schlussfeier:
|
13. Februar 1972
|
Eroffnet durch:
|
Kaiser
Hirohito
|
Olympischer Eid
:
|
Keiichi Suzuki
(Sportler)
Fumio Asaki
(Kampfrichter)
|
Disziplinen:
|
10 (6 Sportarten)
|
Wettkampfe:
|
35
|
Lander:
|
35
|
Athleten:
|
1008, darunter 206 Frauen
|
←
Grenoble 1968
|
Innsbruck 1976
→
|
Die
Olympischen Winterspiele 1972
(auch
XI.
Olympische Winterspiele
;
jap.
第11回オリンピック冬季競技大?
,
Daij?ikkai orinpikku t?kiky?gitaika
) fanden vom 3. bis 13. Februar 1972 in
Sapporo
statt, der Hauptstadt der nordlichsten
japanischen
Prafektur
Hokkaid?
. Zum ersten Mal in der Geschichte
Olympischer Winterspiele
wurden sie in einer Stadt mit mehr als einer Million Einwohnern veranstaltet. Es war auch das erste Mal, dass sie außerhalb
Europas
oder
Nordamerikas
stattfanden. Sapporo hatte den Zuschlag fur die
Winterspiele 1940
erhalten, konnte sie jedoch wegen des
Pazifikkriegs
nicht durchfuhren. Die Winterspiele 1972 waren die zweiten Olympischen Spiele in Japan bzw.
Asien
nach den
Sommerspielen 1964
in
Tokio
. Alle Sportanlagen wurden im Hinblick auf diese Veranstaltung neu errichtet oder umgebaut. Mit einer Ausnahme befanden sie sich weniger als 15 km vom Stadtzentrum entfernt.
Die Wettkampfe fanden in 35 Disziplinen statt, in denen 1008 Sportler aus 35 Landern antraten, darunter 206 Frauen. Die erfolgreichsten Sportler waren die sowjetische Langlauferin
Galina Kulakowa
und der niederlandische Eisschnelllaufer
Ard Schenk
mit je drei Goldmedaillen. Erfolgreichste Delegation war jene der
Sowjetunion
. Die zweiterfolgreichste Nation, die
DDR
, hatte bereits 1968 eine von der
Bundesrepublik Deutschland
getrennte Mannschaft gestellt, trat aber erstmals mit eigener Flagge und Nationalhymne in Erscheinung. Die
Schweiz
erlebte die ?goldenen Tage von Sapporo“ und war so erfolgreich wie nie zuvor. In
Osterreich
sorgte der Ausschluss des Skirennlaufers
Karl Schranz
wegen Verstoßen gegen das
Amateurstatut
fur große Emporung.
Medaillenspiegel
|
Platz
|
Land
|
G
|
S
|
B
|
Ges.
|
1
|
Sowjetunion 1955
Sowjetunion
|
8
|
5
|
3
|
16
|
2
|
Deutschland Demokratische Republik 1949
DDR
|
4
|
3
|
7
|
14
|
3
|
Schweiz
Schweiz
|
4
|
3
|
3
|
10
|
4
|
Niederlande
Niederlande
|
4
|
3
|
2
|
9
|
5
|
Vereinigte Staaten
Vereinigte Staaten
|
3
|
2
|
3
|
8
|
6
|
Deutschland BR
BR Deutschland
|
3
|
1
|
1
|
5
|
7
|
Norwegen
Norwegen
|
2
|
5
|
5
|
12
|
8
|
Italien
Italien
|
2
|
2
|
1
|
5
|
9
|
Osterreich
Osterreich
|
1
|
2
|
2
|
5
|
10
|
Schweden
Schweden
|
1
|
1
|
2
|
4
|
Vollstandiger Medaillenspiegel
|
Die Winterspiele in
Sapporo
hatten eine uber drei Jahrzehnte lange Vorlaufzeit. Auf der 35. Session des
Internationalen Olympischen Komitees
(IOC) am 31. Juli 1936 in
Berlin
wurden die
Olympischen Sommerspiele 1940
an
Tokio
vergeben. Die japanische Regierung außerte den Wunsch, auch die
Winterspiele 1940
durchzufuhren.
[1]
Da es keine anderen Kandidaturen gab, erhielt Sapporo am 9. Juni 1937 auf der 36. Session in
Warschau
einstimmig den Zuschlag.
[2]
Einen Monat spater brach der
Zweite Japanisch-Chinesische Krieg
aus, was die Organisation erschwerte.
[3]
Ende 1937 beschloss die Regierung, das Organisationskomitee fur Sapporo aufzulosen und jenem fur Tokio anzugliedern. Die Winterspiele sollten vom 3. bis 14. Februar 1940 stattfinden.
[4]
Auf der 37. Session in
Kairo
im Marz 1938 beriet das IOC einen Antrag des nicht anwesenden chinesischen Mitglieds
Wang Zhengting
. Er forderte, Japan aufgrund des anhaltenden Krieges die Spiele zu entziehen. Das IOC hielt zwar an den Austragungsorten fest, doch Prasident
Henri de Baillet-Latour
bereitete im Hintergrund Schritte vor, die eine freiwillige Ruckgabe in Anbetracht wachsender innerjapanischer Kritik ermoglichen sollten.
[5]
Nachdem die kriegsbedingte
Austeritatspolitik
bereits zur Absage der geplanten
Weltausstellung
gefuhrt hatte, entzog die Regierung dem Organisationskomitee am 14. Juli 1938 endgultig die Unterstutzung.
[6]
Das IOC vergab die Winterspiele 1940 zweieinhalb Monate spater an
St. Moritz
. Da ein Streit um die Zulassung von Skilehrern zu den alpinen Skirennen entbrannte, war das
Schweizerische Olympische Comite
nicht bereit, die Austragung zu unterstutzen. In einer geheimen Abstimmung vergab das IOC die Winterspiele daraufhin an
Garmisch-Partenkirchen
. Mit dem Ausbruch des
Zweiten Weltkriegs
mussten diese endgultig abgesagt werden.
[7]
Ermutigt durch die Vergabe der
Olympischen Sommerspiele 1964
an
Tokio
im Mai 1959 bildete sich unter der Leitung des
Japanischen Olympischen Komitees
(JOC) ein ?Einladungskomitee“, das auch die
Winterspiele 1968
nach Japan holen sollte. Nach Feldstudien und Erhebungen bei Sportverbanden setzte sich Sapporo gegen sieben andere Stadte durch. Die Regierung sicherte ihre Unterstutzung zu, woraufhin das JOC im Februar 1963 beim IOC eine offizielle Kandidatur einreichte.
[8]
Auf der 62. IOC-Session in
Innsbruck
am 29. Januar 1964 war Sapporo chancenlos. Die Stadt erhielt im ersten Wahlgang nur sechs Stimmen und war damit die viertbeste von sechs Kandidaturen; den Zuschlag erhielt
Grenoble
.
[9]
Sapporos Stadtparlament untersuchte daraufhin samtliche Aspekte der gescheiterten Kandidatur und beschloss eine weitere fur 1972. Von zentraler Bedeutung fur die intensivierten Bemuhungen war die Pflege von Beziehungen zu Entscheidungstragern der olympischen Bewegung ? insbesondere in Afrika, im Mittleren Osten, in Osteuropa und in Sudamerika. Dazu gehorten Besuche bei internationalen Sportveranstaltungen sowie Einladungen nach Sapporo. Wahrend der Sommerspiele 1964 besuchten 24 IOC-Mitglieder die Stadt. Daruber hinaus boten Unternehmen und unabhangige Gruppierungen ihre Unterstutzung an.
[9]
Auf der 64. IOC-Session in
Madrid
reichte Burgermeister Yosaku Harada am 6. Oktober 1965 die Kandidatur offiziell ein. Die Entscheidung fiel am 26. April 1966 auf der 65. Session in
Rom
: Bereits im ersten Wahlgang erhielt Sapporo die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, vor
Banff
,
Lahti
und
Salt Lake City
.
[10]
Am 26. Juli 1966 bildete sich das Organisationskomitee, bestehend aus dem Komiteerat, der Geschaftsleitung und dem Generalsekretariat. Ab 1. Oktober 1966 hatte es die Rechtsform einer gemeinnutzigen Stiftung. Das Generalsekretariat besaß neun Hauptabteilungen, zustandig fur Sportanlagen, sonstige Anlagen, Design, Technologie, Verkehr und Transport, Medizin und Hygiene, Presse sowie Zeremonien. Prasident des Organisationskomitees war
K?gor? Uemura
, damaliger Vizeprasident (und ab 1968 Prasident) des Wirtschaftsdachverbandes
Nippon Keidanren
.
[11]
Die Anzahl der Mitarbeiter wuchs kontinuierlich und erreichte im Februar 1972 mit 392 Personen den Hochststand. Dabei handelte es sich uberwiegend um Beamte der Staats-, Prafektur- und Stadtverwaltung, die fur diesen Zweck abkommandiert worden waren. Unterstutzendes Personal stammte aus den Reihen der
Selbstverteidigungsstreitkrafte
, der
Prafekturpolizei
und der Feuerwehr. Zusammen mit Temporarangestellten aus der Privatwirtschaft ergab dies einen Personalbestand von 16.373.
[12]
Das
Parlament
verabschiedete im Juli 1967 ein Gesetz, das
Subventionen
durch das
Finanzministerium
und die kostenlose Nutzung von Staatseigentum ermoglichte.
[13]
Ein ?vorbereitender Rat“ ubernahm die Koordination zwischen jenen Verwaltungsabteilungen, die unterstutzende Aufgaben bei Organisation und Planung erfullten. Der Rat war direkt dem
Premierminister
unterstellt und setzte sich aus mehreren Vizeministern zusammen. Daruber hinaus koordinierte ein Staatsminister fur olympische Angelegenheiten die Zusammenarbeit zwischen dem Parlament, den Regierungsstellen, der Prafekturverwaltung und der Stadt Sapporo.
Michita Sakata
ubte diese Funktion von Dezember 1968 bis Januar 1970 aus, gefolgt von Shin’ichi Nishida bis Juli 1971 und schließlich von
Motosaburo Tokai
bis zur Eroffnung.
[14]
Die direkten Ausgaben betrugen 17,305 Mia.
Yen
(entspricht 158,981 Mio.
Euro
im September 2018).
[Anm. 1]
Davon entfielen 8,108 Mia. ¥ (74,5 Mio. €) auf Verwaltungskosten und 9,197 Mia. ¥ (83,9 Mio. €) auf den Bau von Sportanlagen. Von letzterer Summe trugen der japanische Staat 4,386 Mia. ¥ (40,3 Mio. €), die Stadt Sapporo 3,096 Mia. ¥ (28,4 Mio. €) und das Organisationskomitee 1,715 Mia. ¥ (15,8 Mio. €). Die mit der Durchfuhrung der Winterspiele zusammenhangenden Verwaltungskosten wurden wie folgt finanziert: Subventionen vom Staat, der Prafektur und der Stadt (2,95 Mia.¥ bzw. 27,1 Mio. €), finanzielle Beitrage von Privatunternehmen und des Sportfonds (2,228 Mia. ¥ bzw. 20,5 Mio. €), Einnahmen aus den Fernsehrechten (1,491 Mia. ¥ bzw. 13,7 Mio. €) und dem Ticketverkauf (706 Mio. ¥ bzw. 6,5 Mio. €) sowie Filmverleih, Darlehen und Liquidation von Liegenschaften (zusammen 616 Mio. ¥ bzw. 5,7 Mio. €). Auf den Rest entfielen diverse weitere Geldquellen.
[15]
Zu den Ausgaben im Zusammenhang mit der Organisation kamen staatliche Infrastrukturinvestitionen von insgesamt 201,74 Mia. Yen hinzu (entspricht 1,920 Mia. Euro im September 2018). Allein der Ausbau des Straßennetzes schlug mit 85 Mia. ¥ (781 Mio. €) zu Buche. Auf 42,6 Mia. (391,4 Mio. €) kam der U-Bahnbau zu stehen, auf 13,14 Mia. (120,7 Mio. €) die Vorfinanzierung des Ausbaus des Hotelangebots. Weitere Ausgabenposten waren u. a. eine unterirdische Einkaufspassage in der Innenstadt, die Errichtung des olympischen Dorfes und einer neuen Stadthalle sowie der Ausbau der Flughafen und des
Bahnhofs Sapporo
.
[16]
Der Staat, die Prafektur und die Stadt arbeiteten bei der Modernisierung der Straßeninfrastruktur eng mit dem Organisationskomitee zusammen. 41 Straßen mit einer Gesamtlange von 213 km wurden gebaut, verbreitert, neu befestigt oder auf andere Weise verbessert, um die Sportstatten, das olympische Dorf und die wichtigsten Punkte der Stadt miteinander zu verbinden. Dazu gehorte insbesondere die
Sasson-Autobahn
in Richtung
Otaru
, die erste Autobahn auf Hokkaid?. Am 15. Dezember 1971 ging der erste 12,6 km lange Streckenabschnitt der
U-Bahn Sapporo
in Betrieb. Somit war Sapporo nach
Tokio
,
Osaka
und
Nagoya
die vierte japanische Stadt mit einer U-Bahn. Daruber hinaus wurde der
Flughafen Chitose
mitsamt den Start- und Landebahnen modernisiert und erweitert, wahrend der regionale Flughafen Okadama kleinere Verbesserungen erfuhr.
[17]
Der fur die Winterspiele eingerichtete Transportdienst nutzte zwischen dem 10. Januar und dem 17. Februar 1972 uber 14.700 Fahrzeuge, um Athleten, Offizielle, Journalisten, geladene Gaste, Angestellte, Zuschauer und Material an ihr Ziel zu bringen. Darunter waren rund 6900 Autos, 2800 Kleinbusse, 3100 Reisebusse und 200 Lastwagen.
[18]
Vom 6. bis 14. Februar 1971 fand die ?Internationale Wintersportwoche“ statt, um in einer Art Hauptprobe die Funktionstuchtigkeit der neuen Sportanlagen zu testen und die Ablaufe zu optimieren. 1427 Sportler, darunter 364 aus dem Ausland, nahmen daran teil. 34 Disziplinen standen auf dem Programm, im Vergleich zu den Winterspielen fehlte nur das Paarlaufen der Eiskunstlaufer. Mehrere japanische Wintersportverbande, die zuvor keinerlei Erfahrung mit der Durchfuhrung internationaler Sportanlasse gehabt hatten, konnten wertvolle Erfahrungen sammeln. Ebenfalls getestet wurden die Datenverarbeitung und neu entwickelte elektronische Zeitmesssysteme von
Seiko
.
[19]
Am 28. Dezember 1971 wurde in den Ruinen des antiken
Olympia
die
olympische Fackel
entzundet. Uber
Athen
gelangte sie zunachst per Flugzeug nach
Naha
auf
Okinawa
. Am Neujahrstag 1972 flog man sie zum
Flughafen Tokio-Haneda
und trug sie ins
Nationalstadion
, wo das
Kaiserpokal
-Finale stattfand.
[20]
Weiter ging es nach
Nirasaki
, wo man die Flamme teilte und zwei Routen durch den Norden von
Honsh?
begannen. Die ostliche fuhrte uber
Maebashi
,
Utsunomiya
,
Fukushima
,
Sendai
und
Hachinohe
, die westliche uber
Matsumoto
,
Nagano
,
Niigata
,
Yamagata
und
Akita
, bis sie sich in
Aomori
wieder vereinigten. Die Flamme gelangte per Schiff nach
Hakodate
an der Sudspitze
Hokkaid?s
und von dort aus auf drei unterschiedlichen Wegen durch alle Regionen der Insel zum Austragungsort.
[21]
In Sapporo wurden die drei Flammen am 30. Januar zum zentralen
?d?ri-Park
getragen, dort erneut vereinigt und in einer Schale entzundet. Am Eroffnungstag trugen die letzten Laufer die Fackel zum Stadion. Die Route war insgesamt 18.749,8 km lang; wovon 4828,8 km auf Laufstrecken entfielen.
[22]
16.300 Lauferinnen und Laufer im Alter von 11 bis 20 Jahren trugen in einheitlicher Kleidung die von
Munemichi Yanagi
gestaltete Fackel.
[23]
Acht Grafiker gestalteten Entwurfe fur das offizielle
Logo
. Die Wahl fiel auf das Design von
Kazumasa Nagai
, das aus drei Elementen besteht. Der rote Kreis entspricht der aufgehenden Sonne der
Flagge Japans
. Eine Schneeflocke, ahnlich wie ein
Mon-Symbol
gestaltet, reprasentiert den Winter. Erganzt werden sie durch die
olympischen Ringe
und den Schriftzug
SAPPORO'72
. Zwei Gruppen von
Piktogrammen
wiesen den Besuchern den Weg oder erschienen auf offiziellen Publikationen. Yoshiro Yamashita gestaltete jene fur die Sportarten, wahrend die Symbole fur Anlagen und Einrichtungen von
Shigeo Fukuda
stammen und Adaptionen seiner Werke fur die
Expo ’70
in Osaka sind.
[24]
1971 und 1972 gab die
japanische Post
funf Sonderbriefmarken mit olympischen Motiven heraus. Weltweit erschienen in 42 Landern insgesamt 300 Briefmarken mit Bezug zu den Winterspielen.
[25]
Vier offizielle
Plakate
, entworfen von renommierten Grafikern und in einer Auflage von je 30.000 bis 40.000 Stuck gedruckt, warben fur die Winterspiele. Das erste von 1968 mit einem Bergmotiv stammt von
Takashi K?no
. 1969 und 1970 entwarf
Y?saku Kamekura
zwei Plakate mit einem Abfahrtslaufer bzw. einer Eiskunstlauferin. Den Abschluss bildete 1971 ein Plakat von Gan Hosoya mit dem Schriftzug
Sapporo 1972
.
[26]
[27]
Funf kurze
Dokumentarfilme
in englischer und japanischer Sprache machten auf Sapporo und die Winterspiele aufmerksam und informierten Kinobesucher uber den Stand der Vorbereitungen.
[24]
Vor und wahrend der Veranstaltung drehte der Regisseur
Masahiro Shinoda
im Auftrag des IOC einen offiziellen Dokumentarfilm im
35-mm-Kinoformat
.
Sapporo Winter Olympics
(
japanisch
札幌オリンピック
,
Sapporo Orinpikku
) erschien in einer zweistundigen englischen Fassung und in einer 40 Minuten langeren japanischen Fassung.
[28]
Samtliche Sportstatten mussten neu errichtet oder umgebaut werden. Sie lagen alle weniger als 15 km weit vom Stadtzentrum, mit Ausnahme der Pisten am Vulkan
Eniwa
auf dem Gebiet der Nachbarstadt
Chitose
.
[29]
Die Bauarbeiten begannen in der zweiten Jahreshalfte 1967 und waren im Februar 1971 abgeschlossen.
[30]
[Anm. 2]
Die meisten Anlagen konzentrierten sich auf den 1023 m hohen Hausberg
Teine
im Westen und auf den sudlichen Stadtteil Makomanai.
Hauptstandort war der
Makomanai-Park
, an der Mundung des Flusses
Makomanai
in den
Toyohira
. In der Parkmitte steht das
Makomanai-Stadion
, der Austragungsort der
Eisschnelllaufwettbewerbe
und der
Eroffnungsfeier
. Im
Makomanai-Hallenstadion
in der nordostlichen Ecke des Parks fanden zwei Drittel der
Eishockeyspiele
, die Entscheidungen im
Eiskunstlaufen
und die
Schlussfeier
statt. In unmittelbarer Nahe des Parks lagen das
olympische Dorf
, das
Pressezentrum
und die Buros der Organisationskomitees.
[31]
Im Nishioka-Tal ostlich des olympischen Dorfes entstand das temporare
Skilanglaufstadion
. Auf einem sudlich daran angrenzenden
Truppenubungsplatz
wurden die
Biathlonrennen
ausgetragen.
[32]
Schauplatz von vier
alpinen Skirennen
war der obere Bereich des Wintersportgebiets
Sapporo Teine
, am Nordhang des namensgebenden Berges. Um dort
drei Pisten
fur die
Riesenslaloms
und
Slaloms
anlegen zu konnen, waren Rodungen und die Abtragung von 12.000 m³ Fels erforderlich. Ebenso mussten drei Bergbahnen und drei temporare Zielstadien gebaut werden.
[33]
Im unteren Bereich errichtete man
zwei Bahnen
fur die
Bob-
und
Rodelwettbewerbe
. Die Bobbahn war die erste in Japan uberhaupt.
[34]
Fur die alpinen
Abfahrtsrennen
war der Hohenunterschied am Teine zu gering. Es hatte zwar die Moglichkeit bestanden, weit entfernte Wintersportgebiete wie
Furano
oder
Niseko
zu nutzen, doch das Organisationskomitee gewichtete die geographische Kompaktheit der Sportstatten und kurze Distanzen hoher als den Umweltschutz. Trotz einer Petition von Naturschutzern an den IOC-Prasidenten bestimmte es als Standort den Vulkan
Eniwa
, knapp sudlich der Stadtgrenze am
Shikotsu-See
im
Shikotsu-T?ya-Nationalpark
gelegen. Zwei Schneisen mit einer Gesamtflache von 29 Hektar mussten gerodet werden. Ebenso entstanden zwei Bergbahnen und provisorische Gebaude. Der Staat verpflichtete sich immerhin dazu, die Schneisen wieder aufzuforsten.
[35]
[36]
Das Kotoni-Tal westlich des Stadtzentrums ist der Standort zweier
Skisprungschanzen
. Die
?kurayama-Schanze
(
K-Punkt
110 m) war 1931 nach Planen des Norwegers
Olaf Helset
erbaut worden, genugte den Anforderungen aber nicht mehr und musste umgebaut werden und erhielt Tribunen mit einem Fassungsvermogen von 50.000 Zuschauern. Fur eine zweite Schanze fehlte hier der Platz. Deshalb errichtete man etwa 1,5 km entfernt die
Miyanomori-Schanze
(K-Punkt 70 m) mit Platz fur 20.000 Zuschauer.
[37]
Nordlich und sudostlich der Innenstadt entstanden zwei kleinere Eishallen, die
Mikaho-Sporthalle
fur das
Pflichtprogramm
der Eiskunstlaufer und die
Tsukisamu-Sporthalle
fur zehn Eishockeyspiele. Den Rennrodlern stand außerdem die Fujino-Rodelbahn als Trainingsmoglichkeit und Ausweichstandort zur Verfugung.
[38]
Das
olympische Dorf
befand sich etwa acht Kilometer sudlich des Stadtzentrums im Stadtteil Makomanai. Nachdem Sapporo den Zuschlag erhalten hatte, bestimmte die Regierung das 14,9 Hektar große Gelande der Polizeiakademie Hokkaid? als Standort der neuen
Großwohnsiedlung
Makomanai-Danchi (die Polizei bezog weiter sudlich eine neue Ausbildungsstatte). Die heute noch bestehende Siedlung wird im Norden von einer Kaserne der
Selbstverteidigungsstreitkrafte
, im Osten von einem bewaldeten Hugelzug und im Westen vom
Makomanai-Park
begrenzt. Das olympische Dorf umfasste nur einen Teil der Siedlung, in unmittelbarer Nahe der U-Bahn-Endstation. Die mannlichen Sportler und Betreuer lebten in 18 funfstockigen Wohnblocken, die Frauen waren in zwei elfstockigen Hochhausern untergebracht. Zum olympischen Dorf gehorten auch ein Speisesaal, ein Verwaltungsgebaude, eine Klinik und ein Gebaude fur die abendliche Unterhaltung.
[39]
35 Lander entsandten 1008 Sportler nach Sapporo, darunter 206 Frauen. Dies waren zwei Lander und 150 Sportler weniger als vier Jahre zuvor, was auf die erhohten Reisekosten zuruckzufuhren ist. Zum ersten Mal vertreten waren die
Philippinen
und die
Republik China
.
[40]
Zwar hatte die
Deutsche Demokratische Republik
vier Jahre zuvor eine von der
Bundesrepublik
getrennte Mannschaft gestellt, musste aber ? wie bei der von 1956 bis 1964 angetretenen
gesamtdeutschen Mannschaft
? eine gemeinsame Flagge und Hymne akzeptieren. Im Hinblick auf die
Olympischen Sommerspiele 1972
in
Munchen
drangte der
DDR-Ministerrat
auf ein rasches Ende der eingeschrankten Souveranitat, zumal DDR-Symbole in der Bundesrepublik verboten waren. Auf Drangen von
Willi Daume
, dem Prasidenten des
Nationalen Olympischen Komitees fur Deutschland
, beschloss die
Bundesregierung
am 22. Juli 1969 die Aufhebung des Verbots und legte dem IOC eine entsprechende Garantieerklarung vor. Somit konnte sich die DDR in Sapporo erstmals mit
eigener Flagge
und
eigener Hymne
prasentieren.
[41]
Bis zu diesem Beschluss hatten die staatlich gelenkten Medien der DDR uber ein Jahr lang eine polemische Kampagne gegen die Bundesregierung gefuhrt.
[42]
Die Beziehungen waren weiterhin frostig, wozu verschiedene Falle von
Sportlerflucht
beitrugen. Im Januar 1972 setzte sich DDR-Eiskunstlaufmeister
Gunter Zoller
in den Westen ab. Der mehrfache Eisschnelllauf-Meister
Horst Freese
, der 1969 in die Bundesrepublik geflohen war, erhielt von seinem ehemaligen Verband keine vorzeitige Freigabe fur einen Start in Sapporo, womit die in Artikel 27 der
Olympischen Charta
festgelegte dreijahrige Sperre bei einem Nationenwechsel erst im Mai 1972 zu Ende ging.
[43]
[44]
Europa
(738 Athleten aus 22 Landern)
|
|
|
|
Amerika
(152 Athleten aus 3 Landern)
|
|
|
|
Asien
(112 Athleten aus 8 Landern)
|
|
|
|
Ozeanien
(6 Athleten aus 2 Landern)
|
|
|
|
(Anzahl der Athleten) * Erstmalige Teilnahme an Winterspielen
|
IOC-Prasident
Avery Brundage
vertrat kompromisslos einen
idealisierten Amateurismus
, der zunehmend nicht mehr dem Zeitgeist entsprach. Bereits 1968 war es deswegen zu Auseinandersetzungen mit dem
Internationalen Skiverband
(FIS) gekommen. In seiner Eroffnungsrede zur 70. IOC-Session in
Amsterdam
im Mai 1970 verurteilte Brundage die Professionalisierung im
alpinen Skisport
und im
Eishockey
, die die Existenz der Olympischen Spiele gefahrde (wobei er die
Staatsamateure
in kommunistischen Landern nicht erwahnte). Im Marz 1971 verscharfte das IOC die in Artikel 26 der Olympischen Charta geregelten Zulassungsbestimmungen: Jegliche direkte oder indirekte Werbetatigkeit von Athleten war verboten, ebenso Medienauftritte ohne ausdruckliche Genehmigung der Teamleitung.
[45]
Die Skiverbande aller Alpenlander drohten im Mai 1971 mit einem
Boykott
, sollte das IOC darauf beharren, samtliche des Professionalismus verdachtigte Athleten auszuschließen. In diesem Falle wurden Weltmeisterschaften anstelle der Winterspiele stattfinden. Die FIS gab zu verstehen, dass auch die nordischen Lander den Boykott mittragen wurden. Brundage schreckte vor einer totalen Konfrontation zuruck und kundigte im Dezember 1971 nach Verhandlungen mit FIS-Prasident
Marc Hodler
an, das strikte Werbeverbot gelte nur im Umfeld der Winterspiele.
[46]
Der Osterreicher
Karl Schranz
, einer der erfolgreichsten Skirennlaufer der letzten Jahre, galt als Symbol der zunehmenden Verflechtung von Sport und Skiindustrie und hatte ein enges Verhaltnis zum Inhaber der Firma
Kneissl
. Wiederholt exponierte er sich mit kontroversen und undiplomatischen Aussagen zu diesem Thema.
[47]
In einem Interview mit
Associated Press
, das er im olympischen Dorf gab, bezeichnete er das IOC als Organisation mit einer Geisteshaltung aus dem 19. Jahrhundert. Er warf Brundage vor, dass bei seiner strikten Regelauslegung nur noch sehr reiche Leute teilnehmen konnten.
[48]
[49]
Am 31. Januar 1972 beschloss das IOC mit 28:14 Stimmen den Ausschluss von Schranz. Als Rechtfertigung diente ein im Sommer 1971 bei einem Fußballspiel aufgenommenes Foto im Nachrichtenmagazin
Profil
, das ihn in einem Leibchen mit Werbeaufdruck fur ?Aroma-Kaffee“ zeigte. Wie Brundage einige Wochen spater ausfuhrte, seien alle Skirennlaufer des Professionalismus schuldig gewesen, doch an Schranz sollte ein Exempel statuiert werden, weil er die Amateurbestimmungen am offensichtlichsten verletzt habe. Weitere Ausschlusse hatten hingegen zu einem Gesichtsverlust der japanischen Gastgeber gefuhrt.
[47]
Das
Japanische Munzamt
in
Osaka
stellte 267
Medaillen
her, von denen 204 verliehen wurden.
[25]
Der Entwurf der Vorderseite stammt von
Kazumi Yagi
, jener der Ruckseite von
Ikk? Tanaka
. Die auf der Vorderseite eingravierten Linien sollen weichen, flockigen Schnee und scharfkantiges Eis reprasentieren. Auf der Ruckseite sind der Schriftzug
XI Olympic Winter Games, Sapporo '72
und die japanische Ubersetzung eingraviert, zusammen mit den Logo. Unublicherweise sind die 60 mm breiten Medaillen nicht rund, sondern gleichen einem Sechseck mit abgerundeten Ecken. Die Auszeichnungen fur die Zweitplatzierten bestehen aus reinem Silber; die Goldmedaillen aus Silber mit einem Reinheitsgrad von 95 % sowie einer sechs Gramm schweren Goldschicht. An die Medaille befestigt ist ein dazu passender Ring, verziert mit dem Logo und der Bezeichnung der Sportart. Daran hangt ein blaues Stoffband, am Rand mit schmalen Streifen in den olympischen Farben. Zur Aufbewahrung diente eine mit dunkelblauem Samt gefutterte Schatulle.
[50]
Samtliche Athleten und Offiziellen erhielten eine vom Munzamt gepragte, 60 mm breite Erinnerungsmedaille aus Bronze. Ihr Design stammte von
Shigeo Fukuda
, die Auflage betrug rund 10.000 Stuck. Auf der Vorderseite stellt ein Pfeil eine sich bewegende menschliche Figur dar, die den Sportsgeist symbolisieren soll; auf der Ruckseite ist ebenfalls das Logo eingraviert.
Hiromu Hara
gestaltete die
Olympischen Diplome
in zwei Ausfuhrungen: eine fur die Offiziellen und eine fur die jeweils sechs Besten einer Disziplin. Er verwendete dafur schweres, kartonahnliches Papier, worauf Olivenzweige und das Logo gepragt sind. Aufgedruckt sind auf Englisch und Japanisch Worte der Anerkennung und des Lobes, zusammen mit dem Namen des Empfangers.
[51]
Es wurden 35 Wettbewerbe (22 fur Manner, 12 fur Frauen und 1 Mixed-Wettbewerb) in 6 Sportarten/10 Disziplinen ausgetragen. Es gab keine Anderungen im Programm im Vergleich zu
Grenoble 1968
.
[52]
Anzahl der Wettbewerbe in Klammern
Die Eroffnungsfeier begann am 3. Februar um 11 Uhr im Makomanai-Stadion. Nach dem Eintreffen des Kaiserpaares auf der Ehrentribune wurden die Flaggen der teilnehmenden Lander hochgezogen und die
japanische Nationalhymne
abgespielt. Es folgte der Einmarsch der Sportler, traditionell angefuhrt von der griechischen Delegation, wahrend die Japaner als Gastgeber den Abschluss bildeten. Daraufhin hielt der Prasident des Organisationskomitees eine Ansprache und ubergab das Wort an IOC-Prasident Brundage. In seiner von vereinzelten Pfiffen begleiteten Rede bat er Kaiser
Hirohito
, die Spiele zu eroffnen. Dieser betrat die Buhne und sprach die vorgegebene Eroffnungsformel.
[54]
[55]
Acht Soldaten trugen die olympische Flagge ins Stadion und hissten sie zu den Klangen der
olympischen Hymne
. Mitglieder des franzosischen Frauen-Skiteams prasentierten anschließend die ?Oslo-Flagge“, die seit den
Winterspielen 1952
an die jeweilige Gastgeberstadt weitergereicht wird. Sie ubergaben sie zunachst an Grenobles Burgermeister Hubert Dudebout, der sie an seinen Amtskollegen Takashi Itagaki weiterreichte. Die 16-jahrige Eiskunstlauferin Izumi Tsujimura brachte die olympische Fackel ins Stadion. Nachdem sie eine Runde auf dem Eis gelaufen war, trug der gleichaltrige Schuler Hideki Takada die Fackel 103 Treppenstufen hoch und entzundete sie in einer großen Schale. 848 Grundschuler umkreisten auf Schlittschuhen die Bahn, wahrend der Eisschnelllaufer
Keiichi Suzuki
fur die Athleten und Fumio Asaki fur die Schiedsrichter die
olympischen Eide
ablegten. Zuletzt ließen die Grundschuler uber 18.000 farbige Luftballons in die Luft steigen.
[54]
[55]
Verschiedene Medien berichteten, dass einzig dieser ungeordnete Schlusspunkt die protokollarische Strenge der Zeremonie zu durchbrechen und im Publikum Begeisterung auszulosen vermochte.
[56]
Die Schlussfeier der Winterspiele fand am 13. Februar um 18 Uhr im Makomanai-Hallenstadion statt. Erster Programmpunkt war ein Schaulaufen der Eiskunstlaufer, an dem je zwolf Manner, Frauen und Paare beteiligt waren. Anschließend wurde die letzte Siegerehrung fur die drei Besten des Mannerslaloms vorgenommen. Die eigentliche Zeremonie begann mit dem Eintreffen von Kronprinz
Akihito
und Kronprinzessin
Michiko
. Nach dem Abspielen der japanischen Hymne betraten die Fahnentrager das Stadion, angefuhrt von jenem Griechenlands. Ihnen folgten je Land nicht mehr als sechs Vertreter. Die Bulgaren und Iraner waren bereits abgereist, sodass nur 35 Lander vertreten waren. Die Flaggen Griechenlands, Japans und der USA wurden gehisst, begleitet von den entsprechenden Nationalhymnen.
[Anm. 3]
Avery Brundage erklarte die Spiele fur beendet, woraufhin die Flamme geloscht und die olympische Flagge von acht Soldaten hinausgetragen wurde. 286 Mittelschulerinnen umringten die Sportler und fuhrten einen Abschiedstanz auf, in dessen Verlauf sie die funf olympischen Ringe und den Schriftzug
Denver '76
formten. Unter den Klangen von
Auld Lang Syne
verließen die Sportler das Stadion. Den Abschluss bildete draußen ein großes Feuerwerk.
[57]
Wie in der Olympischen Charta festgeschrieben, spielte neben dem Sportlichen auch die Kultur eine bedeutende Rolle. Viele Besucher lockte das
Sapporo-Schneefestival
im
?d?ri-Park
und auf dem Makomanai-Kasernengelande an, wo Skulpturen aus Schnee und Eis zu besichtigen waren. Auf besonderes Interesse stieß auch eine Sonderausstellung von
Ukiyo-e
-Farbholzschnitten im Kunstmuseum, mit Werken mehrerer bedeutender Kunstler des 17. bis 19. Jahrhunderts wie z. B.
Hishikawa Moronobu
,
Kitagawa Utamaro
,
Katsushika Hokusai
und
Utagawa Hiroshige
. Weitere von der Stadt organisierte Ausstellungen befassten sich mit Fotografien, modernen japanischen Drucken und Kinderzeichnungen aus aller Welt. Das Kaufhaus Mitsukoshi veranstaltete eine Ausstellung uber die Geschichte der Winterspiele. Konzerte gaben das
NHK-Sinfonieorchester
, das
Sinfonieorchester Sapporo
und die
Munchner Philharmoniker
. Ebenso fanden Auffuhrungen von
Kabuki
- und
N?
-Theaterstucken sowie Prasentationen von Volkstanzen und -liedern Nordjapans statt.
[58]
Biathlon
stand zum vierten Mal auf dem olympischen Programm, doch noch immer hatte die Sportart mit geringer Popularitat zu kampfen. Vergleichsweise wenige Zuschauer interessierten sich fur das Geschehen auf dem Truppenubungsplatz. Das Einzelrennen uber 20 km musste nach einer Viertelstunde abgebrochen werden, weil die Sicht wegen starken Schneefalls nicht mehr als 50 m betrug und die Scheiben im Schießstand nicht zu sehen waren. Beim Neustart 24 Stunden spater wiederholte der Norweger
Magnar Solberg
seinen Olympiasieg von 1968, vor
Hansjorg Knauthe
aus der DDR und dem Schweden
Lars-Goran Arwidson
. Keiner der Gestarteten kam ohne Schießfehler durch.
[59]
Ebenfalls wie vier Jahre zuvor holte die Sowjetunion Gold in der Staffel und verwies Finnland und die DDR auf die weiteren Medaillenrange.
Nachdem 1968 in
Konigssee
die erste
Eisbahn
aus kunstlichem Eis eroffnet worden war, setzte sich diese Neuerung im
Bobsport
in kurzer Zeit durch. Letztmals bei Olympischen Winterspielen befuhren die Bobs eine Natureisbahn.
[59]
Beide Rennen entwickelten sich zu einem Duell zwischen dem Bundesdeutschen
Wolfgang Zimmerer
und dem Schweizer
Jean Wicki
, den besten Bobpiloten der letzten Jahre. Im ersten Lauf der Zweierbobkonkurrenz holten Zimmerer und sein Bremser
Peter Utzschneider
einen uneinholbaren Vorsprung von acht Zehntelsekunden heraus, den sie in den drei weiteren Laufen sicher verwalteten. Wicki und sein Bremser
Edy Hubacher
wurden noch vom zweiten deutschen Bob mit
Horst Floth
und
Pepi Bader
uberholt und mussten sich mit Bronze begnugen. Wahrend des Viererbobrennens herrschte dichtes Schneetreiben, der die Bahn deutlich langsamer machte. Wicki (mit Hubacher,
Hans Leutenegger
und
Werner Camichel
) erzielte zwar nur im ersten Lauf die Bestzeit, fuhr aber am ausgeglichensten und profitierte von zeitraubenden Fehlern seiner Konkurrenten. Der Bob des Italieners
Nevio De Zordo
beendete das Rennen auf dem zweiten Rang, vor dem Team von Zimmerer. Insgesamt waren die zeitlichen Abstande ungewohnlich groß.
[60]
Seit 1924 war das olympische
Eishockeyturnier
stets auch als
Weltmeisterschaft
gewertet worden, bis die
Internationale Eishockey-Foderation
(IIHF) entschied, ab 1972 im selben Jahr sowohl ein olympisches Turnier als auch eine Weltmeisterschaft auszutragen.
[61]
Um mehr Chancengleichheit zu schaffen, hatte die IIHF 1969 beschlossen, fur Nationalmannschaften auch Profis zuzulassen, die nicht in der
National Hockey League
unter Vertrag standen. Nur ein Jahr spater musste diese Regelung auf Druck des IOC-Prasidenten widerrufen werden, der strikt dagegen war, dass Amateure und Profis gemeinsam spielten. Aus Protest verzichtete
Kanada
bis 1980 auf die Teilnahme an olympischen Turnieren.
[62]
Teilnahmeberechtigt waren die zwolf besten Teams der
A- und B-Weltmeisterschaften von 1971
. Die
DDR
sagte ab, da die Eishockeyforderung nach dem enttauschenden Abschneiden markant verringert worden war. Somit nahmen in Sapporo nur elf Teams teil.
[59]
Als amtierender Weltmeister war die
Sowjetunion
fur die Finalrunde gesetzt, wahrend die ubrigen Teams sich in Ausscheidungsspielen dafur qualifizieren mussten. Die Verlierer spielten in der B-Gruppe um die Platze 7 bis 11, die Sieger zusammen mit der Sowjetunion in der A-Gruppe um die Medaillen. Beide Teilturniere wurden im System ?jeder gegen jeden“ ausgetragen, es gab keine anschließende
K.-o.-Runde
und somit auch kein eigentliches Finale. In der A-Gruppe bestatigten die favorisierten Sowjets ihre Favoritenrolle: Mit Ausnahme eines Unentschiedens gegen
Schweden
hatten sie mit ihren Gegnern keinerlei Muhe. Sie erzielten vier deutliche Siege und sicherten sich die dritte olympische Goldmedaille in Folge. Topskorer war
Waleri Charlamow
mit neun Toren und sieben
Assists
. Die Silbermedaille ging etwas unerwartet an das Team der
USA
. Mit einem Sieg im letzten Spiel gegen die Sowjetunion hatte die
Tschechoslowakei
das Turnier fur sich entscheiden konnen, doch sie verlor mit 2:5, wodurch ihr lediglich die Bronzemedaille blieb.
[63]
Der
Eiskunstlauf
befand sich in einem Umbruch: Die
Pflicht
, in der vorgegebene Figuren moglichst exakt gelaufen werden mussten, wurde zunehmend als veraltet empfunden. Um die Attraktivitat der Sportart fur Fernsehzuschauer zu erhohen, hatte die
Internationale Eislaufunion
(ISU) 1969 beschlossen, den Anteil von Pflicht zu Kur in der Gesamtwertung von 60:40 auf 50:50 zu andern.
[64]
Trotzdem hatten exzellente Pflichtlaufer weiterhin einen Vorteil. Im Einzelwettbewerb der Frauen erarbeitete sich die Osterreicherin
Beatrix Schuba
einen derart großen Vorsprung, dass ihr Olympiasieg trotz der lediglich siebtbesten Kurleistung nie gefahrdet war; sie hatte sich in der Kur sogar drei Sturze erlauben konnen. Silber ging an die Kanadierin
Karen Magnussen
und Bronze an die Amerikanerin
Janet Lynn
, die weitaus bessere Kurdarbietungen gezeigt hatten. Obwohl
Sonja Morgenstern
aus der DDR als erste Frau uberhaupt bei einem olympischen Wettbewerb einen Dreifach-
Salchow
stand, reichte ihr dies nur zu Platz 6. Das Endergebnis stieß bei Zuschauern und Medien auf derart viel Unverstandnis, dass die ISU auf die nachste Saison hin eine inoffiziell als ?Lex Schuba“ bezeichnete Reform beschloss: Die Pflicht wurde nun mit 40 % gewertet, das neu eingefuhrte Kurzprogramm mit 20 % und die Kur mit 40 %.
[65]
Deutlich ausgewogener war das Ergebnis im Einzelwettbewerb der Manner.
Ondrej Nepela
, der Pflichtsieger aus der Tschechoslowakei, zeigte die viertbeste Kur (trotz eines Sturzes beim Dreifach-Salchow) und sicherte sich die Goldmedaille.
Sergei Tschetweruchin
aus der Sowjetunion gewann Silber mit der drittbesten Pflichtleistung und der besten Kur. Bronze ging wie vor vier Jahren an den Franzosen
Patrick Pera
. Im Paarlauf gab es einen sowjetischen Doppelsieg:
Irina Rodnina
und
Alexei Ulanow
lagen sowohl im Kurzprogramm als auch in der Kur knapp vor
Ljudmila Smirnowa
und
Andrei Suraikin
, wahrend
Manuela Groß
und
Uwe Kagelmann
aus der DDR Bronze gewannen. Fur große Aufregung in den Medien sorgte die Trennung beider sowjetischen Paare unmittelbar nach dem Wettbewerb: Ulanow und Smirnowa hatten sich ineinander verliebt und heirateten nur funf Tage nach dem Ende der Winterspiele.
[65]
In Grenoble hatten sich die Niederlander als fuhrende
Eisschnelllauf
-Nation etabliert. In Sapporo bestatigten sie ihre Vormachtstellung auf eindruckliche Weise und gewannen neun Medaillen, davon vier goldene. Der mehrfache Weltmeister und Weltrekordhalter
Ard Schenk
hatte sich zum Ziel gesetzt, in allen vier Disziplinen Gold zu gewinnen, was ihm nicht ganz gelang. Im ersten Rennen uber 5000 Meter siegte er souveran mit mehr als vier Sekunden Vorsprung. Hingegen passierte ihm auf der 500-Meter-Sprintstrecke ein Missgeschick, als er unmittelbar beim Start sturzte und den drittletzten Platz belegte. Die Goldmedaille gewann der Deutsche
Erhard Keller
, der damit seinen Olympiasieg von 1968 wiederholte. Schenk uberwand den Ruckschlag rasch und siegte auch uber 1500 und 10.000 Meter, jeweils mit neuem
olympischen Rekord
.
[66]
Unmittelbar nach den Winterspielen wechselte er in die neu gegrundete professionelle
International Speed Skating League
, um mit Werbung Geld verdienen zu konnen.
[67]
In den vier Rennen der Frauen gab es vier verschiedene Siegerinnen, die alle olympischen Rekord liefen. Die erst 16-jahrige Amerikanerin
Anne Henning
gewann Gold uber 500 m. Sie durfte zweimal antreten, da sie im ersten Versuch von ihrer Konkurrentin behindert worden war. Dabei verbesserte sie sich noch um 0,40 Sekunden, sie hatte aber auch ohne Neustart gewonnen. Nur ein Jahr alter war
Monika Pflug
aus der Bundesrepublik Deutschland, die das Rennen uber 1000 m fur sich entschied. Einen weiteren amerikanischen Olympiasieg gab es durch
Dianne Holum
uber 1500 m, wahrend die Niederlanderin
Christina Baas-Kaiser
uber 3000 m gewann. Bemerkenswert war die Leistung der 14-jahrigen Amerikanerin
Connie Carpenter
, die uber 1500 m auf den siebten Platz lief. Aufgrund von Verletzungen wechselte sie spater zum Radsport und wurde 1984 Olympiasiegerin im Straßenrennen.
[66]
[68]
In der Nordischen Kombination siegte uberraschend der erst 19-jahrige
Ulrich Wehling
aus der DDR. Ihm folgten der Finne
Rauno Miettinen
und mit
Karl-Heinz Luck
ein weiterer DDR-Sportler.
Franz Keller
, der bundesdeutsche Titelverteidiger und Mitfavorit, hielt den Erwartungen nicht stand und erreichte lediglich den 33. Platz.
[69]
Wie beim Bobfahren waren diese olympischen
Rodelrennen
die letzten auf einer Natureisbahn. Das DDR-Team zeigte eine noch nie dagewesene Dominanz und gewann acht von neun Medaillen. Im Einsitzer-Rennen der Frauen siegte
Anna-Maria Muller
vor
Ute Ruhrold
und
Margit Schumann
. Sogar einen Vierfachsieg gab es im Einsitzer der Manner (
Wolfgang Scheidel
vor
Harald Ehrig
,
Wolfram Fiedler
und
Klaus-Michael Bonsack
). Nur die Italiener
Paul Hildgartner
und
Walter Plaikner
konnten mithalten. Sie gewannen im Doppelsitzer zeitgleich mit
Horst Hornlein
und
Reinhard Bredow
die Goldmedaille, wahrend Bonsack und Fiedler Bronze holten.
[70]
Dieser Gleichstand bewog den Rodelweltverband
FIL
dazu, ab 1976 die Laufzeiten auf Tausendstelsekunden genau zu messen.
[71]
Die Konkurrenz vermutete zunachst extrem harte Trainingsbedingungen oder unlautere Methoden wie das Erhitzen der Kufen als Grunde fur die Uberlegenheit der Rodler aus der DDR. Tatsachlich waren die Erfolge vor allem auf technische Errungenschaften im Materialbereich zuruckzufuhren. Wahrend im Westen noch herkommliche Schlitten ?von der Stange“ mit Segeltuchsitzen verwendet wurden,
[70]
fuhren die DDR-Rodler auf Modellen, die im
Institut fur Forschung und Entwicklung von Sportgeraten
der
Deutschen Hochschule fur Korperkultur
in
Leipzig
entwickelt worden waren. Sie besaßen maßgeschneiderte Kunststoffschalensitze und Kufen aus neuartigen Legierungen. Außerdem war in einem
Windkanal
die gunstigste Fahrhaltung ermittelt worden.
[43]
Da die olympischen Rennen gleichzeitig als 22.
Alpine Skiweltmeisterschaften
zahlten, erhielten die drei Besten in der
Abfahrt
, im
Riesenslalom
und im
Slalom
zusatzliche WM-Medaillen. Die
Kombination
, zusammengesetzt aus den Ergebnissen dieser drei Rennen, zahlte nur als Weltmeisterschaftsdisziplin. Diese Regelung bestand seit den
Winterspielen 1948
und galt bis 1980. Neben
Karl Schranz
war auch
Annie Famose
von der strengen Auslegung des Amateurstatuts betroffen. Die FIS untersagte der Franzosin die Teilnahme am Slalom. Sie hatte wahrend des Riesenslaloms (zu dem sie nicht gestartet war) fur
Radio Television Luxemburg
Kommentare abgegeben, die kommerziell verwertet wurden. Famose hatte allerdings erklart, dass sie, wie es die Statuten vorschrieben, kein Honorar bezogen und auch die Erlaubnis der Verbandsfunktionare gehabt habe.
[72]
[73]
Auch sonst waren die Franzosen, das dominierende Team im
Skiweltcup
, stark geschwacht:
Ingrid Lafforgue
,
Francoise Macchi
,
Jacqueline Rouvier
und
Patrick Russel
, die alle zu den Medaillenanwartern zahlten, fehlten verletzungsbedingt.
[74]
Am erfolgreichsten schnitt das Schweizer Team ab, das drei Gold-, zwei Silber- und eine Bronzemedaille gewann. Die mitfavorisierten Osterreicher kamen auf vier Medaillen, blieben aber ohne Olympiasieg in dieser Sportart. Vor allem von
Annemarie Proll
, der Seriensiegerin der letzten und der laufenden Weltcupsaison, waren Siege erwartet worden. Sowohl in der Abfahrt als auch im Riesenslalom musste sich die Topfavoritin jedoch uberraschend von der 17-jahrigen Schweizerin
Marie-Theres Nadig
geschlagen geben und sich mit zwei Silbermedaillen begnugen. In der Abfahrt ging die Bronzemedaille an die Amerikanerin
Susan Corrock
, im Riesenslalom an die Osterreicherin
Wiltrud Drexel
. Der Slalom endete mit einer weiteren Uberraschung: Die Amerikanerin
Barbara Ann Cochran
siegte mit 0,02 Sekunden Vorsprung auf die Franzosin
Daniele Debernard
, Platz 3 belegte mit
Florence Steurer
eine weitere Franzosin.
[74]
Angesichts der bisherigen Saisonleistungen und der Trainingsergebnisse rechneten die Medien ubereinstimmend mit einem Schweizer Erfolg in der Mannerabfahrt, zumal mit Karl Schranz der großte Konkurrent ausfiel. Alle vier gestarteten Schweizer klassierten sich unter den ersten Sechs, das Rennen endete mit einem Doppelsieg.
Bernhard Russi
, der Weltmeister von 1970, gewann mit deutlichem Vorsprung auf seinen Teamkollegen
Roland Collombin
; der drittplatzierte Osterreicher
Heinrich Messner
war fast eine Sekunde langsamer. Nach dem ersten Durchgang des Riesenslaloms fuhrte der Norweger
Erik Haker
, der aber im zweiten Lauf ausschied. Davon profitierte der Italiener
Gustav Thoni
, der das Rennen vor den Schweizern
Edmund Bruggmann
und
Werner Mattle
fur sich entschied. Als eine der großten Uberraschungen in der Geschichte des alpinen Skisports gilt der Sieg des Spaniers
Francisco Fernandez Ochoa
im abschließenden Slalom. Bis heute ist dies der einzige spanische Olympiasieg bei Winterspielen. Die weiteren Medaillen gingen an Gustav Thoni und an seinen Cousin
Roland Thoni
.
[74]
Die olympischen Wettbewerbe im
nordischen Skisport
galten auch als 29.
Nordische Skiweltmeisterschaften
. Ahnlich wie bei den Alpinen erhielten
Langlaufer
und
Skispringer
zusatzliche WM-Medaillen. Diese Regelung war bereits 1924 bei den
ersten Winterspielen
eingefuhrt worden und hatte bis 1980 Bestand.
Wahrend das Skispringen ein Publikumsmagnet war, stießen die Langlaufrennen auf sehr geringes Interesse; nicht einmal ein Viertel der Eintrittskarten konnten verkauft werden.
[53]
Am besten schnitten die Langlaufer aus der Sowjetunion ab, mit funf Siegen in sieben Rennen. Eine Klasse fur sich war
Galina Kulakowa
, die sowohl uber 5 km als auch uber 10 km und mit der Staffel die Goldmedaille gewann. Die Sieger bei den Mannern waren der Schwede
Sven-Ake Lundback
uber 15 km, der Russe
Wjatscheslaw Wedenin
uber 30 km, der Norweger
Pal Tyldum
uber 50 km sowie die sowjetische Staffel. Bemerkenswert war der dritte Rang der Schweizer Staffel, die im Endspurt die Schweden hinter sich ließ.
[69]
Die Japaner rechneten sich die großten Chancen auf Medaillen in den Skisprungwettbewerben aus. Ihre Hoffnungen ruhten vor allem auf
Yukio Kasaya
, der bei der
Vierschanzentournee 1971/72
uberragende Leistungen gezeigt und die drei ersten Springen in
Oberstdorf
,
Garmisch-Partenkirchen
und
Innsbruck
gewonnen hatte. Er musste auf den sicheren Gesamtsieg verzichten und vor dem abschließenden Springen in
Bischofshofen
nach Japan zuruckkehren, um sich in Sapporo intensiv vorzubereiten.
[75]
Die Strategie zahlte sich aus: Kasaya gewann auf der kleinen Schanze uberlegen die erste Goldmedaille Japans bei Winterspielen, vor seinen Teamkollegen
Akitsugu Konno
und
Seiji Aochi
. Funf Tage spater, am Nationalfeiertag, erwarteten die zahlreichen Zuschauer einen ahnlichen Erfolg auf der großen Schanze. Starke Windboen machten den Wettbewerb jedoch zu einer Lotterie. Uberraschend siegte der wenig bekannte Pole
Wojciech Fortuna
, der nur als Ersatzmann mitgereist war, mit dem kleinstmoglichen Vorsprung von 0,1 Punkten auf den Schweizer
Walter Steiner
. Die Bronzemedaille ging an
Rainer Schmidt
aus der DDR.
[69]
Die erfolgreichsten Sportler in Sapporo waren der niederlandische Eisschnelllaufer
Ard Schenk
und die sowjetische Langlauferin
Galina Kulakowa
, die je drei Siege feiern konnten. Mit 13 Jahren und 28 Tagen war die sowjetische Eiskunstlauferin
Marina Sanaja
die jungste Teilnehmerin dieser Winterspiele. Sie belegte im Einzelwettbewerb den 18. Platz und war damit Zweitletzte. Altester Teilnehmer war mit 42 Jahren und 178 Tagen der kanadische Bobfahrer
Hans Gehrig
, der im Viererbob auf den 13. und im Zweierbob auf den 18. Platz fuhr.
[76]
Bei den Winterspielen 1968 waren sporadisch
Dopingtests
durchgefuhrt worden, 1972 geschah dies erstmals systematisch.
Urinproben
abgeben mussten eine zufallige Auswahl der drei Besten jeder Disziplin sowie nach jedem Eishockeyspiel je zwei Spieler beider Teams.
[77]
Am 9. Februar vermeldete das IOC den vermeintlich ersten Dopingfall bei Winterspielen: Beim bundesdeutschen Eishockeyspieler
Alois Schloder
war die Einnahme eines
ephedrinhaltigen
Stimulanzmittels nachgewiesen worden, was seinen Ausschluss vom Turnier zur Folge hatte. Das Medikament war ihm jedoch kurz zuvor vom Mannschaftsarzt des
Deutschen Eishockey-Bundes
wegen zu niedrigen Blutdrucks verordnet worden.
[78]
Die
Internationale Eishockey-Foderation
hob die sechsmonatige Sperre wenig spater auf und Schloder stand bei der Weltmeisterschaft im April 1972 wieder im Team.
[79]
Nach dem Bekanntwerden des Falles schrieb die Presse in der DDR, die ?bundesdeutsche Schwadron“ habe ?dem olympischen Frieden ein Ende gesetzt“.
[78]
Allerdings hatte sich in der DDR spatestens 1968 der Gebrauch anabol-androgener Substanzen im gesamten Hochleistungsbereich des
Deutschen Turn- und Sportbundes
durchgesetzt. Die Zahl der allfallig gedopten Sportler lasst sich nicht eruieren. Auffallig sind markante Leistungssteigerungen, die nicht allein mit technischen Innovationen wie beim Rennrodeln erklarbar sind.
[80]
Um die Teilnahme von
Hermaphroditen
an Wettkampfen fur Frauen zu verhindern, ließ das IOC Geschlechtskontrollen durchfuhren. Samtliche Athletinnen mussten sich im Frauenquartier des olympischen Dorfes einem Test unterziehen. Personal der
Medizinischen Universitat Sapporo
nahm
Abstriche
der
Mundschleimhaut
vor und stellte bei den Untersuchungen der Chromosomenmuster keine Abweichungen fest.
[77]
3713 Medienvertreter berichteten aus Sapporo: 1044 Pressejournalisten und -fotografen, 163 Vertreter von Nachrichtenagenturen, 667 Rundfunk- und Fernsehjournalisten, 178 Techniker fur den offiziellen Dokumentarfilm und 1075 TV-Techniker. Damit mussten uber tausend
Presseakkreditierungen
mehr vergeben werden als in Grenoble, was vor allem auf die markante Zunahme der TV-Techniker zuruckzufuhren war.
[81]
Das Pressezentrum befand sich in Kashiwagaoka am Sudrand des
Makomanai-Parks
. Es umfasste drei Gebaude mit einer Nutzflache von 9216 m² und war im November 1971 nach 13 Monaten Bauzeit betriebsbereit.
[82]
Die auslandischen Medienvertreter waren entweder in Kashiwagaoka selbst oder in der benachbarten Siedlung Midorimachi untergebracht. Fur die japanischen Journalisten standen im Stadtzentrum zwei große Mietshauser der staatlichen Wohnbaugesellschaft
Nihon J?taku K?dan
zur Verfugung.
[83]
Nippon Telegraph and Telephone
war fur die gesamte
Datenverarbeitung
zustandig und loste damit den bisherigen Monopolanbieter
IBM
ab, der seit der erstmaligen Verwendung von Computern bei den
Winterspielen 1960
tatig gewesen war. Untergebracht war das
Rechenzentrum
in einem neuen Gebaude in der Innenstadt.
[84]
Die offentlich-rechtliche Rundfunkanstalt
NHK
war verantwortlich fur die Produktion der Fernsehubertragungen und die technischen Dienstleistungen fur jene auslandischen Anstalten, die
Ubertragungsrechte
erworben hatten. Fur die exklusiven Rechte in den USA uberwies
NBC
6,401 Mio.
US-Dollar
(entsprache heute inflationsbereinigt ca. 38,4 Mio. Euro). Die
Europaische Rundfunkunion
bezahlte 1,233 Mio. $ (7,4 Mio. €) fur die Rechte in 23 westeuropaischen Landern, die NHK 530.000 $ (3,2 Mio. €) fur Japan. Insgesamt kosteten die Ubertragungsrechte 8,475 Mio. $ (50,8 Mio. €), mehr als der dreifache Betrag von 1968. Die Gesamtdauer der erstmals vollstandig farbigen Fernsehubertragungen betrug 162 Stunden und 35 Minuten. Zu empfangen waren diese in 40 Landern.
[85]
In
Osterreich
empfanden weite Teile der Bevolkerung den Ausschluss von
Karl Schranz
als Verletzung des
Nationalstolzes
. Eine Welle der Emporung beherrschte zwei Wochen lang Schlagzeilen und Rundfunksendungen. Weit verbreitet war die Meinung, der ?greise Millionar“
Avery Brundage
habe sich mit den Kommunisten verschworen und Schranz ?auf dem Altar eines schon seit langem verlogenen Amateurismus [geopfert]“.
[86]
Aufrufe der
Kleinen Zeitung
und von Unterrichtsminister
Fred Sinowatz
, die gesamte osterreichische Delegation solle aus Protest vorzeitig abreisen, verhallten indes ungehort, zumal Schranz selbst einen solch drastischen Schritt ablehnte. Am 8. Februar landete er auf dem
Flughafen Wien-Schwechat
, wo ihn eine durch die Berichterstattung euphorisierte Menschenmenge empfing. In Sinowatz’ Dienstwagen fuhr er ins Stadtzentrum, wobei zahlreiche Menschen am Straßenrand Spalier standen. Am
Ballhausplatz
angekommen, begab er sich zusammen mit Bundeskanzler
Bruno Kreisky
auf den Balkon des
Bundeskanzleramtes
, um sich von der jubelnden Menge feiern zu lassen. Schatzungen der Polizei gingen von etwa 87.000 Personen aus, die der als Heldenempfang inszenierten Ruckkehr beiwohnten. Ahnliche Szenen wiederholten sich einen Tag spater in
Innsbruck
.
[47]
Die in Sapporo gebliebenen Sportler standen unter massivem Druck der Offentlichkeit und erhielten zahlreiche Drohbriefe. Die einzige osterreichische Goldmedaille durch
Beatrix Schuba
wurde als ?Judas-Gold“ einer unsolidarischen ?Verraterin“ verspottet.
[86]
In ihrer Heimatstadt
Wien
war kein Empfang fur die Eiskunstlauferin geplant worden, weshalb
Linz
kurzfristig einsprang.
[87]
Die
Schweiz
war in Sapporo so erfolgreich wie nie zuvor und klassierte sich im Medaillenspiegel als drittbeste Mannschaft. Acht Jahre zuvor, bei den
Winterspielen 1964
in Innsbruck, hatte kein einziger Schweizer eine Medaille gewonnen. Daraufhin folgte eine tiefgreifende Reform der Spitzensportstrukturen, begleitet von der Einfuhrung moderner Managementmethoden in den Verbanden, einer gezielten Nachwuchsforderung und der Grundung der
Schweizer Sporthilfe
.
[88]
Als Schlusselfigur des Erfolgs gilt
Adolf Ogi
, der technische Direktor des
Schweizerischen Skiverbandes
: Im Februar 1971 fuhrte er eine Delegation an, die in Sapporo die Strecken vermaß, die Schneeverhaltnisse mit wissenschaftlichen Methoden untersuchte und die Wetterbedingungen studierte. Dadurch konnten die
Skiwachs
-Mischungen der Firma Toko optimal an die Verhaltnisse angepasst werden. Eine solche akribische Vorbereitung ist heutzutage ublich, war damals aber revolutionar. Wahrend der ?goldenen Tage von Sapporo“ setzte sich Ogi medienwirksam in Szene und erlangte derart große Bekanntheit, dass die Medien bald das Motto ?Ogis Leute siegen heute“ pragten. Er nutzte diese Popularitat fur eine politische Karriere, die er 1987 mit der Wahl in den
Bundesrat
kronte.
[89]
Mit 14 Medaillen stellte die
DDR
das zweitbeste Team. Die Presse bejubelte die Erfolge und wetterte gleichzeitig gegen Journalisten aus der
Bundesrepublik
. So bezeichnete das
Sportecho
Versuche bundesdeutscher Medien, mit DDR-Sportlern in Kontakt zu treten, als ?schmutziges Handwerk“. Ein weiterer Vorwurf lautete, sie seien ?Vorreiter politischer Intrigen, bewusster Verleumdungen und grober Hetze“. Gemaß einem Bericht des
Bundesnachrichtendienstes
war die
SED
-Parteifuhrung mit der Wirkung der Propaganda dennoch unzufrieden: Die Bevolkerung habe sich zwar uber die Erfolge gefreut, aber nicht genugend erkannt, dass diese auf der ?Uberlegenheit des Sozialismus“ basierten. Aufgrund der weiten Entfernung Sapporos galten die propagandistischen Bemuhungen ohnehin uberwiegend den kommenden Sommerspielen beim ?
Klassenfeind
“ in
Munchen
. Unter den Erwartungen schnitten die bundesdeutschen Athleten ab, die funf Medaillen gewannen.
Die Zeit
fuhrte dies darauf zuruck, dass die Sportler durch die verstarkten Zuwendungen der
Stiftung Deutsche Sporthilfe
kurioserweise einem hoheren Leistungsdruck ausgesetzt gewesen seien.
Johann Baptist Gradl
, der Vorsitzende des
Kuratoriums Unteilbares Deutschland
, vertrat die Meinung, dass Sportfunktionare und Bevolkerung der Bundesrepublik begonnen hatten, Erfolge der DDR-Sportler zunehmend als Leistungen ?deutscher“ und nicht ?sozialistischer“ Sportler zu betrachten.
[90]
Die Winterspiele in Sapporo galten als großer Erfolg und die Qualitat der Organisation wurde allgemein gelobt. Laut Yugo Ono, Professor fur Geo- und Umweltwissenschaften an der
Universitat Hokkaid?
, habe die Stadt ?unbestreitbar von den Olympischen Spielen profitiert“. Die Veranstaltung habe es ihr ermoglicht, ihr Wachstum und ihre Urbanisierung zu beschleunigen, was vor allem auf die zahlreichen neuen Infrastrukturen wie Straßen, U-Bahn und Sportanlagen zuruckzufuhren sei. Durch die Winterspiele habe Sapporo das Image einer jungen und weltoffenen Stadt erlangt. Die touristische Anziehungskraft erhohte sich, insbesondere in der Wintersaison. Dies trifft vor allem auf das
Sapporo-Schneefestival
zu, das 1972 zum 23. Mal stattfand und durch die Winterspiele erstmals ins internationale Rampenlicht ruckte.
[91]
Jean-Loup Chappelet, Professor fur Public Management an der
Universitat Lausanne
, schatzte die Auswirkungen auf die Umwelt als relativ gering ein und bezeichnete die Winterspiele 1972 als die ersten, bei denen Umweltfragen tatsachlich berucksichtigt worden seien.
[92]
Im Falle der Abfahrtspisten am
Eniwa
trifft dies aber nur eingeschrankt zu: Kaum waren die olympischen Rennen vorbei, begann dort der Abbruch samtlicher Anlagen, die nur ein Jahr lang genutzt worden waren. Das anschließende
Wiederaufforstungsprogramm
dauerte bis 1986. Vier Jahrzehnte nach den Winterspielen berichteten lokale Medien, dass die Schneisen mittlerweile zugewachsen seien, der neue Wald jedoch weiterhin eher einer Plantage gleiche und es wohl hundert Jahre dauern werde, bis der naturliche Zustand vollstandig wiederhergestellt sei.
[35]
In Sapporo fanden seit 1972 zahlreiche bedeutende Sportveranstaltungen statt. Dazu gehoren die
Winter-Asienspiele
in den Jahren 1986, 1990 und 2017 sowie die
Nordischen Skiweltmeisterschaften 2007
. Beide Sprungschanzen sind regelmaßig Austragungsort von Wettbewerben des
Skisprung-Weltcups
. Die Stadt zog eine Kandidatur fur die
Winterspiele 2026
in Betracht, zumal alle erforderlichen Sportanlagen bereits existieren und keine Neubauten erstellt werden mussten.
[93]
Angesichts der Schaden, die durch das
Hokkaid?-Erdbeben 2018
entstanden waren, zog die Stadt am 17. September 2018 die Kandidatur offiziell zuruck, bleibt aber an einer Ausrichtung im Jahr 2030 interessiert.
[94]
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Einzige Ausnahme war die
Tsukisamu-Sporthalle
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Zu diesem Zeitpunkt war
Denver
offiziell als nachster Austragungsort vorgesehen. Nach etlichen technischen und finanziellen Problemen wahrend der Vorbereitung erzwang ein Komitee ein Referendum. Im November 1972 sprachen sich die Wahler des Staates
Colorado
gegen die Ausrichtung der Winterspiele aus, woraufhin
Innsbruck
als Ersatzstandort einsprang.