Das
Alte Theater
(fruher auch
Neues Theater
,
Comodienhaus
,
Theater der Stadt Leipzig
,
Theater am Ranstadter Tor
) war der erste steinerne Theaterneubau in
Leipzig
. Es stand am heutigen
Richard-Wagner-Platz
, der zuvor Fleischerplatz/Theaterplatz und davor Rannische Bastei hieß. An seiner Stelle befindet sich heute die viergleisige Straßenbahnhaltestelle
Goerdelerring
.
Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war der Theaterbetrieb in Leipzig, abgesehen von einem Privileg der
Neuberin
(1697?1760) von 1727 bis 1733 fur ein stationares Theater, von reisenden Schauspielertruppen an verschiedenen Orten der Stadt wahrgenommen worden. 1749 erhielt der
Theaterprinzipal
Heinrich Gottfried Koch
(1703?1775) das
kursachsische
Privileg einer dauernden Spielerlaubnis. Er nutzte fur seine Vorstellungen einen Theatersaal in Quandts Hof mit im Halbkreis angeordneten Zuschauerplatzen. Der Bau eines eigenen Theaterhauses wurde ihm zunachst verwehrt.
Er konnte aber, nachdem er zwischenzeitlich Leipzig fur einige Jahre verlassen hatte, eine erfolgreiche Initiative nutzen, die der Leipziger Kaufmann
Gottlieb Benedict Zemisch
(1716?1789) mit weiteren Mitstreitern nach dem
Siebenjahrigen Krieg
unternommen hatte, ein Theaterhaus errichten zu durfen. Der Dresdner Architekt Georg Rudolph Fasch (1715?1787) plante den ?Comodienhaus“ genannten und 1766 fertiggestellten Bau auf den nordwestlichen Fundamenten der Stadtmauer, der Rannischen Bastei. Es hatte bei einem halbrunden Grundriss des Zuschauerraums auf drei Rangen und Logen 1186 Sitzplatze, im Parkett und auf der Galerie gab es nur Stehplatze. Der Buhnenvorhang war von
Adam Friedrich Oeser
(1717?1799) gemalt worden.
Nach einem gereimten Prolog von Universitatsprofessor
Christian August Clodius
(1737?1784) eroffnete die Koch’sche Truppe das Haus am 10. Oktober 1766 mit der Tragodie
Herrmann
von
Johann Elias Schlegel
(1719?1749), gefolgt von einem Schaferballett und der Komodie
Die unvermuthete Wiederkunft
von
Jean-Francois Regnard
(1655?1709). Der Student
Johann Wolfgang Goethe
(1749?1832) wohnte der Eroffnung als Zuschauer bei.
Einen wesentlichen Teil des Repertoires machten Singspiele von
Johann Adam Hiller
(1728?1804) aus, meist nach Libretti von
Christian Felix Weiße
(1726?1804). 1768 wohnte
Gotthold Ephraim Lessing
(1729?1781) einer Auffuhrung seines Lustspiels
Minna von Barnhelm
bei, und 1801 erlebte
Schillers
Jungfrau von Orleans
hier die Urauffuhrung. Schiller selbst kam erst zur zweiten Vorstellung.
Das Haus blieb zunachst im Privatbesitz Zemischs. 1796 kaufte es die Stadt seiner Witwe ab, ohne sich jedoch um die Auffuhrungen zu kummern. Des Sommers schickte der Dresdner Hof die Theatergruppen von
Franz
und
Joseph Seconda
nach Leipzig. Nach kleineren Umbauten am Buhnenhaus 1796 und 1802 verfiel das Haus mehr und mehr. Nach den
Befreiungskriegen
forderten Leipziger Burger ein eigenes Theaterensemble. Nachdem die Genehmigung aus Dresden vorlag, grundete sich, vornehmlich aus Kaufleuten, ein sechzigkopfiger Theaterverein. Diesem verkaufte die Stadt das Haus unter der Maßgabe, es kunftig ?Theater der Stadt Leipzig“ zu nennen. Die Direktion des Hauses ubernahm der Jurist
Karl Theodor Kustner
(1784?1864). Er veranlasste 1817 nach einem Entwurf des
badischen
Architekten
Friedrich Weinbrenner
Umbauten und Erweiterungen im
klassizistischen
Stil, die vom Universitatsbaumeister
Carl August Benjamin Siegel
(1757?1832) realisiert wurden. Dabei entstand die funfturige Schaufassade nach Westen mit der symbolischen Schmuckdekoration im Giebelfeld.
Am 26. August 1817 erfolgte die Wiedereroffnung als
Theater der Stadt Leipzig
mit Schillers
Braut von Messina
und einem Prolog von
Siegfried August Mahlmann
(1771?1826). Kustner entwickelte wahrend seiner elfjahrigen Direktionszeit das Theater zu einem der bedeutendsten Deutschlands. Von 1829 bis 1832 fungierte es als Sachsisches Hoftheater, anschließend kam die Leitung wieder in private Hand, und
Friedrich Sebald Ringelhardt
(1785?1855) ubernahm bis 1844 die Theaterdirektion. Hatte zuvor
Heinrich Marschner
(1795?1861) mit der Urauffuhrung seiner Opern fur Aufsehen gesorgt, war es nun
Albert Lortzing
(1801?1851), von dem acht Opern hier uraufgefuhrt wurden. Ringelhardt brachte aus
Koln
als Theatersekretar, Bibliothekar und Kassenassistent den spateren Kampfer der
Revolution von 1848
Robert Blum
(1807?1848) mit nach Leipzig.
Nach dem Bau des
Neuen Theaters
am Augustusplatz, wurde das Haus 1868 in
Altes Theater
umbenannt und nur noch fur Schauspiel und kleinere Opern genutzt. Seit 1912 stand es abermals unter Verwaltung der Stadt Leipzig.
Am 7. Dezember 1912 fand die Urauffuhrung des Marchenspiels
Peterchens Mondfahrt
von
Gerdt von Bassewitz
statt, das dann ab 1915 als Buch mit Illustrationen ein Klassiker der deutschen
Kinder- und Jugendliteratur
wurde. Am 8. Dezember 1923 war hier auch die Urauffuhrung von
Bertolt Brechts
(1898?1956) Drama
Baal
. Sie loste einen Skandal aus. Das Stuck wurde auf Drangen des Oberburgermeisters
Karl Rothe
(1865?1953) vom Spielplan wieder abgesetzt.
[1]
Bei der
Bombardierung Leipzigs
am 4. Dezember 1943 wurde auch das Alte Theater getroffen. Nach Kriegsende wurde die Ruine abgetragen.
- Friedrich Gottlob Leonhardi
,
Leipzig um 1800
, kommentierte und mit einem Register versehene Neuausgabe der
Geschichte und Beschreibung der Kreis- und Handelsstadt Leipzig
(1799), hrsg. v.
Klaus Sohl
,
Lehmstedt Verlag
, Leipzig 2010,
ISBN 978-3-942473-03-3
, S. 72?74
- Roland Dressler:
?... mit vielem Pracht und Geschmack eingeweyhet“
. In:
Leipziger Blatter
.
Nr.
68
, 2016,
S.
52?55
.
- Georg Witkowski:
Geschichte des literarischen Lebens in Leipzig
. B. G. Teubner, Leipzig und Berlin 1909,
S.
439?460
.
(online)
- Allgemeines Theaterlexikon
.
Band
5
. Expedition des Theaterlexikons, Altenburg und Leipzig 1846,
S.
107?116
.
(online)
- ↑
Bertolt Brechts ?Baal“ im Schauspielhaus.
In:
Website der Stadt Leipzig.
Abgerufen am 21. Juli 2016
.
- ↑
Konzertouverture.
In:
Klassika.
Abgerufen am 21. Juli 2016
.
- ↑
Konig Enzo.
In:
Klassika.
Abgerufen am 21. Juli 2016
.
51.344174
12.371847
Koordinaten:
51° 20′ 39″
N
,
12° 22′ 18,6″
O