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Mathematik

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Reutersvard -Dreieck, das im Kern eine Segmentierung des Penrose-Dreiecks ist, als Veranschaulichung fur unmogliche Figuren , die eine Schnittstelle zwischen Kunst und Mathematik darstellen

Die Mathematik ( bundesdeutsches Hochdeutsch : [ matema?tiːk ], [ matema?tik ]; osterreichisches Hochdeutsch : [ mate?maːtik ]; [1] von altgriechisch μαθηματικ? τ?χνη math?matik? techn? ?die Kunst des Lernens ‘) ist eine Formalwissenschaft , die aus der Untersuchung von geometrischen Figuren und dem Rechnen mit Zahlen entstand. Fur Mathematik gibt es keine allgemein anerkannte Definition ; heute wird sie ublicherweise als eine Wissenschaft beschrieben, die durch logische Definitionen selbstgeschaffene abstrakte Strukturen mittels der Logik auf ihre Eigenschaften und Muster untersucht.

Geschichte

Der agyptische Papyrus Rhind

Die Mathematik ist eine der altesten Wissenschaften. Ihre erste Blute erlebte sie noch vor der Antike in Mesopotamien , Indien und China , spater in der Antike in Griechenland und im Hellenismus . Von dort datiert die Orientierung an der Aufgabenstellung des ?rein logischen Beweisens“ und die erste Axiomatisierung , namlich die euklidische Geometrie . Im Mittelalter uberlebte sie unabhangig voneinander im fruhen Humanismus der Universitaten und in der arabischen Welt.

In der fruhen Neuzeit fuhrte Francois Viete Variablen ein, Rene Descartes eroffnete durch die Verwendung von Koordinaten einen rechnerischen Zugang zur Geometrie. Die Betrachtung von Anderungsraten ( Fluxionen ) sowie die Beschreibung von Tangenten und die Bestimmung von Flacheninhalten (?Quadratur“) fuhrten zur Infinitesimalrechnung von Gottfried Wilhelm Leibniz und Isaac Newton . Newtons Mechanik und sein Gravitationsgesetz waren auch in den folgenden Jahrhunderten eine Quelle richtungweisender mathematischer Probleme wie des Dreikorperproblems .

Ein anderes Leitproblem der fruhen Neuzeit war das Losen zunehmend komplizierter werdender algebraischer Gleichungen. Zu dessen Behandlung entwickelten Niels Henrik Abel und Evariste Galois den Begriff der Gruppe , der Beziehungen zwischen Symmetrien eines Objektes beschreibt. Als weitere Vertiefung dieser Untersuchungen konnen die neuere Algebra und insbesondere die algebraische Geometrie angesehen werden.

Eine damals neue Idee im Briefwechsel zwischen Blaise Pascal und Pierre de Fermat im Jahr 1654 fuhrte zur Losung eines alten Problems, fur das es schon andere, allerdings umstrittene Losungsvorschlage gab. Der Briefwechsel wird als Geburt der klassischen Wahrscheinlichkeitsrechnung angesehen. Die neuen Ideen und Verfahren eroberten viele Bereiche. Aber uber Jahrhunderte hinweg kam es zur Aufspaltung der klassischen Wahrscheinlichkeitstheorie in separate Schulen. Versuche, den Begriff ?Wahrscheinlichkeit“ explizit zu definieren, gelangen nur fur Spezialfalle. Erst das Erscheinen von Andrei Kolmogorows Lehrbuch Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitsrechnung im Jahr 1933 schloss die Entwicklung der Fundamente moderner Wahrscheinlichkeitstheorie ab, siehe dazu auch Geschichte der Wahrscheinlichkeitsrechnung .

Hauptgebaude des Weierstraß-Institutes in Berlin, das Sitz des Sekretariates des Weltverbandes Internationale Mathematische Union ist.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts fand die Infinitesimalrechnung durch die Arbeiten von Augustin-Louis Cauchy und Karl Weierstraß ihre heutige strenge Form . Die von Georg Cantor gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte Mengenlehre ist aus der heutigen Mathematik ebenfalls nicht mehr wegzudenken, auch wenn sie durch die Paradoxien des naiven Mengenbegriffs zunachst deutlich machte, auf welch unsicherem Fundament die Mathematik vorher stand.

Die Entwicklung der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts stand unter dem Einfluss von David Hilberts Liste von 23 mathematischen Problemen . Eines der Probleme war der Versuch einer vollstandigen Axiomatisierung der Mathematik; gleichzeitig gab es starke Bemuhungen zur Abstraktion, also des Versuches, Objekte auf ihre wesentlichen Eigenschaften zu reduzieren. So entwickelte Emmy Noether die Grundlagen der modernen Algebra, Felix Hausdorff die allgemeine Topologie als die Untersuchung topologischer Raume , Stefan Banach den wohl wichtigsten Begriff der Funktionalanalysis , den nach ihm benannten Banachraum . Eine noch hohere Abstraktionsebene, einen gemeinsamen Rahmen fur die Betrachtung ahnlicher Konstruktionen aus verschiedenen Bereichen der Mathematik, schuf schließlich die Einfuhrung der Kategorientheorie durch Samuel Eilenberg und Saunders Mac Lane .

Inhalte und Methodik

Inhalte und Teilgebiete

Die folgende Aufzahlung gibt einen ersten chronologischen Uberblick uber die Breite mathematischer Themen:

Etwas abseits steht in dieser Aufzahlung die Numerische Mathematik , die fur konkrete kontinuierliche Probleme aus vielen der oben genannten Bereiche Algorithmen zur Losung bereitstellt und diese untersucht.

Unterschieden werden ferner die reine Mathematik , auch als theoretische Mathematik bezeichnet, die sich nicht mit außermathematischen Anwendungen befasst, und die angewandte Mathematik , wie zum Beispiel die Versicherungsmathematik und Kryptologie . Die Ubergange der vorstehenden Gebiete sind fließend.

Fortschreiten durch Problemlosen

Isaac Newtons : Philosophiæ Naturalis Principia Mathematica .

Kennzeichnend fur die Mathematik ist weiterhin die Weise, wie sie durch das Bearbeiten von ?eigentlich zu schweren“ Problemen voranschreitet.

Sobald ein Grundschuler das Addieren naturlicher Zahlen gelernt hat, ist er in der Lage, folgende Frage zu verstehen und durch Probieren zu beantworten: ?Welche Zahl muss man zu 3 addieren, um 5 zu erhalten?“ Die systematische Losung solcher Aufgaben aber erfordert die Einfuhrung eines neuen Konzepts: der Subtraktion. Die Frage lasst sich dann umformulieren zu: ?Was ist 5 minus 3?“ Sobald aber die Subtraktion definiert ist, kann man auch die Frage stellen: ?Was ist 3 minus 5?“, die auf eine negative Zahl und damit bereits uber die Grundschulmathematik hinaus fuhrt.

Ebenso wie in diesem elementaren Beispiel beim individuellen Erlernen ist die Mathematik auch in ihrer Geschichte fortgeschritten: auf jedem erreichten Stand ist es moglich, wohldefinierte Aufgaben zu stellen, zu deren Losung weitaus anspruchsvollere Mittel notig sind. Oft sind zwischen der Formulierung eines Problems und seiner Losung viele Jahrhunderte vergangen und ist mit der Problemlosung schließlich ein vollig neues Teilgebiet begrundet worden: so konnten mit der Infinitesimalrechnung im 17. Jahrhundert Probleme gelost werden, die seit der Antike offen waren.

Auch eine negative Antwort, der Beweis der Unlosbarkeit eines Problems, kann die Mathematik voranbringen: so ist aus gescheiterten Versuchen zur Auflosung algebraischer Gleichungen die Gruppentheorie entstanden.

Axiomatische Formulierung und Sprache

Sir Henry Billingsleys erste englische Ausgabe der ?Elemente“ von Euklid (1570)

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, vereinzelt schon seit der Antike , wird die Mathematik in Form von Theorien prasentiert, die mit Aussagen beginnen, welche als wahr angesehen werden; daraus werden dann weitere wahre Aussagen hergeleitet. Diese Herleitung geschieht dabei nach genau festgelegten Schlussregeln . Die Aussagen, mit denen die Theorie anfangt, nennt man Axiome , die daraus hergeleiteten nennt man Satze . Die Herleitung selbst ist ein Beweis des Satzes. In der Praxis spielen noch Definitionen eine Rolle, durch sie werden mathematische Begriffe durch Ruckfuhrung auf grundlegendere eingefuhrt und prazisiert. Aufgrund dieses Aufbaus der mathematischen Theorien bezeichnet man sie als axiomatische Theorien.

Ublicherweise verlangt man dabei von Axiomen einer Theorie, dass diese widerspruchsfrei sind, also dass nicht gleichzeitig ein Satz und die Negation dieses Satzes wahr sind. Diese Widerspruchsfreiheit selbst lasst sich aber im Allgemeinen nicht innerhalb einer mathematischen Theorie beweisen (dies ist abhangig von den verwendeten Axiomen). Das hat zur Folge, dass etwa die Widerspruchsfreiheit der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre , die fundamental fur die moderne Mathematik ist, nicht ohne Zuhilfenahme weiterer Annahmen beweisbar ist.

Die von diesen Theorien behandelten Gegenstande sind abstrakte mathematische Strukturen, die ebenfalls durch Axiome definiert werden. Wahrend in den anderen Wissenschaften die behandelten Gegenstande vorgegeben sind und danach die Methoden zur Untersuchung dieser Gegenstande geschaffen werden, ist bei der Mathematik umgekehrt die Methode vorgegeben und die damit untersuchbaren Gegenstande werden erst danach erschaffen. In dieser Weise nimmt und nahm die Mathematik immer eine Sonderstellung unter den Wissenschaften ein.

Die Weiterentwicklung der Mathematik geschah und geschieht dagegen oft durch Sammlungen von Satzen, Beweisen und Definitionen, die nicht axiomatisch strukturiert sind, sondern vor allem durch die Intuition und Erfahrung der beteiligten Mathematiker gepragt sind. Die Umwandlung in eine axiomatische Theorie erfolgt erst spater, wenn weitere Mathematiker sich mit den dann nicht mehr ganz so neuen Ideen beschaftigen.

Kurt Godel zeigte um 1930 den nach ihm benannten Unvollstandigkeitssatz , der besagt, dass es in jedem Axiomensystem klassischer Logik, das erlaubt, gewisse Aussagen uber naturliche Zahlen zu beweisen, entweder Aussagen gibt, die ebenso wenig wie ihre Negation beweisbar sind, oder aber das System selbst widerspruchlich ist.

Mathematik benutzt zur Beschreibung von Sachverhalten eine sehr kompakte Sprache, die auf Fachbegriffen und vor allem Formeln beruht. Eine Darstellung der in den Formeln benutzten Zeichen findet sich in der Liste mathematischer Symbole . Eine Besonderheit der mathematischen Fachsprache besteht in der Bildung von aus Mathematikernamen abgeleiteten Adjektiven wie pythagoreisch , euklidisch, eulersch , abelsch , noethersch und artinsch .

Anwendungsgebiete

Jakob Bernoulli : Ars Conjectandi (1713)

Die Mathematik ist in allen Wissenschaften anwendbar, die ausreichend formalisiert sind. Daraus ergibt sich ein enges Wechselspiel mit Anwendungen in empirischen Wissenschaften. Uber viele Jahrhunderte hinweg hat die Mathematik Anregungen aus der Astronomie , der Geodasie , der Physik und der Okonomie aufgenommen und umgekehrt die Grundlagen fur den Fortschritt dieser Facher bereitgestellt. Beispielsweise hat Newton die Infinitesimalrechnung entwickelt, um das physikalische Konzept ?Kraft gleich Impulsanderung“ mathematisch zu fassen. Solow entwickelte ein okonomisches Modell des Wachstums einer Volkswirtschaft , das bis heute die Grundlage der neoklassischen Wachstumstheorie bildet. Fourier hat beim Studium der Wellengleichung die Grundlage fur den modernen Funktionsbegriff gelegt und Gauß hat im Rahmen seiner Beschaftigung mit Astronomie und Landvermessung die Methode der kleinsten Quadrate entwickelt und das Losen von linearen Gleichungssystemen systematisiert. Aus der anfanglichen Untersuchung von Glucksspielen ist die heute allgegenwartige Statistik hervorgegangen.

Umgekehrt haben Mathematiker zuweilen Theorien entwickelt, die erst spater uberraschende praktische Anwendungen gefunden haben. So ist zum Beispiel die schon im 16. Jahrhundert entstandene Theorie der komplexen Zahlen zur mathematischen Darstellung des Elektromagnetismus inzwischen unerlasslich geworden. Ein weiteres Beispiel ist der tensorielle Differentialformen ­kalkul, den Einstein fur die mathematische Formulierung der allgemeinen Relativitatstheorie verwendet hatte. Des Weiteren galt die Beschaftigung mit der Zahlentheorie lange Zeit als intellektuelle Spielerei ohne praktischen Nutzen, ohne sie waren heute allerdings die moderne Kryptographie und ihre vielfaltigen Anwendungen im Internet nicht denkbar.

Verhaltnis zu anderen Wissenschaften

Kategorisierung der Mathematik

Gregor Reisch , Margarita Philosophica (1508)

Uber die Frage, zu welcher Kategorie der Wissenschaften die Mathematik gehort, wird seit langer Zeit kontrovers diskutiert.

Viele mathematische Fragestellungen und Begriffe sind durch die Natur betreffende Fragen motiviert, beispielsweise aus der Physik oder den Ingenieurwissenschaften , und die Mathematik wird als Hilfswissenschaft in nahezu allen Naturwissenschaften herangezogen. Jedoch ist sie selbst keine Naturwissenschaft im eigentlichen Sinne, da ihre Aussagen nicht von Experimenten oder Beobachtungen abhangen. Dennoch wird in der neueren Philosophie der Mathematik davon ausgegangen, dass auch die Methodik der Mathematik immer mehr derjenigen der Naturwissenschaft entspricht. Im Anschluss an Imre Lakatos wird eine ?Renaissance des Empirismus “ vermutet, wonach auch Mathematiker Hypothesen aufstellen und fur diese Bestatigungen suchen.

Die Mathematik hat methodische und inhaltliche Gemeinsamkeiten mit der Philosophie ; beispielsweise ist die Logik ein Uberschneidungsbereich der beiden Wissenschaften. Damit konnte man die Mathematik zu den Geisteswissenschaften rechnen, [2] aber auch die Einordnung in die Philosophie ist umstritten.

Auch aus diesen Grunden kategorisieren einige die Mathematik ? neben anderen Disziplinen wie der Informatik ? als Strukturwissenschaft bzw. Formalwissenschaft .

An deutschen Universitaten gehort die Mathematik meistens zur selben Fakultat wie die Naturwissenschaften, und so wird Mathematikern nach der Promotion in der Regel der akademische Grad eines Dr. rer. nat. (Doktor der Naturwissenschaft) verliehen. Im Gegensatz dazu erreicht im englischen Sprachraum der Hochschulabsolvent die Titel ?Bachelor of Arts“ bzw. ?Master of Arts“, die eigentlich an Geisteswissenschaftler vergeben werden.

Sonderrolle unter den Wissenschaften

Galileo Galilei : Discorsi e Dimostrazioni Matematiche Intorno a Due Nuove Scienze (1638)

Eine Sonderrolle unter den Wissenschaften nimmt die Mathematik bezuglich der Gultigkeit ihrer Erkenntnisse und der Strenge ihrer Methoden ein. Wahrend beispielsweise alle naturwissenschaftlichen Erkenntnisse durch neue Experimente falsifiziert werden konnen und daher prinzipiell vorlaufig sind, werden mathematische Aussagen durch reine Gedankenoperationen auseinander hervorgebracht oder aufeinander zuruckgefuhrt und brauchen nicht empirisch uberprufbar zu sein. Dafur muss aber fur mathematische Erkenntnisse ein streng logischer Beweis gefunden werden, bevor sie als mathematischer Satz anerkannt werden. In diesem Sinn sind mathematische Satze prinzipiell endgultige und allgemeingultige Wahrheiten, sodass die Mathematik als die exakte Wissenschaft betrachtet werden kann. Gerade diese Exaktheit ist fur viele Menschen das Faszinierende an der Mathematik. So sagte David Hilbert auf dem Internationalen Mathematiker-Kongress 1900 in Paris:

?Wir erortern noch kurz, welche berechtigten allgemeinen Forderungen an die Losung eines mathematischen Problems zu stellen sind: ich meine vor allem die, daß es gelingt, die Richtigkeit der Antwort durch eine endliche Anzahl von Schlussen darzutun, und zwar auf Grund einer endlichen Anzahl von Voraussetzungen, welche in der Problemstellung liegen und die jedesmal genau zu formulieren sind. Diese Forderung der logischen Deduktion mittels einer endlichen Anzahl von Schlussen ist nichts anderes als die Forderung der Strenge in der Beweisfuhrung. In der Tat, die Forderung der Strenge, die in der Mathematik bekanntlich von sprichwortlicher Bedeutung geworden ist, entspricht einem allgemeinen philosophischen Bedurfnis unseres Verstandes, und andererseits kommt durch ihre Erfullung allein erst der gedankliche Inhalt und die Fruchtbarkeit des Problems zur vollen Geltung. Ein neues Problem, zumal, wenn es aus der außeren Erscheinungswelt stammt, ist wie ein junges Reis, welches nur gedeiht und Fruchte tragt, wenn es auf den alten Stamm, den sicheren Besitzstand unseres mathematischen Wissens, sorgfaltig und nach den strengen Kunstregeln des Gartners aufgepfropft wird.“ [3]

Joseph Weizenbaum vom Massachusetts Institute of Technology bezeichnete die Mathematik als die Mutter aller Wissenschaften.

?Ich behaupte aber, daß in jeder besonderen Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft angetroffen werden konne, als darin Mathematik anzutreffen ist.“

? Immanuel Kant : Metaphysische Anfangsgrunde der Naturwissenschaft , A VIII ? (1786)

Die Mathematik ist daher auch eine kumulative Wissenschaft. Man kennt heute uber 2000 mathematische Fachzeitschriften. Dies birgt jedoch auch eine Gefahr: durch neuere mathematische Gebiete geraten altere Gebiete in den Hintergrund. Neben sehr allgemeinen Aussagen gibt es auch sehr spezielle Aussagen, fur die keine echte Verallgemeinerung bekannt ist. Donald E. Knuth schreibt dazu im Vorwort seines Buches Concrete Mathematics:

“The course title ‘Concrete Mathematics’ was originally intended as an antidote to ‘Abstract Mathematics’, since concrete classical results were rapidly being swept out of the modern mathematical curriculum by a new wave of abstract ideas popularly called the ‘New Math’. Abstract mathematics is a wonderful subject, and there’s nothing wrong with it: It’s beautiful, general and useful. But its adherents had become deluded that the rest of mathematics was inferior and no longer worthy of attention. The goal of generalization had become so fashionable that a generation of mathematicians had become unable to relish beauty in the particular, to enjoy the challenge of solving quantitative problems, or to appreciate the value of technique. Abstract mathematics was becoming inbred and losing touch with reality; mathematical education needed a concrete counterweight in order to restore a healthy balance.”

?Der Veranstaltungstitel ?Konkrete Mathematik‘ war ursprunglich als Gegenpol zur ?Abstrakten Mathematik‘ gedacht, denn konkrete, klassische Errungenschaften wurden von einer neuen Welle abstrakter Vorstellungen ? gemeinhin ?New Math‘ (?neue Mathematik‘) genannt ? in rasantem Tempo aus den Lehrplanen gespult. Abstrakte Mathematik ist eine wunderbare Sache, an der nichts auszusetzen ist: Sie ist schon, allgemeingultig und nutzlich. Aber ihre Anhanger gelangten zu der irrigen Ansicht, dass die ubrige Mathematik minderwertig und nicht mehr beachtenswert sei. Das Ziel der Verallgemeinerung kam dermaßen in Mode, dass eine ganze Generation von Mathematikern nicht mehr im Stande war, Schonheit im Speziellen zu erkennen, die Losung von quantitativen Problemen als Herausforderung zu begreifen oder den Wert mathematischer Techniken zu schatzen. Die abstrakte Mathematik drehte sich nur noch um sich selbst und verlor den Kontakt zur Realitat; in der mathematischen Ausbildung war ein konkretes Gegengewicht notwendig, um wieder ein stabiles Gleichgewicht herzustellen.“

Es kommt somit der alteren mathematischen Literatur eine besondere Bedeutung zu.

Der Mathematiker Claus Peter Ortlieb kritisiert die ? seiner Ansicht nach ? zu wenig reflektierte Anwendung der modernen Mathematik:

?Man muss sich bewusst machen, dass die Erfassung der Welt durch Mathematik Grenzen hat. Die Annahme, sie funktioniere allein nach mathematischen Gesetzen, fuhrt dazu, dass man nur noch nach diesen Gesetzen Ausschau halt. Naturlich werde ich sie in den Naturwissenschaften auch finden, doch ich muss mir im Klaren daruber sein, dass ich die Welt durch eine Brille hindurch betrachte, die von vornherein große Teile ausblendet. […] Die mathematische Methode ist langst von Wissenschaftlern fast aller Disziplinen ubernommen worden und wird in allen moglichen Bereichen angewandt, wo sie eigentlich nichts zu suchen hat. […] Bedenklich sind Zahlen immer dann, wenn sie zu Normierungen fuhren, obwohl niemand mehr nachvollziehen kann, wie die Zahlen zustande gekommen sind.“ [4]

Mathematik in der Gesellschaft

Logo zum Jahr der Mathematik

Mathematik im ?Wissenschaftsjahr 2008“

Das vom Bundesministerium fur Bildung und Forschung (BMBF) seit dem Jahr 2000 jahrlich ausgerichtete Wissenschaftsjahr war 2008 das Jahr der Mathematik .

Mathematik in der Schule

Mathematik spielt in der Schule eine wichtige Rolle als Pflichtfach . Mathematikdidaktik ist die Wissenschaft, die sich mit dem Lehren und Lernen von Mathematik beschaftigt. In den Klassen 5?10 geht es vor allem um das Erlernen von Rechenfertigkeiten. In deutschen Gymnasien werden in der Oberstufe, also ab Klasse 11, dann Differential- und Integralrechnung sowie Analytische Geometrie / Lineare Algebra eingefuhrt und dazu Stochastik weitergefuhrt.

Große Verbreitung an Schulen hat der Wettbewerb Kanguru der Mathematik gefunden: Von 200 Teilnehmern im Jahr 1995 stieg die Anzahl auf 968.000 im Jahr 2019. Es ist ein Multiple-Choice-Wettbewerb mit Aufgaben zum Knobeln, zum Rechnen und zum Schatzen, der vor allem Freude an der Beschaftigung mit Mathematik wecken soll. Die Aufgaben erfordern keine schriftliche Begrundung. [5]

Mathematik als Studienfach und Beruf

Menschen, die sich beruflich mit der Entwicklung und der Anwendung der Mathematik beschaftigen, nennt man Mathematiker .

Neben dem Mathematikstudium, in dem man seine Schwerpunkte auf reine und/oder angewandte Mathematik setzen kann, sind in neuerer Zeit vermehrt interdisziplinare Studiengange wie Technomathematik , Wirtschaftsmathematik , Computermathematik oder Biomathematik eingerichtet worden. Ferner ist das Lehramt an weiterfuhrenden Schulen und Hochschulen ein wichtiger mathematischer Berufszweig. An deutschen Universitaten wurde im Rahmen des Bologna-Prozesses das Diplom auf Bachelor / Master -Studiengange umgestellt. Eine gewisse Anzahl an Semesterwochenstunden in Mathematik mussen auch angehende Informatiker , Chemiker , Biologen , Physiker , Geologen und Ingenieure belegen.

Die haufigsten Arbeitgeber fur Mathematiker sind Versicherungen , Banken und Unternehmensberatungen , insbesondere im Bereich mathematischer Finanzmodelle und Consulting, aber auch im IT-Bereich. Daruber hinaus werden Mathematiker in fast allen Branchen eingesetzt.

Mathematische Museen und Sammlungen

Mathematik ist eine der altesten Wissenschaften und auch eine experimentelle Wissenschaft. Diese beiden Aspekte lassen sich durch Museen und historische Sammlungen sehr gut verdeutlichen.

Die alteste Einrichtung dieser Art in Deutschland ist der 1728 gegrundete Mathematisch-Physikalische Salon in Dresden. Das Arithmeum in Bonn am dortigen Institut fur diskrete Mathematik geht in die 1970er Jahre zuruck und beruht auf der Sammlung von Rechengeraten des Mathematikers Bernhard Korte . Das Heinz Nixdorf MuseumsForum (Abkurzung ?HNF“) in Paderborn ist das großte deutsche Museum zur Entwicklung der Rechentechnik (insbesondere des Computers). Das Mathematikum in Gießen wurde 2002 von Albrecht Beutelspacher gegrundet und wird von ihm laufend weiterentwickelt. Im Museumsquartier in Wien befindet sich das von Rudolf Taschner geleitete Math.space , welches die Mathematik im Kontext zu Kultur und Zivilisation zeigt.

Daruber hinaus sind zahlreiche Spezialsammlungen an Universitaten untergebracht, aber auch in umfassenderen Sammlungen wie zum Beispiel im Deutschen Museum in Munchen oder im Museum fur Technikgeschichte in Berlin (Rechner von Konrad Zuse entwickelt und gebaut).

Aphorismen uber Mathematik und Mathematiker (Auswahl)

Folgende Aphorismen bekannter Personlichkeiten sind zu finden: [6]

  • Albert Einstein : Die Mathematik handelt ausschließlich von den Beziehungen der Begriffe zueinander ohne Rucksicht auf deren Bezug zur Erfahrung.
  • Galileo Galilei : Mathematik ist das Alphabet, mit dessen Hilfe Gott das Universum beschrieben hat.
  • Johann Wolfgang von Goethe : Die Mathematiker sind eine Art Franzosen: Redet man zu ihnen, so ubersetzen sie es in ihre Sprache, und dann ist es alsobald ganz etwas anderes.
  • Godfrey Harold Hardy : Der Mathematiker ist ein Hersteller von Schemata.
  • David Hilbert : Aus dem Paradies, das Cantor uns geschaffen, soll uns niemand vertreiben konnen.
  • Novalis : Die ganze Mathematik ist eigentlich eine Gleichung im Großen fur die anderen Wissenschaften.
  • Friedrich Nietzsche : Wir wollen die Feinheit und Strenge der Mathematik in alle Wissenschaften hineintreiben, so weit diess nur irgend moglich ist, nicht im Glauben, dass wir auf diesem Wege die Dinge erkennen werden, sondern um damit unsere menschliche Relation zu den Dingen festzustellen . Die Mathematik ist nur das Mittel der allgemeinen und letzten Menschenkenntniss. [7]
  • Bertrand Russell : Mathematik ist die Wissenschaft, bei der man nicht weiß, wovon man spricht, noch ob das, was man sagt, wahr ist.
  • Friedrich Schlegel : Die Mathematik ist gleichsam eine sinnliche Logik, sie verhalt sich zur Philosophie wie die materiellen Kunste, Musik und Plastik, zur Poesie.
  • James Joseph Sylvester : Mathematik ist die Musik der Vernunft.
  • Ludwig Wittgenstein : Die Mathematik ist eine Methode der Logik.

Siehe auch

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Literatur

Weblinks

Commons : Mathematik  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikibooks: Regal:Mathematik  ? Lern- und Lehrmaterialien
Wikisource: Mathematik  ? Quellen und Volltexte
Wiktionary: Mathematik  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen
Portale und Wissensdatenbanken
Schulmathematik
Software
Geschichtliches

Einzelnachweise

  1. Osterreichische Aussprachedatenbank.
  2. Helmut Hasse : Mathematik als Geisteswissenschaft und Denkmittel der exakten Naturwissenschaften . In: Studium generale . Band   6 , 1953, S.   392?398 ( online ( Memento vom 25. April 2013 im Internet Archive )).
  3. David Hilbert : Mathematische Probleme. ( Memento vom 19. Januar 2012 im Internet Archive ). Vortrag, gehalten auf dem internationalen Mathematiker-Kongreß zu Paris 1900.
  4. Oliver Link: Die Welt lasst sich nicht berechnen. Interview mit Claus Peter Ortlieb, brand eins 11/2011, abgerufen am 1. Januar 2012.
  5. Kanguru der Mathematik. Abgerufen am 15. Januar 2022 .
  6. Lothar Schmidt : Aphorismen von A?Z. Das große Handbuch geflugelter Definitionen . Drei Lilien Verlag, Wiesbaden 1980, S.   288?289 .
  7. Die frohliche Wissenschaft , Aphorismus Nr. 246.