Louise Michel
(*
29. Mai
1830
auf Schloss Vroncourt in
Vroncourt-la-Cote
,
Departement Haute-Marne
; †
9. Januar
1905
in
Marseille
) war eine
franzosische
Autorin
und
Anarchistin
.
Louise Michel wurde als Tochter der Dienstmagd Marianne Michel und des Hausherrn von Schloss Vroncourt, Etienne Charles Demahis, oder seines Sohnes geboren. Sie wurde von den Eltern ihres Vaters erzogen und genoss eine liberale Erziehung. Nach eigener Aussage gelangte sie zu ihrem dezidierten Klassenstandpunkt aufgrund der in ihrer Kindheit und Jugend unmittelbar erlebten Not der Bauern und der Qual von Tieren: ?Als den wesentlichen Antrieb ihres politischen Aufbegehrens beschreibt sie stets das Gefuhl der Verbundenheit, der Solidaritat ? auch und gerade mit den Schwachsten und Wehrlosesten: ?Im Kern meiner Emporung gegen die Starken finde ich, so weit ich zuruckdenken kann, meinen Abscheu gegen die Tierqualerei wieder‘, heißt es in ihren Memoiren“.
[1]
Nach dem Tod ihres Großvaters 1850 bestand sie das
Examen
fur
Lehrerinnen
. Ihre Ablehnung von
Napoleon III.
verhinderte ihre Einstellung im staatlichen Schuldienst. Als sie 1853 eine Stelle in
Paris
fand, schaffte sie als erstes das Morgengebet ab. Sie wurde starke Gegnerin des
Bonapartismus
und ubernahm nach dem Tod der Leiterin 1866 die Schule.
Wahrend der
Pariser Kommune
im 1871 war Michel im Wachkomitee von Montmartre (Comite de vigilance de Montmartre) neben
Paule Minck
,
Anna Jaclard
und
Sophie Poirier
.
[2]
Michel war auch als Krankenpflegerin aktiv und versorgte die, die auf den
Barrikaden
verwundet worden waren.
Wahrend der
Belagerung von Paris
forderte sie Widerstand gegen die
Preußen
. Nach der Festigung der Commune trat sie der Nationalgarde bei und bot an,
Adolphe Thiers
zu erschießen. Michel schlug vor, Paris als Rache fur die Kapitulation der Stadt vor den Deutschen zu zerstoren.
Sie stand auch zu den Kommunarden, als diese auf dem
Friedhof Montmartre
hingerichtet wurden, und war eng mit
Theophile Ferre
verbunden, der im November 1871 erschossen wurde. Michel widmete Ferre das Abschiedsgedicht
l’œillet rouge
(Die Rote Nelke).
Victor Hugo
widmete sein Gedicht
Viro Major
Louise Michel. Diese Auszeichnung war wohl eine der Quellen der Begeisterung, die ihren Erfolg ausmachten, und gab ihren Feinden viel Handhabe. Als sie im Dezember 1871 vor das Gericht 6. Konzil gebracht wurde, trotzte sie ihren Richtern und verteidigte die Commune. Sie verbrachte 20 Monate im Gefangnis und wurde nach
Neukaledonien
verbannt. Dort erlernte sie die Sprache der
Kanaken
und schrieb zwei Werke uber ihre Mythen und Kultur. In dieser Zeit wurden ihr von der Versailler Bevolkerung die Namen
la Louve rouge, la Bonne Louise
(Die rote Wolfin, die gute Louise) gegeben.
Nach der
Amnestie
kehrte sie 1880 nach Paris zuruck und wurde am 23. Juni 1883 zu sechs Jahren Gefangnis verurteilt, weil sie zur Plunderung von Backerladen aufgefordert hatte. Im Mai 1885 wurde sie erneut
begnadigt
, wies dies aber zuruck. 1886 gab sie ihre Memoiren heraus.
Am 22. Januar 1888 wurde Louise Michel nach einem Vortrag im
Theatre de la Gaite
vom royalistischen Katholiken Pierre Lucas angegriffen und mit zwei Pistolenschussen am Kopf verletzt. Sie verzichtete auf eine Anzeige.
[3]
Als die franzosischen Anarchisten fur den 1. Mai 1890 eine Kundgebung planten, hielt sie kurz zuvor aufstachelnde Vortrage in
Lyon
und wurde daraufhin als
geistesgestort
in einer Nervenheilanstalt in
Vienne
festgehalten. Danach lebte sie in
London
, kehrte aber 1895 wieder nach Paris zuruck.
Sie schrieb auch einige
Dramen
und zusammen mit
Jacques Guetre
den
Roman
La misere
(1881).
Am 4. September 1904 wurde sie Mitglied der Freimaurerloge
La Philosophie Sociale
und veranstaltete dort am nachsten Tag eine Konferenz zum
Feminismus
.
[4]
[5]
Louise Michel starb am 9. Januar 1905 in Marseille. Es kamen 120.000 Menschen zur Beerdigung.
Das
College Louise-Michel
ist nach ihr benannt.
Die franzosischen Regisseure
Gustave Kervern
und
Benoit Delepine
widmeten ihr im Jahre 2008 die Filmkomodie
Louise Hires a Contract Killer
(Originaltitel:
Louise-Michel
).
Die U-Bahn Station
Louise Michel
der Linie 3 im Pariser Vorort
Levallois-Perret
wurde 1946 nach ihr benannt.
Louise Michel wurde am 8. Marz 2013 von der linken Tierbefreiungsbewegung als eine fruhe Vertreterin des Gedankens, dass Befreiung nicht beim Menschen aufhort, geehrt.
[6]
Das von
Banksy
nach seinem E-Mail-Kontakt mit
Pia Klemp
zur Seenotrettung im Mittelmeer gestiftete Schiff tragt den Namen
Louise Michel
. Es stach Ende August 2020 erstmals in dieser Funktion in See.
[7]
- Memoiren
. Verlag Frauenpolitik, 1977 und 1979. Hrsg.: J. Monika Walther, Ubersetzung: Claudine Acinde (uberarbeitete Neuausgabe Unrast Verlag, Munster 2017,
Klassiker der Sozialrevolte
).
- Briefwechsel mit
Henry Bauer
. Auszugsweise gedruckt in: Marcel Cerf:
Le Mousquetaire de la Plume
. Academie de l’Histoire, Paris 1975.
- Aneignung
.
bahoe books
, Wien 2013,
ISBN 978-3-903022-12-6
.
- La Commune
. Paris 1898, Neuausgabe Paris: Editions Stock, Paris 1978.
- Louise Michel ? Texte und Reden
.
bahoe books
, Wien 2019, Herausgeberin und Ubersetzung:
Eva Geber
.
- Salome Kestenholz:
Die Gleichheit vor dem Schafott: Portraits franzosischer Revolutionarinnen.
Luchterhand Literaturverlag, Darmstadt 1988,
ISBN 3-630-61818-9
, S. 61?104.
- Ralf Holler
:
Louise Michel: Von der Pariser Kommune zur Ikone der internationalen Arbeiterbewegung.
In: Ralf Holler:
Der Kampf bin ich: Rebellen und Revolutionare aus sechs Jahrhunderten
(= Aufbau-Taschenbucher; 8054). Aufbau TB Verlag, Berlin 2001,
ISBN 3-7466-8054-9
, S. 171ff.
- Bernd Kramer (Hrsg.):
Louise Michel. Leben, Ideen, Kampf und die Pariser Kommune von 1871
.
Karin Kramer Verlag
, Berlin 2001,
ISBN 3-87956-263-6
.
- Nic Maclellan:
Louise Michel.
Ocean Press, Melbourne / New York, 2004,
ISBN 1-876175-76-1
.
- Michaela Kilian:
Keine Freiheit ohne Gleichheit. Louise Michel (1830?1905), Anarchistin, Schriftstellerin, Ethnologin, libertare Padagogin
(= Widerstandige Frauen; 5). Edition AV, Lich 2008,
ISBN 978-3-936049-93-0
.
- Eva Geber
:
Louise Michel ? Die Anarchistin und die Menschenfresser.
Mit einem Vorwort von
Ruth Kluger
.
bahoe books
, Wien 2018,
ISBN 978-3-903022-74-4
.
- Florence Herve
(Hrsg.):
Louise Michel oder: Die Liebe zur Revolution.
Dietz Verlag, Berlin 2021,
ISBN 978-3-320-02381-2
.
- ↑
Matthias Rude:
Antispeziesismus. Die Befreiung von Mensch und Tier in der Tierrechtsbewegung und der Linken
. Stuttgart 2013, S. 54.
- ↑
Les Femmes dans la Commune de Paris.
In:
www.commune1871.org.
Abgerufen am 2. November 2020
.
- ↑
Academie de Grenoble,
Memoires - Louise Michel
,
online verfugbar
(
Memento
vom 6. Februar 2009 im
Internet Archive
), abgerufen am 9. Mai 2009.
- ↑
francs-maconnes celebres
(
Memento
vom 1. Juli 2010 im
Internet Archive
) auf der Website der Grande Loge Feminine
de France, abgerufen am 22. November 2010:
C’est fort tardivement qu’elle decouvre que des femmes pouvaient etre Franc-maconnes. Le 20 juillet 1904, elle est initiee a La Philosophie Sociale et declare au lendemain de son initiation : ?Il y a longtemps que j’aurais ete des votres si j’eusse connu l’existence de loges mixtes, mais je croyais que, pour entrer dans un milieu maconnique, il fallait etre un homme“
.
- ↑
L’initiation de Louise Michel le 13 Septembre 1904, suivie de sa premiere conference le lendemain sur le theme du feminisme
(
Memento
vom 20. Oktober 2010 im
Internet Archive
) auf der Website von Yann Le Gigan, abgerufen am 22. November 2010.
- ↑
Antispeziesistische Aktion Tubingen: Frauentag 2013: Gedenken an Louise Michel
, abgerufen am 8. Marz 2013.
- ↑
Sea-Watch. Banksy finanziert Schiff zur Rettung von Fluchtlingen.
In:
Zeit Online.
28. August 2020,
abgerufen am 28. August 2020
.