Die
Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik
behandelt die Geschichte des ostdeutschen
Teilstaates
, der von 1949 bis 1990 bestand.
Die
Deutsche Demokratische Republik
(DDR) war ein bis 1989 im Sinne der
Diktatur des Proletariats
diktatorisch regierter,
realsozialistischer
Staat
in
Mitteleuropa
. Ihre Grundung am 7. Oktober 1949 auf dem Gebiet der
Sowjetischen Besatzungszone
(SBZ), nach Auffassung der DDR einschließlich des
sowjetischen Sektors von Berlin
als Hauptstadt, erfolgte vier Jahre nach dem Ende des
Zweiten Weltkrieges
. Nachdem mit Unterstutzung der drei
Westalliierten
auf dem Gebiet ihrer Besatzungszonen (?
Trizone
“) die
Bundesrepublik Deutschland
gegrundet worden war, wurde sie auf Betreiben der
Sowjetunion
als zweiter deutscher Staat errichtet. Die SBZ bzw. die DDR erbrachte ? insgesamt gesehen ? mehr als 90 Prozent aller
deutschen Reparationen nach dem Zweiten Weltkrieg
auf.
Das zunachst angespannte Verhaltnis zur Bundesrepublik im
Kalten Krieg
wurde ab den 1970er Jahren durch die
Neue Ostpolitik
entspannt. Nach der
friedlichen Revolution im Jahr 1989
ging die DDR mit der
Wiedervereinigung
am 3. Oktober 1990
staatsrechtlich
in der Bundesrepublik auf.
Da sich die Hauptalliierten (
USA
,
Großbritannien
und
Sowjetunion
) nicht auf eine gemeinsame Politik bezuglich Deutschland einigen konnten, diskutierten sie bereits wahrend des Zweiten Weltkrieges auf den
Konferenzen von Teheran
und
Jalta
uber eine
Aufteilung Deutschlands
. Nach der
bedingungslosen Kapitulation der deutschen Streitkrafte
konkretisierten die
Regierungschefs
der Sowjetunion, von Großbritannien und den USA im Juli 1945 auf der
Potsdamer Konferenz
den Beschluss der Konferenz von Jalta, Deutschland in vier
Besatzungszonen
und Berlin in vier Sektoren zu teilen, aber von einem gemeinsamen
Alliierten Kontrollrat
verwalten zu lassen. Die wirtschaftliche Demilitarisierung (insbesondere die
Demontage
von Industrieanlagen) sollte in jeder Zone autonom durchgefuhrt werden.
Im Laufe der Zeit lief die wirtschaftliche Entwicklung zwischen den westlichen Besatzungszonen und der
sowjetischen Besatzungszone
(SBZ) immer weiter auseinander. Auch aufgrund weltpolitischer Differenzen kam es zu immer großeren Spannungen zwischen der Sowjetunion und den USA, die letztlich zum
Kalten Krieg
fuhrten. Dies wurde 1947 im Zusammenschluss der britischen und amerikanischen Besatzungszonen zur
Bizone
und am
Marshallplan
der USA, der den Westen Deutschlands starkte, deutlich. In der SBZ setzte die Sowjetunion wahrenddessen die Demontagen zu
Reparationszwecken
fort und verhinderte die Teilnahme am Marshallplan, die eine Einbindung der SBZ in das westliche Wirtschaftssystem bedeutet hatte. Als Gegenstuck zu den Organen der Bizone grundete sie die
Deutsche Wirtschaftskommission
und vereinigte darin die Zentralverwaltungen fur Industrie, Finanzen, Verkehr, Handel und Versorgung, Arbeit und Sozialfursorge, Land- und Forstwirtschaft, Brennstoffindustrie und Energie, Interzonen- und Außenhandel sowie Statistik.
Aus Protest gegen den Beschluss der Westalliierten, einen
westdeutschen
Separatstaat grunden zu wollen, verließ der Vertreter der Sowjetunion am 20. Marz 1948 die Sitzungen des Kontrollrates. Am 20. Juni machte eine auf die westlichen Besatzungszonen beschrankte
Wahrungsreform
die befurchtete Teilung Deutschlands zur Gewissheit. Drei Tage spater beschlossen die Machthaber der sowjetischen Besatzungszone eine eigene Wahrungsreform. Nachdem die westdeutsche Wahrung gegen den Willen des sowjetischen Oberbefehlshabers auch in den
Westsektoren Berlins
eingefuhrt worden war, versuchte die Sowjetunion durch die
Berlin-Blockade
ganz Berlin in ihre Hand zu bekommen. Die Westalliierten entschieden daraufhin, Berlin durch eine
Luftbrucke
zu versorgen. Insgesamt elf Monate lang versorgten sie die Westberliner Bevolkerung mit Hilfsgutern, bis die Sowjetunion die Blockade am 12. Mai 1949 beendete.
Die Sowjetunion entwickelte wahrend des Zweiten Weltkrieges eigene Ideen fur ein
Nachkriegsdeutschland
:
Josef Stalin
schwebte ein ungeteilter, neutraler und nichtsozialistischer Staat vor. Er erwartete, insbesondere aus dem
Ruhrgebiet
zahlreiche
Reparationen
zu erhalten. Im Gegenzug sollten aus der sowjetischen Besatzungszone Nahrungsmittel in die westlichen Zonen geliefert werden. Da dies aber nicht geschah, stellten die Westalliierten ihre Lieferungen auch ein.
Diese Plane konnte Stalin also nicht durchsetzen. Um sich alle Optionen offen zu halten, verschob er die
Sowjetisierung
der eigenen Besatzungszone zunachst und vermied bzw. vertuschte eine offene kommunistische Entwicklung.
Nach Kriegsende setzte die Sowjetunion in der von ihr besetzten Zone die
Sowjetische Militaradministration in Deutschland
(SMAD) ein. Diese sollte den Aufbau eines politischen Systems im Sinne der Sowjetunion steuern und die Besatzungszone verwalten. Dazu kontrollierte und regelte sie das gesamte politische und gesellschaftliche Leben und beschaftigte bis zu 50.000 Mitarbeiter. Sie verfugte die Grundung von funf Landern innerhalb der Sowjetischen Besatzungszone und ubertrug ihnen im Oktober 1945 Gesetzgebungsbefugnisse.
Fur den politischen Aufbau war die
Gruppe Ulbricht
von Bedeutung. Sie bestand aus
Walter Ulbricht
und anderen vor dem beziehungsweise wahrend des Zweiten Weltkrieges in die Sowjetunion emigrierten und dort geschulten Mitgliedern der
Kommunistischen Partei Deutschlands
(KPD), die der
Roten Armee
beim Neuaufbau der Verwaltung helfen sollten. Bereits vor Kriegsende wurde sie in Deutschland tatig und erreichte, dass die sowjetischen Kommandanten zahlreiche Schlusselpositionen innerhalb der Kommunalverwaltungen an deutsche Kommunisten vergaben. Dabei galt Ulbrichts Devise: ?Es muss demokratisch aussehen, aber wir mussen alles in der Hand haben.“
Zur Uberraschung der westlichen Alliierten und deutscher Politiker ermoglichte die SMAD bereits im Juni 1945 ein zumindest formal
pluralistisches deutsches Parteiensystem
und genehmigte die Wiederbetatigung von KPD und
SPD
sowie die Neugrundungen der
CDU
und
LDP
. Diese grundeten einen
antifaschistischen Block
, aus dem sich spater die
Nationale Front
entwickelte. Innerhalb dieses Gremiums wollten sie die
Entnazifizierung
und den Wiederaufbau gemeinsam organisieren. Obwohl die SMAD die KPD massiv bevorzugte, konnte diese ihr Ziel, großte und bestimmende Partei der SBZ zu werden, nicht erreichen. Sie geriet im Gegenteil im Laufe des Jahres 1945 bei der Bevolkerung und den anderen Parteien immer mehr in die Isolation. In der KPD und SPD in der sowjetischen Besatzungszone gab es nach den Erfahrungen in der
Zeit des Nationalsozialismus
und im Widerstand Bestrebungen, eine gemeinsame Arbeiterpartei zu schaffen. Nachdem die KPD im Juni 1945 eine entsprechende Forderung der SPD abgelehnt hatte, wurde mit der nachlassenden Popularitat der KPD zusammen mit der SMAD unter Billigung Stalins die (Ost-)SPD als Hauptkonkurrent durch massiven Druck, Bestechung ihrer Fuhrungspersonlichkeiten und Tauschung uber die wahren Ziele der KPD 1946 zu einer
Zwangsvereinigung
zur
Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands
(SED) genotigt. Bei den
Landtagswahlen im Oktober
1946 erreichte die SED mit 47,5 Prozent allerdings nicht die angestrebte absolute Mehrheit.
Um den Widerstand von (Ost-)CDU und LDP gegen weitere Eingriffe ins Parteiensystem zu unterlaufen, brachte die SED 1947/1948 mit der Volkskongressbewegung ein neues Instrument ins Spiel. Auf zwei Sitzungen 1947 und 1948 beschloss der
Deutsche Volkskongress
die Aufnahme neuer
Blockparteien
(
National-Demokratische Partei Deutschlands
und
Demokratische Bauernpartei Deutschlands
) und Massenorganisationen (
Kulturbund der DDR
,
Freier Deutscher Gewerkschaftsbund
,
Demokratischer Frauenbund Deutschlands
), die großtenteils kommunistisch dominiert waren, in den antifaschistischen Block.
Des Weiteren verstandigte sich der 2. Volkskongress darauf, einen
Deutschen Volksrat
zu berufen, der den Auftrag erhielt, fur Gesamtdeutschland eine Verfassung einer
Deutschen Demokratischen Republik
auszuarbeiten. Dieser nahm unter dem Vorsitz von
Wilhelm Pieck
(SED),
Wilhelm Kulz
(LDP) und
Otto Nuschke
(CDU) am 19. Marz 1948 seine Arbeit auf. Dessen Ausschuss zur Erarbeitung einer Verfassung wurde von
Otto Grotewohl
geleitet und erarbeitete bis zum 22. Oktober eine ? auf einem entsprechenden Entwurf der SED von 1946 fußende ? Verfassung, welche am 19. Marz des folgenden Jahres vom 1. Deutschen Volksrat angenommen wurde.
- Staatsgrundung
Im Mai 1949 wurde uber
Einheitslisten
der 3. Volkskongress gewahlt. Als sich am Abend des 15. Mai 1949 bei den ersten Auszahlungen abzeichnete, dass keine fursprechende Mehrheit zustande kommen wurde, wurden die durchgestrichenen und leeren (also ungultigen) Stimmzettel auf Anweisung der
Deutschen Verwaltung des Innern
(DVdI) kurzerhand als Ja-Stimmen gewertet. Am Abend des 16. Mai 1949 wurde dann offiziell bekannt gegeben, dass 66,1 % der Wahler mit ?Ja“ gestimmt hatten.
[1]
Der so gewahlte 3. Volkskongress bestatigte am 30. Mai die Verfassung und setzte den 2. Deutschen Volksrat als standiges Organ ein. Nachdem sich in der am 23. Mai 1949 entstandenen
Bundesrepublik Deutschland
auch die
Verfassungsorgane
konstituiert hatten, erklarte sich der 2. Deutsche Volksrat am 7. Oktober 1949 zur
Provisorischen Volkskammer
und setzte die
Verfassung der DDR
in Kraft, womit die Deutsche Demokratische Republik gegrundet war.
Die Wirtschaft in der SBZ wurde durch zahlreiche sowjetische
Demontagen
massiv geschwacht.
Stalin
ließ bis Ende 1946 uber 1.000 Betriebe, vor allem im Maschinenbau, fast die gesamte chemische und optische Industrie abbauen. Alle mehrgleisigen
Bahnstrecken
wurden auf ein Gleis zuruckgebaut; die
Elektrifizierung aller Bahnstrecken
wurde abgebaut. In einer zweiten Etappe wurden Reparationen entgegen dem
Potsdamer Vertrag
aus der laufenden Produktion entnommen und etwa 200 wichtige Betriebe, die schon bestanden oder neu gegrundet worden waren, als
Sowjetische Aktiengesellschaften
(SAG) in das Eigentum der
Sowjetunion
uberfuhrt. Der ersten Demontagewelle zwischen Mai und Juli 1945 fielen zirka 460 Berliner Betriebe zum Opfer. Dies entspricht etwa 75 Prozent der damaligen Kapazitaten. Insgesamt soll Mitteldeutschland im Vergleich zu 1936 schatzungsweise durch Demontage verloren haben:
[2]
- 82 Prozent der Walzwerke
- 80 Prozent der Eisenproduktion
- 75 Prozent der Hohlziegelerzeugung
- 45 Prozent der Zementindustrie
- 45 Prozent der Papiererzeugung
- 35 Prozent der Energieerzeugung
- 30 Prozent der Schuhindustrie
- 25 Prozent der Textilindustrie
- 25 Prozent der Zuckerproduktion
- 20 Prozent des Braunkohlebergbaus
- 19 Prozent der Brikettfabriken
Die Demontagen endeten erst 1954, also nach Stalins Tod. Der DDR ging insgesamt etwa die Halfte der industriellen Kapazitaten verloren, die sie bei Kriegsende auf ihrem Territorium noch hatte. Die Industrialisierung dieser Gebiete fiel auf den Stand von 1936 zuruck.
[3]
Offiziell wurden die an die Sowjetunion geleisteten Reparationen auf etwa 4,3 Milliarden Dollar geschatzt. Andere Schatzungen gehen von 15 bis 18 Milliarden Dollar aus. Fur das Jahr 1949 fielen zum Beispiel auch
Besatzungskosten
von offiziell 2,2 Milliarden Mark an.
Unter der Losung ?Junkerland in Bauernhand“ fuhrten die
SMAD
und die KPD im September 1945 eine
Bodenreform
durch. Ein Drittel der gesamten Wirtschaftsflachen (zirka 3,2 Millionen Hektar), davon zirka 2,5 Millionen Hektar ehemaliger
Großgrundbesitzer
, kamen zur Verteilung. Eine Million Hektar uberfuhrte man in 532 staatseigene Guter (VEG). Die Zahl der privaten landwirtschaftlichen Betriebe stieg auf mehr als 855.600 (1950) ? mehr als im Jahre 1939. Dieser Posten wurde jedoch bis 1961 fast restlos liquidiert.
[2]
Ferner wurden Kriegsverbrecher, Funktionare und Reprasentanten der
NSDAP
sowie alle Landbesitzer, die Guter mit mehr als 100 Hektar Land besaßen, entschadigungslos enteignet. Die SMAD verteilte das Land an sogenannte
Neubauern
, zumeist landlose Bauern, Landarbeiter und Fluchtlinge. Diese bearbeiteten ihre funf bis zehn Hektar großen Landflachen selbst. Da sie meist keine landwirtschaftlichen Gerate besaßen, wurden sie durch die 1949 geschaffenen
Maschinen-Ausleih-Stationen
(MAS) unterstutzt.
Da Stalin die Idee eines ungeteilten Deutschlands nicht aufgeben wollte, begann die tatsachliche sozialistische Umgestaltung der ostdeutschen Wirtschaft erst 1952.
Erster Prasident der DDR wurde 1949
Wilhelm Pieck
, erster
Ministerprasident
Otto Grotewohl
. Beide waren seit 1946 Vorsitzende der SED. 1950 wurden sie in ihren Parteiamtern bestatigt, Walter Ulbricht wurde Generalsekretar des neu geschaffenen
Zentralkomitees
(ZK) der SED. Nach dem Tod von Wilhelm Pieck wurde 1960 der
Staatsrat der DDR
anstatt des bisherigen Prasidentenamtes gebildet und Ulbricht zu dessen Vorsitzenden bestimmt.
1950 wurden alle Parteien trotz Widerstands vieler Mitglieder und einiger Landesverbande zur ?Einheitsliste der Nationalen Front“ zusammengeschlossen. Bei ersten Wahlen zur Volkskammer erhielt diese von der SED dominierte Einheitsliste nach offiziellen Angaben 99,3 Prozent der Stimmen, 1954 waren es 99,46 Prozent und 1958 99,7 Prozent.
Sehr schnell nach ihrer Grundung schloss die DDR Vertrage mit anderen Staaten im
Ostblock
ab: Im Juli 1950 legte sie mit der
Volksrepublik Polen
die
Oder-Neiße-Linie
als Grenze vertraglich fest. Im September desselben Jahres wurde die DDR Mitglied im
Rat fur gegenseitige Wirtschaftshilfe
(RGW).
Grotewohl schlug im November 1950 Bundeskanzler
Konrad Adenauer
die Bildung eines Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates vor, um die Teilung zu uberwinden. Die
Regierung Adenauer
war aber nicht bereit, mit der DDR-Regierung zu verhandeln und bestand auf freien Wahlen.
[4]
Die DDR-Fuhrung bemuhte sich bereits fruh um diplomatische Anerkennung durch andere Staaten. Sie versuchte auch, Vorfalle wie die
Notlandung eines amerikanischen Armee-Hubschraubers im Juni 1958
zu nutzen, um westlich orientierte Staaten durch offizielle Kontakte zu einer Aufgabe ihrer Politik der Nichtanerkennung der DDR zu bewegen. Solche Kontakte wurden jedoch von der
Bundesrepublik Deutschland
verhindert: Durch die
Hallstein-Doktrin
drohte sie anderen Staaten mit dem Abbruch der Beziehungen, falls diese die DDR anerkannt hatten. Fur die politische Elite der USA war die DDR ein ?weißer Fleck auf der politischen Landkarte“, eine
terra incognita
(?unbekanntes Gebiet“) oder
lost German territory
(?verlorenes deutsches Territorium“).
[5]
Am 10. Marz 1952 bot Stalin mit den
Stalin-Noten
Verhandlungen uber eine Wiedervereinigung und Neutralitat Deutschlands an. Die Westmachte hielten dies fur ein Ablenkungsmanover, das die
Westintegration
Westdeutschlands behindern sollte. Der Briefwechsel endete schließlich ohne Ergebnis. Im Anschluss daran forcierte die DDR ihre ?Ostintegration“ und die sozialistische Umgestaltung der ostdeutschen Wirtschaft.
Nachdem die Bundesrepublik Deutschland 1954 Mitglied der
Westeuropaischen Union
geworden war, trat die DDR 1955 dem
Warschauer Pakt
bei.
Die SMAD wurde durch die
Sowjetische Kontrollkommission
(SKK) abgelost, diese wiederum 1953 durch den sowjetischen ?Hohen Kommissar“ ersetzt.
[6]
Am 25. Marz 1954 versuchte die Sowjetunion, die DDR durch eine einseitige Souveranitatserklarung international aufzuwerten.
[7]
[8]
Nachdem der
Ministerrat der UdSSR
am 20. September 1955 die
Souveranitat
der DDR noch einmal bestatigt hatte, schlossen die beiden Partner am gleichen Tag in Moskau den ?Vertrag uber die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“. Dieser ?Beistandspakt“ wurde von
Nikolai Alexandrowitsch Bulganin
und
Otto Grotewohl
unterschrieben. Damit entfielen auch alle Befugnisse des Hohen Kommissars der UdSSR.
Am 27. November 1958 forderte
Nikita Chruschtschow
die Revision des
Potsdamer Abkommens
und drohte, die Sowjetunion werde ihre Kontrollrechte uber Berlin an die DDR ubertragen. Damit begann die so genannte
Berlin-Krise
.
Zur Jahreswende 1958/1959 ließ die Sowjetunion erstmals weitreichende
Atomraketen
außerhalb ihres Territoriums stationieren. Der sowjetische
Generalstab
stationierte jeweils sechs
Raketen
des Typs
SS-3 Shyster
bei
Furstenberg/Havel
und Vogelsang. Die SS-3 konnte eine
Kernwaffe
mit einer Sprengkraft von 300 Kilotonnen TNT bis zu 1.200 Kilometer weit, zum Beispiel bis nach Bonn, Brussel, Paris oder London befordern.
Auch gesellschaftspolitisch fanden in der DDR tiefgreifende Anderungen statt. So wurden durch die Verabschiedung des
Gesetzes uber den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau
Frauen systematisch in den
Aufbau des Sozialismus
miteinbezogen, Kinderbetreuungsangebote in Form von Kinderkrippen fur
Sauglinge
und
Kleinkinder
, Kindergarten fur 4- bis 6-Jahrige und Horte, die Schulkinder bis zur 4. Klasse betreuten, geschaffen und das Schulsystem durch die Einrichtung der
Polytechnischen Oberschule
(POS) umgebaut. Maßgebend fur das
Bildungssystem in der DDR
war seit 1946 das
Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule
.
Die Politik legte Wert auf eine Integration der Akademiker in den Aufbauprozess, auch solcher, die im Nationalsozialismus Karriere gemacht hatten. Die 1. Kulturverordnung der Deutschen Wirtschaftskommission vom 31. Marz 1949 pladierte fur eine ?Umformung und Umerziehung der alten Gruppen der burgerlichen Intelligenz“,
[9]
statt diese auszugrenzen.
Nachdem es bereits einen Zwei-Jahres-Plan gegeben hatte, folgte die Wirtschaft der DDR ab 1951 dem ersten
Funfjahresplan
. Damit begann der Einstieg in die
Planwirtschaft
. Verantwortlich fur die Aufstellung und Kontrolle der langfristigen Plane sowie die zentrale Lenkung der Wirtschaft war die 1950 gegrundete
Staatliche Plankommission
. 1958 wurden die
Lebensmittelkarten
endgultig abgeschafft.
[10]
1959 zeichnete sich ein Scheitern des laufenden Zweiten Funfjahresplans ab; die Plankommission erstellte daher ubergangsweise einen Siebenjahresplan. Zahlreiche Betriebe der Sowjetischen Aktiengesellschaften (SAG) wurden von der DDR zuruckgekauft und in
Volkseigene Betriebe
(VEB) umgewandelt.
Fur die Landwirtschaft pragte die SED in den 1950er Jahren die Devise ?Vom Ich zum Wir“. Unter diesem Motto sollte die Landbevolkerung ?auf freiwilliger Basis“ von den angeblichen Vorzugen einer kollektivierten Landwirtschaft uberzeugt werden. Das Ziel war die Grundung von
Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften
(LPG). ?Muster-LPGs“ sollten wie ?Leuchtturme auf dem Lande“ die Idee von der Sowjetisierung in alle Dorfer tragen. Da die meisten Bauern kein Interesse an genossenschaftlicher Arbeit zeigten, wurden insbesondere verlassene Hofe, sogenannte OLB (
Ortlicher Landwirtschaftsbetrieb
) und wirtschaftlich kaum lebensfahige Kleinbetriebe zu LPGs zusammengefugt. 1952 waren so in der DDR knapp 2.000 zunachst uberwiegend wirtschaftsschwache LPGs entstanden.
Klein- und Mittelbauern wurden mit Repressionen und hohen Zwangsabgaben drangsaliert und bei der Verteilung der landwirtschaftlichen Gerate durch die MAS benachteiligt. Zehntausende Bauern siedelten daraufhin in den Westen um. Dies fuhrte dazu, dass mit dem
Aufstand vom 17. Juni 1953
auch auf dem Land die Stimmung kippte. Anschließend wurde die
Kollektivierung
zunachst verlangsamt, auf Druck der Sowjetunion aber forcierte die DDR-Fuhrung die Kollektivierung ab 1958 wieder. Von der SED entsandte
Agitationstruppen
sollten die Bauern durch Notigung oder Drohungen zum ?freiwilligen“ Eintritt in eine LPG veranlassen, wahrend widerstrebende Landwirte vom
MfS
verhaftet wurden.
Parallel zur Entwicklung in Westdeutschland begann das staatliche
Fernsehen der DDR
Ende 1952 mit Versuchssendungen und nahm 1956 seinen regularen Sendebetrieb auf. Ab 1960 war die Propagandasendung
Der schwarze Kanal
von und mit
Karl-Eduard von Schnitzler
einmal wochentlich im Programm.
1950 wurde das
Ministerium fur Staatssicherheit
(MfS) gegrundet, um als ?Schild und Schwert der Partei“ die Macht der SED zu sichern.
Wilhelm Zaisser
wurde erster Minister fur Staatssicherheit,
Erich Mielke
Staatssekretar. Das MfS spielte gemeinsam mit der
Zentralen Parteikontrollkommission
eine bedeutende Rolle bei der
politischen Sauberung
, der sich die SED zu Beginn der 1950er Jahre unterzog. 1950/51 wurden 150.000 Mitglieder ? die meisten ehemalige
Sozialdemokraten
, die nach der
Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED
1946 in die SED ubergetreten waren ? ausgeschlossen. Im Zuge der sogenannten
Field-Affare
ging man auch gegen hochgestellte Kommunisten vor:
Reichsbahngeneraldirektor
Willi Kreikemeyer
wurde des
Hochverrats
beschuldigt ? er kam im August 1950 in Stasi-Haft ums Leben.
Leo Bauer
, der Chefredakteur des
Deutschlandsenders
, wurde in einem
Schauprozess
durch ein sowjetisches
Militargericht
als ?US-
Spion
“ erst
zum Tode verurteilt
, dann zu 25 Jahren
Lagerhaft in Sibirien
begnadigt
.
Paul Merker
, Staatssekretar im Landwirtschaftsministerium und Mitglied des Politburos, wurde Ende 1952 verhaftet und 1955 als ?
zionistischer
Agent“ zu acht Jahren
Zuchthaus
verurteilt. Diese Prozesse trugen, ahnlich wie auch der
Slansky-Prozess
in der
Tschechoslowakei
,
antisemitische
Zuge.
[11]
Das
Neue Deutschland
veroffentlichte gleichzeitig beißende Angriffe gegen angeblich ?demoralisierte burgerliche judische Nationalisten“.
[12]
Hintergrund waren antisemitische Kampagnen in der Sowjetunion gegen ?
wurzellose Kosmopoliten
“ und eine angebliche
Verschworung judischer Arzte
gegen Stalin.
Nach den Protesten vom 17. Juni wurde insbesondere dem MfS Versagen vorgeworfen. Es wurde zu einem ?Staatssekretariat fur Staatssicherheit (SfS)“ umgeformt und dem
Innenministerium
unterstellt. Wilhelm Zaisser wurde aus diesem Grund zuerst aus dem Zentralkomitee der SED und ein Jahr spater auch aus der SED ausgeschlossen. Erst 1955 erhielt das MfS wieder Ministeriumsrang und bekam den
Hauptverwaltung Aufklarung
genannten Auslandsnachrichtendienst zugeordnet.
Wahrend der gesamten 1950er Jahre wurden in zahlreichen ?Sauberungen“ Parteimitglieder verhaftet, die wahrend der
NS-Zeit
in westliche Lander emigriert waren, aber auch andere SED-Genossen wurden Opfer dieser Aktionen.
?Unzuverlassige“ Burger, die in der Nahe der
innerdeutschen Grenze
wohnten, wurden 1952 mit der
Aktion Ungeziefer
zwangsweise ins Hinterland umgesiedelt. Auf ihrer Seite der innerdeutschen Grenze errichtete die DDR 1954 eine funf Kilometer breite ?
Sperrzone
“, einen 500 Meter breiten, mit
Stacheldraht
gesicherten ?Schutzstreifen“ und einen zehn Meter breiten ?Kontrollstreifen“.
1952 erklarte die DDR-Fuhrung den ?planmaßigen
Aufbau des Sozialismus
“ zur grundlegenden Aufgabe, trieb den Prozess der ?Sowjetisierung“ der Gesellschaft voran und starkte die Staatsmacht. In der
Verwaltungsreform von 1952
wurden die funf Lander in 15
Bezirke
und 217 Kreise aufgeteilt. Außerdem stellte sie die verbliebene Mittelschicht in Frage: Insbesondere Bauern und kleine Handels- und Gewerbebetriebe sollten durch erhohte Abgaben zur Aufgabe ihrer Selbststandigkeit gezwungen werden. Auch der Kurs gegenuber den Kirchen verscharfte sich.
Großere Privatunternehmen wurden
enteignet
und in
Volkseigene Betriebe
(VEBs) uberfuhrt, staatliche Beteiligungen an Privatbetrieben wurden ausgebaut. Nach dem Motto: ?Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen“
[13]
wurde der
Schwerindustrie
Prioritat vor dem Ausbau der
Konsumguterindustrie
eingeraumt. Auch in der
Landwirtschaft
begann die
Kollektivierung
, die Bauern, die zum Teil erst in der
Bodenreform
wenige Jahre zuvor ihr Land bekommen hatten, wurden nun gedrangt, in
Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften
(LPGn) einzutreten.
Am 1. Juli 1952 begann die DDR mit der Einrichtung der
Kasernierten Volkspolizei
, eigene Streitkrafte aufzustellen.
Am 28. Mai 1953 beschloss das ZK der SED eine Erhohung der Arbeitsnormen um 10,3 Prozent. Das
Politburo
der
KPdSU
wies die SED daraufhin an, ihren starren und harten Kurs beim Aufbau des Sozialismus zu mildern. Das ZK der SED beschloss und verkundete am 11. Juni mit dem ?Neuen Kurs“ zahlreiche Erleichterungen insbesondere fur den burgerlichen Mittelstand und die Bauern und nahm etliche Maßnahmen der letzten Monate zuruck. Die Normerhohung blieb bestehen. Am 16. Juni kam es daraufhin zu Streiks auf zwei Berliner Großbaustellen, dem Block 40 in der Stalinallee und dem Krankenhausneubau in Berlin-Friedrichshain, und einem gemeinsamen Protestzug zum DDR-Regierungssitz, denen am 17. Juni 1953 flachendeckende Proteste folgten, die von
sowjetischen Truppen
niedergeschlagen wurden. Laut heutigen Erkenntnissen kamen dabei etwa 50 Demonstranten und 5 Angehorige der Volkspolizei ums Leben. Die DDR-Fuhrung bezeichnete den Aufstand als ein Werk ?faschistischer Agenten auslandischer Machte“.
Im Politburo wurde der Aufstand der verfehlten Politik Ulbrichts angelastet, der am 8. Juli 1953 versprach zuruckzutreten. Seit
Stalins
Tod am 5. Marz 1953 und der darauf einsetzenden
Entstalinisierung
hatten sich aber die Machtverhaltnisse in der KPdSU geandert. Nach der Verhaftung von Geheimdienstchef
Lawrenti Beria
wurde
Chruschtschow
zum neuen starken Mann in Moskau. Er setzte auf eine Stabilisierung der Verhaltnisse und starkte Ulbricht den Rucken, dem es gelang, seine innerparteilichen Gegner
Rudolf Herrnstadt
und
Wilhelm Zaisser
mit den Machenschaften des gesturzten Beria in Verbindung zu bringen und so kaltzustellen. Eine erneute Parteisauberung war die Folge.
Nachdem weit uber eine Million Menschen aus der DDR
gefluchtet waren
, wurde 1954 ein
Passgesetz
verabschiedet, das ein Verlassen der DDR ohne staatliche Genehmigung als ?
Republikflucht
“ kriminalisierte.
Zum Jahr 1960 stieg die Zahl der Abwanderer weiter an ? auch deshalb, weil viele Bauern dem Zwang zum Beitritt einer LPG entgehen wollten. Allein fur den Monat September meldeten
Westberliner
Behorden 20.968 ?SBZ“-Fluchtlinge. Bis 1961 hatten schließlich knapp drei Millionen Menschen die DDR seit ihrer Grundung verlassen. Da es sich dabei oft um gut ausgebildete Menschen handelte, bedrohte diese Abwanderung die
Wirtschaftskraft
der DDR und letztlich den Bestand des gesamten Staates. Ab dem 13. August 1961 wurde deshalb die
Berliner Mauer
aufgebaut, um eine weitere Abwanderung zu stoppen.
Wahrend die SMAD den Kirchen noch Zugestandnisse gemacht hatte, begann die DDR-Fuhrung im Fruhjahr 1953 einen harteren Kurs einzuschlagen, da diese sich gegen eine Instrumentalisierung wehrten. So ging sie vor allem gegen die
Junge Gemeinde
und Studentengemeinden sowie deren Mitglieder mit Relegierungen von Schulen und einzelnen Verhaftungen vor. Mit dem ?neuen Kurs“ wurde der verscharfte Kirchenkampf zunachst unterbrochen, 1955 mit der Wiederbelebung der aus der Arbeiterbewegung stammenden traditionellen
Jugendweihen
ein Gegenstuck zur kirchlichen
Konfirmation
geschaffen.
Nach Stalins Tod 1953 leitete dessen Nachfolger
Nikita Sergejewitsch Chruschtschow
auf dem XX.
Parteitag
der KPdSU 1956 die
Entstalinisierung
ein. Dies uberraschte und verwirrte die DDR-Fuhrung: Bis vor dem Parteitag verteidigte und lobte sie Stalin und bemerkte den Politikwechsel erst spat. Ulbricht erkannte die Brisanz und passte seine Begrußungsrede an die neuen Aussagen der sowjetischen Fuhrer an. Sofort nach dem Parteitag versuchte die SED-Fuhrung, ihren Mitgliedern die neuen ?Lehren“ zu vermitteln. Ulbricht schrieb im
Zentralorgan
der SED, der Zeitung
Neues Deutschland
, Stalin sei kein ?Klassiker des
Marxismus-Leninismus
mehr“ ? nachdem er noch einen Monat zuvor das Gegenteil gesagt hatte. Auch wenn die SED die Frage der Entstalinisierung auf ihrem Parteitag nur am Rande behandelte, erschutterte diese das Weltbild der deutschen Kommunisten. Letztlich hatte sich die DDR zu keinem Zeitpunkt vollstandig vom
Stalinismus
verabschiedet ? und nachdem 1985 in der Sowjetunion antistalinistische Filme und Zeitschriftenbeitrage zugelassen wurden, kam es deshalb auch zum Bruch mit dem bisherigen Vorbild.
Im Zuge der zaghaften Entstalinisierung wurden jedoch 25.000, vor allem politische Haftlinge entlassen und zahlreiche Politiker (
Franz Dahlem
,
Anton Ackermann
,
Hans Jendretzky
und andere) rehabilitiert.
Am 21. September 1964 starb Otto Grotewohl, und Nachfolger als Vorsitzender des Ministerrates wurde
Willi Stoph
. Am 20. Februar 1967 verabschiedete die Volkskammer ein Gesetz uber die
Staatsburgerschaft der DDR
, die die bis dahin geltende
deutsche Staatsburgerschaft
abloste. Im April 1968 stimmten 94,5 Prozent der wahlberechtigten Bevolkerung fur eine neue
Verfassung
, diese bestimmte die DDR als ?sozialistischen Staat deutscher Nation“ und schrieb die fuhrende Rolle der SED in der Verfassung fest.
Das Zentralkomitee der SED hatte bereits mehrere offene Briefe zur Losung der
Deutschlandfrage
an die SPD und die
Gewerkschaften
in der Bundesrepublik gerichtet. Im Februar 1966 schlug die SED in einem offenen Brief an die SPD vor, ein gesamtdeutsches Gremium fur die offene Aussprache zu schaffen. Die SPD zeigte sich fur Gesprache aufgeschlossen, machte aber zur Voraussetzung, dass eine Aussprache aller Parteien in beiden Teilen Deutschlands eingeleitet wurde (?Redneraustausch“).
[15]
Da die SED von dieser Reaktion und den Diskussionen in der DDR uberrascht und schockiert war, sagte sie zunachst vorgeschlagene Gesprache wieder ab. Nach der Bildung der
Großen Koalition
in der Bundesrepublik Deutschland (
Kabinett Kiesinger
ab 1. Dezember 1966, Willy Brandt wurde Außenminister) anderte die SED-Fuhrung ihre Konzeption in der Deutschlandfrage insgesamt und ging gegenuber der beweglicheren
Ostpolitik
von
Willy Brandt
in die Defensive. Sie furchtete, ein offener Dialog mit Westdeutschland konnte auf die DDR-Bevolkerung ubergreifen, wie es am Rande des
Erfurter Gipfeltreffens
1970 zu erleben war. Nach der
Hallstein-Doktrin
Westdeutschlands war es jetzt die DDR-Fuhrung, die versuchte, andere (sozialistische) Staaten von einer Anerkennung der Bundesrepublik Deutschland abzuhalten.
Nach dem Mauerbau wurde die Anwendung der Schusswaffe gegen Fluchtlinge befohlen (
Schießbefehl
). In den nachsten Monaten kam es zu kleineren Schusswechseln zwischen west- und ostdeutscher Grenzpolizei, nachdem
Grenztruppen der DDR
die ersten Fluchtlinge an der Grenze erschossen hatten. Ab 1961
verminte
die DDR ihre Seite der
innerdeutschen Grenze
.
Am 24. Januar 1962 fuhrte die DDR die
Wehrpflicht
ein, um so den Personalbedarf der 1956 gegrundeten und 85.000 Mann starken
Nationalen Volksarmee
(NVA) besser decken zu konnen.
[16]
Der Druck der Kirchen bewirkte, dass die DDR 1964 den Wehrdienst ohne Waffe als
Bausoldat
einfuhrte.
Uber dem Territorium der DDR und insbesondere in den
Luftkorridoren nach West-Berlin
kam es ofter zu kleineren Konflikten zwischen westlichen und sowjetischen Kampfflugzeugen. 1962 bedrangten sowjetische Jagdflugzeuge Militartransporter der Westalliierten, in denen unter anderem auch der
britische
Botschafter
saß. 1964 wurde eine
US
-Maschine uber
Thuringen
abgeschossen.
Am 20./21. August 1968 unterstutzten NVA-Truppen logistisch die Truppen der Sowjetunion bei der Niederschlagung des
Prager Fruhlings
, marschierten selbst jedoch nicht in die Tschechoslowakei ein.
In den 1960er Jahren zwangen eine Wirtschaftskrise und Diskussionen in der Sowjetunion die SED, ihre Wirtschaftspolitik zu andern. Das ?
Neue Okonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft
“ (NOSPL) wurde eingefuhrt. Es ermoglichte den
Vereinigungen der Volkseigenen Betriebe
(VVB) ? vergleichbar den spateren
Kombinaten
? eine großere Selbstverwaltung und raumte den Arbeitern eine ?Arbeitermitverantwortung“ ein, um Leistungsreserven zu erhohen und Initiativen zu wecken. Durch eine Selbststandigkeit der einzelnen
Volkseigenen Betriebe (VEB)
in der Material- und Kreditbeschaffung, bei Aktivitaten im Außen- und Binnenhandel und großere Vollmachten bei der Preis- und Absatzgestaltung wollte sie das System flexibler gestalten. Der Lebensstandard stieg daraufhin an, der Abstand zur Bundesrepublik blieb bestehen.
1966 ging das
Kernkraftwerk Rheinsberg
(70 MW) als erstes
Kernkraftwerk
der DDR ans Netz.
Als sich ein erster Mangel an
Devisen
aus dem ?
Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet
“ (NSW) bemerkbar machte, wurde 1962 die
Intershop
-Handelsorganisation gegrundet. In diesen Geschaften konnten nur Auslander mit Devisen bezahlen, dafur konnten diese allerdings Produkte kaufen, die es fur die offizielle Wahrung
Mark der DDR
gar nicht oder nur in minderer Qualitat zu kaufen gab. Insgesamt waren die Artikel deutlich gunstiger als vergleichbare Produkte in Westdeutschland.
Da die Devisenknappheit weiter zunahm, baute
Alexander Schalck-Golodkowski
ab 1964 die Abteilung ?
Kommerzielle Koordinierung
“ (KoKo) innerhalb des Ministeriums fur Außenhandel auf, die mit allen legalen und haufig auch illegalen Methoden zusatzliche Devisen beschaffen und bestehende
Embargos
gegen die DDR umgehen sollte.
Nach Streitigkeiten mit Teilen der Parteifuhrung im Bereich der Wirtschafts- und Außenpolitik 1970 wurde Ulbricht gezwungen, ?aus gesundheitlichen Grunden“ von fast allen Amtern zuruckzutreten. Am 3. Mai 1971 endete damit die Ara Ulbricht, und
Erich Honecker
wurde als dessen Nachfolger zum Ersten Sekretar des ZK der SED gewahlt. Der Wechsel an der Spitze bedeutete fur die Entwicklung der DDR einen tiefen Einschnitt.
Nach dem Rucktritt von Ulbricht wurde die Ulbricht-Periode systematisch aus der offiziellen Geschichtsschreibung verdrangt und alle Veranderungen nach seinem Abgang stark betont. Sein Name tauchte in der Offentlichkeit kaum noch auf.
Das politische Ziel einer
Wiedervereinigung
Deutschlands (zu einem sozialistischen Gesamtdeutschland) wurde endgultig aufgegeben, samtliche Hinweise darauf aus der
Verfassung
gestrichen und bei vielen Organisationen und Institutionen die Kennzeichnung ?Deutschland“ durch ?DDR“ ersetzt. So wurde zum Beispiel der Deutsche Fernsehfunk in
Fernsehen der DDR
umbenannt und als
Autokennzeichen
?DDR“ statt ?D“ (fur Deutschland) vorgeschrieben. Um die psychologische und emotionale Bindung an die deutsche Kultur dennoch zu berucksichtigen, pragte Honecker die Formel: ?Staatsangehorigkeit: DDR, Nationalitat: deutsch“.
Honeckers Amtszeit wurde durch einen Beschluss der SED gekennzeichnet, der die ?Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ zur neuen Hauptaufgabe bestimmte. Unter Ulbricht hatten bis 1971 der Aufbau und die Weiterentwicklung der
okonomischen Basis
auch unter Berucksichtigung
systemtheoretischer
und technologischer Innovationen und wirtschaftlicher Erfordernisse im Vordergrund der Wirtschaftspolitik gestanden. Nach den Beschlussen des VIII. Parteitags der SED erfolgte 1971 ein politischer Paradigmenwechsel. Mittels einer forcierten Erhohung des Lebensstandards und der Kaufkraft sollte die Zufriedenheit der Bevolkerung gesteigert und letztlich die Arbeitsproduktivitat erhoht werden. Ein Kernstuck dieser Idee war ein Wohnungsbauprogramm, das das dringende
Wohnungsproblem
bis 1990 losen sollte und vor allem zum Entstehen großer Neubaugebiete mit fur damalige Verhaltnisse komfortablen Wohnungen in vielen Stadten der DDR fuhrte. Bis 1980 wurden 700.000 bis 800.000 Wohnungen errichtet oder modernisiert und bis 1990 nach offiziellen Angaben insgesamt 3 Millionen Wohnungen in
Plattenbauweise
hergestellt. Spater stellte sich jedoch heraus, dass die DDR-Regierung diese Zahlen stark geschont hatte und tatsachlich nur 1,92 Millionen Plattenbau-Wohneinheiten errichtet worden waren. Der damit verbundene Verfall und Abriss von Altbauten, deren Sanierung fur die DDR zu teuer war, fuhrte zu einer Verodung der Innenstadte.
Ein weiterer Schwerpunkt von Honeckers Wirtschaftspolitik war die Beschaffung von westlichen Produktionsanlagen fur Export- und
Konsumguter
. Diese Investitionen wurden durch Kredite bei westlichen Banken finanziert und sollten sich plangemaß ab Ende der 1970er Jahre bezahlt machen.
Diese Anderung der Wirtschaftspolitik verursachte erstmals hohe Auslandsschulden gegenuber dem nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet, nach Ansicht einiger Autoren der ?Anfang vom Ende“ der DDR.
Hauptenergiequelle der DDR war die heimische
Braunkohle
, die zum Heizen der Wohnungen und zur Stromerzeugung verwendet wurde. Das sowjetische
Erdol
war dafur zu kostbar, da es teuer bezahlt werden musste und als veredeltes Endprodukt die wichtigste Devisenquelle war. Als am
Silvestertag
1978 die Temperatur innerhalb kurzer Zeit um 20 Grad fiel, zeigte sich eine Schwache dieser Abhangigkeit: Die mit viel Schneefall verbundene Kaltewelle stoppte den Braunkohletagebau. Da es kaum Vorrate gab, bedeutete dies den
Stillstand eines großen Teils der Wirtschaft
fur 14 Tage.
Durch eine liberalere Haltung gegenuber den
Kunstlern und Intellektuellen
wollte die SED-Fuhrung die Kluft zwischen Bevolkerung und Fuhrung uberbrucken. Dies anderte sich abrupt 1976 durch die Ausburgerung von
Wolf Biermann
. Dieser Vorgang loste energische Proteste aus und fuhrte zu einer Unterschriftensammlung bei namhaften Kunstlern und Schriftstellern ? fur die SED ein ungeheuerlicher Akt. Zahlreiche prominente Unterzeichner wurden anschließend unter Druck gesetzt und so zur Ausreise in die Bundesrepublik getrieben, einige auch verhaftet. 1979 eskalierte die Auseinandersetzung und fuhrte zum Ausschluss von zahlreichen beruhmten Mitgliedern wie
Stefan Heym
aus dem
Deutschen Schriftstellerverband
.
Unter Erich Honecker wurden sowohl die Fuhrungsrolle der Sowjetunion als auch das sowjetische Modell von der SED wieder als verbindlich angesehen. Die Beziehungen zwischen der DDR und der Sowjetunion verbesserten sich daraufhin. Beide Staaten schlossen 1975 einen neuen Freundschafts- und Beistandsvertrag ab, der die DDR in eine rechtlich noch großere Abhangigkeit von der Sowjetunion brachte.
Nach der Unterzeichnung des
Berlinabkommens
durch die
Vier Machte
(
Frankreich
, Großbritannien, Sowjetunion und USA) im September 1971 schloss die DDR mit der Bundesrepublik Deutschland zahlreiche Vertrage. Im Dezember wurde das
Transitabkommen
unterzeichnet, um Westdeutschen die Fahrten von und nach
West-Berlin
zu erleichtern. Ein Jahr spater folgte die Unterzeichnung des
Grundlagenvertrags
, der die
Souveranitat
und die Grenzen der DDR anerkannte. Da die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer neuen
Ostpolitik
den Widerstand gegen eine internationale Aufwertung der DDR aufgab, anderte sich die
außenpolitische
Situation der DDR grundlegend. Bereits im Dezember 1972 hatten 20 Staaten
Diplomaten
mit der DDR ausgetauscht (unter anderem
Iran
,
Schweden
,
Schweiz
,
Osterreich
). Auch mit den USA konnten diplomatische Beziehungen vereinbart werden. Bis 1978 hatten insgesamt 123 Regierungen in aller Welt die DDR
volkerrechtlich
anerkannt, und damit war die wichtigste Phase ihrer Außenpolitik erfolgreich abgeschlossen.
Die DDR zog im September 1973 gleichzeitig mit der Bundesrepublik Deutschland in die
UNO
ein und beteiligte sich im gleichen Jahr an der
Konferenz uber Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
(KSZE). Dadurch verpflichtete sie sich auch zur Einhaltung der
Menschenrechte
. Mehr und mehr Burger forderten daraufhin die Einhaltung der Zusagen und stellten Antrage auf Ausreise in die Bundesrepublik.
1973
akkreditierte
die DDR zum ersten Mal
Korrespondenten
von
ARD
,
ZDF
sowie von Zeitungen und Zeitschriften aus der Bundesrepublik Deutschland. Sie durften sich innerhalb gewisser Grenzen frei bewegen, wurden dabei aber vom
MfS
uberwacht. Viele
Reportagen
und
Interviews
wurden vom MfS
inszeniert
.
Im Zuge der Verbesserung der Beziehungen wurde auch der
Haftlingsfreikauf
zunehmend organisierter geregelt. Dabei bezahlte die Bundesrepublik der DDR eine bestimmte Summe Devisen oder Waren, um im Gegenzug politische Gefangene freizukaufen, die anschließend in die Bundesrepublik ausgeburgert wurden.
1971 ließ die DDR die Sperrzonen an der
innerdeutschen Grenze
auflosen oder verkleinern, baute gleichzeitig jedoch
Selbstschussanlagen
auf, die auf ihren Grenzstreifen gerichtet waren.
Insbesondere durch die hohen Kosten des
Wettrustens
wurde die wirtschaftliche Lage der Sowjetunion 1981 zunehmend kritisch. Sie wurde gezwungen, die Preise fur
Rohol
zu erhohen und die Lieferungen von 19 Millionen Tonnen auf 17 Millionen Tonnen zu drosseln.
[17]
In der DDR brach dadurch eine der wichtigsten Devisenquellen formlich zusammen, da die DDR Rohol aus der UdSSR gegen Warenlieferungen bezog und die daraus gewonnenen Raffinerieprodukte gegen Devisen im Westen vermarktete. Dies fuhrte dazu, dass sie 1982 erstmals fallige Kredite und Zinszahlungen zum großten Teil nur mit neuen Krediten ablosen konnte und es zu Problemen mit westlichen
Kreditinstituten
kam. 1983 kam es daraufhin zu Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR mit dem Ergebnis, dass die
Bundesregierung
die
Burgschaft
fur insgesamt zwei vom
bayerischen Ministerprasidenten
Franz Josef Strauß
(
CSU
) vermittelte Kredite uber jeweils eine Milliarde
D-Mark
fur die DDR ubernahm, um damit deren Stabilitat zu bewahren. Im Gegenzug baute die DDR die Selbstschussanlagen an der
innerdeutschen Grenze
ab und erleichterte Westdeutschen die Reise in die DDR.
Gegen Ende der 1980er Jahre wurde der wirtschaftliche Verfall der DDR-Wirtschaft zunehmend sichtbar. Bereits seit langer Zeit zehrte sie nur noch von ihrer Substanz, da sie Neuinvestitionen oder Reparaturen nicht mehr finanzieren konnte. Insbesondere die hohen Kosten der
Mikroelektronik
(hier gab es noch immer Handelsbeschrankungen seitens der westlichen Staaten) und des Wohnungsbauprogramms sowie der restlichen Sozialausgaben fuhrten schließlich 1989 in eine kritische wirtschaftliche Situation. Reformvorschlage von
Gerhard Schurer
, dem Chef der Plankommission, wurden von
Erich Honecker
und
Gunter Mittag
abgelehnt, und letztlich war vor allem aufgrund der okonomischen Krise eine Destabilisierung des Regimes nicht mehr aufzuhalten. Die DDR-Fuhrung war zu verstarkten Verhandlungen mit der Bundesrepublik gezwungen, die sich immer einseitiger zu Gunsten dieser gestalteten.
Die DDR hatte 1968 im Artikel 6 ihrer Verfassung erklart, ?auf ihrem Gebiet den deutschen Militarismus und Nazismus ausgerottet“ zu haben. Bis zum Beginn der 1980er Jahre gab es in der DDR keine offen auftretende rechtsextreme Szene. Die ersten
Skinheads
waren nur schwach untereinander organisiert. Das anderte sich etwa 1983, als rechte Gruppen junger Menschen regelmaßig Fußballspiele aufmischten. Neben den offen brutal auftretenden Skinheads bildete sich eine außerlich unauffallige, viel besser organisierte Gruppe von ?Faschos“, die die eigentliche neofaschistische Ideologie in der DDR transportierten. Beide Auspragungen bezogen ihre Identitat aus dem Prinzip der Gewalt und einer uberlegenen Herrenrasse, lehnten die DDR und Bundesrepublik ab, verbreiteten Hassparolen gegen Linke, Auslander und Juden und diffamierten diese offentlich. Es bestanden Verbindungen zur rechten Szene und zur
NPD
in der Bundesrepublik. Die DDR-Fuhrung war auf die neue Rechte nicht vorbereitet und stempelte großere Ausschreitungen als Werk des ?kapitalistischen Westens“ ab. Die Justiz wendete den fur viele rechte Straftaten greifenden § 220 StGB (?Offentliche Herabwurdigung der staatlichen Ordnung“) nur selten an. In den fur die sozialistische Schulung der Jugend zustandigen Ordnungsgruppen der FDJ fanden sich viele Sympathisanten mit dem rechten Gedankengut. Zudem wuchs der Ruckhalt in der Bevolkerung. In der Wendezeit und den Jahren danach trat die Gewalt noch offener zutage; es gab Morde an Auslandern, die
Ausschreitungen in Hoyerswerda
bildeten den Auftakt fur eine ganze Serie rassistisch motivierter Straftaten, und rechtsradikale Gruppen kontrollierten mancherorts ganze Stadtteile. Der Bericht des Untersuchungsausschusses 2014 zum
NSU
-Terror sah in der fehlenden Aufarbeitung des Rechtsextremismus der DDR eine Ursache fur das Versagen des
Thuringer Landesamts fur Verfassungsschutz
bei diesen Mordserien.
[18]
In der Sowjetunion wurde 1985
Michail Sergejewitsch Gorbatschow
zum Generalsekretar der Kommunistischen Partei gewahlt. Als De-facto-Herrscher der Sowjetunion versuchte er den Verfall des
Kommunismus
durch die Einfuhrung von
Glasnost
(Offenheit) und
Perestroika
(Umstrukturierung) aufzuhalten. 1988 verkundete er die Aufhebung der
Breschnew-Doktrin
und erlaubte den osteuropaischen Staaten damit eine von der Sowjetunion unabhangige demokratische Entwicklung.
Die DDR lehnte diese Politik ab und ging auf Distanz zur Sowjetunion. 1987 fehlten im
Neuen Deutschland
beim Abdruck einer Rede Gorbatschows die Abschnitte mit dessen scharfer Kritik an seinen Amtsvorgangern. Im selben Jahr nahm
Kurt Hager
, ein Mitglied des SED-Politburos, in einem Interview mit dem westdeutschen Nachrichtenmagazin
Stern
zu den Reformen in der Sowjetunion Stellung mit den Worten: ?Wurden Sie, nebenbei gesagt, wenn Ihr Nachbar seine Wohnung neu tapeziert, sich verpflichtet fuhlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?“. Zahlreiche sowjetische Zeitungen und Filme wurden in der DDR verboten: unter anderem die Monatszeitschrift ?
Sputnik
“, einzelne Ausgaben der ?Neuen Zeit“ und funf antistalinistische Filme.
1988 erklarte
Honecker
offiziell die Ablehnung der sowjetischen Reformpolitik.
1984 siedelten ungewohnlich viele (40.900) Personen in die Bundesrepublik um. Zahlreiche Ausreisewillige fluchteten in die deutsche Botschaft in
Prag
oder die
Standige Vertretung
der Bundesrepublik in
Ost-Berlin
, um eine schnellere Bearbeitung ihrer Ausreiseantrage zu erzwingen, kehrten nach entsprechenden Zusagen jedoch wieder zuruck.
Am 2. Mai 1989 begann die
Volksrepublik Ungarn
ihre Grenzanlagen zu
Osterreich
medienwirksam abzubauen. In der Folge versuchten Hunderte von
DDR-Burgern
in kleinen Gruppen uber die noch immer bewachte ungarische Grenze in den Westen zu gelangen. Am 19. August 1989 nutzten dann beim
Paneuropaischen Picknick
in der Nahe der ungarischen Stadt
Sopron
zwischen 600 und 700 DDR-Burger die Gelegenheit zur Flucht nach Osterreich. Gegenwartige ungarische Grenzorgane schritten dabei nicht ein.
[19]
Ende August 1989 begannen in
Bayern
Vorbereitungen zur Errichtung von Notaufnahmelagern. Gleichzeitig begaben sich viele DDR-Burger in die
Botschaften
der Bundesrepublik in
Budapest
, Prag und
Warschau
und die
Standige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR
, um an bundesdeutsche Reisepapiere zu gelangen. Letztendlich mussten die Botschaften im August/September wegen Uberfullung geschlossen werden. Dies fuhrte dazu, dass die DDR auch die Grenzen zur
Tschechoslowakei
und Polen fur die Ausreise von DDR-Burgern schloss. Am 23. August 1989 durften die Fluchtlinge in Budapest, am 30. September 1989 in Prag und Warschau in die Bundesrepublik ausreisen. Diese wurden Anfang Oktober mit
Sonderzugen
uber DDR-Gebiet, wo man ihnen in den Zugen die DDR-Papiere abnahm und sie offiziell ausburgerte, in die Bundesrepublik gefahren. Wahrend der Durchfahrt durch abgesperrte Bahnhofe versuchten DDR-Burger auf die Zuge aufzuspringen. Auf dem
Hauptbahnhof Dresden
lieferten sich Demonstranten und Sicherheitskrafte gewalttatige Auseinandersetzungen.
Im September 1989 ließ die
damalige Regierung Ungarns
etwa 30.000 Ausreisewillige ohne Absprache mit der DDR ausreisen. Seit dem 3. November 1989 durften DDR-Burger wieder ohne Formalitaten uber die ?SSR ausreisen; es kam zu einer erneuten Ausreisewelle.
Schon Anfang der 1970er, verstarkt ab Ende der 1970er Jahre entstanden die ersten Friedensgruppen. Maßgebliche Impulse dafur gaben die Wehrdienstverweigerer, die des Ofteren dem Repressionsapparat der DDR ausgesetzt waren. Unter dem schutzenden Dach der Kirche organisierten sich Diskussionszirkel, die sich mit Menschenrechtsverletzungen und Abrustungsforderungen auseinandersetzten. Die ersten Friedenszirkel fanden 1972/1973 in Konigswalde und Meißen statt. Eines der bekanntesten Seminare der Burgerrechtsbewegungen, ?Konkret fur den Frieden“, startete mit einer Beteiligung von 37 Friedensgruppen und 130 Teilnehmern in Berlin und vertrat 1988 uber 250 Gruppen aus der gesamten DDR. Diese Gruppen erhielten im Laufe der Jahre Aufmerksamkeit in der Bevolkerung und waren ein Triebmotor fur die Entstehung der breiten oppositionellen Basis in den 1980er Jahren. Seit 1980 verwendete die Friedensbewegung in der DDR das Symbol
Schwerter zu Pflugscharen
,
das ein Bibelzitat aus dem
Michabuch
(
Mi
4,3
EU
) mit einer von der Sowjetunion errichteten Skulptur verband. Im Fruhjahr 1982 kam es deswegen zu massiven Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und den Evangelischen Kirchen einerseits und staatlichen Stellen andererseits.
Am 24. November 1987 sturmten Mitarbeiter des
MfS
die Raume der
Umwelt-Bibliothek
in der Zionsgemeinde in Berlin und nahmen dort Mitarbeiter fest, die mit der Herstellung einer Zeitschrift, der ?Umweltblatter“, beschaftigt waren. Erwartet wurde der Druck der
IFM
-Zeitung ?Grenzfall“, deren Herstellung nicht den Aufdruck ?Nur fur den innerkirchlichen Dienstgebrauch“ trug.
Auf zunehmendes Drangen von Kirchgemeindegliedern und kirchlichen Basisgruppen seit Mitte der 80er Jahre erarbeiteten in den Jahren 1988 und 1989 alle Kirchen und kirchliche Gemeinschaften der DDR gemeinsam im Rahmen der ?
Okumenischen Versammlung fur Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schopfung
“ einen Katalog von notwendigen gesellschaftspolitischen Veranderungen.
Am 17. Januar 1988 fanden auf der Gedenkdemonstration fur
Rosa Luxemburg
und
Karl Liebknecht
Proteste unter der Losung eines Zitats von Rosa Luxemburg (?Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“) statt. Die Sicherheitskrafte verhafteten vor laufenden
Fernsehkameras
westlicher
Journalisten
zahlreiche Demonstranten; in den darauf folgenden Tagen wurden zahlreiche Aktivisten der DDR-Opposition verhaftet. Es kam in der ganzen DDR zu Solidaritatsveranstaltungen. Durch das Quasi-Verbot der Zeitschrift Sputnik wurde die Stimmung weiter angeheizt.
Wahrend man sich in der Sowjetunion bei den Wahlen zum ersten
Volksdeputiertenkongress
zum ersten Mal zwischen mehreren Kandidaten entscheiden konnte, stand in der DDR bei den Kommunalwahlen im Mai 1989 weiterhin nur die Einheitsliste zur Auswahl. Als offizielles Ergebnis wurde 98,85 Prozent angegeben. Zum ersten Mal konnten zahlreiche Regimekritiker eine Falschung der Ergebnisse beweisen. Es kam in der Folge zu zahlreichen Demonstrationen, die von
Volkspolizei
und MfS aufgelost wurden. Gorbatschow lehnte eine Intervention von Sowjet-Truppen gegen mogliche Unruhen ab. Honecker reagierte auf diese Demonstrationen im August 1989 mit dem Spruch ?Den Sozialismus in seinem Lauf, halt weder Ochs noch Esel auf“. Zunehmend zeigte die Parteifuhrung ihre Unfahigkeit, die Realitat in der DDR und drangende Probleme zu erkennen oder darauf zu reagieren.
Seit dem 4. September 1989 fanden in
Leipzig
wochentlich
Montagsdemonstrationen
nach dem
Friedensgebet
statt. Am Rande der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1989 gab es im ganzen Land Proteste. Am 9. Oktober 1989 horte man auf der Leipziger Montagsdemonstration mit 70.000 Teilnehmern den Ruf ?Wir sind das Volk“. Auf der Sitzung des SED-Politburos vom 17. Oktober 1989 wurde Honecker zum Rucktritt von allen Amtern gezwungen; am 18. Oktober wurde
Egon Krenz
zu seinem Nachfolger ernannt. Am 4. November 1989 kam es auf dem Berliner Alexanderplatz mit etwa einer Million Teilnehmern zur großten Demonstration in der Geschichte des Staates, sie wurde vom Fernsehen live ubertragen.
Im Herbst 1989 grundeten sich eine ganze Reihe neuer oppositioneller
Burgerbewegungen
und Parteien, die offentliche Diskussion und eine Reform der Gesellschaft forderten, die bekannteste Gruppe war das
Neue Forum
. Die Bedeutung der Opposition wurde am 27. Oktober 1989 durch die Forderung von
Demokratie Jetzt
nach einer Volksabstimmung uber die fuhrende Rolle der SED deutlich, die in der Anmahnung eines Runden Tisches mundete (
siehe dazu auch:
Grundungen von Initiativen und Parteien vor und nach der Revolution
).
Am 7. November 1989 traten die Regierung und das
Politburo
zuruck. Am Abend des 9. November 1989 verlas
Gunter Schabowski
vor laufenden Fernsehkameras, dass sofort und unverzuglich Privatreisen ins Ausland ohne Vorliegen von Voraussetzungen wie Reiseanlasse und Verwandtschaftsverhaltnisse beantragt werden konnten. Die Genehmigungen sollten kurzfristig erteilt werden. Ausreisen konnten uber alle Grenzubergangsstellen der DDR zur Bundesrepublik erfolgen. Tausende eilten an die Grenzen. Ohne Befehl offneten die uberraschten Grenzsoldaten die Ubergange der
Berliner Mauer
und der
Grenze zur Bundesrepublik
. Am darauf folgenden Tag besuchten Millionen von DDR-Burgern die grenznahen Stadte der Bundesrepublik und West-Berlin. Es kam zu uberschwanglichen Freudenszenen; fremde Menschen umarmten sich, sangen, tanzten und jubelten.
Anfang Dezember 1989 wurde die Fuhrungsrolle der SED aus der Verfassung gestrichen und gegen ehemalige
Funktionare
der SED, darunter Erich Honecker, ermittelt. Egon Krenz trat von allen Amtern zuruck, Nachfolger als
Vorsitzender des Staatsrats
wurde
Manfred Gerlach
. Am 7. Dezember 1989 kam es erstmals zu Gesprachen am
Runden Tisch
mit den ehemaligen Blockparteien und Oppositionsgruppen. Dabei konnten erstmals nicht gewahlte DDR-Burger in den Burgerrechtsbewegungen uber die politische Entwicklung in der DDR mitdiskutieren und -bestimmen. Zwei Tage spater wurde
Gregor Gysi
Parteivorsitzender der am 17. Dezember 1989 in SED-PDS und am 4. Februar 1990 in
Partei des Demokratischen Sozialismus
(PDS) umbenannten SED.
Nach dem
Mauerfall
, insbesondere ab Januar 1990, anderte sich die Zielrichtung der immer noch stattfindenden Montagsdemonstrationen allmahlich. Nach dem Protest gegen die alte Fuhrung und dem Anspruch auf die Souveranitat des Volkes, ausgedruckt durch den Slogan ?
Wir sind das Volk
“, wurde mehr und mehr der Wunsch nach der Wiedervereinigung, ausgedruckt durch den abgeanderten Slogan ?Wir sind ein Volk“, zur Forderung der Demonstrationen. Am 15. Januar 1990 sturmten Demonstranten die
Stasizentrale
in Ost-Berlin. Im Februar 1990 sprachen
Helmut Kohl
,
Michail Sergejewitsch Gorbatschow
und
Hans Modrow
uber die
deutsche Einheit
. Am 18. Marz 1990 wurde die erste
Freie Volkskammer
gewahlt; Gewinner der Wahl war die ?
Allianz fur Deutschland
“.
Lothar de Maiziere
wurde am 12. April 1990 neuer Ministerprasident der DDR, nachdem am 5. April 1990
Sabine Bergmann-Pohl
Volkskammerprasidentin und (da die Volkskammer den Staatsrat abschaffte) damit auch letztes Staatsoberhaupt geworden war. Am 1. Juli 1990 trat die
Wahrungs-, Wirtschafts- und Sozialunion
zwischen der Bundesrepublik und der DDR in Kraft. Mitte Juli 1990 nahm die
Treuhandanstalt
fur die
Abwicklung
der
VEB
ihre Arbeit auf. Am 31. August 1990 wurde von Vertretern der beiden Regierungen der
Einigungsvertrag
unterzeichnet, den die Volkskammer am 20. September ratifizierte. Die
Hauptsiegermachte
stimmten am 12. September 1990 in den ?
Zwei-plus-Vier-Gesprachen
“ zu. Seit dem 3. Oktober 1990 ist Deutschland
wiedervereint
; mit dem Wirksamwerden des Beitritts nach
Artikel 23 GG alter Fassung
erlosch zum selben Zeitpunkt die Existenz der DDR als
Volkerrechtssubjekt
und Staat.
[20]
Die Verwaltungsstrukturen dagegen wurden bis zur Schaffung neuer, dem Standard der Bundesrepublik entsprechenden, erhalten. So wurden noch bis Ende Dezember DDR-Zulassungen fur
Kraftfahrzeuge
ausgegeben, bundesrepublikanische Kfz-Zulassungen gab es erst seit dem 2. Januar 1991.
Portal: DDR
? Ubersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema DDR
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?Die Bundesregierung kann aber nur mit denjenigen in Besprechungen uber die deutsche Wiedervereinigung eintreten, die willens sind, eine rechtsstaatliche Ordnung, eine freiheitliche Regierungsform, den Schutz der Menschenrechte und die Wahrung des Friedens vorbehaltlos anzuerkennen und zu garantieren.“ Aus:
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- ↑
Erklarung des Vorsitzenden der Sowjetischen Kontrollkommission zur Ubergabe von Verwaltungsfunktionen an deutsche Behorden vom 11. November 1949.
(
Memento
des
Originals
vom 11. Juni 2010 im
Internet Archive
)
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Anleitung
und entferne dann diesen Hinweis.
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In:
Ingo von Munch
:
Dokumente des geteilten Deutschlands.
S. 325 ff.
- ↑
Erklarung der Sowjetregierung uber die Gewahrung der Souveranitat an die DDR vom 25. Marz 1954.
(
Memento
vom 11. Juni 2010 im
Internet Archive
) In: Ingo von Munch:
Dokumente des geteilten Deutschlands.
S. 329 ff.
- ↑
Erklarung der Regierung der UdSSR uber die Gewahrung der Souveranitat an die Deutsche Demokratische Republik
- ↑
Zit. nach Christoph Fuhr, Carl-Ludwig Furck (Hrsg.):
Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte
. Bd. VI: 1945 bis zur Gegenwart. Zweiter Teilband: Deutsche Demokratische Republik und neue Bundeslander,
Beck, Munchen 1998, S. 206.
- ↑
Sammlung im
Deutschen Rundfunkarchiv
,
S. 55
(
Memento
vom 31. Januar 2012 im
Internet Archive
) (PDF; 1,2 MB).
- ↑
Thomas Haury
:
Antisemitismus von Links. Kommunistische Ideologie, Nationalismus und Antizionismus in der fruhen DDR
. Hamburger Edition, Hamburg 2002.
- ↑
Neues Deutschland.
14. Januar 1953, zit. nach
Wilfried Loth
:
Stalins ungeliebtes Kind. Warum Moskau die DDR nicht wollte.
Rowohlt, Berlin 1994, S. 195.
- ↑
Dies war 1951 die Losung des 3. Kongress der
Gesellschaft fur Deutsch-Sowjetische Freundschaft
gewesen.
- ↑
im ND-Archiv
- ↑
Bundesarchiv
:
Deutschlandfrage und innerdeutsche Beziehungen
- ↑
Bundesarchiv:
Das deutsche Militarwesen ? Deutsche Demokratische Republik 1949?1990. Teil 8 der Dauerausstellung ?Deutsche Militargeschichte 1867 bis heute“ in der Abt. Militararchiv
- ↑
Klaus Schroder:
Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR.
Munchen 1999.
- ↑
Landtag Thuringen: Bericht des Untersuchungsausschusses 5/1 ?Rechtsterrorismus und Behordenhandeln“ vom 16. Juli 2014; darin: Konrad Weiß:
Die neue alte Gefahr. Junge Faschisten der DDR
, Kontext, Fruhjahr 1989.
- ↑
Siehe unter anderem Manfred Gortemaker:
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Grundung bis zur Gegenwart
. 1999, S. 725.
- ↑
Siehe zum Beispiel
Peter Lerche
, in: Isensee/Kirchhof (Hg.),
Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland
, Bd. VIII, Heidelberg 1995, § 194 Rn. 45, 47;
Hans Hugo Klein
, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII, § 198
Rn. 3
(
Memento
des
Originals
vom 11. Juni 2010 im
Internet Archive
)
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