Wilhelm Leopold Friedrich Kulz
(*
18. Februar
1875
in
Borna
; †
10. April
1948
in
Berlin
) war ein deutscher
liberaler
Politiker
(
DDP
,
LDP
,
DPD
). 1926 war er
Reichsinnenminister
, 1945 bis 1948 Vorsitzender der LDP in der
sowjetischen Besatzungszone
.
Kulz stammte aus einer
sachsischen
Pfarrersfamilie und legte 1894 das
Abitur
an der
Landesschule Sankt Augustin
in
Grimma
ab. Er studierte Rechts- und
Staatswissenschaften
an den
Universitaten Leipzig
und
Tubingen
und wurde 1901 bei
Heinrich Triepel
in Tubingen mit einer Arbeit uber
Die Feststellung der Friedensprasenzstarke des deutschen Heeres
zum Dr. sc. pol. promoviert.
[1]
In Leipzig war er ab 1894 Mitglied in der musischen Studentenverbindung
Akademischer Gesangverein Arion
, deren Geschichte er schrieb, und erhielt 1929 die Ehrenmitgliedschaft der
Sangerschaft
Gotia
in Gottingen, deren Bau ihres
Korporationshauses
er maßgeblich vorantrieb; 1931 wurde er Ehrenmitglied der
Burschenschaft
Arminia Dresden
[2]
.
1901 wirkte Kulz zunachst als
Stadtschreiber
in
Zittau
, ab 1903 als stellvertretender
Burgermeister
von
Meerane
. Von 1904 bis 1912 war er Burgermeister (ab 1909
Oberburgermeister
) von
Buckeburg
. Er wurde in den Landtag von
Schaumburg-Lippe
gewahlt, dem er von 1906 bis 1912 angehorte, und bekleidete ab 1910 das Amt des Landtagsprasidenten.
[3]
1907 wurde Kulz außerdem zum
Reichskommissar
fur Selbstverwaltung in
Deutsch-Sudwestafrika
berufen und war ein Jahr in Afrika. Die dort 1909 eingefuhrte Kommunalverwaltung wurde von ihm entworfen. 1912 wurde Wilhelm Kulz zum
Oberburgermeister
von
Zittau
gewahlt. Kulz diente vier Jahre bei der
sachsischen Armee
[4]
im
Ersten Weltkrieg
und wurde als
Major der Reserve
demobilisiert. 1923 wechselte er als 2. Burgermeister nach
Dresden
, wo er fur die Stadtfinanzen verantwortlich war.
Abgeordneter, Reichsinnenminister und Stadtverordneter
[
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Kulz war zunachst Anhanger der
Nationalliberalen Partei
. 1912 kandidierte er erfolglos fur die NLP im
Reichstagswahlkreis Konigreich Sachsen 9
. 1918 wurde er Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Von 1920 bis 1933 war er DDP-
Landesvorsitzender
im Freistaat Sachsen. 1920 war er als Nachrucker fur
Emil Nitzschke
Abgeordneter der
Weimarer Nationalversammlung
und von 1920 bis 1932 des
Deutschen Reichstags
.
Im Januar 1926 wurde er zum
Reichsinnenminister
im
Kabinett
des Kanzlers
Hans Luther
berufen. Diese Position behielt er auch im folgenden
Kabinett
unter der Fuhrung des Zentrumspolitikers
Wilhelm Marx
bis zu dessen Sturz im Dezember desselben Jahres bei.
Bei den Wahlen zum Dresdner Stadtverordnetenkollegium am 17. November 1929 errang Kulz ein Mandat. Die DDP erhielt hierbei insgesamt funf Sitze von insgesamt 75.
[5]
Als
Reichskommissar
fur die
Pressa
in
Koln
1928 und die
Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930
oblagen ihm uberregionale Koordinierungsaufgaben. In letzterer, die der wissenschaftlichen Leitung von
Marta Fraenkel
unterstand, sah er einen großen lehrreichen Beitrag zur ?Volksgesundheitspflege“ und wurdigte dabei die regionale und internationale Arbeit des
Deutschen Hygiene-Museums
anlasslich der Eroffnung seines neuen Gebaudekomplexes im Jahre 1930.
[6]
Als spaterer Oberburgermeister Dresdens hatte er fur die verlangerte Ausstellung im Jahr 1931 eine noch umfassendere Verantwortung.
Am 9. Februar 1931 wurde Kulz mit 36 von 70 abgegebenen Stimmen im Stadtverordnetenkollegium zum
Oberburgermeister
von
Dresden
gewahlt.
[7]
Da er sich lange weigerte, unliebsame Mitarbeiter und Mandatstrager zu entlassen, und im Marz 1933 ablehnte, die
Hakenkreuzflagge
auf dem Rathaus zu hissen, wurde er vom
Reichskommissar
Manfred von Killinger
am 14. Marz 1933 des Amtes enthoben.
[8]
1935 zog er nach
Berlin-Wilmersdorf
, arbeitete als
Rechtsanwalt
und Mitarbeiter von Wirtschaftsverbanden und pflegte Kontakte zu verschiedenen Widerstandskreisen.
Mitte Juni 1945 gehorte er in
Berlin
zum Grunderkreis der
Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands
(LDP) und wurde im November desselben Jahres nach der Absetzung von
Waldemar Koch
durch die
sowjetische Besatzungsmacht
deren Vorsitzender. Außerdem war er ab 1945
Herausgeber
der LDP-Zeitung
Der Morgen
. Am 17. Marz 1947 wurde er in
Rothenburg ob der Tauber
gemeinsam mit
Theodor Heuss
zum Vorsitzenden der
Demokratischen Partei Deutschlands
(DPD) gewahlt.
Bereits nach einem Dreivierteljahr scheiterte der Versuch einer zonenubergreifenden Partei an der Teilnahme der LDP am von der
SED
dominierten
1.
Deutschen Volkskongress
fur Einheit und gerechten Frieden
. Kulz wollte der SED auf dem Kongress das Feld nicht allein uberlassen. Stattdessen wollte er als Vertreter der zweitstarksten Partei in der
sowjetischen Besatzungszone
eigene Akzente setzen.
[9]
Der LDP-Hauptausschuss am 6. Januar 1948 in
Weimar
diskutierte daruber kontrovers, stellte sich aber mehrheitlich hinter seinen Vorsitzenden.
[10]
Von der DPD-Vorstandssitzung am 18. Januar 1948 in
Frankfurt am Main
wurde Kulz ausgeladen.
[11]
Heuss warf der LDP dort vor, mit der Beteiligung am Volkskongress habe sie sich ?fur die russische Auffassung von der Einheit Deutschlands“ entschieden.
[12]
[13]
Der Vorstand verabschiedete ein Pressekommunique, das der LDP nahegelegte, personelle Folgerungen zu ziehen.
[14]
LDP-Geschaftsfuhrer
Arthur Lieutenant
erklarte, dass fur die Ost-Liberalen unter diesen Umstanden eine ?Weiterarbeit … zunachst unmoglich“ sei.
[15]
Das war das faktische Ende der DPD. Eine formale Auflosung gab es nicht. Nach Kulz' Tod am 10. April 1948 gab es keine Nachwahl eines Vorsitzenden.
Gemeinsam mit
Otto Nuschke
(
CDU
) und
Wilhelm Pieck
(
SED
) ubernahm Kulz 1948 den Vorsitz des
Deutschen Volksrates
, eines Vorlaufers der spateren
DDR
-
Volkskammer
.
Unterlagen uber sein politisches Wirken, u. a. seine Lebenserinnerungen und ein Tagebuch, befinden sich im
Archiv des Liberalismus
der
Friedrich-Naumann-Stiftung fur die Freiheit
in Gummersbach.
Sein Zwillingsbruder war der Tropenarzt und Hochschullehrer
Ludwig Kulz
. Sein Sohn
Helmut R. Kulz
(1903?1985) war fur die LDP in den Jahren 1946 bis 1948 Justizminister des
Landes Thuringen
und gehorte nach seiner Flucht in die Westzonen von 1953 bis 1971 dem
Bundesverwaltungsgericht
als
Senatsprasident
an. Gemeinsam mit seiner Frau Erna und seinem Sohn Helmut fand Wilhelm Kulz seine letzte Ruhestatte auf dem
Friedhof Wilmersdorf
.
[16]
- 1925 erhielt er die Ehrensenatorwurde der
TH Dresden
.
- 1946 wurde Wilhelm Kulz Ehrenburger von
Plauen
.
- Die
Zentrale Parteischule der LDPD
in
Bantikow
trug den Namen ?Dr. Wilhelm Kulz“.
- In Dresden wurden nach dem Zweiten Weltkrieg die beiden Abschnitte des inneren Rings, die an seiner fruheren Wirkungsstatte als Oberburgermeister vorbeifuhren (ehem. Johannesring und Friedrichsring), in Dr.-Kulz-Ring umbenannt, diese Adresse hat auch das Dresdner Rathaus.
- In Leipzig tragt der
Wilhelm-Kulz-Park
in der Nahe des
Volkerschlachtdenkmals
seinen Namen und in Schwedt/Oder ein Wohnviertel.
- In
Chemnitz
wurde der ehemalige Wilhelmplatz an der Kreuzung Mullerstraße-
Straße der Nationen
nach ihm benannt.
- In zahlreichen weiteren Stadten der ehemaligen DDR sind oder waren Straßen nach ihm benannt.
siehe:
Wilhelm-Kulz-Straße
- In
Windhoek
, Namibia, wurde die Dr W Kulz Street nach ihm benannt.
- In
Bernau bei Berlin
ist der Kulzpark nach ihm benannt und hutet einen
Gedenkstein fur Wilhelm Kulz
Die
FDP
-nahe
Wilhelm-Kulz-Stiftung
wurde 1991 in Meißen gegrundet. Es handelt sich um ein liberales Bildungswerk, das mit politischer Bildungsarbeit ein
freiheitliches Gesellschaftsbild
zu vermitteln sucht.
[17]
Nach dem Ende von ?sechs Jahrzehnten Diktatur“ in der
DDR
will sie den
Liberalismus
fordern.
[18]
[19]
Als Kommunalpolitiker, Demokrat und Antifaschist wurde Kulz in mehreren sachsischen Stadten durch Orts- und Straßennamen geehrt. Im Zuge antikolonialistischer und antirassistischer Debatten sind diese Ehrungen lokal in Zweifel geraten. So versuchten die Grunen in Dresden im Jahr 2020, eine Umbenennung der Straße Dr.-Kulz-Ring zu erreichen. Als Begrundung wird seine Rolle als Reichskommissar in der Kolonie Deutsch-Sudwestafrika genannt, womit er fur Kolonialismus und Rassismus stehe. Die Initiative Dresden-Postkolonial nannte Kulz ?eine zwiespaltige Person, da sie sich zwar gegen die Nationalsozialisten zur Wehr setzte, jedoch eng mit dem deutschen Kolonialismus verstrickt war“. Er sei ein ?begeisterter Propagandist“ gewesen. Dem wird insbesondere aus der Wilhelm-Kulz-Stiftung widersprochen: Dafur gebe es keine Belege, Kulz sei sogar als zu freundlich gegenuber den Einheimischen angegriffen worden, und er habe sich fur das Wohl des Landes eingesetzt.
[20]
[21]
[22]
Kulz war insofern tatsachlich ?Propagandist“, weil er sich offentlich gegen die anschwellende innenpolitische Kritik gegen das deutsche Kolonialengagement stemmte. Belegt werden kann, dass sich Kulz in Schriften und auf Vortragsreisen nicht nur fur die weitere Besiedlung und wirtschaftliche Erschließung Namibias aussprach und sich der damals ublichen abwertenden Begriffe fur Indigene bediente (?
Hottentotten
“, ?
Kaffer
“, ?
Neger
“ u. a.), sondern sich deutlich fur ein abgrenzendes ?Rassebewusstsein“ deutscher Siedler und scharf gegen Mischehen aussprach. Darum warb er ? ganz im Sinne der Position des Frauenbunds der
Deutschen Kolonialgesellschaft
? fur die verstarkte Ansiedlung deutscher Frauen in der Kolonie.
[23]
?Sie wurden veredelnd wirken. Vor allem aber wurden die vielen Mischehen aufhoren. Zahllos sind die Mischlinge, die fast durchweg entartet sind und eine Gefahr vorstellen. Diese Kolonie muss in diesem Sinne erst germanisch werden“, wurde Kulz bei einem Vortrag in Halle 1910 zitiert.
[24]
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Uber die Wilhelm Kulz-Stiftung.
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: ?Die Wilhelm-Kulz-Stiftung ist liberalen Grundwerten verbunden. Sie ist eine ausschließlich gemeinnutzigen Zwecken dienende, rechtsfahige Stiftung des burgerlichen Rechts.“
- ↑
Wilhelm-Kulz-Stiftung.
Wilhelm-Kulz-Stiftung,
abgerufen am 19. August 2022
: ?Ausgehend von der Notwendigkeit nach sechs Jahrzehnten Diktatur und einer die personliche Freiheit des Einzelnen unterdruckenden und entmundigenden Politik, den Liberalismus als geistige und politische Kraft auch in Sachsen zu neuem Leben zu erwecken und zu starken, haben mit Sachsen verbundene liberale Personlichkeiten die Wilhelm-Kulz-Stiftung als Einrichtung fur die politische Erwachsenenbildung ins Leben gerufen.“
- ↑
30 Jahre Wilhelm Kulz Stiftung.
In:
YouTube.
Wilhelm-Kulz-Stiftung, 26. Juli 2021,
abgerufen am 19. August 2022
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Weller, Andreas. ?Dresden: Kulz-Ring soll umbenannt werden“.
Sachsische.de
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(abgerufen am 14. November 2023)
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Walgenbach, Katharina. ?Rassenpolitik und Geschlecht in Deutsch-Sudwestafrika (1907-1914“. In: Frank Becker (Hg.),
Rassenmischehen - Mischlinge - Rassentrennung : zur Politik der Rasse im deutschen Kolonialreich
[Tagung vom 8.?10. Oktober 2003 in der Akademie Franz-Hitze-Haus in Munster], Beitrage zur Europaischen Uberseegeschichte Bd. 90. Stuttgart, Franz Steiner Verlag 2004, S. 167. Bezug zu Quelle: Wilhelm Kulz,
Kolonie und Heimat
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May, Richard. ?Hallescher Kolonial-Verein“.
Saale-Zeitung
Bd. 44, Nr. 188, 23. April 1910, Beiblatt 1
Digitalisat MLU, Volltext
Kabinett Luther II ? 19. Januar 1926 bis 12. Mai 1926
Kabinett Marx III ? 16. Mai 1926 bis 17. Dezember 1926