Erdol
ist ein naturlich in der oberen
Erdkruste
vorkommendes, gelbliches bis schwarzes, hauptsachlich aus
Kohlenwasserstoffen
bestehendes
Stoffgemisch
, das durch Umwandlungsprozesse
organischer Stoffe
entstanden ist.
[1]
Das als
Rohstoff
bei der
Forderung
aus einer
Lagerstatte
gewonnene und noch unbehandelte Erdol wird auch als
Rohol
bezeichnet (englisch
Crude Oil
).
Schon im
Alten Orient
unter anderem als
Brennstoff
verwendet, ist Erdol spatestens seit der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts einer der wichtigsten Rohstoffe der
Industriegesellschaft
. Er ist nicht nur der wichtigste
fossile Energietrager
, sondern der bedeutendste Energierohstoff uberhaupt. Durch
Trenn-
und
Konversionsverfahren
wird Erdol in eine Vielzahl von Zwischenerzeugnissen uberfuhrt, die als Basis fur die Herstellung von
Treibstoffen
und als Rohstoffe fur die
Industrie
dienen. Zu letztgenannten gehoren vor allem Ausgangsstoffe fur zahlreiche Produkte der
chemischen Industrie
, wie
Kunststoffe
,
Lacke
, Farben und Medikamente. Man nennt das Erdol (wegen seiner enormen wirtschaftlichen Bedeutung) ?Schwarzes Gold“. Zwei politisch bedingte
Olpreiskrisen
haben die Weltwirtschaft erheblich beeinflusst. In Krisenzeiten (zum Beispiel
Große Rezession
,
COVID-19-Pandemie
) ist der
Olpreis
zeitweilig stark gefallen.
Allein in den Jahren von 2000 bis 2009 wurden weltweit etwa 242
[2]
Milliarden
Barrel
? ein Barrel entspricht 159
Litern
? gefordert.
BP
hat den Tagesverbrauch 2016 mit 96,6 Millionen Barrel (uber 15,4 Milliarden Liter) beziffert, 1,6 Prozent mehr als 2015.
[3]
Olkonzerne wie
BP
gehoren zu den großten Wirtschaftsunternehmen weltweit. Unfalle bei der Forderung, zum Beispiel der Brand der Bohrinsel
Deepwater Horizon
im Jahr 2010, oder beim Transport, zum Beispiel die Havarie des Tankers
Exxon Valdez
1989, verursachten
Umweltkatastrophen
. Die Forderung und insbesondere Verbrennung von Erdol setzen
Treibhausgase
frei, die als Hauptursache der
globalen Erwarmung
gelten. Erdoltransportwege wie die
Erdolleitung Freundschaft
und deren Bewirtschaftung konnen Gegenstand zwischenstaatlicher
Energiestreitigkeiten
, aber auch Basis von weitreichenden Wirtschaftsentwicklungen sein. Die
Olpreise
sind wichtige Indikatoren fur die Wirtschaftsentwicklung.
Als fossiler Energietrager ist Erdol eine endliche Ressource. Unter dem Stichwort
globales
Olfordermaximum
(engl. auch
peak oil
genannt) wird eine Erschopfung der weltweiten wirtschaftlich ausbeutbaren Vorrate diskutiert. 1974 prognostizierte
Marion King Hubbert
, das weltweite Maximum wurde bei gleichbleibenden Bedingungen 1995 erreicht. Allerdings haben sich mit dem uber die vergangenen Jahrzehnte im Mittel angestiegenen Olpreis, der Verbesserung der Fordertechnik und der Entwicklung neuer Fordermethoden die Bedingungen gegenuber den 1970er Jahren deutlich geandert. Hubberts Prognose, die sich uberdies ausschließlich auf konventionelle Ollagerstatten bezog, wurde deshalb immer wieder nach hinten korrigiert.
[4]
Historisches
Wortherkunft
Die
Babylonier
bezeichneten Erdol mit dem Wort
naptu
(von
nabatu
?leuchten‘). Dieser Ausdruck deutet darauf hin, dass Erdol schon fruh zu Beleuchtungszwecken diente. Im
antiken Griechenland
war Erdol ? vermutlich uber den Umweg des
Persischen
aus dem babylonischen
naptu
abgeleitet ? unter den Namen
naphtha
(
ν?φθα
) und
naphthas
(
ν?φθα?
) bekannt, die in der Bezeichnung
Naphtha
fur
Rohbenzin
gegenwartig noch Bestand haben. Gelaufig war aber auch die Bezeichnung als ?Ol Medeas“ (
Μηδε?α? ?λαιον
Medeias elaion
).
[5]
Letztgenannter Name geht vermutlich darauf zuruck, dass man annahm, es sei von
Medea
fur ihre Zaubereien verwendet worden, vor allem bei ihrer Rache an
Jason
.
Als
Steinol
,
Bergol
,
Bergfett
oder
Peterole
?und in den apotheken petroleum und oleum petrae“
[6]
oder auch ?St.-Katharinenol“
[7]
[8]
[9]
war Erdol schon im spaten Mittelalter in Europa bekannt.
[10]
[11]
[12]
[13]
Das Wort
Petroleum
oder
Petrolium
, spatestens ab dem 15. Jahrhundert im
Fruhneuhochdeutschen
nachgewiesen, ist eine
lateinische
Zusammensetzung aus
altgriechisch
π?τρα
petra
?Fels, Gestein“
[14]
oder
π?τρο?
petros
?Stein“
[15]
und
oleum
fur ?Ol“, bedeutet zu deutsch also ?Fels-“ oder ?Steinol“.
[16]
Dies geht darauf zuruck, dass die
Alten Romer
in Agypten in einem Gebirgszug am
Golf von Suez
beobachteten, wie Erdol aus dem dort
anstehenden
Nubischen Sandstein austrat.
[17]
[18]
Vom
Petroleum
stammten auch die einst im Deutschen ublichen Bezeichnungen
Bergol
und
Peterol
. Ab dem 18. Jahrhundert setzte sich zunehmend die heutige Bezeichnung
Erdol
durch,
[19]
und das Wort
Petroleum
wurde ab dem 19. Jahrhundert im Deutschen zunehmend fur
eines seiner Destillationsprodukte
(siehe unten) verwendet.
Historische Verwendung und Forderung
Erdol ist bereits seit einigen Tausend Jahren bekannt. Da es eine relativ geringe
Dichte
besitzt (0,8?0,9 kg/l oder Tonnen/m³), die noch unter der von Wasser liegt, kann es beim Fehlen einer nach oben abdichtenden
Gesteinsschicht
aus großeren Tiefen im
Poren
- und
Kluftraum
von
Sedimentgesteinen
bis zur Erdoberflache aufsteigen (in
Deutschland
zum Beispiel bei
Hanigsen
zwischen
Hannover
und
Braunschweig
). Dort wandelt sich das normalerweise relativ dunnflussige Ol durch die
Reaktion
mit
Sauerstoff
und den Verlust leicht fluchtiger Bestandteile in eine
teerartige
Substanz, sogenanntes
Bitumen oder Asphalt
, um.
Diese Substanz war schon vor 12.000 Jahren im
vorderen Orient
bekannt. Die Menschen verwendeten sie unter anderem im Schiffbau zum
Kalfatern
: durch Vermischen des Bitumens mit Sand, Schilf und anderen Materialien entstand eine Masse, mit der die Ritzen zwischen den holzernen Schiffsplanken abgedichtet werden konnten. Dies hat auch Eingang in die
biblischen Legenden
gefunden.
[20]
Die
Babylonier
nutzten Bitumen (?Erdpech“) unter anderem als
Bindemittel
im Haus- und Straßenbau. Bitumen war im
Babylonischen Reich
so allgegenwartig, dass
Hammurapi
ihm einige Kapitel in seinem
Gesetzeswerk aus dem 18. Jh. v. Chr.
widmete. Dies ist die erste nachweisbare staatliche Regulierung von Erdol.
An der Erdoberflache naturlich austretendes Erdol wird auch von den Schriftstellern der
klassischen Antike
,
Herodot
und
Plinius dem Alteren
, erwahnt. Die
romische
Armee nutzte Erdol moglicherweise als
Schmierstoff
fur Achsen und Rader. Im
fruhmittelalterlichen
Byzantinischen Reich
wurde vermutlich aus Erdol der Brennstoff fur eine als ?
griechisches Feuer
“ bezeichnete Vorform des
Flammenwerfers
hergestellt.
[20]
In der vorindustriellen Neuzeit Europas wurde Erdol bei der ?zubereitung von heilmitteln, salben u.s.w.“, im Gartenbau zur Bekampfung von Schadlingen und ferner ?zur herstellung von feuerwerk“ und als
Lampenol
verwendet.
[6]
Zur Erhohung der ?geschoszwirkung“ wurden Gewehrkugeln vor dem Einfuhren in den Lauf zusammen mit
Kampfer
in ein mit dunnflussigem Erdol getranktes Tuch gewickelt.
[6]
Speziell therapeutische Verwendung fanden unter anderem Ole aus lombardischen Roholquellen, wie z. B. aus dem ?Pechbrunnen“ am Monte Zibio bei
Modena
, aus
Pechelbronn
im Elsass (vgl.
Pechelbronner Schichten
) sowie oberbayerisches ?Petroleum“, das von
Tegernseer
Benediktinern als ?Heiliges Quirin-Ol“ (benannt nach
Quirinus von Tegernsee
) verkauft wurde.
[11]
Johann Jakob Lerche, ein deutsch-russischer Naturforscher, beobachtete Mitte der 1730er Jahre eine bluhende Erdolwirtschaft mit systematischer Erdolforderung im damals persischen
Baku
.
[21]
[20]
Im Zuge der
industriellen Revolution
wuchs in Europa die Nachfrage nach Leucht-, Brenn- und Schmierstoffen, und der Stellenwert von Erdol als preiswerte Alternative zu
Pflanzenolen
und
Tierfetten
wuchs. Im
galizischen
Vorland der
Karpaten
, seinerzeit zum
Kaisertum Osterreich
gehorig, gewannen bei
Truskawez
Josef Hecker aus
Prag
sowie Johann Mitis in den 1810er Jahren ?Bergohl“ aus Schachten. Es gelang ihnen auch, daraus ein leicht brennbares Lampenol (?Naphtha“) zu destillieren, und der Prager Magistrat beschloss 1816 sogar, die ganze Stadt damit zu beleuchten, was aber an den zu geringen galizischen Forderkapazitaten scheiterte.
[22]
Abraham Schreiner stellte um 1853 in
Borysław
Versuche mit
Ozokerit
, einem stark
aliphatischen
,
asphalten
armen abgereicherten Erdol, in einem Kessel an und gewann ein klares Destillat, worauf er sich mit dem Apotheker
Ignacy Łukasiewicz
in
Lemberg
und den Pharmazeuten
Jan Zeh
in Verbindung setzte. Deren Zusammenarbeit war zugleich der Beginn der kontinuierlich betriebenen Erdolforderung im heute polnisch-ukrainischen Vorland der
Ostkarpaten
.
[20]
Ein fruhes Zentrum der spateren industriellen Erdolforderung im
Untertagebau
entwickelte sich weiter westlich bei Bobrka 10 km sudwestlich von
Krosno
(→
Museum der Ol- und Gasindustrie Bobrka
).
Als Meilenstein fur die moderne petrochemische Industrie gilt das Patent, das 1855 dem kanadischen Arzt und Geologen
Abraham P. Gesner
in den USA auf sein Herstellungsverfahren fur
Petroleum
aus
Olschiefer
oder Erdol erteilt wurde. Die Herstellung von Petroleum als Leuchtmittel blieb bis zum Aufstreben der
Automobilindustrie
in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts der Hauptzweck der Erdolforderung.
Als Folge von Gesners Entdeckung begann in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts die systematische großtechnische Ausbeutung von Erdollagerstatten. Man wusste zwar bereits, dass bei einigen Tiefbohrungen nach
Sole
fur die
Salzgewinnung
Erdol in die Bohrlocher eingesickert war, aber gezielt nach Erdol gebohrt hatte bis dahin noch niemand. Die ersten Olbohrungen in Deutschland wurden im Marz 1856 in
Dithmarschen
von
Ludwig Meyn
und ab 1858 bei
Wietze
in
Niedersachsen
(nordlich von
Hannover
) durchgefuhrt. Die nach dem Leiter der Bohrarbeiten benannte
Hunaus-Bohrung
bei Wietze wurde am 1. Juli 1859 in einer
Teufe
von 35 m fundig und gilt damit als die erste erfolgreich niedergebrachte Erdolbohrung weltweit.
[23]
Aus einer Teufe von ca. 50 m wurden gegen 1910 mit 2000
Bohrturmen
etwa 80 % des deutschen Erdolbedarfs gefordert. In Wietze befindet sich heute das
Deutsche Erdolmuseum
.
Weltberuhmt wurde die Olbohrung, die
Edwin L. Drake
im Jahr 1859 am Oil Creek in
Titusville
,
Pennsylvania
niederbrachte. Drake bohrte im Auftrag des amerikanischen Industriellen
George H. Bissell
und stieß nach mehreren Monaten ergebnislosen Bohrens am 27. August in nur 21 m Tiefe auf eine ergiebige Ollagerstatte. ?Dieser Sonntag Nachmittag an den Ufern des Oil Creek bei Titusville lieferte den Funken, der die Erdolindustrie in die Zukunft katapultierte.“
[24]
Wahrend sich die Gegend am Oil Creek infolge dieses Fundes rasch zu einer prosperierenden Olforderregion mit vielen weiteren Bohrungen entwickelte, blieb der Olfund von Wietze wirtschaftlich zunachst folgenlos. Daher gelten der 27. August 1859 und Titusville als die historisch bedeutenderen Daten bzw. Orte.
[23]
In
Saudi-Arabien
wurde das ?schwarze Gold“ zuerst in der Nahe der Stadt
Dammam
am 4. Marz 1938 nach einer Reihe erfolgloser
Explorationen
von der US-Gesellschaft
Standard Oil of California
entdeckt.
Entstehung
Ursprung
Das meiste heute geforderte Erdol ist aus abgestorbenen
Meereskleinstlebewesen
entstanden, wobei
Algen
den mit Abstand großten Anteil an
Biomasse
gestellt haben. Die Erdolentstehung nimmt ihren Anfang uberwiegend in den nahrstoffreichen, verhaltnismaßig tiefen Meeresbereichen der
Schelfmeere
. Dort sinken die Algen, die sich im lichtdurchfluteten Wasser nahe der Meeresoberflache regelmaßig stark vermehren, nach ihrem Tod zusammen mit
Tonpartikeln
zum Meeresgrund ab. Wichtig ist hierbei, dass das Wasser nahe dem Meeresboden ruhig ist und sich nur sehr selten mit Wasser aus geringeren Meerestiefen mischt. Dadurch konnen sich in der betreffenden Meeresbodenregion leicht sauerstoffarme oder -freie Bedingungen einstellen. Diese verhindern die vollstandige Zersetzung der Algenbiomasse ? ein
Faulschlamm
entsteht. So bilden sich uber einige Jahrmillionen hinweg machtige
Sedimentfolgen
mit hohem Anteil an organischem Material. Als Vater dieser These zur ?biotischen“ Entstehung von Erdol gilt der russische Naturforscher
Michail Wassiljewitsch Lomonossow
. Er außerte diese Idee erstmals im Jahre 1757 in einem Vortrag auf einer Konferenz der
Kaiserlich-Russischen Akademie der Wissenschaften
, der nachfolgend als Aufsatz veroffentlicht wurde.
[25]
Umwandlung der Biomasse ? Bildung unkonventioneller Lagerstatten
Im Laufe weiterer Jahrmillionen werden die biomassereichen Abfolgen, durch Uberdeckung mit weiteren Sedimenten und der kontinuierlichen Absenkung der Sedimentstapel in etwas tiefere Bereiche der oberen
Erdkruste
(
Subsidenz
), erhohten
Drucken
und erhohten
Temperaturen
ausgesetzt. Unter diesen Bedingungen wird zunachst Wasser aus dem Sediment ausgetrieben und bei Temperaturen bis etwa 60 °C wird die in der Algenbiomasse enthaltene organische Substanz (neben
Kohlenhydraten
und
Proteinen
vor allem
Lipide
) in langkettige, feste, in organischen Losungsmitteln unlosliche Kohlenstoffverbindungen, die sogenannten
Kerogene
umgewandelt (
Diagenesestadium
).
[26]
Kerogentyp I (
Liptinit
) bringt fur die Entstehung von Erdol durch seinen hohen Anteil an Lipiden die besten Voraussetzungen mit, ist jedoch relativ selten, da er vorwiegend der Ablagerung in Seen entstammt. Das meiste heute geforderte Erdol ist stattdessen aus dem immer noch relativ lipidreichen Kerogentyp II (
Exinit
) hervorgegangen, der typisch fur
marine
Ablagerungsraume ist.
[27]
Ab etwa 60 °C (
Katagenesestadium
), werden dann die Kerogene in kurzkettigere gasformige (vor allem
Methan
) und flussige Kohlenwasserstoffe aufgespalten. Die Erdol-Bildungsrate steigt bis zu Temperaturen von 120?130 °C weiter an und nimmt bei Temperaturen daruber wieder ab.
[28]
Zwischen 170 und 200 °C bildet sich vor allem
Erdgas
und kaum noch Erdol. Bei Temperaturen von mehr als 200 °C beginnt die
Metagenese
. Es entsteht zwar weiter Gas, aber kein Ol mehr, sondern ein fester Kohlenstoffruckstand.
[27]
Die Umwandlung der Kerogene zu Ol und Gas wird auch als
Reifung
(
engl.
:
maturation
) bezeichnet und ist in etwa mit der industriellen
Verschwelung
von ?
Olschiefer
“ vergleichbar, nur dass dort die Temperaturen hoher und die Umwandlung, verglichen mit den Zeitraumen, in denen Erdol und -gas auf naturliche Weise entstehen, extrem schnell erfolgt. Bei der naturlichen Niedrigtemperatur-Reifung der Kerogene zu Kohlenwasserstoffen fungieren offenbar zudem die Tonminerale im Sediment als
Katalysatoren
. Der Temperaturbereich zwischen 60 °C und 170 °C, in dem vorwiegend Erdol entsteht, wird als
Erdolfenster
bezeichnet. Dies entspricht im Regelfall einer Versenkungstiefe von 2000 bis 4000 Metern.
[28]
Der erhohte Druck in der Tiefe sorgt außerdem dafur, dass der ehemalige Schlamm zu einem Gestein verfestigt wird. Somit ist aus dem einstigen biomassereichen Sediment ein kohlenwasserstofffuhrender Tonstein oder, im Fall dass ein relativ hoher Anteil des Planktons aus
Kalkalgen
bestand, ein kohlenwasserstofffuhrender Mergel oder Mergelkalkstein geworden. Solche feinkornigen Gesteine, deren Kohlenwasserstoffgehalt auf einen ursprunglich hohen Gehalt an Biomasse zuruckgeht, werden als
Erdolmuttergesteine
(engl.:
source rocks
), bezeichnet. Die meisten Erdolmuttergesteine entstammen dem Zeitraum von 400 bis 100 Millionen Jahren vor heute (
Unterdevon
bis
Unterkreide
).
[29]
Ein in Deutschland bekanntes Beispiel fur eine stark kohlenwasserstoffhaltige
Gesteinsformation
ist der etwa 180 Millionen Jahre alte Olschiefer des
Lias Epsilon
, der in Suddeutschland an zahlreichen Stellen
ubertagig
aufgeschlossen
ist (siehe →
Posidonienschiefer
) und der im Nordseeraum, wo er tief im Untergrund liegt, tatsachlich ein wichtiges Erdolmuttergestein ist.
Mit Zunahme der Bedeutung der Erdolforderung aus Erdolmuttergesteinen durch
Hydraulic Fracturing
seit etwa dem Jahr 2000 hat der Begriff ?Erdollagerstatte“ eine Bedeutungserweiterung erfahren. Wahrend traditionell nur Anreicherungen entsprechender Kohlenwasserstoffe außerhalb ihres Muttergesteins (siehe →
Migration
) als
Lagerstatte
bezeichnet werden, bezieht dieser Begriff nunmehr auch Erdolmuttergesteine mit ein. Letztgenannte werden als
unkonventionelle Lagerstatten
bezeichnet, weil die Olforderung aus diesen Gesteinen mit althergebrachten (konventionellen) Methoden nicht
rentabel
ist.
Migration ? Bildung konventioneller Lagerstatten
Da die ?reifen“ gasformigen und flussigen Kohlenwasserstoffe gegenuber den festen Kerogenen wesentlich mobiler sind, konnen sie, begunstigt durch ihre geringe
Dichte
und den
Druck
, der auf dem Muttergesteins
horizont
lastet, aus dem Muttergestein in ein uber- oder unterlagerndes Nebengestein austreten. Ein solcher Austritt erfolgt jedoch in großerem Umfang nur dann, wenn es sich bei besagtem Nebengestein um ein Gestein handelt, das nicht, wie das sehr feinkornige Muttergestein, durch die Kompaktion einen Großteil seines Porenraumes verliert, sondern eine relativ hohe Porositat beibehalt (z. B. einen
Sandstein
). Ab dem Austritt der Kohlenwasserstoffe in das Nebengestein, auch als
primare
Migration
bezeichnet, spricht man traditionell von Erdol bzw. Erdgas.
Innerhalb des Porenraumes des Nebengesteins wandern Ol und Gas dann aufgrund ihrer relativ geringen Dichte in Richtung der Erdoberflache. Grundwasserstrome sorgen hierbei auch fur einen seitlichen (lateralen) Transport. Ol und Gas konnen auf ihrem Weg nach oben auf undurchlassige, weil geringporose, Gesteinsschichten treffen. Sind diese Teil einer geologischen Struktur, die aufgrund ihrer Form eine weitere Wanderung auch in seitlicher Richtung verhindert, reichern sich Ol und Gas unterhalb dieser abdichtenden Gesteinsschicht an. Die entsprechende Struktur wird als
geologische Falle
bezeichnet. Solche Fallen entstehen beispielsweise durch den Aufstieg von
Salzstocken
. Das Gestein, in dessen Porenraum sich Ol und Gas dann sammeln, wird
Speichergestein
(engl.:
reservoir rock
) genannt. Die Wanderung von Ol und Gas nach ihrem Austritt aus dem Muttergestein in das Speichergestein nennt man
sekundare Migration
. Hat sich im Speichergestein einer Fallenstruktur eine großere Menge Erdol gesammelt, spricht man von einer
konventionellen Erdollagerstatte
. In den hochsten Bereichen der Lagerstatte befindet sich aufgrund der geringsten Dichte das Gas. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer
Gaskappe
. Unterhalb des olgesattigten Bereiches der Lagerstatte wird der Porenraum des Speichergesteins von dem Grundwasser gefullt, das ohnehin im Porenraum von Sedimentgesteinen stets vorhanden ist, und das von Ol und Gas aus dem Bereich der Lagerstatte verdrangt worden ist. Ein geringer Wasseranteil ist jedoch auch im ol- und gasgesattigten Bereich der Lagerstatte noch vorhanden. Dieses wird als
Lagerstattenwasser
bezeichnet.
Da das geringporose Deckgestein (engl.:
seal rock
) einer Erdollagerstatte selten vollkommen dicht ist, konnen kleinere Mengen Ol und Gas von dort weiter in Richtung Oberflache migrieren und dort austreten (engl.:
seepage
). Im Fall, dass Erdol durch diese so genannte
tertiare Migration
an oder bis dicht unter die Erdoberflache gelangt, entstehen
Olsande
sowie
Asphalt
- bzw. Bitumenseen (z. B. der
La Brea Pitch Lake
auf
Trinidad
oder die
La Brea Tar Pits
im
US-Bundesstaat Kalifornien
) oder, im Fall reiner Gasaustritte,
Schlammvulkane
. Bei untermeerischen Gasaustritten kann sich bei geeigneten Bedingungen an diesen Stellen im Meeresboden
Methanhydrat
bilden.
Nachtragliche Umwandlungen in der Lagerstatte
Nach Bildung einer Lagerstatte in einer Fallenstruktur kann das darin enthaltene Erdol, z. B. durch Absenkung des entsprechenden Krustenbereiches, eine Erhohung der Temperatur und damit eine ?Nachreifung“ erfahren. Dabei wird das Ol in Gas (vorwiegend Methan) und Bitumen uberfuhrt.
[27]
Wenn ?nachruckendes“ Erdgas den olgesattigten Teil einer Lagerstatte durchquert, kann dies zu so genanntem
de-asphalting
fuhren, bei dem sich ebenfalls Bitumen in den betroffenen Bereichen der Lagerstatte bildet. Diese mit Bitumen angereicherten Bereiche werden als
tar mats
(?Teermatten“) bezeichnet.
[27]
Alternative Hypothesen zur Erdol- und Erdgasentstehung
Einfuhrung und historische abiogenetische Hypothesen
Alternative Hypothesen zur Entstehung von forderwurdigen Erdgas- und Erdolvorkommen verneinen, dass diese in geologischen Zeitraumen aus sedimentarer Biomasse hervorgegangen sind. Die deshalb auch unter der Bezeichnung
abiotische
oder
abiogenetische Hypothesen
zusammengefassten Ansatze gehen uberdies davon aus, dass es sich bei Erdol und Erdgas nicht um fossile Energietrager handelt, sondern um juvenile und regenerative Energietrager.
Fruhe moderne abiogenetische Thesen wurden im 19. Jahrhundert unter anderem von
Alexander von Humboldt
und
Joseph Louis Gay-Lussac
sowie von
Dmitri Mendelejew
formuliert. Wahrend Mendelejew annahm, dass das Erdinnere aus
Eisencarbid
bestehe, das mit Grundwasser zu Kohlenwasserstoffen reagiere, postulierten Humboldt und Gay-Lussac, dass Kohlenwasserstoffe aus vulkanischen Quellen stammten.
[30]
[31]
Kernaussagen modernerer abiogenetischer Hypothesen
In der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts lassen sich zwei Schulen unterscheiden: eine
sowjetische
bzw. russisch-ukrainische mit
Nikolai Kudrjawzew
als Vordenker und eine westliche, die vor allem von
Thomas Gold
vertreten wurde.
[31]
Beiden Schulen gemein ist, dass sie den Ursprung der Kohlenwasserstoffe im oberen
Erdmantel
verorteten, von wo aus diese entlang tiefreichender
Storungen
, wie sie beispielsweise in
Grabenbruchen
auftreten, in die oberen Bereiche der
Erdkruste
einwanderten. Wahrend die sowjetische Hypothese postulierte, dass auch die langkettigen und komplexen Kohlenwasserstoffe des Erdols im oberen Mantel gebildet wurden, ging die Gold’sche These davon aus, dass nur Methan dort entstunde und dass erst nach der Migration des Methans in hohere Krustenbereiche dieses teilweise in komplexere Verbindungen umgewandelt wurde (sogenannte
Deep-Gas-Theory
).
[31]
Als Hauptargumente wurden von den Anhangern der abiogenetischen Hypothese vorgebracht, dass komplexe organische Verbindungen in
chondritischen Meteoriten
, die als ?Urmaterie“ des Sonnensystems gelten, nachgewiesen worden sind, wo sie nicht aus Biomasse hervorgegangen sein konnen, sowie dass Erdol in abbauwurdigen Mengen in
kristallinen Grundgebirgsgesteinen
vorkommt (beispielsweise im Kaspischen Becken), in die es nur aus großeren Tiefen, nicht aber aus jungeren, sedimentaren
Erdolmuttergesteinen
gelangt sein konne. Hinzu kam, dass aus der Prasenz organischer Verbindungen in Chondriten und dem Nachweis geringer Mengen von kurzkettigen
n
-Alkanen
(Methan, Ethan, Propan, Butan) in
ultramafischen Gesteinen
geschlossen wurde, dass im Erdinneren ein stark reduzierendes chemisches Milieu herrsche, das die Bildung von Kohlenwasserstoffen generell erlaube.
[31]
Ende des 20. und Anfang des 21. Jahrhunderts wurde von der nachsten Generation der Verfechter der russisch-ukrainischen Hypothese (Jack F. Kenney, Wladimir Kutscherow) zudem ins Feld gefuhrt, dass einerseits die Umwandlung von Methan in langerkettige
n
-Alkane nach den Gesetzen der
Thermodynamik
nur unter den Druck- und Temperaturbedingungen des oberen Mantels gunstig sei, andererseits die Umwandlung sauerstoffhaltiger organischer Verbindungen, wie
Kohlenhydrate
, die Hauptbestandteile pflanzlicher Biomasse, in langerkettige
n
-Alkane nach den Gesetzen der Thermodynamik generell ungunstig sei.
[32]
[33]
Damit verwarfen sie zugleich die Gold’sche
Deep-Gas-Theory
. Einer Arbeitsgruppe um Kutscherow gelang zudem der experimentelle Nachweis, dass Methan unter den Druck- und Temperaturbedingungen des oberen Mantels teilweise zumindest in kurzkettige hohere
n
-Alkane
uberfuhrt wird.
[34]
Gegenargumente
Das vermutlich wichtigste Argument gegen die abiogenetischen Thesen ist, dass der obere Mantel sehr wahrscheinlich kein reduzierendes, sondern ein schwach oxidierendes chemisches Milieu aufweist. Das Mengenverhaltnis der verschiedenen Kohlenstoffverbindungen in Fluideinschlussen in
Mantelgesteinen
zeigt, dass Kohlenstoff im oberen Mantel, wenn nicht in Reinform als
Diamant
, dann weit uberwiegend in Form von
Kohlendioxid
bzw.
Karbonat
vorliegt und dass er auch in dieser Form in die obere Kruste und an die Erdoberflache gelangt. Uberdies erfolgt der Transport des Kohlendioxids nicht als reines Gas bzw. Fluid, sondern stets gelost in aufdringendem Magma.
[31]
Die Prasenz wirtschaftlich forderbarer Kohlenwasserstoffvorkommen in
Kristallingesteinen
lasst sich mit modernen, erst in den 1990er Jahren entwickelten Modellen zur Migration von Fluiden in Krustengesteinen erklaren. Hierbei spielt die
Permeabilitat
der Kristallingesteine eine entscheidende Rolle. Ausreichend gekluftetes, relativ oberflachennah liegendes Kristallin im Randbereich eines Sedimentbeckens kann demnach sehr wohl als Speichergestein geeignet sein fur biogenetisch entstandene Kohlenwasserstoffe, die aus tief versenkten Muttergesteinen in zentraleren Beckenbereichen stammen.
[31]
Auch besagt die biogenetische Hypothese, dass sich Erdol und Erdgas nicht aus frischer, sondern aus bereits teilweise biotisch, teilweise diagenetisch veranderter Biomasse bilden, sogenannten
Kerogenen
. Insbesondere in diagenetisch veranderten, ursprunglich biomassereichen
marinen Sedimenten
, den wahrscheinlichsten Kandidaten fur Erdolmuttergesteine, ist das Verhaltnis von Sauerstoff zu Kohlenstoff wesentlich kleiner als das Verhaltnis von Wasserstoff zu Kohlenstoff, sodass in diesen Sedimenten durchaus thermodynamisch gunstige Bedingungen fur die Entstehung von Kohlenwasserstoffen herrschen.
[31]
Nicht zuletzt sprechen auch
Isotopenverhaltnisse
fur die biogenetische These. Der Vergleich der
δ
13
C
-Werte von Methan aus klar abiogenen Quellen mit denen von Methan aus knapp 1700 in Forderung befindlichen Lagerstatten erbrachte, dass wahrscheinlich nur 1 % des Methans in den meisten Ol- und Gaslagerstatten nicht biogenen Ursprunges ist.
[31]
Tatsachlich gibt es einige Beispiele fur großere, teilweise sogar kommerziell interessante Ansammlungen nachweislich abiogen entstandener Kohlenwasserstoffe in der Erdkruste, jedoch sind diese nicht aus dem Mantel ausgegast, sondern durch
diagenetische
oder
metasomatische
Prozesse direkt in der oberen Kruste entstanden. Die von Kenney, Kutscherow und einigen wenigen weiteren Wissenschaftlern vertretene Ansicht, dass Erdol- und Erdgaslagerstatten primar das Resultat der vertikalen Migration
(dynamic fluid injection)
juveniler Kohlenwasserstoffe aus dem Erdmantel in die obere Kruste seien, und der daraus folgende Schluss, dass Erdol und Erdgas keine endlichen Ressourcen seien, dass sich weitgehend ausgeforderte Lagerstatten sogar wieder auffullten, entbehren somit einer seriosen wissenschaftlichen Grundlage.
[31]
Die Erdolsuche
Fernerkundung
Grundlage fur die Erdolsuche ist genaues Kartenmaterial. In bestimmten Gebieten (z. B. Iran) kann man Lagerformationen bereits an der
Erdoberflache
mittels Luftbildkartierung erkennen. In Gebieten mit machtiger Uberdeckung der tieferen Schichten durch junge Formationen oder im Offshore-Bereich genugt dies nicht. Auch lassen sich aus Luftfotos alleine keine genauen Gesteinstypen oder deren Alter bestimmen. Dazu und zur punktweisen Uberprufung der Luftbildinterpretationen muss der
Geologe
stets selbst das betreffende Gebiet aufsuchen und dort so viele ?Aufschlusse“ wie moglich durchfuhren. Interessant sind Stellen, an welchen fur darunterliegende
Erdolvorkommen
typisches
Gestein
an die Erdoberflache tritt. Dort werden Gesteinsstucke abgeschlagen und mit einer
Lupe
bestimmt.
Prospektion
Die gezielte Suche nach Erdol- und Erdgasvorkommen bezeichnet man als geophysikalische
Prospektion
. Unter Physikalischer Prospektion versteht man die Anwendung physikalischer Gesetze auf die Erkundung des oberen Teils der
Erdkruste
. Das sichere Aufspuren im Untergrund verborgener Strukturen, in denen sich Ol und (oder) Erdgas angesammelt haben konnen, ist in den letzten Jahrzehnten zur wichtigsten Voraussetzung einer erfolgreichen Suche nach
Kohlenwasserstoffen
(Sammelbegriff fur Erdol und Erdgas) geworden. In der Fruhzeit der
Erdolgewinnung
war man auf Anzeichen an der Erdoberflache angewiesen, die auf Vorkommen von Erdol schließen ließen. So tritt aus seicht liegenden Lagerstatten standig Erdol in geringen Mengen aus. Ein Beispiel dafur ist die seit dem 15. Jahrhundert bekannte, aber mittlerweile versiegte St.-Quirins-Quelle bei
Bad Wiessee
am
Tegernsee
, aus der jahrhundertelang Erdol austrat, das vornehmlich als Heilmittel verwendet wurde. Die Suche nach tief liegenden Olvorkommen erfolgte fruher durch eine eingehende Analyse der geologischen Verhaltnisse eines Landstrichs. In der Folge wurden dann an ausgewahlten Orten Probebohrungen niedergebracht, von denen ca. 10?15 % fundig wurden.
Am Beginn der Erkundung steht das Auffinden von
Sedimentbecken
. Das geschieht haufig durch gravimetrische oder geomagnetische Messungen. Im nachsten Schritt kommt die
Reflexionsseismik
zum Einsatz. Dabei werden an der Erdoberflache akustische Wellen erzeugt, die an den unterschiedlichen Bodenschichten reflektiert werden. Je nach Einsatz an Land oder im Wasser werden unterschiedliche Verfahren verwendet. Quellen seismischer Wellen an Land sind Explosivstoffe, Fallgewichte oder seismische Vibratoren. An der Erdoberflache ausgelegte
Geophone
dienen als Sensoren zur Aufzeichnung der Wellen. In der marinen Seismik werden die seismischen Wellen mit
Airguns
erzeugt. Die Aufzeichnung der Wellen erfolgt mit
Hydrophonen
, die entweder am Meeresboden ausgelegt oder hinter einem Schiff an der Meeresoberflache im Schlepp gezogen werden. Aus den Laufzeiten und Charakteristiken der reflektierten Signale lassen sich Schichtenprofile errechnen. In der fruhen Phase der Prospektion werden 2-D-Messungen durchgefuhrt, in deren Ergebnis man
Schichtenprofile
entlang von sich kreuzenden Messlinien erhalt. Damit lassen sich kostengunstig großere Gebiete erkunden. Basierend auf den seismischen Daten werden nun auch erste Erkundungsbohrungen getatigt. Im nachsten Schritt werden in ausgewahlten Gebieten seismisch 3-D-Messungen durchgefuhrt. Hierbei werden die Punkte zum Erzeugen und Messen seismischer Wellen so ausgelegt, dass man ein dreidimensionales Bild der Gesteinsschichten erhalt. In Kombination mit bohrlochgeophysikalischen Messdaten kann nun ein quantitatives Modell der Erdol- oder Erdgasreserven sowie ein Plan fur weitere Bohrungen und zur Forderung erstellt werden.
Gewinnung
Allgemeines
Allgemein erfolgt die Forderung konventionellen Erdols heute in folgenden Phasen:
- In der ersten Phase (Primarforderung) wird Ol durch den naturlichen Druck des eingeschlossenen Erdgases (eruptive Forderung) oder durch ?Verpumpen“ an die Oberflache gefordert.
- In der zweiten Phase (Sekundarforderung) werden Wasser oder Gas in das Reservoir injiziert (Wasserfluten und Gasinjektion) und damit zusatzliches Ol aus der Lagerstatte gefordert.
- In einer dritten Phase (
Tertiarforderung
) werden komplexere Substanzen wie Dampf, Polymere, Chemikalien, CO
2
oder Mikroben eingespritzt, mit denen die Nutzungsrate nochmals erhoht wird.
Je nach Vorkommen konnen in der ersten Phase 10?30 % des vorhandenen Ols gefordert werden und in der zweiten Phase weitere 10?30 %; insgesamt in der Regel also 20?60 % des vorhandenen Ols. Wenn der
Olpreis
hoch ist, kann sich die tertiare Forderung bei ?alten“ Vorkommen lohnen.
Besondere Schwierigkeiten bereitet die Erdolforderung aus Lagerstatten, die sich unterhalb des Bodens von Meeren oder Seen befinden (?Off-Shore-Gewinnung“). Hier mussen zur Erschließung der
Lagerstatte
auf dem Gewassergrund stehende oder daruber schwimmende Bohrplattformen (
Bohrinseln
) eingerichtet werden, von denen aus gebohrt und spater gefordert (
Forderplattformen
) werden kann. Hierbei ist das
Richtbohren
vorteilhaft, weil dadurch von einer Bohrplattform ein großeres Areal erschlossen werden kann.
Befindet sich eine Erdollagerstatte nahe der Erdoberflache, so kann das darin enthaltene, zu Bitumen verarmte Ol im
Tagebau
gewonnen werden. Ein Beispiel hierfur sind die
Athabasca-Olsande
in
Alberta
, Kanada.
Aus tieferen Lagerstatten wird Erdol durch Sonden gefordert, die durch Bohrungen bis zur Lagerstatte eingebracht werden.
Nach Abschluss der Bohrarbeiten kann auch eine reine Forderplattform eingesetzt werden.
Radioaktiver Abfall
In Gesteinen treten generell geringe Mengen radioaktiver Elemente auf, die zumeist den
Zerfallsreihen
von naturlich auftretendem
Uran
und
Thorium
entstammen, allgemein als
NORM
(Naturally Occurring Radioactive Material) bezeichnet. Hierbei losen sich
Isotope
des
Radiums
zusammen mit anderen Elementen im Tiefengrundwasser, das u. a. auch als Lagerstattenwasser in Erdollagerstatten vorkommt.
[35]
Das Lagerstattenwasser steigt bei der Erdolforderung zusammen mit Ol und Gas in den Forderleitungen zur Erdoberflache auf. Durch Druck- und Temperaturabnahme
fallen
Barium
,
Kalzium
und
Strontium
, und mit ihnen das Radium, in Form von
Sulfaten
und
Karbonaten
aus, die sich an den Wandungen der Rohrleitungen absetzen. In den dabei entstehenden Krusten, die als (engl.) ?Scale“ bezeichnet werden, reichert sich somit im Laufe der Zeit Radium an. In anderen zur Olforderung eingesetzten Geratschaften, z. B.
Wasserabscheidern
, finden sich die ausgefallenen Sulfate und Karbonate in Schlammen, die uberwiegend aus
Schwerol
und ungewollt mitgeforderten, feinen mineralischen Bestandteilen des Speichergesteins bestehen.
[35]
[36]
[37]
Problematisch ist hierbei vor allem das langlebige
226
Ra (1600 Jahre
Halbwertszeit
).
Nach Recherchen des
WDR
-Mitarbeiters Jurgen Doschner fallen bei der Erdol- und Erdgasforderung jahrlich weltweit Millionen Tonnen solcher
NORM-belasteter Ruckstande
an, davon in Deutschland bis zu 2000 Tonnen, bei 3 Millionen Tonnen gefordertem Ol.
[38]
Die
spezifische Aktivitat
schwankt dabei relativ stark, kann bei dem in ?Scale“ enthaltenen
226
Ra jedoch bis zu 15.000
Becquerel
pro Gramm (Bq/g) betragen,
[35]
was im Bereich der
spezifischen Aktivitat von Uran
liegt.
Obwohl Stoffe laut der Strahlenschutzverordnung von 2001 bereits ab 1 Bq/g (entspricht in etwa dem oberen Bereich der naturlichen Radioaktivitat von
Granit
) uberwachungsbedurftig sind und gesondert entsorgt werden mussen, wurde die Umsetzung dieser Verordnung der Eigenverantwortung der Industrie uberlassen, wodurch offenbar zumindest ein Teil der Abfalle sorglos und unsachgemaß behandelt oder entsorgt wurde. In einem Fall ist dokumentiert, dass Abfalle mit durchschnittlich 40 Bq/g ohne jede Kennzeichnung offen auf einem Betriebsgelande gelagert wurden und auch nicht fur den Transport besonders gekennzeichnet werden sollten.
[38]
In Landern, in denen deutlich mehr Ol oder Gas gefordert wird als in Deutschland, entstehen auch deutlich mehr Abfalle, jedoch existiert in keinem Land eine unabhangige, kontinuierliche und luckenlose Erfassung und Uberwachung der kontaminierten Ruckstande aus der Ol- und Gasproduktion. Die Industrie geht mit dem Material unterschiedlich um: In
Kasachstan
soll Doschner zufolge ein Gebiet von der Große der Bundesrepublik kontaminiert sein, in
Großbritannien
wurden die radioaktiven Ruckstande einfach in die Nordsee eingeleitet.
[39]
[38]
In den
USA
sind lange Zeit vor allem stark olhaltige NORM-Abfalle zum bakteriellen Abbau der Kohlenwasserstofffraktion in moglichst dunnen Lagen auf die Gelandeoberflache, meist in der unmittelbaren Umgebung der Forderanlagen aufgebracht worden (sogenanntes ?Landspreading“).
[38]
Die dadurch auftretenden gesundheitlichen Risiken bei einer zukunftigen Landnutzung dieser Gebiete werden dabei als eher gering bewertet.
[37]
Wie sehr das Gefahrenpotenzial radioaktiv belasteter Olfordergeratschaften jedoch teilweise unterschatzt oder ignoriert wurde, zeigt der Fall aus Martha, einer Gemeinde im US-Bundesstaat
Kentucky
. Dort hatte das Unternehmen
Ashland Inc.
nach Stilllegung des Martha-Olfeldes tausende kontaminierte Forderrohre billig an Farmer, Kindergarten und Schulen verkauft. An einigen dieser zum Bau von Zaunen oder Klettergerusten genutzten Rohre traten Strahlendosen von bis zu 1100 Mikrorontgen pro Stunde auf, so dass die Grundschule und einige Wohnhauser nach Entdeckung der Strahlung sofort geraumt werden mussten.
[40]
Weltreserven und Bevorratung
Fur Erdol ist die
statische Reichweite
verhaltnismaßig kurz und erheblichen Schwankungen unterworfen. So wurde sie jeweils unmittelbar nach den beiden Weltkriegen auf 20 Jahre geschatzt. Trotz erheblich hoherem Verbrauch und einer sehr dynamischen Wirtschafts- und Technikentwicklung ist sie danach jeweils angestiegen. Nach einer Krise in den 1970er Jahren wurde sie auf 25 Jahre angesetzt.
[41]
Danach stieg sie auf einen Wert von 30 bis heute 40 oder gar nach heutigem Stand der Technik und Olpreisniveau auf 50 Jahre. Diese Konstanz der Reichweite wird auch mit dem Stichwort
Erdolkonstante
benannt. Es bezeichnet den Umstand, dass Voraussagen zur
statischen Reichweite
von Erdol wie bei anderen Rohstoffen aufgrund der Entdeckung weiterer Lagerstatten und angesichts von Fortschritten in der Fordertechnik sowie Marktpreisbewegungen regelmaßig anzupassen sind.
Noch Anfang der 2000er Jahre wurden die weltgroßten Reserven in
Saudi-Arabien
verortet. Weil aber mittlerweile die Kosten fur die Forderung unkonventioneller Erdollagerstatten, wie
Olsand
oder Schwerol, so weit gesunken sind, dass sie annahernd im Bereich der Kosten der konventionellen Erdolforderung liegen bzw. die
Olpreise
seit der Jahrtausendwende angezogen haben, werden solche unkonventionellen Lagerstatten nunmehr den Olreserven eines Landes hinzugerechnet. Daher befanden sich im Jahre 2013 die großten Erdolreserven in
Venezuela
(298,3 Milliarden Barrel ? davon 220,5 im Orinoco-Schwerolgurtel), gefolgt von Saudi-Arabien (265,9),
Kanada
(174,3 ? davon 167,8 als Olsand),
Iran
(157,0) und
Irak
(150,0) (siehe
Erdol ? Tabellen und Grafiken: Reserven nach Landern
fur eine genaue Tabelle).
Laut der 2006er Energiestudie der
Bundesanstalt fur Geowissenschaften und Rohstoffe
ist eine ausreichende Verfugbarkeit von Erdol ohne die Einbeziehung unkonventioneller Vorkommen bis etwa 2020 gegeben.
[42]
Nach einem
Science
-Artikel (2004) von Leonard Maugeri von
Eni
hingegen ist das Zeitalter des Ols noch lange nicht vorbei,
[43]
wohingegen Murray & King 2012 in
Nature
darstellten, dass das Produktionsmaximum (
Peak Oil
) konventionellen Erdols schon 2005 eingetreten sei. Dies sei an einer veranderten Preiselastizitat der Forderung ablesbar.
[44]
Fur das Jahr 2008 wurden die bestatigten Weltreserven je nach Quelle auf 1329 Milliarden
Barrel
(182 Milliarden
Tonnen
nach Oeldorado 2009 von ExxonMobil) bzw. auf 1258 Milliarden Barrel (172,3 Milliarden Tonnen nach
BP
Statistical Review 2009) berechnet. Die Reserven, die geortet sind und mit der heute zur Verfugung stehenden
Technik
wirtschaftlich gewonnen werden konnen, haben in den letzten Jahren trotz der jahrlichen Fordermengen insgesamt leicht zugenommen. Wahrend die Reserven im
Nahen Osten
,
Ostasien
und
Sudamerika
aufgrund der Erschopfung von Lagerstatten und unzureichender
Prospektionstatigkeit
sanken, stiegen sie in
Afrika
und
Europa
leicht an.
Nach einigen Jahren hoher Olpreise in der Großenordnung von 100 US-Dollar pro Barrel fielen die Preise in der zweiten Halfte des Jahres 2014 auf kaum mehr als 40 Dollar im Januar 2015. Fur diesen Preissturz wurde von Fachleuten ein Angebotsuberhang verantwortlich gemacht. Nach der Ruckkehr Irans auf den Markt im Januar 2016 und dem Kampf um die regionale Vormacht durch Saudi-Arabien in diesem Zusammenhang sowie wegen der nicht gedrosselten Forderung Russlands war absehbar, dass das Uberangebot bei einem Preis um mittlerweile 50 Dollar noch eine gewisse Zeit vorhalten wurde.
[45]
[46]
Die Lander der
Europaischen Union
sind verpflichtet, einen 90-Tage-Vorrat als
strategische Olreserve
fur Krisenzeiten zu unterhalten. Ein großer Teil der deutschen und ein kleinerer Teil der auslandischen Vorrate liegt in den unterirdischen
Kavernenanlagen
im Zechsteinsalz im Raum
Wilhelmshaven
, uber dessen Olhafen ein Funftel des Erdolbedarfs Deutschlands eingefuhrt wird. In Osterreich obliegt der
Erdol-Lagergesellschaft
diese Aufgabe.
Bei einem taglichen Verbrauch auf dem gegenwartigen Niveau von ca. 90 Mio. Barrel
[48]
(Stand 2014) ergibt sich bei 1687,9 Mrd. Barrel Reserven eine Reichweite von etwa 51 Jahren.
[49]
Man muss allerdings bei der Beurteilung dieser Zahl beachten, dass Erdolknappheit nicht erst nach Ablauf der (statischen oder dynamischen) Reichweite des Erdols auftritt. Denn anders als aus einem Tank konnen den Erdollagerstatten nicht beliebige Mengen an Ol pro Tag (Forderrate) entnommen werden. Vielmehr gibt es eine maximal mogliche Forderrate, die haufig dann erreicht ist, wenn die Quelle etwa zur Halfte ausgebeutet ist. Danach sinkt ihre Forderrate (physikalisch bedingt) ab. Ein ahnliches Verhalten wird von vielen Experten auch fur die Olforderung der Welt angenommen: Nach dem Erreichen eines globalen Fordermaximums (?Peak Oil“, s. oben) sinkt die globale Forderrate. Rein rechnerisch ist zu diesem Zeitpunkt zwar noch genug Ol
vorhanden
, um den jeweils aktuellen Tagesverbrauch zu decken, auch wenn dieser im Vergleich zu heute sogar noch steigt, doch das Ol kann
nicht hinreichend schnell aus den Lagerstatten gefordert werden
und steht somit der Wirtschaft nicht zur Verfugung. Die Endlichkeit der Ressource Erdol macht sich bereits lange vor dem Ablauf ihrer Reichweite bemerkbar. Die hier berechnete Laufzeit des Ols ist daher wirtschaftlich von nur geringer Bedeutung, interessanter ist vielmehr der zeitliche Verlauf des globalen Fordermaximums und die Hohe des anschließenden Produktionsruckgangs.
[50]
Kritiker solcher Reserveangaben weisen allerdings darauf hin, dass die meisten der Reserven aus Nicht-
OECD
-Landern keiner unabhangigen Kontrolle unterliegen (siehe Fußnoten des BP-statistical review). Oft unterliegen (wie in Saudi-Arabien) alle Angaben zu Forderdaten einzelner Felder und Reserven dem Staatsgeheimnis. Daher unterstellen Kritiker diesen Zahlen eine Verfalschung. Vielen
OPEC
-Forderlandern wird auch unterstellt, die Reserven zu optimistisch anzugeben, da die zugeteilten Forderquoten abhangig von den gemeldeten Reservemengen sind.
Weltforderung
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Die 10 großten Erdolkonzerne 2019 nach Jahresumsatzen (Milliarden USD).
[51]
Die wichtigsten Erdolforderlander sind gegenwartig (Stand 2013)
Saudi-Arabien
(11.525.000
Barrel
/Tag; 13,1 % der Weltforderung), die
Russische Foderation
(10.788.000; 12,4 %), die
USA
(10.003.000; 11,5 %), die
Volksrepublik China
(4.180.000; 4,8 %) und
Kanada
(3.948.000; 4,6 %). Auf die zwolf
OPEC
-Lander entfallen mit 36,8 Millionen Barrel/Tag derzeit 42,5 % der Weltforderung.
[52]
Im Jahr 2009 war Russland noch der großte Produzent (10.139.000 Barrel/Tag; 12,5 % der Weltforderung) gefolgt von Saudi-Arabien (9.663.000; 11,9 %), den USA (7.263.000; 8,9 %),
Iran
(4.249.000; 5,2 %) und China (3.805.000; 4,7 %)
[52]
(siehe auch
Erdol ? Tabellen und Grafiken: Forderung
). Die
Erdolforderung in Deutschland
deckte ursprunglich bis zu 80 % des nationalen Bedarfs und hatte historisch eine große Bedeutung, hat aber heute nur noch einen Anteil von 2 %.
Laut
Abdallah Dschum?a
Anfang 2008 (damals Geschaftsfuhrer von
Aramco
), wurden in der Geschichte der Menschheit rund 1,1 Billionen
[53]
Barrel
Erdol gefordert. Die meisten Reserven wurden in den 1960er-Jahren entdeckt. Ab Beginn der 1980er-Jahre liegt die jahrliche Forderung (2005) bei 30,4 Milliarden Barrel (87 Millionen Barrel pro Tag Verbrauch im Jahr 2008
[54]
) ? uber der
Kapazitat
der neu entdeckten Reserven, sodass seit dieser Zeit die vorhandenen Reserven abnehmen.
Deshalb wird von einigen Experten mit einem globalen
Fordermaximum
zwischen 2010 und 2020 gerechnet.
Kenneth Deffeyes
,
Colin J. Campbell
und
Jean Laherrere
befurchten, das Maximum sei bereits vor 2010 erreicht worden. Eine Folge dieses Fordermaximums ware eine anschließend fallende Forderung, so dass die parallel zum Wirtschaftswachstum prognostizierte Nachfrage nicht mehr ausreichend gedeckt werden wurde.
Zunehmend kritische Analysen gab es von der Britischen Regierung,
[55]
vom U.S. Department of Energy
[56]
und dem zentralen Analysedienst der US-Streitkrafte, U.S. Joint Forces Command,
[57]
in denen schon kurzfristig drohende Mangelszenarien geschildert wurden. Die britische Regierung reagierte damit offensichtlich auf die Tatsache, dass Englands Olreichtum seit 1999 standig zuruckging und 2006 vom Erdolexporteur zum Importeur wurde.
[58]
Dschum?a
[53]
weist derartige Befurchtungen zuruck.
[59]
Er schatzt, dass von den vorhandenen flussigen Olvorkommen erst weniger als 10 % gefordert wurden und (inklusive nicht konventioneller Reserven) bei heutigen Verbrauchsraten noch mindestens fur 100 Jahre Erdol zur Verfugung steht.
[60]
Wahrend in den 1970er Jahren private westliche Olkonzerne noch knapp 50 Prozent der weltweiten Olproduktion kontrollierten,
[61]
hat sich dieser Anteil 2008 auf weniger als 15 Prozent verringert. Der weitaus großte Anteil wird von Staatsunternehmen gefordert. Experten
[61]
halten einen Mangel an Ol nicht fur gegeben, es handele sich um eine Krise im Zugang zu fortgeschrittener Technologie (der Multis) bzw. umgekehrt auch in der mangelnden Investitionssicherheit in den staatlich kontrollierten Olforderlandern.
Transport
Erdol wird weltweit uber weite Entfernungen transportiert. Der Transport von den Forderstatten zu den Verbrauchern geschieht auf dem Seeweg mit
Oltankern
, uber Land uberwiegend mittels
Rohrleitungen (Pipelines)
.
Olkatastrophen
Etwa 100.000 Tonnen gelangen jahrlich bei Tankerunfallen mit teilweise katastrophalen Folgen fur die Umwelt ins Meer. Bekannt wurde vor allem die Havarie der
Exxon Valdez
1989 vor
Alaska
. Da versaumt wurde, das Ol direkt nach dem Unfall mit Olsperren aufzuhalten und abzusaugen, vergroßerte sich der Olteppich und kontaminierte uber 2000 km der Kuste. Die danach durchgefuhrten Reinigungsmaßnahmen erwiesen sich als unwirksam; die katastrophalen okologischen Folgen losten eine breite offentliche Diskussion uber Risiken und Gefahren maritimer Oltransporte aus. Der Unfall fuhrte schließlich zu einer Erhohung der Sicherheitsauflagen fur Oltanker sowie zu einer intensiven Untersuchung moglicher Maßnahmen zur Bekampfung von Olunglucken.
Eine andere schwere Olkatastrophe war der Brand und Untergang der Bohrplattform
Deepwater Horizon
im Golf von Mexico im April 2010.
Uber mehrere Monate trat Rohol aus, insgesamt uber 500.000 Tonnen.
Durch dieses Ungluck entstand eine
Olpest an den Kusten vom Golf von Mexico
. Auch das
Mississippi-Delta
war davon betroffen.
Eine permanente Freisetzung findet in
Nigeria
statt, siehe auch
Olkatastrophe im Nigerdelta
.
Verbrauch
Der Anteil des Erdols am Primarenergieverbrauch liegt bei ca. 40 % und damit an erster Stelle der Energielieferanten. Der großte Einzelenergieverbraucher ist der Straßenverkehr.
Weltverbrauch
Der tagliche
Verbrauch
weltweit lag im Jahr 2015 bei etwa 94,5 Millionen
Barrel
bei einer Produktion von 96,3 Million Barrel.
[62]
Die großten Verbraucher 2013 waren die
USA
(18,9 Millionen Barrel/Tag), die
Volksrepublik China
(10,8),
Japan
(4,6),
Indien
(3,7) und
Russland
(3,3).
Deutschland
war 2013 mit einem Tagesverbrauch von 2,38 Millionen Barrel der weltweit elftgroßte Verbraucher.
[48]
(siehe
Erdol ? Tabellen und Grafiken: Verbrauch
fur detaillierte Angaben).
Der Weltverbrauch steigt derzeit um 2 % pro Jahr an. Die Steigerung ist auf einen stark zunehmenden Olverbrauch in den aufstrebenden Schwellenlandern wie China, Indien oder Brasilien zuruckzufuhren. In den Industrielandern ist der Verbrauch dagegen trotz eines weiter wachsenden
Bruttoinlandsprodukts
seit langem rucklaufig, d. h., die Olabhangigkeit dieser Volkswirtschaften nimmt ab. Dennoch ist der Pro-Kopf-Verbrauch in den Industrielandern immer noch deutlich hoher als in den Schwellenlandern.
Verbrauch in Deutschland
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Jahrliche Roholimporte der Bundesrepublik Deutschland
[63]
Im Jahr 2020 wurden in Deutschland 1,9 Millionen Tonnen Rohol gefordert.
[64]
Der
Anteil des aus deutschen Quellen gewonnenen Erdols
liegt bei etwa 2 % des Verbrauches, die ergiebigste Quelle ist dabei das Fordergebiet
Mittelplate
in
Schleswig-Holstein
.
[65]
Im Jahr 2020
importierte
die Bundesrepublik 82,7 Millionen Tonnen Rohol, 2021 waren es 81,4.
[66]
Wichtigster Lieferant im Jahr 2021 war mit 34,1 Prozent der Olimporte war Russland, gefolgt von den USA mit 12,5 Prozent, Kasachstan 9,8 Prozent und Norwegen mit 9,8 Prozent. Mehr als 30 Lander lieferten Rohol nach Deutschland.
[67]
Von den erzeugten Olfertigprodukten wurden im Jahr 2007 wiederum 3,8 % unmittelbar von der Industrie als Energietrager verbraucht, 53,7 % beanspruchte der gesamte Verkehrssektor wie Straßenverkehr (Individualverkehr, Personen- und Frachttransport), Luftverkehr (Kerosin) und Binnenschifffahrt, 12 % nahm die Heizenergie fur Endverbraucher in Anspruch, 4,9 % diejenige von Wirtschaftsunternehmen und offentlichen Einrichtungen. 1,7 % benotigten Land- und Forstwirtschaft, 23,9 % schließlich gingen als Ausgangsstoffe in die chemische Weiterverarbeitung etwa zu Dungemitteln, Herbiziden, Schmierstoffen, zu Kunststoffen (z. B. Spritzgussprodukte, Gummiartikel, Schaumstoffe, Textilfasern), zu Farben, Lacken, Kosmetika, zu Lebensmittelzusatzstoffen, Medikamenten u. A.
[68]
Der Verbrauch an Olfertigprodukten ist seit den 1990er-Jahren jahrlich um etwa 1,5 % rucklaufig,
[69]
teils aufgrund fortschreitender Energieeinsparungen (vgl.
Energieeinsparverordnung
), teils wegen eines Wechsels zu Erdgas oder alternativen Energiequellen wie
Biodiesel
,
Solarthermie
,
Holzpellets
,
Biogas
und
Geothermie
.
[70]
Wertmaßig hingegen sind die Importe von Erdol und Erdgas nach Deutschland allein im Jahr 2006 mit 67,8 Milliarden Euro nach vorlaufigen Ergebnissen um mehr als ein Viertel (+28,4 %) gegenuber dem Vorjahr 2005 gestiegen, in der vorlaufigen Spitze im Jahr 2008 waren es zuletzt 83 Milliarden Euro mit einem nochmaligen Zuwachs von +10 % gegenuber dem Vorjahr 2007.
Im gesamten Zeitraum 1995 bis 2008 wuchsen die Erdol- und Erdgasimporte laut Statistischem Bundesamt von 14,44 Milliarden auf 82,26 Milliarden Euro an, mit einem Anteil von ursprunglich 4,3 %, jetzt 10 % an allen Importen.
Der wichtigste Erdol- und Erdgaslieferant fur Deutschland war 2009 nach vorlaufigen Zahlen bis November mit einem Drittel (33,2 %) der Rohstoffimporte im Wert von 34,708 Milliarden Euro
Russland
. Es folgte
Norwegen
, dessen Erdol- und Erdgaslieferungen in Hohe von 14,220 Milliarden Euro 14 % der Importe entsprachen.
[71]
Das drittwichtigste Lieferland fur Deutschland war das
Vereinigte Konigreich
mit Lieferungen im Wert von 10,636 Milliarden Euro, die einen Anteil von 10 % an den gesamten deutschen Erdol- und Erdgasimporten ausmachten. Angesichts der bis 2014 um 590 auf 980 Kilobarrel/Tag verfallenden Fordermengen des Nordseeols
[72]
durfte dieser Platz in den nachsten Jahren an
Libyen
abgetreten werden.
[71]
Raffinerien
Die erste Erdolraffinerie entstand 1859. Die Erdolpreise sanken deutlich und die Zahl der Raffinerien nahm zu. Leuchtole, besonders Petroleum, ermoglichten neue Lichtquellen.
Nach der Einfuhrung des elektrischen Lichts war Erdol zunachst nicht mehr attraktiv, doch bald nach der Entwicklung des
Automobils
setzte die Familie
Rockefeller
als Mitbegrunderin der
Standard Oil Company
die Verwendung des Erdolprodukts
Benzin
als
Ottokraftstoff
durch, statt des von
Henry Ford
zunachst vorgesehenen
Ethanols
.
In der
Erdolraffinerie
wird das Erdol in seine unterschiedlichen Bestandteile wie leichtes und schweres
Heizol
,
Kerosin
sowie
Benzin
unter anderem in Destillationskolonnen aufgespalten. In weiteren Schritten konnen aus dem Erdol die verschiedensten
Alkane
und
Alkene
erzeugt werden.
Petrochemie
Vereinfachtes Schema der Erdolaufarbeitung
|
Rohstoff
|
Zwischenprodukt
|
Prozess
|
Produkt
|
In der chemischen Industrie nimmt das Erdol eine bedeutende Stellung ein. Die meisten chemischen Erzeugnisse lassen sich aus ca. 300 Grundchemikalien aufbauen. Diese Molekulverbindungen werden heute zu ca. 90 % aus Erdol und Erdgas gewonnen. Zu diesen gehoren:
Ethen
,
Propen
,
1,3-Butadien
,
Benzol
,
Toluol
,
o
-
Xylol
,
p
-Xylol (diese stellen den großten Anteil dar).
Aus der weltweiten Fordermenge des Erdols werden ca. 6?7 % fur die chemischen Produktstammbaume verwendet, der weitaus großere Anteil wird einfach in Kraftwerken und Motoren verbrannt. Die Wichtigkeit dieser Erdolerzeugnisse liegt auf der Hand: Gibt es kein Erdol mehr, mussen diese Grundchemikalien uber komplizierte und kostenintensive Verfahren mit hohem Energiebedarf hergestellt werden.
Aus Erdol kann fast jedes chemische Erzeugnis produziert werden. Dazu gehoren Farben und Lacke, Arzneimittel, Wasch- und Reinigungsmittel, um nur einige zu nennen.
Zusammensetzung, Eigenschaften und Klassifizierung
Allgemeines
Erdol ist hauptsachlich ein Gemisch vieler Kohlenwasserstoffe. Die am haufigsten vertretenen Kohlenwasserstoffe sind dabei lineare oder verzweigte Alkane (Paraffine), Cycloalkane (Naphthene) und Aromaten. Jedes Erdol hat je nach Fundort eine spezielle chemische Zusammensetzung, die auch die physikalischen Eigenschaften wie Farbe und Viskositat bestimmt.
Farbe und Konsistenz variieren von transparent und dunnflussig bis tiefschwarz und dickflussig. Erdol hat auf Grund von darin enthaltenen Schwefelverbindungen einen charakteristischen Geruch, der zwischen angenehm und widerlich-abstoßend wechseln kann. Farbe, Konsistenz und Geruch sind sehr stark von der geographischen Herkunft des Erdols abhangig. Manche Erdolsorten
fluoreszieren
unter
ultraviolettem Licht
auf Grund von unterschiedlichen Beistoffen, wie Chinone oder Polyaromaten.
Unraffiniertes
Erdol (Rohol) ist mit mehr als 17.000 Bestandteilen eine sehr komplexe Mischung von
organischen Stoffen
, die naturlicherweise auf der Erde vorkommen.
[74]
Neben den reinen Kohlenwasserstoffen sind noch Kohlenstoffverbindungen, die Heteroatome wie Stickstoff (Amine, Porphyrine), Schwefel (Thiole, Thioether) oder Sauerstoff (Alkohole, Chinone) enthalten, Bestandteil des Erdols. Daneben finden sich Metalle wie Eisen, Kupfer, Vanadium und Nickel. Der Anteil der reinen Kohlenwasserstoffe variiert erheblich. Er kann zwischen 97 % und 50 % bei Schwerolen und Bitumen liegen.
Gehalt an leichtfluchtigen Verbindungen
In der Erdolindustrie und -geologie wird unterschieden zwischen ?leichtem“ Rohol (engl.
light crude oil
) mit relativ hohem Anteil an leichtfluchtigen
niedermolekularen
Kohlenwasserstoffen
und ?schwerem“ Rohol (engl.
heavy crude oil
) mit relativ hohem Anteil an schwerer fluchtigen niedermolekularen Kohlenwasserstoffen sowie schwerfluchtigen
hochmolekularen
organischen Verbindungen (Harze, Wachse,
Asphaltene
). Die Bezeichnungen ?leicht“ und ?schwer“ beziehen sich dabei auf das
spezifische Gewicht
bzw. die
Dichte
des Rohols, die mit sinkendem Anteil an leichtfluchtigen Kohlenwasserstoffen jeweils zunehmen. Als Maß fur die Dichte einer Roholsorte wird oft der sogenannte
API-Grad
angegeben, der sich unter anderem aus der relativen Dichte des Ols im Verhaltnis zu Wasser berechnet.
Das Verhaltnis zwischen leicht- und schwerfluchtigen Verbindungen ist zudem verantwortlich fur Farbe und
Viskositat
des Rohols: je hoher der Anteil an leichtfluchtigen Verbindungen, desto heller und geringviskoser das Ol.
Zu den ?leichten“ Roholsorten zahlen
West Texas Intermediate
(WTI) sowie das Nordseeol
Brent
(jeweils ca. 35 bis 40°API), eine schwere Roholsorte ist
Merey
aus Venezuela (16°API). Bei Roholen mit weniger als 10°API spricht man allgemein von
Asphalt
(siehe auch →
Olsand
).
Schwefelgehalt
Schwefelarmes Rohol wird ?suß“ genannt (engl.
sweet crude oil
, u. a. die Sorte
Brent
), schwefelreiches ?sauer“ (engl.
sour crude oil
, u. a. die im
Golf von Mexiko
geforderten Sorten
Mars
und
Poseidon
). Der im Rohol und in den Raffinationsprodukten enthaltene
Schwefel
wird durch
Verbrennung
zum Gas
Schwefeldioxid
(SO
2
) oxidiert, das zu einem geringen Teil durch Reaktion mit Luftsauerstoff,
katalysiert
durch atmospharischen Staub, in
Schwefeltrioxid
(SO
3
) umgewandelt wird. Schwefeldioxid und Schwefeltrioxid verbinden sich mit atmospharischem Wasser zu
schwefliger Saure
(H
2
SO
3
) bzw. zu
Schwefelsaure
(H
2
SO
4
), die verdunnt im ubrigen atmospharischen Wasser, als sogenannter
saurer Regen
niedergehen und verschiedene okologische und bautechnische Probleme verursachen.
Um den Ausstoß von Schwefeldioxid in die Atmosphare zu reduzieren, wurden ab etwa 1980 vereinzelt und ab etwa 2000 flachendeckend, aus Erdol gewonnene Brennstoffe entschwefelt.
Schwerol
, das als Treibstoff auf Hochseeschiffen genutzt wird, war anfangs noch davon ausgenommen. Der bei der Entschwefelung gewonnene Schwefel ersetzt als Grundstoff fur die chemische Industrie kostengunstig den durch Bergbau gewonnenen mineralischen Schwefel. Alternativ zur direkten Entschwefelung von Erdol wird insbesondere in kohle- und olbefeuerten Kraftwerken das Rauchgas gewaschen und durch Einblasen von
Kalkstaub
(CaCO
3
)
Gipspulver
(CaSO
4
) erzeugt, das technisch weiterverwendet werden kann (siehe →
Rauchgasentschwefelung
).
Subventionen
Laut einer Studie des britischen Overseas-Development-Instituts subventionieren die fuhrenden Industrie- und Schwellenlander die Erkundung von Olvorkommen mit 71 Milliarden Euro pro Jahr ? und untergraben damit ihre eigene Klimapolitik.
[75]
Erdolausstieg
Aufgrund verschiedener Umweltprobleme, die aus der Forderung von Erdol sowie der Nutzung und Verbrennung von Erdolprodukten erwachsen (Forderunfalle, Pipelineleckagen, Tankerunfalle,
Plastikmull
,
Klimawandel
? bei der Verbrennung eines Barrels des
fossilen Energietragers
Erdol entstehen ca. 480 kg
[76]
des
Treibhausgases
Kohlendioxid
, das als Hauptverursacher der globalen Erwarmung gilt) fordern verschiedene Organisationen, die Nutzung von Erdol als Rohstoff einzuschranken oder sogar ganz einzustellen. Fur die Bestrebungen eines Staates, vollig unabhangig von Erdol zu werden, wird die Bezeichnung
Erdolausstieg
verwendet.
Im Zuge des allmahlich stattfindenden globalen Umdenkens in dieser Hinsicht setzte die Familie
Rockefeller
, deren Vermogen in erster Linie auf die Forderung von Erdol im fruhen 20. Jahrhundert zuruckgeht, im Marz 2016 ein Zeichen: Sie trennte sich von ihren Anteilen an Firmen, die ihr Geschaft mit fossilen Brennstoffen machen. Insbesondere trennten sich die Rockefellers von ihren Anteilen am Erdolkonzern
ExxonMobil
.
[77]
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