Mit den
Deutschen Einigungskriegen
setzte
Preußen
die Idee des deutschen Nationalstaates im Sinn der
kleindeutschen Losung
durch. Nach den Siegen im
Deutsch-Danischen Krieg
(1864), dem
Deutschen Krieg
gegen Osterreich (1866) und dem
Deutsch-Franzosischen Krieg
(1870/71) entstand das preußisch dominierte
Deutsche Kaiserreich
. Im historischen Ruckblick wurde die Nationalstaatsbildung mit der Politik von ?
Blut und Eisen
“ Otto von Bismarcks in Verbindung gebracht.
Nach der niedergeschlagenen
Deutschen Revolution 1848/49
war die Frage nach einer deutschen Einigung noch nicht geklart. Zwar wurde der
Deutsche Bund
wiederhergestellt, doch die nationalen Gefuhle wurden dadurch nicht befriedigt. Hinzu kam noch, dass auch der Adel den Nutzen einer nationalstaatlichen Einigung sah, besonders unter wirtschaftlichen Aspekten. Ein einheitlicher deutscher Binnenmarkt sollte die Grundlage sein fur die Fahrt aufnehmende
industrielle Revolution in Deutschland
.
In der Revolution von 1848/1849 zeichnete sich auch die Moglichkeit einer kleindeutschen Losung ab, dennoch war der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland noch nicht geklart. Die
Habsburgermonarchie
Osterreich stand dem Deutschen Bund immer noch vor, politisch ebenburtig aber wirtschaftlich starker als der Konkurrent im Suden war allerdings die
Monarchie Preußen
. Dieser Dualismus zwischen Preußen und Osterreich wurde in den deutschen Einigungskriegen zugunsten Preußen geklart.
Im Rahmen des
preußischen Verfassungskonflikts
wurde
Otto von Bismarck
im Jahr 1862 vom preußischen Konig
Wilhelm I.
zum Ministerprasidenten ernannt. Bismarck regierte gegen die preußische Verfassung und legte in dieser Zeit den Grundstein fur die deutschen Einigungskriege. Seine Heeresreform war Grundlage fur die erfolgreichen preußischen Kriege. Auch seine Einstellung hinsichtlich der Losung politischer Probleme war bedeutend fur die folgende, kriegerische Haltung Preußens. Allerdings ist Bismarck vor allem anzurechnen, dass er die liberalen Krafte in Preußen fur eine deutsche ?Einigung von oben“ gewinnen konnte.
Nach der niedergeschlagenen
Schleswig-Holsteinischen Erhebung
ging es im Zweiten Schleswig-Holsteinischen Krieg im Wesentlichen um die nationale Anbindung des
Herzogtums Schleswig
. Vorausgegangen war ein Verfassungskonflikt innerhalb des
Danischen Gesamtstaates
. Danemark, das Schleswig, Holstein und Lauenburg verwaltete (Schleswig als danisches Lehen, Holstein und Lauenburg als Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes), fuhrte im November 1863 nach der Ablehnung der vorherigen
Gesamtstaatsverfassung
durch den Deutschen Bund die sogenannte
Novemberverfassung
ein, die Schleswig verfassungsrechtlich enger an Danemark binden sollte. Dies verstieß aber gegen das
Londoner Protokoll von 1852
, welches zwar die Integritat des danischen Gesamtstaates als ?standiges Prinzip“ betonte, aber auch vorschrieb, Schleswig verfassungsrechtlich nicht enger an Danemark zu binden als Holstein. Preußen nahm dies zum Anlass, um die Spannungen zwischen Danemark und dem Deutschen Bund zu verscharfen. Der
Bundestag
beschloss am 1. Oktober 1863 eine
Bundesexekution
gegen die danisch regierten
Herzogtumer Holstein und Lauenburg
im Deutschen Bund, am 23. Dezember 1863 ruckten schließlich Truppen des Bundes in Holstein und Lauenburg ein. Anfang Februar 1864 uberschritten Preußen und Osterreich die
Eider
und besetzten ohne Zustimmung des Bundestages auch Schleswig.
[1]
Die Armeen Preußens und Osterreichs besiegten innerhalb weniger Monate die danischen Truppen. Verhandlungen uber eine mogliche nationale Teilung Schleswigs im Sommer 1864 scheiterten. Kriegsentscheidend war die Ersturmung der
Duppeler Schanzen
am 18. April 1864 durch die Preußische Armee.
[2]
Das war aus preußischer Sicht auch notig; denn wegen des 1852 geschlossenen
Londoner Protokolls
furchtete Bismarck bei einem zu lange dauernden Krieg die militarische oder politische Einmischung Frankreichs oder Russlands.
Osterreich
annektierte
das Herzogtum Holstein, Preußen das Herzogtum Schleswig. In diesem Krieg wurde somit die nordliche Grenze eines zukunftigen Deutschlands festgelegt. Die bald einsetzenden Konflikte zwischen Preußen und Osterreich bei der Verwaltung der Herzogtumer wurden zum außeren Anlass des folgenden preußisch-osterreichischen Krieges um die Vorherrschaft in Deutschland.
Anlasse fur diesen Krieg waren Streitigkeiten um die Verwaltung der Herzogtumer Holstein und Schleswig sowie Osterreichs Unterstutzung fur das Streben nach einem neuen
Mittelstaat
Schleswig-Holstein. Vorrangig ging es bei diesem Krieg jedoch um den deutschen Dualismus, den Fuhrungsanspruch, welcher nun endgultig ausgefochten werden sollte.
Preußen und seine Verbundeten erwiesen sich gegenuber den osterreichischen und dessen verbundeten Kraften als deutlich uberlegen. Grunde hierfur waren zum einen die technische Uberlegenheit, die
preußische Armee
hatte zum Beispiel den
Hinterlader
, zum anderen eine besser ausgebaute Infrastruktur, welche schnelle Truppentransporte ermoglichte.
Preußen annektierte infolge des Krieges das
Konigreich Hannover
, die Herzogtumer
Holstein
und
Nassau
, das
Kurfurstentum Hessen
sowie die
Freie Stadt Frankfurt
am Main. Somit hatte Preußen eine Verbindung zwischen seinem
brandenburgischen Kernland
und den wirtschaftlich wichtigen
Rheinprovinzen
. Als Folge dieses Krieges musste Osterreich auch noch
Venetien
an Italien abtreten. Osterreich hatte Venetien 1797 im
Frieden von Campo Formio
erhalten (siehe
Geschichte Venetiens
).
Dagegen verschonte Bismarck das
Kaisertum Osterreich
beim Friedensschluss von
Abtretungen
, obwohl der preußische Konig,
Wilhelm I.
solche gewunscht hatte. Der Hintergedanke dabei war, dass Osterreich Preußen in Zukunft gewogener sein werde. Wichtiger war jedoch, dass der Krieg den Dualismus der beiden Rivalen durch die
Auflosung des Deutschen Bundes
zugunsten Preußens entschied, das seinerseits den
Norddeutschen Bund
als Vorstufe eines geeinten Deutschlands grundete. Osterreichs Interessenbereich verschob sich nunmehr in den Osten Europas.
Im
spanischen Thronfolgestreit
galt
Prinz Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen
als vielversprechender Kandidat auf den Thron Spaniens. Frankreich furchtete jedoch, von zwei Seiten durch von
Hohenzollern
regierte Staaten eingekreist zu werden, worauf
Napoleon III.
den Ruckzug der Kandidatur Prinz Leopolds forderte. Tatsachlich verzichtete Leopold auf die Kandidatur. Die franzosische Regierung forderte aber zusatzlich von Wilhelm I. als Chef des Hauses Hohenzollern eine schriftliche Zusicherung, dass niemals wieder Hohenzollern fur den spanischen Thron kandidieren wurden. Diese Forderung wies Wilhelm zuruck. Bismarck stellte den Vorgang der Presse gegenuber in der ?
Emser Depesche
“ besonders schroff dar, weshalb Napoleon III. hierauf Preußen den Krieg erklarte.
Durch die Kriegserklarung an den Gliedstaat Preußen wurde der gesamte Norddeutsche Bund angegriffen. Preußen war schon vor Bundesgrundung außerdem mit den suddeutschen Staaten
Schutz- und Trutzbundnisse
eingegangen. Frankreich blieb hingegen, trotz anderer Erwartungen an Osterreich, Danemark und Italien, außenpolitisch isoliert. Nach der Gefangennahme des franzosischen Kaisers in der Folge der
Schlacht bei Sedan
kampfte Frankreich als Republik noch ein Jahr weiter. Zum deutschen Sieg trug unter anderem eine bessere Organisation der Armee bei.
Wahrend des Krieges schloss der Norddeutsche Bund mit
Baden
,
Bayern
,
Hessen-Darmstadt
und
Wurttemberg
die
Novembervertrage
. Die
Verfassung des Deutschen Bundes
? die Novemberverfassung von 1871 ? stellte den Beitritt fest und anderte den Namen des Norddeutschen Bundes in Deutsches Reich. Zum
Prasidium des Bundes
erhielt Preußens Konig den Titel
Deutscher Kaiser
. Am 18. Januar erging im
Spiegelsaal von Versailles
die sogenannte
Kaiserproklamation
, wenngleich Wilhelm den Titel nach der Verfassung bereits trug. Im
Vorfrieden von Versailles
musste Frankreich Teile
Lothringens
und das
Elsass
an das neue Reich abtreten. Es entstand das
Reichsland Elsaß-Lothringen
, das nicht einem Oberprasidenten, sondern direkt dem Kaiser unterstellt war. Hinzu kam eine Verpflichtung zu Kriegsreparationen in Hohe von 5 Mrd.
Goldfranc
. Der
Friede von Frankfurt
am 10. Mai 1871 besiegelte das Kriegsende.
?Dass trotz aller voreiligen und einfaltigen Außerungen eines gewissen Teiles der englischen Presse, die Erfolge, welche Deutschland in jungster Zeit durch die Erlangung seiner staatlichen Einheit, die Wiedererwerbung lange verlorener Provinzen, die Zuchtigung einer Nation und Herrscherfamilie, welche die ewigen Ruhestorer des europaischen Friedens waren, errungen hat, von dem großten Teil der Englander, deren Kenntnis der kontinentalen Geschichte der letzten vier Jahrhunderte ihrem Urteil einen besonderen Wert verleiht, mit richtiger Teilnahme und Freude verfolgt worden sind.“
?Der Ausgang des deutsch-franzosischen Krieges und die Entstehung des neuen Nationalstaates, ?die deutsche Revolution‘, [ist] ein großeres politisches Ereignis als die franzosische Revolution des vergangenen Jahrhunderts. […] Das Gleichgewicht der Macht [ist] vollig zerstort und das Land, welches am meisten darunter leidet und die Wirkungen dieser großen Veranderungen am meisten spurt, [ist] England.“
Die Kritik des Oppositionsfuhrers Disraeli richtete sich vor allem gegen die liberale Regierung Großbritanniens, weniger gegen den deutschen Nationalstaat. Die Absicht hinter dieser Aussage war: Der amtierende Premierminister
William Ewart Gladstone
versage in der Außenpolitik; er habe den Aufstieg Preußens zur europaischen Großmacht zugelassen.
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Fur das
Machtegleichgewicht
war die deutsche Reichsgrundung von Vorteil. Mitteleuropa, das durch die Ambitionen Frankreichs jahrzehntelang eine Krisenregion darstellte, kam endlich zur Ruhe. Gleichzeitig stabilisierte Deutschland das europaische Gleichgewichtssystem: Sowohl Frankreich als auch Russland wurden nun von Preußen-Deutschland in Schach gehalten. Das war auch fur Großbritannien, dessen
Weltmachtstellung
vom Funktionieren des Gleichgewichtssystems abhing, sehr vorteilhaft.
In den Einigungskriegen praktizierte der preußische Ministerprasident Bismarck teilweise Vorsicht und Maßigung. Die Annexion einiger norddeutscher Staaten verletzte zwar die Vorstellungen Frankreichs, nicht aber die Interessen Russlands oder Großbritanniens. Osterreich wurde 1866 geschont ? aber nicht seine Verbundeten wie das
Konigreich Hannover
. Die
deutsche Reichsgrundung
in Versailles demutigte den ?
Erbfeind
“ ? die
Franzosenzeit
war unvergessen. Eine weitere Demutigung Frankreichs hatten die Nachbarn Russland und Großbritannien vermutlich nicht zugelassen. Bismarcks Standpunkt in der Außenpolitik von 1871 und danach, dass das Reich
saturiert
sei, sollte die Befurchtungen der Nachbarn beruhigen.
[4]
- Frank Becker
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(=
Ordnungssysteme.
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(Zugleich: Munster, Universitat, Habilitations-Schrift, 1998), (
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- ↑
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- ↑
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(Museum Sønderjylland)
- ↑
Das Heilige Romische Reich
(1873), Vorwort
- ↑
Konrad Canis
:
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In:
Rainer F. Schmidt
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Deutschland und Europa. Aussenpolitische Grundlinien zwischen Reichsgrundung.
Festgabe fur Harm-Hinrich Brandt zum siebzigsten Geburtstag, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2005,
ISBN 3-515-08262-X
, S. 20?35, hier: S. 20.