Der
Totenkopf
(?), auch
Totenschadel
, ist ein in der abendlandischen Kultur ubliches figurliches, grafisches bzw.
skulpturelles
Symbol
, das aus der Darstellung eines menschlichen
Kopfskeletts
(
Schadel
) meist frontal, seltener im Profil mit oder ohne
Unterkiefer
besteht. Zum Teil konnen der Darstellung des Kopfskeletts noch weitere menschliche
Skelettteile
hinzugefugt werden; besonders haufig sind zwei gekreuzte Oberschenkelknochen, die unter oder hinter dem Schadel dargestellt werden.
Der Totenkopf dient im Allgemeinen der Symbolisierung oder gar Androhung von physischer Lebensgefahr und Tod, der Verganglichkeit menschlichen Lebens im Vergleich zur unsterblichen Seele sowie der gesamten physikalischen Welt im Vergleich zu geistlichen Werten, die durch die Religion verkorpert werden.
Darstellungen menschlicher Skelettteile wurden bei christlichen Grabskulpturen zur Symbolisierung der Verganglichkeit menschlichen Lebens sowie der irdischen Werke und Guter eingesetzt (siehe auch
Vanitas-Symbole
). Oftmals wurden dabei weitere Symbole von Verwesung und Untergang hinzugefugt, wie die Darstellung von Schlangen oder Insekten (siehe auch:
Todessymbolik
,
Memento mori
).
Totenkopfe finden sich als sog. Gemeine Figuren in diversen
Wappenschilden
wieder. Zur Zeit des
Humanismus
und des
Pietismus
traten Totenschadel mitunter an die Stelle des Wappenhelmes. Meist beinhaltete ein Wappen dann auch weitere Verganglichkeitssymbole. Einige
Studentenverbindungen
, die an medizinischen Hochschulen gegrundet wurden, tragen auch heute noch einen Totenkopf in ihrem
Studentenwappen
.
Der Totenkopf galt in der
Fruhen Neuzeit
oftmals als Zeichen der
medizinischen Fakultat
einer
Universitat
. Auch symbolisierte ein Totenkopf auf dem Schreibtisch oder einem anderen Ort im Arbeitszimmer den Mediziner, aber auch den Magier oder Okkultisten. In der modernen Chemie und Pharmazie wird eine Totenkopfdarstellung als genau definiertes
Gefahrenpiktogramm
fur giftige Stoffe eingesetzt.
Flaggen mit Totenkopfen (
Jolly Roger
), einem Skelett oder Skelettteilen bildeten seit der Fruhen Neuzeit das Erkennungszeichen mancher auf eigene Rechnung handelnder
Seerauber
oder der in staatlichem Auftrag tatigen
Freibeuter
.
In Europa kam im 18. Jahrhundert bei einigen Heereseinheiten die Sitte auf, ein Totenkopfmotiv an der Kopfbedeckung zu tragen. Nach dem Leitspruch ?Pardon wird nicht gegeben und nicht angenommen“ betonte das Emblem den unbedingten Willen zum Sieg, unter dem Einsatz des eigenen Lebens. In der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts erlebte der Totenschadel als militarisches Abzeichen weltweit einen
Boom
. Als Metall- oder Stoffemblem fand er sich wieder auf Fahnen, an Kopfbedeckungen und Uniformrocken (an Armeln oder auf Schulterklappen). Er diente zur Bemalung von Flugzeugen, Panzern und Fahrzeugen, und zierte Orden, Medaillen oder sonstige
Plaketten
. Eine erste Hochzeit erlebte das Totenkopfsymbol in Russland, wahrend des
Ersten Weltkriegs
und des
Russischen Burgerkriegs
, als es sowohl zaristische Elite-Truppen als auch
weiße
und
rote
Verbande verwendeten. Seit den 1920er Jahren mutierte der Totenkopf mehr und mehr zum Erkennungszeichen irregularer, politisch rechts stehender Verbande, wie den
Freikorps
, der
SS
oder den italienischen
Schwarzhemden
.
1740 beauftragte
Friedrich II
Oberst von Massow fur das 5. Regiment Flugelmutzen nach einem Modell anzufertigen, das von einem
osterreichischen
Panduren
stammte. Der zu Rate gezogene Berliner Hutmacher war neugierig genug, den langen Flugel abzuwickeln und entdeckte dort auf dem Korpus einen aufgemalten Totenkopf, der bis dahin versteckt war. Als man dies Friedrich mitteilte beschloss er dieses Emblem offen zu ubernehmen, fur alle Welt sichtbar. Die ersten bekannten militarischen Einheiten, die offen ein Totenkopfmotiv verwendeten, waren die
preußischen
Husarenregimenter
1. Leib-Husaren-Regiment Nr. 1
und
2. Leib-Husaren-Regiment Nr. 2
, die beide am 9. August 1741 aufgestellt wurden. Diese beiden Einheiten fuhrten einen Schadel mit gekreuzten Knochen als Mutzenabzeichen. 1758 wurden
Bellingschen
Husaren zuerst als
Bataillon
aufgestellt und 1761 zum Regiment erweitert. Diese erregten mit einer
Kappe
Aufmerksamkeit, deren Stoffflugel ein vollstandiges, sensenbewehrtes Skelett zeigte, das auf dem Schriftzug ?
Vincere, aut mori
“ hockte; entsprechend erhielt das Regiment den Spitznamen ?
Der ganze Tod
“. In einer zweiten Version lag das Skelett uber dem Schriftzug mit einer
Sanduhr
vor sich.
[2]
Auch das 1759 aufgestellte
18th (spater 17th) Regiment of (Light) Dragoons
verwendete ein Totenkopfmotiv. Ihren Helm zierte ein Totenkopf oberhalb des Schriftbandes ?
or Glory
“, im Sinne des Mottos ?Tod oder Ruhm“; das Emblem hat sich, kaum verandert, bis heute (2021) bei dem Nachfolge-Regiment
Royal Lancers
erhalten. Um 1792/93 existierte in Frankreich, zu Beginn der
Revolutionskriege
, fur wenige Monate eine Schwadron schwarz uniformierter
Hussards de la Mort
(Husaren des Todes). Sie fuhrten den Totenkopf mit gekreuzten Knochen auf den Oberarmeln von
Dolman
und
Pelisse
; ob auch an der Flugelkappe, ist strittig. In den
Freiheitskriegen
avancierte der Totenkopf zum Korpsabzeichen der meisten in der
Schwarzen Schar
vereinigten braunschweigischen Exil-Truppen. Zwischenzeitlich nur dem Leib-Bataillon gewahrt, schmuckte der Totenkopf seit 1883 erneut die Kopfbedeckungen der
Braunschweigischen Husaren (Nr. 17)
und seit 1912 die Kopfbedeckungen der ubrigen Bataillone des
Braunschweigischen Infanterieregiments (Nr. 92)
. Der preußische und der braunschweigische Totenkopf schienen nur auf den ersten Blick einander ahnlich: Beide lagen uber einem Paar gekreuzter Oberschenkelknochen, besaßen eine geschlossene Zahnreihen, doch fehlte ihnen der Unterkiefer. Trotzdem unterschieden sich beide Versionen erheblich: Der Braunschweiger Totenschadel zeigte eine Frontalansicht, der preußische Totenkopf blickte nach
heraldisch rechts
, war also im Halbprofil abgebildet. Der Braunschweiger Schadel war langlich-oval, der preußische war rundlich. Wahrend der braunschweigische Totenkopf im Winkel oberhalb des Schnittpunktes des Knochenpaares thronte, lagerte der preußische Schadel auf den Knochen und verdeckte sie großteils. Gleichwohl wurden samtliche mit einem Skelettkopf geschmuckten Husarenregimenter im Volksmund unterschiedslos als
Totenkopfhusaren
bezeichnet.
Seit 1916, also nach Ausbruch des
Ersten Weltkriegs
, durften auch die Offiziere und Mannschaften des
Garde-Reserve-Pionier-Regiments
, in dessen Eigenschaft als ?Flammenwerferregiment“, einen Totenkopf auf dem linken Unterarmel tragen. Der Flammenwerfer-Trupp des
Sturmbataillons
Nr. 5 besaß seit 1916 einen aufgemalten Totenkopf nach Braunschweiger Muster auf dem Stoffuberzug des Lederhelms (
Pickelhaube
). Totenkopfbemalungen dienten zudem als irregularer, doch geduldeter Schmuck einzelner deutscher Flugzeuge und Panzer (
A7V
). Die Frontalansicht eines vollstandigen Totenschadels, uber zwei gekreuzten
Stielhandgranaten
, war das Kappenabzeichen der
k.u.k.
Sturmtruppen. Ein Totenschadel war Bestandteil des 1921 gestifteten
Kampfwagen-Erinnerungsabzeichens
.
Nach Kriegsende nutzten verschiedene
Freikorps
das Totenkopfmotiv, sei es als Bemalung von Helmen oder Fahrzeugen, sei es als Metall- oder Stoffemblem an Mutze bzw. Uniformrock (bspw.
Freikorps Schwarze Jager
). Seit 1923 trugen die Angehorigen der
SS
einen Totenkopf auf dem Besatzstreifen der Kappe bzw. Schirmmutze, unterhalb des (nach der sog.
Machtergreifung
) angebrachten Hoheitsadlers; zusatzlich fuhrten ihn, auf dem rechten Kragenspiegel, die von den
SS-Totenkopfverbanden
gestellten KZ-Wachmannschaften sowie die spater aus ihnen gebildete
SS-Division Totenkopf
der
Waffen-SS
. Die SS-Totenkopfvariante von 1923 war mit dem alt-preußischen Abzeichen, das bis 1918 an den Stoffmutzen der Leibhusaren gefuhrt wurde, nahezu identisch. Die 1934 stattdessen eingefuhrte Version zeigte einen langeren Schadel und besaß einen Unterkiefer.
Das in der
Wehrmacht
verwendete Totenkopfemblem war ebenfalls eine Kopie des alt-preußischen Halbprofil-Mutzenabzeichens. Es kam im November 1934 auf, mit der Einfuhrung des schwarzen Feldanzugs der neu aufgestellten
Panzertruppe
. Auf beiden Kragenpatten als Weißmetallabzeichen gefuhrt, blieb er der Panzerwaffe vorbehalten und, bis Anfang 1943 (sowie vorschriftswidrig daruber hinaus), der
Sturmartillerie
. Vorschriftswidrig, doch verbreitet, war die Rotunterlegung der Augen- und Nasenoffnungen.
[3]
Einige Heerestruppenteile, die die Tradition der 1918 untergegangenen Regimenter fortfuhrten, ubernahmen den Totenkopf als sog.
Erinnerungsabzeichen
. Das Abzeichen wurde an der Mutze, oberhalb des Besatzstreifens, zwischen Hoheitsadler und Kokarde getragen. In Erinnerung an die Leibhusaren Nr. 1 und Nr. 2 fuhrten Teile des Reiterregiments 5 (spater Kavallerieregiment 5) den preußischen Totenkopf. Den Braunschweiger Totenkopf fuhrten u. a. die II. Abteilung des Reiterregiments 13 sowie Teile des Infanterieregiments 17, in Erinnerung an die Braunschweiger Husaren Nr. 17 bzw. das Braunschweiger Infanterieregiment Nr. 92. Eine Verfugung von Anfang 1939 verordnete zwar den Ersatz des Braunschweiger Totenkopfs durch den preußischen, wurde aber allgemein ignoriert.
Abzeichen des 1939 aufgestellten
Kampfgeschwaders 54
der
Luftwaffe
war ein Totenkopf mit gekreuzten Knochen. Dieser wurde auf den Flugzeugen, unterhalb der Pilotenkanzel, aufgemalt. Entsprechend lautete der Spitzname ?Totenkopf-Geschwader“.
Die Totenkopf-Tradition fuhrte mindestens ein Verband der
Bundeswehr
inoffiziell fort. Das
Panzeraufklarungsbataillon 1
, das von 1959 bis zur Auflosung 1994 in
Braunschweig
stationiert war, besaß bis 1980 als Verbandswappen eine schwarze Husaren-Sabeltasche mit dem Braunschweiger Totenkopf. Das Abzeichen wurde von einigen Vorgesetzten als nicht mehr zeitgemaß empfunden und durch eine hellblaue Sabeltasche mit goldgelben Luchskopf ersetzt (blau-gelb war einst die Schnurscharpe der ?Totenkopf-Husaren“ der Braunschweiger Schwarzen Schar).
Noch heute verwenden, vorwiegend in angelsachsischen Landern, unterschiedliche militarische Einheiten die Totenkopfsymbolik bzw. den Jolly Roger (
siehe auch:
Gebrauch des Jolly Roger in modernen Marinen
).
Die Meeresschutzorganisationen
Sea Shepherd Conservation Society
fuhrt seit den 1970er Jahren den Jolly Roger ? mit Dreizack und Hirtenstab anstelle der Knochen sowie einem Delfin und einem Wal auf der Stirn des Schadels ? als
Gosch
auf ihren Schiffen. Ihre internationale Schwesterorganisation
Sea Shepherd Global
sowie alle ihre Landesorganisationen fuhren dasselbe Symbol.
[4]
In einigen Bereichen der modernen
Jugendkultur
signalisieren Todessymbole, wie der Totenkopf, Protest gegen herrschende Gesellschaftsnormen. Die
Gothic
-Kultur nutzt das Totenkopfmotiv vor allem als modisches Element, aber auch zur Provokation.
Davon abweichend, erregte 2008
Cora Schumacher
mediales Aufsehen, als sie zum Munchner Oktoberfestes mit einem totenkopfverzierten
Dirndl
erschien.
[5]
Im
Unicode
-Standard ist ein Totenkopf mit gekreuzten Knochen (Giftsymbol) als Zeichen U+2620 (?) vorhanden, seit Version 6.0 ein weiteres Schadelsymbol als Zeichen U+1F480 (💀), und seit Version 7.0 ein schwarzer Schadel mit gekreuzten Knochen als Zeichen U+1F571 (🕱).
- ↑
New Symbol Launched to Warn Public About Radiation Dangers
- ↑
Liliane und Fred Funcken:
Historische Uniformen 18. Jahrhundert - Franzosische, britische und preußische Kavallerie und Artillerie. Infanterie, Kavallerie und Artillerie der ubrigen europaischen Lander.
Mosaik Verlag
, Munchen 1987,
ISBN 3-570-11865-7
.
- ↑
Wolfgang Schmid:
Der Totenkopf der Husaren ? eine umstrittene Tradition.
3. Juli 2017.
- ↑
Flagge Jolly Roger (groß).
Abgerufen am 25. November 2020
.
- ↑
Wiesn-Debatte. Cora Schumacher und das todgeweihte Dirndl
- ↑
commons:Category:Markttische (Cloister of Basel Munster)
: ?Das Kunstwerk ?Markttische'“ steht seit Dezember 2010 im Kreuzgang des
Basler Munsters
. Es ist ein Werk von
Bettina Eichin
, entstanden um 1986. Es besteht aus zwei Skulpturen-Gruppen: Die eine stellt einen mit Gemuse beladenen Markttisch dar, die zweite einen leeren Markttisch in dessen Tischplatte das Gedicht ?Die Verganglichkeit“ von
Johann Peter Hebel
aus dem Jahr 1803 eingraviert ist. Die darunter befindliche Angabe ?Z.B., 1. NOV. 1986, 00.19H“, bezieht sich auf den
Grossbrand in der Schweizerhalle
, welcher dazu fuhrte, dass das Kunstwerk nicht in wie vorgesehen auf dem Basler Marktplatz aufgestellt wurde.“