Matthias
(*
24. Februar
1557
[1]
in
Wien
; †
20. Marz
1619
ebenda) war ein
osterreichischer
Regent. Er war
Erzherzog von Osterreich
, 1612?1619
Kaiser
des
Heiligen Romischen Reiches
und bereits seit 1608 Konig von
Ungarn
(als Matyas II.) und
Kroatien
(als
Matija II.
), seit 1611 auch Konig von
Bohmen
(gleichfalls als Matya? II.). Sein Wahlspruch war
Concordia lumine maior
(?Eintracht ist starker als Licht“).
Er spielte eine maßgebliche Rolle bei der innerfamiliaren Opposition der
Habsburger
gegen seinen Bruder Kaiser
Rudolf
. Nach dem Gewinn der Macht zeigte er wenig eigene politische Initiative. Den Kurs der Politik bestimmte bis zu seinem Sturz
Kardinal Khlesl
. Mit dem
bohmischen Aufstand
begann in der Schlussphase der Herrschaft von Matthias der
Dreißigjahrige Krieg
.
Matthias war der vierte Sohn des Kaisers
Maximilian II.
und der
Maria von Spanien
. Seine Bruder waren Rudolf (der spatere Kaiser),
Ernst von Osterreich
(Statthalter in den Niederlanden),
Maximilian
(Hochmeister des
Deutschen Ordens
),
Albrecht
(Erzbischof von Toledo, spater Statthalter der Niederlande) und
Wenzel
(Großprior des
Johanniterordens
in
Kastilien
). Außerdem hatte er sechs Schwestern. Durch die Heirat seiner Schwester
Anna
war er mit
Philipp II. von Spanien
und uber
Elisabeth
mit Konig
Karl IX. von Frankreich
verschwagert.
Uber seine Erziehung ist so gut wie nichts bekannt. Einer seiner Lehrer war der Orientreisende und
Polyhistor
Ogier Ghislain de Busbecq
. Da die vaterlichen Besitzungen vollstandig an Rudolf ubergingen, wurden seine Bruder ? so auch Matthias ? mit Geldrenten abgefunden, bekamen kirchliche oder staatliche Stellen zugewiesen.
In gewisser Weise war er politisch von seinem Vater beeinflusst. Dazu gehorte auch die antispanische Haltung und die Ablehnung der spanischen Politik in den Niederlanden. Dort versuchte Philipp II. den
Aufstand der Niederlander
mit Gewalt niederzuschlagen. Matthias war auf dem Regensburger Reichstag von 1576 in Kontakt mit dem Gesandten einiger aufstandischer Provinzen, Gautier von der Gracht, getreten.
Philippe III. de Croy
, Herzog von Aarschot und andere Vertreter einer eher gemaßigten Partei kamen mit Matthias uberein, diesen gegen den Willen Philipps II. und ohne Wissen Kaiser Rudolfs II. zum Statthalter der Niederlande zu machen.
Anfang Oktober 1577 reiste Matthias in die Niederlande ab. Insgeheim hoffte er, sich in den Niederlanden eine eigene Machtbasis aufzubauen. Allerdings hatte Matthias weder die notige politische Erfahrung noch Geschick. Hinzu kam, dass der Herzog von Aarschot verhaftet worden war. Matthias musste sich daher unter den Schutz von
Wilhelm von Oranien
, dem Fuhrer der entschiedenen Spaniengegner, begeben. Damit war das Ziel eines dritten Weges schon im Ansatz gescheitert. Matthias wurde zwar am 20. Januar 1578 de jure Statthalter, das Sagen hatten aber ein Staatsrat und Wilhelm von Oranien. Das Auseinanderdriften der katholischen sudlichen und der protestantischen nordlichen Provinzen konnte Matthias nicht verhindern. Rudolf II. griff als Vermittler in den Konflikt ein. Auf seine Bemuhungen hin kam es 1579 zum Kolner Pazifikationstag, der jedoch bald abgebrochen wurde. Damit hatte sich die Position fur Matthias weiter verschlechtert. Die Niederlander stellten die Zahlungen fur seinen Hofstaat ein. Das Statthalteramt legte er jedoch offiziell erst zwei Jahre spater kurz vor der offiziellen Unabhangigkeitserklarung nieder. Die Abreise aus
Antwerpen
verzogerte sich allerdings um funf Monate, weil er solange bleiben musste, bis seine immensen Schulden bezahlt worden waren.
Er kehrte 1583 nach Osterreich zuruck, wo er sich mit einer kleinen Hofhaltung in
Linz
niederließ. Er bemuhte sich mehrfach vergeblich um die Wahl zum
Bischof
, so in
Munster
,
Luttich
oder
Speyer
. Ebenso vergeblich waren 1586 die Verhandlungen um die Nachfolge des polnischen Konigs
Stefan Bathory
. Auch bewarb er sich um die Regentschaft in
Tirol
und den
Vorlanden
. Erst als sein Bruder Ernst 1593 (Antritt 1594) spanischer Generalstatthalter in den Niederlanden wurde, bekam Matthias die Statthalterschaft in Osterreich.
Er war sofort konfrontiert mit der energischen Interessenvertretung der mehrheitlich protestantischen Stande gegenuber dem Statthalter. Die Probleme verscharften sich noch durch die hohen Abgaben und die Truppenaushebungen infolge des
Langen Turkenkrieges
. In den Jahren 1595 und 1597 kam es zu Aufstanden der Bauern in Nieder- und Oberosterreich. Wahrend die Bauern ihre Hoffnungen auf Verhandlungen mit dem Kaiser setzten, ging Matthias mit Soldnertruppen gewaltsam gegen die Aufstandischen vor.
Nach der Niederschlagung des Aufstandes begann sich Matthias’ Haltung in Hinblick auf die Religionsfrage zu verandern. Hatte es zuvor auch Protestanten an seinem Hof gegeben, ging er nunmehr auf einen strikt
gegenreformatorischen Kurs
. Sein Kanzler war seit 1599
Melchior Khlesl
, Bischofsadminstrator von
Wiener Neustadt
, ein wesentlicher Forderer der Gegenreformation. Vor allem dieser drangte Matthias zu einem scharferen Kurs gegenuber den Protestanten. Der Kaiser ernannte ihn 1594/95 und noch einmal 1598/1600 zum nominellen Oberbefehlshaber im Turkenkrieg und zu seinem Vertreter gegenuber dem ungarischen Reichstag.
Unter den Angehorigen des Hauses Habsburg beobachtete man mit Sorge die zunehmenden
psychischen Probleme des Kaisers Rudolf II
. Nach dem Tod von Ernst 1595 stand Matthias an der Spitze der Erzherzoge. Er drangte den Kaiser, der ohne legitime Nachkommen war, ab 1599 mehrfach vergeblich, die Nachfolge zu regeln. Damit zog sich Matthias dessen Ablehnung zu. Die Situation verscharfte sich, als es 1604 zum Aufstand in Ungarn unter
Stephan Bocskai
kam. Matthias selbst scheute zunachst vor einer Auseinandersetzung mit dem Kaiser zuruck. Bischof Khlesl und andere drangten ihn dazu, den Konflikt der Familie Habsburg gegen Rudolf II. zu leiten. Im November 1600 kam in
Schottwien
ein Vertrag zwischen den Erzherzogen Matthias und Maximilian sowie
Ferdinand
gegen den Kaiser zustande. Im Jahr 1606 erklarten die Erzherzoge den Kaiser fur geisteskrank (Urkunde vom 25. April 1606), setzten Matthias als Familienoberhaupt ein und begannen die Absetzung Rudolfs zu betreiben. Es war dann auch Matthias und nicht der Kaiser, der 1606 den
Frieden von Zsitvatorok
mit den Osmanen schloss und den Konflikt in Ungarn auch durch Zusicherung der freien Religionsausubung beendete. Rudolf versuchte vergeblich, die Vertrage zu hintertreiben. Er sah sich sogar gezwungen, Matthias die Position eines Statthalters in Ungarn zu ubertragen.
In Ungarn trat die Unruhe wieder hervor, und auch in Mahren und in Osterreich begannen die Stande aufzubegehren. Matthias versuchte, diese Opposition fur sich im Machtkampf mit dem Kaiser zu nutzen. Im Jahr 1608 verband er sich in
Preßburg
mit dem aufstandischen
ungarischen Reichstag
und den nieder- und oberosterreichischen Standen. Spater kam noch Mahren hinzu. Im April 1608 marschierte Matthias auf Prag. Da es allerdings nicht gelungen war, die bohmischen Stande zu gewinnen, schloss er am 25. Juni 1608 den
Vertrag von Lieben
mit dem Kaiser. Dabei kam es zur Aufteilung der Macht: Rudolf behielt Bohmen, Schlesien und die Lausitz; Matthias erhielt Ungarn, Osterreich und Mahren.
Die Ubernahme der Macht verlief nicht reibungslos. Das ubliche Verfahren einer
Huldigung
in den osterreichischen Landern war, dass der neue Landesherr zunachst die Privilegien der Stande garantierte, ehe diese ihm offiziell huldigten. Matthias versuchte die Reihenfolge umzukehren, was zum
Huldigungsstreit
mit den mehrheitlich protestantischen Standen fuhrte. Die Adeligen bildeten daraufhin nach polnischem Vorbild eine Konfoderation namens
Horner Bund
und huldigten nur gegen Garantie ihrer Rechte. Der Horner Bund blieb auch weiter bestehen und spielte noch zu Beginn des Dreißigjahrigen Krieges eine Rolle. Matthias musste auch dem osterreichischen Adel die
Religionsfreiheit
zugestehen.
Kaiser Rudolf gab sich im Streit mit seinem Bruder nicht geschlagen. Mit dem
Passauer Kriegsvolk
schien er uber eine militarische Macht zu verfugen. Als die nicht bezahlten Truppen 1611 in Bohmen einmarschierten, kam es zu Auseinandersetzungen, und auch die bohmischen Stande traten ins Lager von Matthias uber. Rudolf verlor den Rest seiner Macht und lebte bis zu seinem Tod am 20. Januar 1612 isoliert in Prag.
Matthias wurde am 23. Mai 1611 zum Konig von Bohmen gekront
[2]
und nach dem Tod Rudolfs am 20. Januar 1612 auch zum Kaiser gewahlt. Am 4. Dezember 1611 heiratete er seine Cousine
Anna von Tirol
. Das Paar blieb kinderlos. Angeblich zeugte er mit einer unbekannten Mutter einen illegitimen Sohn namens Matthias von Osterreich.
Der Hof und damit die Regierungsstellen wurden seit 1612 allmahlich von Prag nach Wien verlegt. Der neue Kaiser war weniger kunstinteressiert als Rudolf, und die meisten Hofkunstler haben seinem Hof bald den Rucken gekehrt. Eine engere Beziehung blieb zum Maler
Lucas van Valckenborch
. Zur
Privatkrone
seines Bruders Rudolf II. ließ er
Szepter
und
Reichsapfel
anfertigen. Die Frau des Kaisers stiftete das Kapuzinerkloster mit der
Kapuzinergruft
als zukunftige Begrabnisstatte des Hauses Habsburg. Er soll den Brunnen im Gebiet des heutigen
Schlosses Schonbrunn
gefunden haben und soll durch seinen Ausruf ?Ei, welch’ schoner Brunn’!“ der Namensgeber der Gegend und damit des heutigen Schlosses geworden sein.
Die politischen Herausforderungen waren immens. Bestimmend war der sich zuspitzende Gegensatz zwischen Protestanten und Katholiken. Beim Reichstag von 1608 war erstmals kein Kompromiss zwischen den konfessionellen Lagern zustande gekommen. Es standen sich mit der
katholischen Liga
und der
protestantischen Union
zwei gegnerische Blocke im Reich gegenuber.
Der neue Kaiser erwies sich allerdings als wenig aktiv. Er war schwer an
Gicht
erkrankt und zog die Zerstreuungen des Hoflebens den langweiligen Staatsgeschaften vor. Im Wesentlichen bestimmte Khlesl die Politik. Im Gegensatz zu den fruheren Jahren, als er sich als gegenreformatorischer Eiferer hervorgetan hatte, setzte er angesichts der wachsenden Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten im Reich auf Kompromisse (?Kompositionspolitik“). Außenpolitisch kam es zu einem Bundnis mit Polen und der mehrfachen Verlangerung des Friedens mit den Osmanen. Die ausgleichende Reichspolitik Khlesls stieß am Kaiserhof auf die Opposition der strikt katholischen Krafte wie des
Reichshofratsprasidenten
Johann Georg von Hohenzollern
und des
Reichsvizekanzlers
Hans Ludwig von Ulm
. Auch die katholischen Reichsstande distanzierten sich von dieser Politik. Ebenso blieben die Protestanten misstrauisch.
In seiner Regierungszeit brach 1614 der judenfeindliche
Fettmilch-Aufstand
in Frankfurt am Main aus. Der Aufstand wurde auf Befehl des Kaisers blutig niedergeschlagen, die Radelsfuhrer vor Gericht gebracht und hingerichtet. Die vertriebenen Frankfurter Juden kehrten in einer feierlichen Prozession in die
Judengasse
zuruck. An deren Tor wurde ein
Reichsadler
angebracht mit der Umschrift ?Romisch kaiserlicher Majestat und des heiligen Reiches Schutz“.
Wie schon zur Zeit seines Bruders Rudolf stellte sich auch bei Matthias, der keine legitimen Erben hatte, bald die Frage der Nachfolge. Wie Rudolf versuchte auch Matthias, einer Entscheidung aus dem Weg zu gehen. Seit 1612 hatten ihn die Erzherzoge sowie Spanien und der Papst vergeblich gedrangt, seinen Cousin Ferdinand zum Nachfolger vorzuschlagen. Aber erst 1617 kam es angesichts der fur todlich eingeschatzten Krankheit des Kaisers und auf Drangen des spanischen Botschafters Onate in dem nach ihm benannten
Onate-Vertrag
zu einer Einigung mit dem spanischen Konig
Philipp III.
Im Vertrag verzichteten die spanischen Habsburger auf Anspruche in Osterreich, Ungarn und Bohmen und auch auf eine Bewerbung um die Kaiserkrone. Als Ausgleich erhielt Spanien Landereien im Elsass und
Reichslehen
in Oberitalien. Daraufhin schlug Matthias Erzherzog Ferdinand als kunftigen Konig von Bohmen vor. Tatsachlich wurde Ferdinand noch im gleichen Jahr von den bohmischen Standen gewahlt, obwohl bekannt war, dass er als Erzherzog in seinen osterreichischen Landern die
Gegenreformation
betrieben hatte. Das nur schwer begreifliche Wahlverhalten der protestantischen bohmischen Stande
[3]
[4]
fuhrte dazu, dass nach der Wahl der Einfluss der Protestanten in Bohmen massiv beschnitten wurde, was den Unmut der bohmischen Stande weiter anheizte.
Von Wien aus hatte Matthias kaum die Moglichkeit, die Entwicklungen in Bohmen zu beeinflussen. Dort brach der bohmische Standeaufstand aus, der im
zweiten Prager Fenstersturz
vom 23. Mai 1618 seinen symbolischen Ausdruck fand. Khlesl reagierte erneut mit Ausgleichsbemuhungen. Nunmehr verlangten Erzherzog Maximilian und Konig Ferdinand die Ablosung Khlesls. Der Kaiser weigerte sich, worauf Maximilian und Ferdinand Khlesl festnehmen ließen. Der Kaiser sah sich schließlich gezwungen, die Absetzung seines leitenden Politikers zu akzeptieren. Matthias spielte in der Folge bis zu seinem Tod kaum noch eine Rolle.
Da die Kapuzinergruft noch nicht fertiggestellt worden war, wurden er und seine Frau zunachst im
Koniginnenkloster
beigesetzt. Erst 1633 wurden sie in die
Kapuzinergruft
uberfuhrt. Kaiser Matthias gehort zu jenen 41 Personen, die eine ?
Getrennte Bestattung
“ mit Aufteilung ihres Korpers auf alle drei traditionellen Wiener Begrabnisstatten der Habsburger (
Kaisergruft
,
Herzgruft
,
Herzogsgruft
) erhielten.
- Volker Press
:
Matthias, Kaiser.
In:
Neue Deutsche Biographie
(NDB). Band 16, Duncker & Humblot, Berlin 1990,
ISBN 3-428-00197-4
, S. 403?405 (
Digitalisat
).
- Brigitte Vacha (Hrsg.):
Die Habsburger. Eine europaische Familiengeschichte.
Wien 1992, S. 189?192.
- Rudolf John Schleich:
Melchior Khlesl and the Habsburg Bruderzwist. 1605?1612
. New York 1968 (Dissertation).
- Bernd Rill:
Kaiser Matthias. Bruderzwist und Glaubenskampf
. Graz 1999,
ISBN 3-222-12446-9
.
- Arno Paduch:
Die Kaiserkronung Matthias I. als musikgeschichtliches Ereignis
. In:
Concerto
.
Band
210
, 2006,
S.
20?21
.
- Vaclav B??ek:
Ein Bruderzwist im Hause Habsburg (1608-1611)
. ?eske Bud?jovice 2010,
ISBN 978-80-7394-211-3
(
opera-historica.com
).
- ↑
Matthias, Romischer Kayser.
In:
Johann Heinrich Zedler
:
Grosses vollstandiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Kunste
.
Band 19, Leipzig 1739, Sp. 2123?2126.
- ↑
Illustration von
Frans Hogenberg
von 1611: Eigentliche Contrafactur aller underschiedlichen Acten wie Ihre Kon. M#. in Hungarn den 23 May Anno 1611 Zum Konig in Bohmen ist gekront worden. (
Digitalisat
)
- ↑
golo Mann:
Wallenstein
. S. Fischer Verlag GmbH Lizenzausgabe Deutscher Bucherbund, Frankfurt Main 1971,
S.
151
.
- ↑
Christian Pantle:
Der Dreissigjahrige Krieg
. Propylaen-Verlag, Berlin 2017,
ISBN 978-3-549-07443-5
,
S.
23
.