Im
Achtzigjahrigen Krieg
(auch
Spanisch-Niederlandischer Krieg
,
spanisch
guerra de Flandes
,
niederlandisch
Tachtigjarige Oorlog
) von 1568 bis 1648 erkampfte die
Republik der Sieben Vereinigten Provinzen
ihre Unabhangigkeit von der
spanischen
Krone und damit vom Haus
Habsburg
. Mit seinem Ende schieden die nordlichen Niederlande aus dem Verband des
Heiligen Romischen Reichs
aus. Der
sudliche Teil der Niederlande
blieb dagegen vorerst bei Spanien und kam spater zu Osterreich. Im 19. Jahrhundert ging daraus
Belgien
hervor. Die Niederlande wurden damit dauerhaft geteilt.
Der
Krieg
entwickelte sich aus einem
Aufstand der Niederlander
gegen den spanischen und katholischen Landesherrn
Philipp II.
, der vor allem von
Calvinisten
ausging. Nachdem die Spanier den ersten Aufstand noch hatten unterdrucken konnen, entwickelten sich ab 1572 abermals Unruhen, die nach und nach das ganze Land erfassten. Mit Ausnahme des
Zwolfjahrigen Waffenstillstands
in der Zeit von 1609 bis 1621 dauerten die Kampfe bis 1648 an. Schließlich erkannte Spanien die Unabhangigkeit der nordlichen Niederlande im
Frieden von Munster
(nicht gleichzusetzen mit dem
Westfalischen Frieden
, welcher den
Dreißigjahrigen Krieg
beendete) offiziell an.
Vor dem Krieg gehorten die Niederlande, die damals sowohl die heutigen Niederlande als auch
Belgien
,
Luxemburg
und
einen Teil Nordfrankreichs
umfassten, zum
Heiligen Romischen Reich
und wurden vom
spanischen Zweig der Habsburger
beherrscht. Sie bestanden aus 17 Provinzen. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts verbreitete sich in den Niederlanden im Zuge der
Reformation
der
Calvinismus
. Die Niederlande stellten damals eine bedeutende wirtschaftliche Macht dar.
Antwerpen
war ein Zentrum des europaischen Kapitalmarktes. Antwerpen und
Rotterdam
waren durch ihre Hafen außerdem bedeutende Umschlagplatze fur den Handel mit Waren aus Ubersee und den neuen Kolonien in
Sudamerika
. Wegen dieser geballten wirtschaftlichen Macht und wegen der wichtigen strategischen Lage waren die spanischen Habsburger nicht gewillt, die Niederlande aus ihrem Besitz zu entlassen.
Philipp II. ubernahm die Herrschaft uber die Niederlande 1555 von seinem Vater
Karl V.
Er setzte die bereits unter diesem begonnenen Ketzerverfolgungen (
Inquisition
), die Unruhen in den Niederlanden hervorgerufen hatten, noch konsequenter fort. Im Jahre 1559 ernannte er im Zuge einer kirchlichen Reorganisation neue Bischofe, die auch in den Generalstanden der Provinzen, den sogenannten
Generalstaaten
, vertreten sein sollten, und verkleinerte die
Bistumer
. Damit wollte Philipp einerseits die
Gegenreformation
verscharfen, andererseits aber auch die
standischen
Freiheiten, die den Provinzen im ?
Großen Privileg
“ 1477 zugestanden worden waren, wieder ruckgangig machen. Als Statthalterin in den Niederlanden setzte er seine Halbschwester
Margarethe von Parma
ein und stellte ihr als ersten Minister den Bischof von
Mechelen
, Kardinal
Antoine Perrenot de Granvelle
, zur Seite. Philipp selbst ging 1560 wieder nach Spanien zuruck; 1561 zog er dann auch seine Truppen aus den Niederlanden ab.
Einige Mitglieder des niederlandischen Staatsrates unter der Fuhrung von
Wilhelm I. von Oranien
und der Grafen von
Egmond
und
Hoorn
protestierten vehement gegen diese Anderungen und erzwangen 1564 Granvelles Rucktritt. In einer Bittschrift, dem sogenannten ?Adelskompromiss von Breda“, forderten die Aufstandischen (die sich selbst ?
Geusen
“, ubersetzt: ?Bettler“, nannten) von der Statthalterin
Margarethe von Parma
explizit die Beendigung der
Inquisition
und der Verfolgung der
Protestanten
sowie die Wiederherstellung ihrer standischen Freiheiten.
Der Protest gegen die spanische Herrschaft erreichte im selben Jahr mit den
Bildersturmen
der
Calvinisten
einen ersten Hohepunkt. Philipp hob daraufhin zwar die Inquisition auf, entsandte aber 1567 den
Herzog von Alba
,
Fernando Alvarez de Toledo
, als neuen Statthalter mit spanischen Truppen zu einer
Strafexpedition
in die Niederlande. Alba gelang es auch zunachst, die regionalen Aufstande mit Hilfe eines Sondergerichtes, des so genannten
Blutrats
von Brussel, zu unterdrucken. Dabei wurden mehr als 6000 Aufstandische hingerichtet, unter ihnen die Grafen von Egmond und von Hoorn. Im selben Jahr besiegte Alba auch die niederlandischen Truppen unter Fuhrung von
Wilhelm I. von Oranien
.
Mit seinen rucksichtslosen und willkurlichen Aktionen provozierte Alba jedoch neue Aufstande der Niederlander. Waren die Unruhen bis dahin meist regional begrenzt und noch großtenteils unkoordiniert, so erfasste der Aufstand nun das ganze Land. Die Behauptung, die
Kongregation der romischen und allgemeinen Inquisition
unter Papst
Pius V.
habe in einem Dekret vom 16. Februar 1568 faktisch alle etwa drei Millionen Niederlander wegen
Haresie
zum Tode verurteilt und habe nur wenige benannte Personen davon ausgenommen, geht jedoch auf eine Falschung zuruck.
[1]
In einer diplomatischen Geheimkonferenz vom 2. bis 4. April 1568 auf Schloss
Freudenberg
(im
Siegerland
, Sudwestfalen) wurde einer Delegation der Edlen von Gelderland die militarische Unterstutzung im Kampf gegen Spanien durch Wilhelm I. von Oranien zugesagt. Der Achtzigjahrige Krieg begann mit dem ersten militarischen Aufeinandertreffen beider Seiten in der
Schlacht von Heiligerlee
1568, in der
Adolf von Nassau
, der Bruder Wilhelms von Oranien, fiel.
Vor allem die ?
Wassergeusen
“ genannten niederlandischen
Kaperschiffer
machten in der Folge den Spaniern durch ihre fortwahrenden Angriffe auf Seetransporte und Stutzpunkte schwer zu schaffen. 1572 gelang ihnen der großte Erfolg, als sie die Provinzen
Zeeland
und
Holland
eroberten. Als
Statthalter
der befreiten Provinzen wurde Wilhelm I. von Oranien
gewahlt
, womit ihm faktisch die Fuhrung des Widerstandes gegen Spanien ubertragen wurde.
1573 wurde Alba durch Don
Luis de Zuniga y Requesens
abgelost. Auch wenn der neue Statthalter zunachst erfolgreicher als sein Vorganger war, gelang den Aufstandischen erneut ein großer Sieg: Sie fluteten das Land, segelten nach
Leiden
und befreiten die Stadt von den spanischen Belagerern (
Belagerung von Leiden
). Gemeinsam formulierten alle
Siebzehn Provinzen
ihre Forderungen nach Abzug der spanischen Truppen und religioser Toleranz in der ?Genter Pazifikation“ (1576). Sie wurde von den Generalstaaten in Antwerpen ratifiziert. Der neue spanische Statthalter Don
Juan de Austria
, ein Halbbruder des Konigs
Philipp II.
, akzeptierte die Forderungen formal, trotzdem gingen die Unruhen weiter. Die Genter Pazifikation sollte die letzte gemeinsame Handlung der Siebzehn niederlandischen Provinzen sein.
Im Jahre 1579 zerbrach die in der Genter Pazifikation dokumentierte Einheit der niederlandischen Provinzen an konfessionellen Gegensatzen. Einige sudliche, uberwiegend franzosischsprachige Provinzen schlossen sich am 6. Januar zur (katholischen)
Union von Arras
(niederlandisch:
Atrecht
) zusammen. Die nordlichen Provinzen mit uberwiegend calvinistischer Bevolkerung schlossen sich dagegen am 23. Januar zur
Utrechter Union
zusammen. Auch die Staaten Flanderns und Brabants waren Mitglied der Utrechter Union. Sie opponierten weiter gegen Spanien und verlangten das Recht auf freie Religionsausubung. Am 24. Juli 1581 bildeten die Provinzen der Utrechter Union die
Republik der Vereinigten Niederlande
, erklarten im
Plakkaat van Verlatinghe
ihre Unabhangigkeit vom Konig und ernannten Wilhelm I. von Oranien zum Statthalter in den verschiedenen Staaten. Als treibende Kraft hinter der Utrechter Union und der Unabhangigkeitserklarung gilt die Provinz
Holland
. Die Trennung der Niederlande in die ?Generalstaaten“ und die ?Spanischen Niederlande“ war nun besiegelt. Aus dem Aufstand der Niederlande gegen die spanischen Besatzer, der im Suden seinen Anfang nahm, wurde jetzt ein Kampf um Unabhangigkeit der Generalstaaten.
Die nicht der ?Union von Arras“ beigetretenen Teile der sudlichen Provinzen wurden zwischen 1581 und 1585, teils nach schwierigen Belagerungen, von den Spaniern unter dem neuen
Statthalter
Alexander Farnese
, dem Sohn Margaretes von Parma, unterworfen. Auch große Teile der nordostlichen Niederlande wurden in diesen Jahren von den Spaniern erobert, aber diese Eroberungen wurden nach 1589 von den Rebellen ruckgangig gemacht. Erfolgreich verlief am Ende nur der Unabhangigkeitskrieg im Norden. Zwar wurde Wilhelm 1584 vom Katholiken
Balthasar Gerard
ermordet, die Generalstaaten konnten sich jedoch relativ schnell auf Wilhelms Sohn
Moritz von Oranien
als Nachfolger einigen. Als Alexander Farnese 1585 Antwerpen eroberte, waren die Provinzen der Utrechter Union auf das Hochste gefahrdet. Es gelang jedoch dem
Landesadvokaten
der Provinz Holland,
Johan van Oldenbarnevelt
, 1596 einen Pakt der Generalstaaten mit
England
auszuhandeln. Mit dessen finanzieller und militarischer Unterstutzung wurde der Krieg gegen Spanien weitergefuhrt. Gleichzeitig reformierte Moritz von Oranien das niederlandische Heer (
Oranische Heeresreform
), welches so schon bald der militarischen Ubermacht der Spanier Paroli bieten konnte.
Im Jahre 1598 starb Philipp II. von Spanien. Damit gingen die sudlichen, das heißt die ?Spanischen Niederlande“ in die Hande seiner Tochter
Isabella
und ihres Ehemannes, des
Erzherzogs Albrecht von Osterreich
, uber. Im Jahre 1601 begannen die spanischen Truppen mit der verlustreichen
Belagerung von Ostende
, die unter
Ambrosio Spinola
1604 erfolgreich beendet wurde. Die Niederlander verloren somit ihren letzten Stutzpunkt in
Flandern
. Am 12. April 1609 ? zwei Jahre nach der
Seeschlacht bei Gibraltar
? konnten sich beide Seiten in Antwerpen auf einen
zwolfjahrigen Waffenstillstand
einigen.
1621 brach der Krieg im Rahmen des
Dreißigjahrigen Krieges
erneut aus. In den Jahren 1624 und 1625 war er fast ganz auf die
Belagerung und den vergeblichen Entsatz von Breda
konzentriert. Er verlief zunachst ergebnislos, bis es den Niederlandern unter
Piet Pieterszoon Heyn
gelang, die gesamte spanische
Silberflotte
zu erbeuten. Mit einem Teil der Beute finanzierte
Friedrich Heinrich
, Bruder und Nachfolger des
Moritz von Nassau
, unter anderem die Eroberung von
’s-Hertogenbosch
(1629) und von
Maastricht
(1632). Eine Allianz mit Frankreich im Jahre 1635 zur Eroberung der Spanischen Niederlande war wenig erfolgreich, sondern fuhrte im Gegenteil zum Verlust von
Venlo
,
Roermond
und anderen Stadten an die Spanier.
Spanien strebte Frieden mit den Niederlanden an, um seine ubrigen Krafte auf den
Krieg gegen Frankreich
konzentrieren zu konnen. Auch in den Niederlanden, und hier vor allem in der Provinz
Holland
, formte sich im Laufe der 1640er Jahre eine republikanisch-
patriziatische
Elite, die fur diesen Frieden eintrat. Hier waren vor allem die Amsterdamer Patrizier
Andries
und
Cornelis Bicker
,
Cornelis
und
Andries de Graeff
,
[2]
sowie
Jacob de Witt
aus Dordrecht, die fur eine Beendigung des Krieges sowie fur eine Reduzierung der Landstreitkrafte eintraten.
[3]
Dieser andauernde Kriegszustand verhinderte das wirtschaftliche Wachstum und die gesellschaftliche Entwicklung der Vereinigten Niederlande. Ebenfalls starkte dieser Kriegszustand die Macht des Statthalters als Oberbefehlshaber der Streitkrafte, was nicht im Sinne der Republikaner war. Dies verstarkte den Konflikt zwischen ihnen und Statthalter
Friedrich Heinrich von Oranien
sowie den
Reformierten
Hollands.
Nach dem Tod Friedrich Heinrichs 1647 setzte die Provinz Holland zusammen mit drei weiteren Provinzen die Verhandlungen mit Spanien gegen den Widerstand von Friedrich Heinrichs Sohn
Wilhelm II.
fort. 1648 schlossen die Vereinigten Niederlande aufgrund des immensen politischen Drucks des gesamten
Bicker-De Graeff Clans
[4]
die Friedensverhandlungen mit Spanien ab, die im
Frieden von Munster
mundeten.
[5]
Diese Verhandlungen waren ein separater Teil des
Westfalischen Friedenskongresses
, der das Ende des Dreißigjahrigen Krieges und des Achtzigjahrigen Krieges bedeutete und zugleich die internationale Anerkennung der Republik der Vereinigten Niederlande brachte.
Ab dem Jahre 1600 drangen wiederholt niederlandische Kaperfahrer in die Gewasser der
Philippinen
ein und storten die Handelsrouten empfindlich. Das erste Aufeinandertreffen von spanischen und niederlandischen
Galeonen
in den Gewassern der Philippinen fand am 12. Dezember 1600 statt und endete mit der Versenkung der
San Diego
. Mit dem Erstarken der Niederlander in
Sudostasien
versuchten diese im Jahre 1646 den Archipel der Philippinen zu erobern. Dieser Angriff auf die spanische Oberhoheit wurde in den funf
Seeschlachten der La Naval de Manila
abgewehrt.
[6]
Goethes
Trauerspiel
Egmont
spielt in der Stadt
Brussel
wahrend des Aufstands der Niederlander 1566?1568 gegen die spanische Herrschaft; das Ende des Trauerspiels entspricht historisch dem Anfang des Achtzigjahrigen Krieges.
Friedrich Schiller
beschaftigte sich in seiner historischen Abhandlung
Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der spanischen Regierung
mit dem Krieg. Sein dramatisches Gedicht
Don Karlos
, das teilweise auf diesen historischen Recherchen beruht, spielt vor dem Hintergrund des Achtzigjahrigen Krieges.
Spater schilderte
Wilhelm Raabe
den Kampf der Wassergeusen in seiner Novelle
Die schwarze Galeere
.
Charles de Coster
schildert in seinem
Ulenspiegel
den Aufstand der Geusen gegen die spanischen Unterdrucker.
- Patricia Bobak,
Horst Carl
:
Außer Rand und Band? Fruhneuzeitliche Soldner als Gewaltgemeinschaften im niederlandisch-spanischen Krieg
, in: Winfried Speitkamp (Hrsg.):
Gewaltgemeinschaften. Von der Spatantike bis ins 20. Jahrhundert.
V&R unipress, Gottingen 2013, S. 163?184,
ISBN 978-3-8471-0063-8
.
- Michael Erbe:
Belgien, Niederlande, Luxemburg: Geschichte des niederlandischen Raumes.
Kohlhammer, Stuttgart/Berlin/Koln 1993,
ISBN 3-17-010976-6
.
- Anton van der Lem:
Opstand! Der Aufstand in den Niederlanden.
Wagenbach, Berlin 1996,
ISBN 3-8031-2259-7
.
- ↑
Edward Peters:
Inquisition.
University of California Press, Berkeley 1989, S. 152; J. S. Bromley/E. H. Kossmann:
Britain and the Netherlands.
Volume V:
Some political mythologies.
Martinus Nijhoff, Den Haag 1975, Springer 2012, S. 41 f.;
Gerd Schwerhoff
:
Die Inquisition: Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit.
C.H. Beck, Munchen 2004, S. 124?125; s. a. Evelyn Mischung:
Entdeckungsreise in die spanische Vergangenheit.
BoD Norderstedt 2016, S. 348; Dirk Maczkiewitz:
Der niederlandische Aufstand gegen Spanien (1568?1609). Eine kommunikationswissenschaftliche Analyse.
Waxmann, New York/Munchen/Berlin 2007, S. 262.
- ↑
Amsterdam: a brief life of the city. Von Geert Mak, Harvill Press (1999), Seite 123
- ↑
Oliver Krause: Die Variabilitat fruhneuzeitlicher Staatlichkeit. Die niederlandische ?Staats“-Formierung der Statthaltosen Epoche (1650?1672) als interkontinentales Regiment (Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2018)
- ↑
Amsterdam: a brief life of the city. Von Geert Mak, Harvill Press (1999), Seite 123
- ↑
Buitenplaatsen in de Gouden Eeuw: De rijkdom van het buitenleven in de Republik. Herausgegeben von Y. Kuiper, Ben Olde Meierink, Elyze Storms-Smeets, S. 71 (2015)
- ↑
The Philippine Islands, 1493?1803
Uberblick uber die Philippinische Geschichte S. 216