Lars Valerian Ahlfors
(*
18. April
1907
in
Helsinki
; †
11. Oktober
1996
in
Pittsfield
,
Massachusetts
) war ein finnisch-US-amerikanischer
Mathematiker
. 1936 wurde er mit der
Fields-Medaille
fur besondere Verdienste um die Mathematik ausgezeichnet. Ahlfors schrieb mehrere hervorragende Fachbucher auf den Gebieten der
Analysis
und
Funktionentheorie
. Vor allem sein Buch
Complex Analysis
gilt bis heute als eines der besten zur Funktionentheorie.
Ahlfors Vater war Professor fur Maschinenbau am Polytechnischen Institut in Helsinki, seine Mutter starb bei seiner Geburt. Die Familie war
schwedisch-sprachig
. 1924 begann er sein Studium der Mathematik an der
Universitat Helsinki
, bei
Ernst Leonard Lindelof
und
Rolf Nevanlinna
, das er 1928 abschloss (im selben Jahr begleitete er Nevanlinna an die
ETH Zurich
) und wo er 1930 promovierte. Im selben Jahr begann er an der schwedischsprachigen Universitat (Abo Akademi) in Turku zu lehren. In dieser Zeit unternahm er auch mehrere Reisen nach Zentraleuropa, u. a. nach Paris. 1933 bis 1936 war er Assistenzprofessor in Helsinki. 1935 nahm er eine Stelle an der
Harvard University
an, mit einer dreijahrigen Probezeit. Bereits 1936 wurde er auf dem
Internationalen Mathematikerkongress
(ICM) in
Oslo
zusammen mit
Jesse Douglas
mit einer der ersten
Fields-Medaillen
geehrt. 1938 wurde ihm ein Lehrstuhl fur Mathematik an der Universitat Helsinki angeboten, den er trotz des drohenden
Zweiten Weltkrieges
annahm. Die finnischen Universitaten wurden bald darauf aufgrund des Krieges gegen die Sowjetunion geschlossen. Ahlfors selbst war als untauglich vom Militardienst ausgemustert worden. 1944 erhielt er ein Angebot der
Universitat Zurich
, das er aber durch die Kriegswirren erst 1945 annehmen konnte. Da er und seine Frau sich in der Schweiz so kurz nach dem Krieg als Auslander nicht wohl fuhlten, akzeptierte er 1946 sofort das Angebot der Harvard University, wo er bis zu seiner Emeritierung 1977 blieb (ab 1964 als ?William Caspar Graustein Professor“ fur Mathematik). 1948 bis 1950 war er Leiter der mathematischen Fakultat.
Nach seiner Emeritierung war er u. a. 1978 Gastprofessor an der
Columbia University
, 1979 an der
University of Michigan
, 1980 an der
University of Minnesota
und 1983 an der
University of California, San Diego
.
Ahlfors hielt dreimal Plenarvortrage auf
Internationalen Mathematikerkongressen
(ICM): 1936 (Geometrie der Riemannschen Flachen), 1962 (Teichmuller Spaces) und 1978 (Quasiconformal mappings, Teichmuller spaces and Kleinian Groups). Ahlfors wurde 1953 in die
National Academy of Sciences
gewahlt. Er war 1986 Ehrenprasident des ICM. 1981 erhielt er den
Wolf-Preis
fur Mathematik.
Er war seit 1933 mit Erna Lehnert verheiratet, die ursprunglich aus Wien kam und mit der er drei Tochter hatte.
Ahlfors arbeitete u. a. uber
Wertverteilungstheorie
im Sinne seines Lehrers Nevanlinna,
quasikonforme Abbildungen
(denen er den Namen gab
[1]
),
Teichmuller-Theorie
(mit Lipman Bers war er wesentlich an der strengen Begrundung des Theoriegebaudes von
Oswald Teichmuller
beteiligt), konforme Geometrie,
meromorphe
Kurven,
Riemannsche Flachen
und
Kleinsche Gruppen
(z. T. mit
Lipman Bers
). Schon 1929 erregte er Aufmerksamkeit, als er eine Vermutung von
Denjoy
bewies (welche besagt, dass eine ganze Funktion der Ordnung k hochstens 2k endliche asymptotische Werte hat). Ahlfors beschaftigte sich auch viel mit dem Typenproblem nicht-kompakter Riemannscher Flachen, namlich Kriterien anzugeben, ob sie vom parabolischen oder hyperbolischen Typ sind (konform aquivalent zur gesamten komplexen Ebene oder zur Einheitskreisscheibe). Er untersuchte auch andere konforme Invarianten, z. B. untersuchte er mit
Arne Beurling
die Extremallange von Kurvenfamilien in einem Gebiet. Ahlfors betrachtete die Satze von
Picard
und
Bloch
als Spezialfalle des Typenproblems und gab auch 1935 der Nevanlinnaschen Wertverteilungs-Theorie eine geometrische Interpretation durch spezielle konforme Metriken und im selben Jahr eine weitere geometrische Interpretation in seiner Theorie der Uberlagerungsflachen (laut
Constantin Caratheodory
erhielt er vor allem fur diese Arbeit die Fields-Medaille
[2]
). In den 1960er Jahren bewies er seinen
Endlichkeitssatz
fur Kleinsche Gruppen (
diskrete Untergruppen
von
[3]
, der Gruppe der
Mobiustransformationen
):
endlich erzeugte
Kleinsche Gruppen reprasentieren Riemannsche Flachen von endlichem
Geschlecht
(kompaktifiziert durch Addition einer endlichen Zahl von Punkten). Eine Lucke in Ahlfors Beweis wurde durch Bers geschlossen. Kleinsche Gruppen spielten auch in
William Thurstons
Programm zu dreidimensionalen
hyperbolischen Mannigfaltigkeiten
eine wichtige Rolle. Davor hatte Ahlfors schon 1964 einen neuen Beweis (mit
Eichler
-Kohomologie) des entsprechenden Endlichkeitssatzes fur
Fuchssche Gruppen
gegeben.
Zu seinen Doktoranden gehoren
Dale Husemoller
,
Paul Garabedian
,
Albert Marden
,
Halsey Royden
,
Robert Osserman
,
George Springer
und
Henry Otto Pollak
.
[4]
- Ahlfors ?Collected Papers“, 2 Bande, Birkhauser, 1982
- Ahlfors
Complex Analysis
, 1979 (zuerst 1953) (
Digitalisat
)
- Ahlfors
Contributions to the Theory of Riemann Surfaces
, Princeton, Annals of Mathematics Studies 1953
- Ahlfors
Riemann Surfaces
1960
- Ahlfors
Conformal Invariants
1973
- Olli Lehto
On the Life and Work of Lars Ahlfors
, Mathematical Intelligencer, 1998, Nr. 3
- Donald J. Albers, Gerald L. Alexanderson
Fascinating Mathematical People: Interviews and Memoirs
, Princeton University Press 2011
- Literatur von und uber Lars Valerian Ahlfors
im Katalog der
Deutschen Nationalbibliothek
- John J. O’Connor,
Edmund F. Robertson
:
Lars Valerian Ahlfors.
In:
MacTutor History of Mathematics archive
(englisch).
- Ahlfors auf der Seite der Harvard-Universitat
- Lars Valerian Ahlfors
im
Mathematics Genealogy Project
(englisch)
Vorlage:MathGenealogyProject/Wartung/id verwendet
- Publikationsverzeichnis
- Frederick Gehring, Irwin Kra, Steven Krantz, Robert Osserman
The Mathematics of Lars Valerian Ahlfors
,
Notices of the American Mathematical Society
Februar 1998, PDF-Datei
(478 kB)
- Lars Valerian Ahlfors (1907?1996)
, Notices of the American Mathematical Society, Februar 1998, PDF-Datei
(396 kB)
- Ahlfors
Fundamental Polyhedrons and Limit Point Sets of Kleinian Groups
, Proceedings of the National Academy of Sciences, Band 55, 1966, S. 251, online unter
pnas.org
- Gehring uber Ahlfors in Biographical Memoirs National Academy of Sciences, PDF-Datei
(972 kB)
- Autoren-Profil
in der Datenbank
zbMATH
- ↑
in Ahlfors
Zur Theorie der Uberlagerungsflachen
Acta Mathematica Band 65, 1935, S. 157.
- ↑
C. Caratheodory:
Bericht uber die Verleihung der Fieldsmedaillen
. In:
Comptes Rendus du Congres International des Mathematiciens
.
Band
I
. Oslo 1936,
S.
308?314
(
mathunion.org
[PDF]).
- ↑
steht fur
spezielle projektive lineare Gruppe
,
fur Koeffizienten aus den komplexen Zahlen. Bei den entsprechenden diskreten Untergruppen
mit reellen Koeffizienten spricht man von Fuchs’schen Gruppen
- ↑
Lars Valerian Ahlfors
im
Mathematics Genealogy Project
(englisch)
Vorlage:MathGenealogyProject/Wartung/name verwendet
1936:
Lars Valerian Ahlfors
,
Jesse Douglas
|
1950:
Laurent Schwartz
,
Atle Selberg
|
1954:
Kodaira Kunihiko
,
Jean-Pierre Serre
|
1958:
Klaus Friedrich Roth
,
Rene Thom
|
1962:
Lars Hormander
,
John Milnor
|
1966:
Michael Atiyah
,
Paul Cohen
,
Alexander Grothendieck
,
Stephen Smale
|
1970:
Alan Baker
,
Heisuke Hironaka
,
Sergei Nowikow
,
John G. Thompson
|
1974:
Enrico Bombieri
,
David Mumford
|
1978:
Pierre Deligne
,
Charles Fefferman
,
Grigori Margulis
,
Daniel Quillen
|
1982:
Alain Connes
,
William Thurston
,
Shing-Tung Yau
|
1986:
Simon Donaldson
,
Gerd Faltings
,
Michael Freedman
|
1990:
Vladimir Drinfeld
,
Vaughan F. R. Jones
,
Shigefumi Mori
,
Edward Witten
|
1994:
Jean Bourgain
,
Pierre-Louis Lions
,
Jean-Christophe Yoccoz
,
Efim Zelmanov
|
1998:
Richard Borcherds
,
Timothy Gowers
,
Maxim Konzewitsch
,
Curtis McMullen
|
2002:
Laurent Lafforgue
,
Wladimir Wojewodski
|
2006:
Andrei Okunkow
,
Grigori Perelman
,
Terence Tao
,
Wendelin Werner
|
2010:
Elon Lindenstrauss
,
Ngo B?o Chau
,
Stanislaw Smirnow
,
Cedric Villani
|
2014:
Artur Avila
,
Manjul Bhargava
,
Martin Hairer
,
Maryam Mirzakhani
|
2018:
Caucher Birkar
,
Alessio Figalli
,
Peter Scholze
,
Akshay Venkatesh
|
2022:
Hugo Duminil-Copin
,
June Huh
,
James Maynard
,
Maryna Viazovska
1978:
Israel Moissejewitsch Gelfand
,
Carl Ludwig Siegel
|
1979:
Jean Leray
,
Andre Weil
|
1980:
Henri Cartan
,
Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow
|
1981:
Lars Valerian Ahlfors
,
Oscar Zariski
|
1982:
Hassler Whitney
,
Mark Grigorjewitsch Krein
|
1983/4:
Shiing-Shen Chern
,
Paul Erd?s
|
1984/5:
Kodaira Kunihiko
,
Hans Lewy
|
1986:
Samuel Eilenberg
,
Atle Selberg
|
1987:
It? Kiyoshi
,
Peter Lax
|
1988:
Friedrich Hirzebruch
,
Lars Hormander
|
1989:
Alberto Calderon
,
John Willard Milnor
|
1990:
Ennio De Giorgi
,
Ilja Pjatetskij-Shapiro
|
1991: Nicht vergeben |
1992:
Lennart Carleson
,
John Griggs Thompson
|
1993:
Michail Leonidowitsch Gromow
,
Jacques Tits
|
1994/5:
Jurgen Moser
|
1995/6:
Robert Langlands
,
Andrew Wiles
|
1996/7:
Joseph B. Keller
,
Jakow Grigorjewitsch Sinai
|
1998: Nicht vergeben |
1999:
Laszlo Lovasz
,
Elias Stein
|
2000:
Raoul Bott
,
Jean-Pierre Serre
|
2001:
Wladimir Igorewitsch Arnold
,
Saharon Shelah
|
2002/3:
Mikio Sat?
,
John T. Tate
|
2004: Nicht vergeben |
2005:
Grigori Alexandrowitsch Margulis
,
Sergei Petrowitsch Nowikow
|
2006/7:
Stephen Smale
,
Hillel Furstenberg
|
2008:
Pierre Deligne
,
Phillip Griffiths
,
David Bryant Mumford
|
2009: Nicht vergeben |
2010:
Shing-Tung Yau
,
Dennis Sullivan
|
2011: Nicht vergeben |
2012:
Michael Aschbacher
,
Luis Caffarelli
|
2013:
George Mostow
,
Michael Artin
|
2014:
Peter Sarnak
|
2015:
James Arthur
|
2016: Nicht vergeben |
2017:
Richard Schoen
,
Charles Fefferman
|
2018:
Alexander Beilinson
,
Vladimir Drinfeld
|
2019:
Jean-Francois Le Gall
,
Gregory F. Lawler
|
2020:
Simon Donaldson
,
Jakow Eliaschberg
|
2021: Nicht vergeben |
2022:
George Lusztig
|
2023:
Ingrid Daubechies