Bundestagswahl 1998

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1994 Wahl zum 14. Bundestag 1998 2002
(Zweitstimmen) [1]
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Gewinne und Verluste
im Vergleich zu 1994 [2]
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Insgesamt 669 Sitze
Verhaltnis Regierung-Opposition im
14. Deutschen Bundestag
   
Insgesamt 669 Sitze

Die Bundestagswahl 1998 fand am 27. September 1998 statt. Das Ergebnis der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag bedeutete ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik : Zum ersten und bisher einzigen Mal wurde eine Bundesregierung komplett abgelost, wahrend sich bei dem Regierungswechsel 1982 der ?Seniorpartner“ anderte ( SPD zu CDU/CSU ), nach den Bundestagswahlen 1969 und 2021 der jeweilige Juniorpartner SPD die Rolle des Seniors ubernahm und nach der Bundestagswahl 2005 der bisherige Seniorpartner SPD zum Juniorpartner einer neuen Regierung werden wurde. Mit der SPD gewann zum ersten Mal eine Partei mehr als 20 Millionen Stimmen, gleichzeitig erhielten erstmals die Parteien, die sich traditionell als ? links der Mitte “ einstufen, mehr als 50 Prozent der Stimmen.

Kanzlerkandidat der CDU/CSU war zum sechsten Mal (davon funf Mal in Folge) nach 16 Jahren im Amt des Bundeskanzlers Helmut Kohl . Fur die SPD trat erstmals der damalige niedersachsische Ministerprasident Gerhard Schroder an.

Die SPD wurde zum ersten Mal nach 1972 starkste Bundestagsfraktion . Union und SPD erreichten addiert ihr schlechtestes Ergebnis seit der Bundestagswahl 1953 , bezogen auf das gesamte Wahlgebiet von 1998. Die FDP war nach der Wahl zum ersten Mal seit 29 Jahren nicht mehr an der Regierung beteiligt. Die PDS errang erstmals den Fraktionsstatus im Deutschen Bundestag .

Im Ergebnis der Wahl bildete sich eine rot-grune Koalition , die erste auf Bundesebene.

Themenfelder [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Beherrschendes inhaltliches Thema des Wahlkampfs war die Wirtschaftspolitik und insbesondere die Bekampfung der Arbeitslosigkeit . Reprasentative Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen nach den wichtigsten Problemen in Deutschland (Mehrfachnennungen waren moglich) ergaben mit großer Mehrheit die Arbeitslosigkeit als wichtigstes Thema. Die Werte lagen das ganze Jahr uber zwischen 83 und 91 % der Deutschen. Auf den nachsten Platzen folgten mit weitem Abstand die Themen Asyl/Auslander (8 bis 16 %, 14 % im September) und Renten/Alter (9 bis 12 %; 9 % im September).

Im Gegensatz zur Bundestagswahl 1994 , als eine kurzfristige wirtschaftliche Erholung der damaligen Kohl-Regierung bei der Wiederwahl half, stiegen die Arbeitslosenzahlen in Deutschland seit 1996 stetig an. Die Regierung legte ein okonomisches Reformpaket vor, das unter anderem Steuersenkungen und Senkungen der Lohnnebenkosten vorsah. Allerdings blockierte der SPD-dominierte Bundesrat einen Teil der Gesetze. Der Vorwurf der Bundesregierung, besonders an den damaligen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine , die SPD agiere destruktiv, fand bei den Wahlern Umfragen zufolge kaum Widerhall. Das Bundnis fur Arbeit , an dem unter anderem Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbande teilnehmen sollten, scheiterte nach kurzer Zeit, ohne konkrete Erfolge vorweisen zu konnen.

Wahrend die Reformversuche von den meisten Okonomen als ?halbherzig“ kritisiert wurden, wurden sie von großen Teilen der Bevolkerung abgelehnt. Insbesondere Streichungen bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall fuhrten zu umfangreichen Protesten. Der Sommer des Jahres 1998 war von großen Demonstrationen gegen die Reformversuche der Regierung gezeichnet. Die Menschen befurchteten unter anderem auch Kurzungen in der Kranken- und Rentenversicherung .

Antretende Parteien [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Berechtigte Hoffnungen, ins Parlament gewahlt zu werden, konnten sich nur die Parteien machen, die schon im Bundestag vertreten waren: CDU/CSU, FDP, SPD, Bundnis 90/Die Grunen und die PDS. Dennoch gab es viele kleine Parteien, die hofften, von der staatlichen Parteienfinanzierung profitieren zu konnen. Sowohl zwischen Union und FDP als auch zwischen SPD und Bundnis 90/Die Grunen gab es bereits fruhzeitig eine Festlegung auf eine gemeinsame Koalition nach einem eventuellen Wahlgewinn.

Regierungsparteien [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Helmut Kohl (rechts) und US-Verteidigungsminister William Cohen (1997)

Die Regierungsparteien wollten den von ihnen eingeschlagenen Kurs fortsetzen. Seit 16 Jahren an der Regierung, empfanden sie ihre Politik als erfolgreich und versprachen, diese beizubehalten. Nachdem es mit dieser Strategie gelungen war, die Bundestagswahl 1994 vor dem Hintergrund eines damaligen wirtschaftlichen Aufschwungs zu gewinnen, sollte die Arbeit der vergangenen Jahre im Wesentlichen unverandert fortgesetzt werden. Einzig die Frage, ob Helmut Kohl oder Fraktionschef Wolfgang Schauble als Spitzenkandidat antreten sollte, sorgte fur Diskussionen innerhalb der Partei.

Kohl entschied die Frage eigenmachtig, indem er am 3. April 1997, seinem 67. Geburtstag, seine Absicht erklarte, als Kanzlerkandidat anzutreten.

Direkt nach dem Leipziger Parteitag der CDU im Oktober 1997 prasentierte er Schauble jedoch unabgesprochen als seinen spateren Nachfolger. Der taktische Schachzug von großmeisterlicher Qualitat [3] sollte innerhalb der Partei klarstellen, dass nur Helmut Kohl uber Person und Zeitpunkt seiner Nachfolge bestimmte. Er reduzierte damit Schauble auf einen Kandidaten ?… von Kohls Gnaden“. Zudem musste Kohl sich nun gegen den Vorwurf wehren, nurmehr ein Kanzler auf Abruf zu sein. Er wollte jedoch auf jeden Fall bis 2002 im Amt bleiben, womit er Schauble auf eine funfjahrige Kronprinzenschaft festlegte.

Opposition [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Gerhard Schroder (2003)

Wahrend die Regierungsparteien auf der Arbeit der vorherigen Jahre aufbauen konnten, sah die Situation insbesondere bei der SPD anders aus. 1994 auch an der eigenen Zerstrittenheit und inneren Grabenkampfen gescheitert, hatte Oskar Lafontaine 1995 in einer uberraschenden Kampfabstimmung den Parteivorsitz ubernommen. Es war lange unklar, ob er oder Gerhard Schroder als Kanzlerkandidat antreten wurde. Beide standen fur eine wirtschaftspolitisch unterschiedliche Ausrichtung: Lafontaine fur einen eher nachfrageorientierten ?klassisch sozialdemokratischen “ Ansatz, Schroder fur eine Fortfuhrung des schwarz-gelben Programms in moderaterer Version. Die Konstellation, in der die SPD schließlich antrat ? Schroder als Kanzlerkandidat, Lafontaine als Finanzminister ? versprach sowohl Traditionswahler als auch Wechselwahler aus der politischen Mitte anzusprechen. Die inhaltlichen wie auch personlichen Konflikte dieser Konstellation traten erst nach der Regierungsbildung zutage.

Wahlprogramme [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die offentliche Wahrnehmung ging von einer Richtungsentscheidung zwischen zwei verschiedenen Lagern aus, die sich im Wahlkampf widerspiegelte. Auch in den beiden Wahlprogrammen wurden zwei kontrare Politikansatze verfolgt. Zwar forderten beide Parteien Steuersenkungen und weitere Anderungen bei der Einkommensteuer , die CDU wollte allerdings eine wesentlich großere Nettoentlastung erreichen als die SPD, die die Tarifsenkungen großtenteils uber den Abbau von Steuervergunstigungen gegenfinanzieren wollte. Beide Parteien wollten die Staatsverschuldung begrenzen, indem sie die offentlichen Ausgaben bzw. Subventionen senken wollten. Die CDU wollte die Arbeitslosigkeit bekampfen, indem sie ?arbeitsschaffende Tarifvereinbarungen“ forderte, die SPD ?Arbeit schaffen, indem sie das Wirtschaftswachstum anregte“. Beide Parteien wollten das deutsche Staatsburgerschaftsrecht reformieren, obwohl die SPD hier mit der Forderung nach einfacherer Doppelter Staatsburgerschaft einen Schritt weiter ging.

Die Grunen naherten sich in ihrem Programm sehr der Sozialdemokratie an. Hatte im Marz noch die Forderung der Magdeburger Parteikonferenz nach einer langfristigen Erhohung der Okosteuer bis zu einem Endpreis von 5 DM pro Liter Benzin fur harsche Reaktionen gesorgt, waren im endgultigen Programmentwurf die traditionellen grunen Themen Umweltschutz und internationale Zusammenarbeit auf eine Vereinbarkeit mit dem sozialdemokratischen Programm ausgerichtet. So war im Programm der Abschnitt zur ?Praventiven Polizeiarbeit“ langer als der zur partizipatorischen Demokratie .

Das Programm der PDS war ambivalent. Zum einen nahmen die spezifischen Interessen Ostdeutschlands einen erheblichen Stellenwert ein. Themen der Neuen Linken , als deren Vertreter traditionell die Grunen gesehen wurden, waren im PDS-Programm oft pointierter, aber auch haufig weniger detailliert festgelegt. Letztendlich unterschied sich das PDS-Programm deutlich von dem der anderen Parteien. Als sozialistische Partei setzte sie hier auf Ansatze der traditionellen Linken: ?Eine Umverteilung von oben nach unten“, die mit einem ?echten Politikwechsel“ und ?keinem reinen Regierungswechsel“ einhergehen musse.

Wahlkampf [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Organisation innerhalb der Parteien [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die CDU gab nicht bekannt, wer zum inneren Kreis der Wahlkampforganisation gehorte. Im Fruhjahr 1998 ernannte Helmut Kohl den ehemaligen Chefredakteur der Bild-Zeitung Hans-Hermann Tiedje zu seinem personlichen Berater und besetzte die Position des Regierungssprechers mit Otto Hauser neu. In Presse und Politikwissenschaft gilt als gesichert, dass neben den beiden auch Friedrich Bohl , Anton Pfeifer , Andreas Fritzenkotter , Willi Schalk (Werbeagentur McCann Erickson ), Renate Kocher ( Institut fur Demoskopie Allensbach ) und Peter Hintze zum strategischen Zentrum des CDU-Wahlkampfes gehorten. Ob Roland Koch auch zu diesem Kreis zahlte, ist bis heute nicht sicher bekannt, wurde aber von einigen Zeitungen angenommen.

Von diesen Personen hatten indessen nur Bohl und Pfeifer verlasslichen Zugang zur Person Kohl. Faktisch traf dieser fast alle wichtigen Entscheidungen allein, die Wahlkommission segnete diese meist nur nachtraglich ab. Neben dem Entscheidungszentrum um Kohl gab es innerhalb der CDU zwei wichtige Gruppen, die mit Planung und Koordinierung des Wahlkampfes befasst waren: Zum einen die Geschaftsstelle der Partei unter Peter Hintze, die Vorschlage unterbreiten und Entscheidungen umsetzen sollte. Zwischen Geschaftsstelle und Strategischem Zentrum gab es jedoch zahlreiche Koordinationsschwierigkeiten, die so in der Außenwahrnehmung den Eindruck eines unprofessionellen und wenig abgestimmten Wahlkampfes entstehen ließen. Zum anderen bildete sich um den damaligen Fraktionsvorsitzenden und designierten Nachfolger Kohls Wolfgang Schauble ein weiteres strategisches Zentrum, das jedoch in zahlreichen Punkten eine andere Linie verfolgte als Kohl und diese auch offentlich machte. Der Unions-Wahlkampf wirkte so in sich noch unabgestimmter. Deutlich wurde dies zum Beispiel darin, dass Kohl eine mogliche Große Koalition konsequent ablehnte, wahrend Schauble diese offentlich fur moglich hielt.

Wahrend der Wahlkampf der CDU um die Person Kohls kreiste, bildeten sich in der SPD drei weitgehend unabhangige Zentren, denen es aber gelang, den ganzen Wahlkampf hindurch koordiniert zusammenzuarbeiten. Sie bundelten sich um den Kanzlerkandidaten Gerhard Schroder, den Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine und den SPD-Bundesgeschaftsfuhrer sowie Vorsitzenden des mitgliederstarksten Landesverbandes Nordrhein-Westfalen Franz Muntefering . Alle drei verfugten uber erhebliche innerparteiliche Macht, waren aber auch auf eine Zusammenarbeit angewiesen, um die Wahl gewinnen zu konnen. Lafontaine wusste, dass die SPD die Popularitat Schroders in der politischen Mitte ebenso brauchte wie Schroder Lafontaines Machtposition innerhalb der Partei. Muntefering war mit der praktischen Durchfuhrung des Wahlkampfes beschaftigt. Er, beziehungsweise sein Vertrauter Matthias Machnig , grundeten die Kampa '98 , die erstmals in der Parteigeschichte große Teile der Wahlkampfplanung und -organisation außerhalb der eigentlichen Parteigremien konzentrierte.

Politische Positionierung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Wahrend sich CDU/CSU (?Union“) und SPD programmatisch kaum unterschieden, stellten beide sehr verschiedene politische Themenfelder in das Zentrum ihrer politischen Positionierung im Wahlkampf. Die Union betonte den Erfolg des Bewahrten. Helmut Kohl und die mit ihm Verbundenen nahmen eine wichtige Rolle in der Wahlkampfkommunikation der Partei ein. Sie verfolgte dabei zwei Grundlinien. Zum einen versuchte sie eine Polarisierung des Wahlkampfes, zum anderen stellte sie sich sowie besonders die Person Kohl als Garant fur Stabilitat dar. Der zentrale Wahlkampf slogan der Partei war Sicher in die Welt von morgen.

Die Union versuchte, mit Kohls Person und seinen Erfolgen wie der Deutschen Wiedervereinigung oder der Europaischen Wahrungsunion zu punkten. Auch wies sie auf die wirtschaftlich bereits erreichten Erfolge, die es nicht zu gefahrden gelte, hin. Der auf Kohl gemunzte zentrale Slogan lautete Weltklasse fur Deutschland.

Am 2. Mai 1998 beschlossen Staats- und Regierungschefs der Europaischen Gemeinschaft (darunter Kohl) in Brussel die Einfuhrung des Euro . [4] In einem 2013 bekanntgewordenen Interview (vom Marz 2002) sagte Kohl: In einem Fall [Einfuhrung des Euro] war ich wie ein Diktator . Ihm sei bewusst gewesen, dass er gegen den Willen einer breiten Bevolkerungsmehrheit handelte und dass ihn dies Wahlerstimmen kosten wurde. [5] [6]

Die Prasentation Kohls erschien problematisch: Gerhard Schroder fuhrte in allen Umfragen nach dem besten Kanzler weit vor Kohl. Der Kanzler lag in Umfragen sogar hinter den Werten der Unionsparteien. Die Themenfelder deutsche Einheit und Wahrungsunion erreichten die Wahler kaum. Diese machten sich vielmehr Sorgen um ihre Zukunft und vor allem um ihre Arbeitsplatze. Zudem war es schwierig, einen Kandidaten, der innerhalb der Partei umstritten war und uber dessen Nachfolge intensiv diskutiert wurde, als sichere Bastion zu prasentieren.

Die Union versuchte, das Bild von Stabilitat und Sicherheit auch durch einen offensiv gefuhrten Negativwahlkampf gegen eine mogliche rot-grune Regierung zu beschworen. Die Union versuchte den Eindruck zu erwecken, Rot-Grun wolle unter dem Deckmantel eines burgerlichen Wahlkampfs einen politischen Linksruck in der Gesellschaft bewirken. Die Wahlkampfbotschaft der Partei versuchte den Eindruck zu vermitteln, es ginge darum, ob Deutschland von einer Koalition der Mitte aus Union und FDP oder einem Linksbundnis aus SPD, Grunen und PDS ins nachste Jahrtausend gefuhrt wird. Peter Hintze spitzte dieses auf dem Bremer Bundesparteitag der CDU zu Unser Motto lautet: Schwarz-Rot-Gold statt Rot-Grun-Dunkelrot. Teil der Kampagne war die Aktion Lass Dich nicht anzapfen in der die Union von den Okosteuer-Planen, insbesondere der Grunen, profitieren wollte. Hintze begrundete sie so: ?Am Beispiel der Grunen-Forderung nach einem Benzinpreis von 5 Mark pro Liter soll den Burgern bundesweit vor Augen gefuhrt werden, mit welchen gegen die Menschen gerichteten Projekten in Deutschland gerechnet werden musste, sollte Rot-Grun an die Macht kommen.“

Wie sich am Wahlabend zeigen sollte, waren das Botschaften, die nur den Stammwahlern der Partei zu vermitteln waren. Wahrend die FDP in ihrer Programmatik durchaus ein breiteres und weiteres Bild des Liberalismus zeichnete, beschrankte sich ihre Wahlkampfkommunikation weitgehend auf den als neoliberal begriffenen Punkt 'Steuersenkungen'.

Die SPD versuchte, sich mittels verschiedener Themenfelder ein Image zu geben, das sowohl auf Wahrung des Erreichten aufbaute als auch die Partei als kompetenten Veranderer darstellte. Ihre Kampagne kreiste um die Themenfelder Wirtschaftspolitik, in der die SPD laut eigener Aussage fur Innovation und Ordnung stand, sowie Sozialpolitik , in der sie mit sozialer Gerechtigkeit punkten wollte; sie wollte ein Anwalt der Familien sein und betonte stark die Bedeutung der Jugend und der Zukunft. Die SPD versuchte, damit ein moglichst breites politisches Spektrum anzusprechen, in dem sich jeder wiederfinden konnen sollte.

Wahlkampf [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die CDU gab fur den Bundestagswahlkampf etwa 50 Millionen DM aus. Gegenuber vorherigen Wahlkampfen ließen sich drei Schwerpunkte festmachen: Die CDU setzte besonders stark auf das Medium Fernsehen . Gegenuber dem Bundestagswahlkampf 1994 schaltete sie mehr als doppelt so viele Spots (559 gegenuber 254), im Vergleich mit der SPD (88 Wahlwerbespots) waren es sogar sechsmal so viele, was bemerkenswert ist, da die SPD insgesamt einen deutlich hoheren Wahlkampfetat hatte. Vom 15. Juni bis 10. Juli schaltete die CDU außerdem jeweils montags, mittwochs und freitags großformatige Anzeigen, die kurze Slogans enthielten, die sich im Stil stark an den ublichen Schlagzeilenstil der Bild-Zeitung anlehnten. Schließlich produzierte die Partei extra fur die Wahl die Neue Bundeslander Illustrierte (NBI), die sich im Namen und Layout stark an die in der DDR populare Neue Berliner Illustrierte anlehnte, in einer Auflage von 6,5 Millionen Stuck gedruckt und an alle Haushalte in Ostdeutschland verteilt wurde. Sie enthielt die aus der alten NBI schon bekannten Yellow-Press -Themen und Preisausschreiben und sollte zudem den Burgern der ehemaligen DDR die Fortschritte nach acht Jahren Wiedervereinigung unter Helmut Kohl ins Gedachtnis rufen.

Die SPD beauftragte vor der Wahl die empirische Sozialforschungsstelle polis mit einer ausfuhrlichen Panel-Untersuchung , die von Januar 1996 bis Ende 1997 lief. Aufgrund dieser Untersuchung und ihrer Analyse fokussierte die Partei ihren Wahlkampf auf vier bestimmte Personengruppen, die als besonders wichtig fur die Wahl angesehen wurden:

  • Manner ab 45 Jahre, oft Facharbeiter , eigentlich ein klassisches Stammwahlerpotenzial der SPD, das sich in den Vorjahren von der Partei abgewandt und CDU gewahlt hatte. Diese Wahler sollten insbesondere mit erfolgversprechenden Rezepten zur Bekampfung der Arbeitslosigkeit zuruckgewonnen werden.
  • Jungere Manner in beruflich guter Stellung. Sie sollten vor allem von den Grunen abgeworben werden, was die SPD dadurch zu erreichen versuchte, dass sie sich als kompetenten Akteur gegen Sozialabbau und die Okonomisierung der Gesellschaft prasentierte.
  • Jungere Frauen in guten Angestellten - oder Beamten positionen. Diese standen fur die politisch unentschlossenen Wechselwahler, die im Wahlkampf oft angesprochene Neue Mitte . Auch sie sollten dadurch gewonnen werden, dass die SPD sich als Partei gegen Sozialabbau und Okonomisierung positionierte. Zudem versprachen die Sozialdemokraten ihnen eine ?zeitgemaßere“ Familienpolitik, als dies mit den Unionsparteien moglich ware.
  • Die Unsicheren, die keiner Partei zuneigen. Sie machen etwa 10 % des Elektorats aus. Die SPD wollte sie erreichen, indem sie auf ihre konkreten Alltagssorgen einging und entideologisierte Politik zu betreiben versuchte.

Die SPD begann den Wahlkampf im Vergleich zum ublichen Prozedere vor einer Bundestagswahl sehr fruh. Bereits 1997 wurden die ersten Plakatwande bestuckt, im April 1997 begann die sogenannte Innovationskampagne , deren erstes Motiv die Anzeige war: Wir haben wieder starkes Wirtschaftswachstum . direkt gefolgt von So konnte Deutschland 2002 aussehen. Im Sommer 1997 begann die sogenannte Doppelkopfkampagne , in der die beiden Positionen Innovation und soziale Gerechtigkeit miteinander verbunden und den beiden Personen Gerhard Schroder und Oskar Lafontaine zugeordnet wurden. Im Sommer 1998 folgte schließlich die Themenkampagne , deren Ziel es war, zentrale Themen des Wahlkampfes mit Positivbotschaften und Hoffnung zu verbinden. Auf diese Weise konnten selbst hoch belastete, angstbesetzte Themen wie Arbeitslosigkeit glaubwurdig und in der Wirkung positiv (optimistisch) angesprochen werden . In den letzten vier Wochen schließlich kam es zur Kandidatenkampagne , in der vor allem der Popularitatsvorsprung Schroders vor Kohl ausgenutzt werden sollte.

Im medial gefuhrten Wahlkampf kaufte die SPD weniger Zeit in den Massenmedien , sondern setzte darauf, ihre Wahlkampfbotschaften uber die redaktionelle Berichterstattung der Medien zu verbreiten. Ziel war es, den Wahlkampf so professionell und interessant zu gestalten, dass die Medien daruber berichteten.

Zum einen dienten dazu mehrere Großplakatflachen, die direkt vor der SPD-Parteizentrale aufgestellt waren und bereits seit Fruhjahr 1997 mit wechselnden Plakaten bestuckt wurden. Zielvorgabe an die Werbeagentur war es, diese Plakate so abwechslungsreich zu gestalten, dass die Fernsehmedien daruber berichteten. Dies gelang in 80 % der Falle und war damit ein außerordentlicher Erfolg. Botschaften auf den Plakaten bezogen sich oft auf die Person Helmut Kohls, die abgelost werden musse, zusammen mit dem zentralen SPD-Wahlkampfslogan Wir sind bereit . Beispiele waren ein Plakat zur Dortmunder Großveranstaltung in der zentralen Wahlkampfphase im August 1998 mit dem Motiv Helmut Kohl und der Beschriftung Einladung zur Abschiedstournee. Auftakt am 23. August in Dortmund oder schon zuvor, im Januar 1998, geklebte Plakate:

  • Motiv 1: Ein Schneemann . Aufschrift: In ein paar Monaten ist er weg
  • Motiv 2: Helmut Kohl. Aufschrift: Er auch
  • Motiv 3: SPD-Logo. Aufschrift: Wir sind bereit

Das andere zentrale Werbemedium, das wiederum eine breite Berichterstattung in den Medien nach sich zog, war die sogenannte Garantiekarte Ende Juni 1998. Auf ihr wurden die zentralen Wahlkampfbotschaften der Partei verbreitet, sie sollte insbesondere dem Image entgegenwirken, eine zukunftige Regierung Schroder ware beliebig und unverbindlich. Auf ihr wurden sowohl allgemeinpolitische Ansatze wie Mehr Arbeitsplatze ? durch eine konzertierte Aktion fur Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit. Arbeitslosigkeit kann man bekampfen dargestellt als auch relativ konkrete Maßnahmen wie Deutschland als Ideenfabrik ? Verdoppelung der Investitionen in Bildung, Forschung und Wissenschaft in 5 Jahren.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund warb mit einer acht Millionen Mark teuren Kampagne fur einen ?Politikwechsel“. Zwar wurde nicht explizit die SPD unterstutzt, jedoch wurde die Kampagne der traditionell SPD-nahen Gewerkschaften als Unterstutzung fur jene betrachtet. [7] [8]

Berichterstattung in den Medien [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Das Ereignis zog selbst fur eine Bundestagswahl eine außergewohnlich intensive Berichterstattung in den Medien auf sich. Grund dafur war vor allem der unsichere Wahlausgang, oder, wie die Bild-Zeitung am 19. September titelte: Gaaaanz knapp . Am 26. September titelte Bild Jede Stimme zahlt , heute eroffnete mit Wahlfieber: Wer hat morgen die Nase vorn und die RTL-News mit Kopf-an-Kopf-Rennen . Einzig die Lewinsky-Affare konnte im Juli und August noch um die Schlagzeilen konkurrieren, wahrend in den Wochen vor der Wahl ebendiese in mehr als 50 % aller Beitrage in den Hauptnachrichtensendungen vorkam. Rekordhalter war dabei RTL , bei dessen Nachrichtensendung sich uber 70 % aller Beitrage, die im Ubrigen wesentlich langer als andere politische Themen ausfielen, mit der Wahl beschaftigten.

Inhaltliche Fragen der Berichterstattung waren hierbei vor allem die Wirtschaftspolitik , insbesondere Maßnahmen gegen die hohe Arbeitslosigkeit , gefolgt von der Außenpolitik und der Berichterstattung uber die Zukunft des Sozialstaats . Andere ehemals wichtige Themen wie Bildung, Innere Sicherheit, Umwelt oder Infrastruktur spielten demgegenuber kaum eine Rolle. Ebenfalls ließen sich signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Medien ausmachen: Wahrend ARD und ZDF uber 50 % der Beitrage zu inhaltlichen Themen brachten, nahmen diese bei RTL und Sat.1 nur 31 % beziehungsweise 38 % der Berichterstattung ein. Die Nachrichten zu Wahlkampfauftritten und Meinungsumfragen hatten demgegenuber einen wesentlich hoheren Stellenwert bei den Privatsendern.

Wahrend es Helmut Kohl gelang, wesentlich ofter in den Medien erwahnt zu werden (in 37 % aller politischen Berichte) als sein Herausforderer Gerhard Schroder (26 % aller Berichte), wurde letzterem wesentlich mehr Zeit pro Bericht eingeraumt (im Schnitt 30 Sekunden gegenuber 19 Sekunden fur Helmut Kohl). Parteivertreter der CDU/CSU (89 %) und FDP (37 %) erschienen ebenfalls ofter in den Medien als solche von SPD (67 %) und Grunen (34 %). Beitrage uber die PDS machten nur 14 % aus. Der signifikanteste Unterschied lag hier zwischen RTL und ARD: RTL konzentrierte sich am starksten auf die großen Themen (Kanzlerkandidaten und große Parteien), wahrend die ARD diesen im Verhaltnis am wenigsten Raum einraumte.

Umfragen vor der Wahl [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Verlauf der Umfragen seit der Wahl 1994

Die Umfragen der Meinungsforschungsinstitute vor der Wahl gaben kein klares Bild uber ein mogliches Ergebnis. Die SPD lag immer, wenn auch teilweise knapp, vor der Union, eine Rot-Grune Mehrheit schien aber nicht erreicht. Ob die FDP und die PDS den Einzug in den Bundestag schaffen wurden, war ungewiss.

Institut Datum SPD CDU/CSU Grune FDP PDS Sonstige
Ergebnis der Bundestagswahl 27.09.1998 40,9 % 35,1 % 6,7 % 6,2 % 5,1 % 6,0 %
Infratest dimap [9] 26.09.1998 40 % 38 % 7 % 6 % 5 % 5 %
Emnid [10] 25.09.1998 40 % 39 % 7 % 5 % 4 % 5 %
Forsa [11] 25.09.1998 42 % 38 % 6 % 5 % 4 % 5 %
Allensbach [12] 23.09.1998 40,5 % 36 % 6 % 6,5 % 5 % 6 %
Forschungsgruppe Wahlen [13] 18.09.1998 39,5 % 37,5 % 6,0 % 5,5 % 4,5 % 7,0 %

Wahlergebnis [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Wahlbeteiligung betrug 82,2 %. [1]

Fraktion Ergebnis prozentual Mandate Besonderheit
SPD 40,9 % (+4,5 %) 298 (+46) Zum ersten Mal seit 1972 starkste Bundestagsfraktion und zum ersten Mal seit 1980 uber 40 %
CDU/CSU 35,1 % (?6,3 %) 245 (?49) Schlechtestes Ergebnis seit 1949 , erstmals seit 1972 nur noch zweitstarkste Fraktion
Bundnis 90/Die Grunen 6,7 % (?0,6 %) 47 (?2) Zum zweiten Mal in Folge drittstarkste Partei
FDP 6,2 % (?0,7 %) 43 (?4) Das bis dahin zweitschlechteste Ergebnis [14]
PDS 5,1 % (+0,7 %) 36 (+6) Erstmals Fraktionsstatus, erstmals im ganzen Bundesgebiet uber 5 %
Sonstige 6,0 % (+2,4 %) u. a. Republikaner 1,8 %, DVU 1,2 %

Insgesamt 669 Mandate, darunter 13 Uberhangmandate (alle fur die SPD).

Von den Parteien, die den Einzug in den Bundestag nicht schafften, kamen die Republikaner (1,8 %), die DVU (1,2 %) und die Pro DM (0,9 %) uber die 0,5 %-Hurde und erhielten somit Wahlkampfkostenerstattung .

Wahlergebnis (detailliert) [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Erststimmenmehrheiten in den Wahlkreisen:
  •  SPD
  •  CDU/CSU
  •  PDS
  • Parteien Erststimmen Zweitstimmen Mandate
    Anzahl % +/- Direkt-
    mandate
    Anzahl % +/- Listen-
    mandate
    Gesamt +/-
    SPD 21.535.893 43,8 +5,5 212 20.181.269 40,9 +4,5 86 298 +46
    CDU 15.854.215 32,2 ?5,0 74 14.004.908 28,4 ?5,8 124 198 ?46
    CSU 3.602.472 7,3 ?0,5 38 3.324.480 6,7 ?0,5 9 47 ?3
    GRUNE 2.448.162 5,0 ?1,5 ? 3.301.624 6,7 ?0,6 47 47 ?2
    FDP 1.486.433 3,0 ?0,3 ? 3.080.955 6,2 ?0,7 43 43 ?4
    PDS 2.416.781 4,9 +0,8 4 2.515.454 5,1 +0,7 32 36 +6
    REP 1.115.664 2,3 +0,6 ? 906.383 1,8 ±0,0 ? ? ?
    DVU N/A ? 601.192 1,2 N/A ? ? ?
    Pro DM N/A ? 430.099 0,9 N/A ? ? ?
    GRAUE 141.763 0,3 ?0,1 ? 152.557 0,3 ?0,2 ? ? ?
    Tierschutzpartei 1.734 0,0 N/A ? 133.832 0,3 +0,1 ? ? ?
    NPD 45.043 0,1 ?0,3 ? 126.571 0,3 ?0,1 ? ? ?
    BFB ? Die Offensive 134.795 0,3 N/A ? 121.196 0,2 N/A ? ? ?
    odp 145.308 0,3 ?0,1 ? 98.257 0,2 ?0,2 ? ? ?
    PBC 46.379 0,1 ±0,0 ? 71.941 0,1 ±0,0 ? ? ?
    APPD 1.676 0,0 N/A ? 35.242 0,1 N/A ? ? ?
    Naturgesetz Partei 35.132 0,1 ?0,1 ? 30.619 0,1 ?0,1 ? ? ?
    Die Frauen 3.966 0,0 N/A ? 30.094 0,1 N/A ? ? ?
    Chance 2000 3.206 0,0 N/A ? 28.566 0,1 N/A ? ? ?
    Bayernpartei 1.772 0,0 ±0,0 ? 28.107 0,1 ±0,0 ? ? ?
    Familie 8.134 0,0 N/A ? 24.825 0,1 N/A ? ? ?
    CM 9.023 0,0 ±0,0 ? 23.619 0,0 ±0,0 ? ? ?
    BuSo 10.260 0,0 ±0,0 ? 9.662 0,0 ±0,0 ? ? ?
    Nichtwahler N/A ? 6.827 0,0 N/A ? ? ?
    APD 1.458 0,0 ±0,0 ? 6.759 0,0 ±0,0 ? ? ?
    PSG N/A ? 6.226 0,0 ±0,0 ? ? ?
    Deutschland 1.946 0,0 N/A ? 6.196 0,0 N/A ? ? ?
    PASS 10.449 0,0 ±0,0 ? 5.556 0,0 ±0,0 ? ? ?
    MLPD 7.208 0,0 ±0,0 ? 4.731 0,0 ±0,0 ? ? ?
    FORUM 6.296 0,0 N/A ? 4.543 0,0 N/A ? ? ?
    AB 2000 4.097 0,0 N/A ? 3.355 0,0 N/A ? ? ?
    DPD 1.172 0,0 N/A ? 2.432 0,0 N/A ? ? ?
    HP 532 0,0 N/A ? 435 0,0 N/A ? ? ?
    DSU 8.180 0,0 ±0,0 ? N/A ? ? ?
    Statt Partei 4.406 0,0 ±0,0 ? ?0,1 ? ? ?
    DKP 2.105 0,0 ±0,0 ? N/A ? ? ?
    Zentrum 2.076 0,0 N/A ? N/A ? ? ?
    DMP 1.924 0,0 N/A ? N/A ? ? ?
    FSU 763 0,0 ±0,0 ? N/A ? ? ?
    FP Deutschlands 131 0,0 N/A ? N/A ? ? ?
    Einzelbewerber 66.026 0,1 +0,1 ? ? ? ? ?
    Gesamt 49.166.580 100 328 49.308.512 100 341 669 ?3
    Ungultige Stimmen 780.507 1,6 ?0,1 638.575 1,3 ?0,1
    Wahler 49.947.087 82,2 ?3,2 49.947.087 82,2 ?3,2
    Wahlberechtigte 60.762.757 60.762.757
    Quelle: Der Bundeswahlleiter
    Bundestagswahl in Westdeutschland 1998
     %
    50
    40
    30
    20
    10
    0
    42,3
    37,0
    7,3
    7,0
    1,2
    5,2
    Gewinne und Verluste
    im Vergleich zu 1994
     %p
       6
       4
       2
       0
      -2
      -4
      -6
    +4,8
    ?5,1
    ?0,6
    ?0,7
    +0,2
    +1,4
    Bundestagswahl in Ostdeutschland 1998
     %
    40
    30
    20
    10
    0
    35,1
    27,3
    21,6
    4,1
    3,3
    8,6
    Gewinne und Verluste
    im Vergleich zu 1994
     %p
       8
       6
       4
       2
       0
      -2
      -4
      -6
      -8
    -10
    -12
    +3,6
    ?11,2
    +1,8
    ?0,2
    ?0,2
    +6,2

    Regionale Unterschiede [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

    Partei Westdeutschland [15] Ostdeutschland
    SPD 42,3 % 35,1 %
    CDU/CSU 37,0 % 27,3 %
    Bundnis 90/Die Grunen 7,3 % 4,1 %
    FDP 7,0 % 3,3 %
    PDS 1,2 % 21,6 %
    Extr. Rechte + REP 2,8 % 5,0 %
    Sonstige 2,4 % 3,6 %

    Die SPD hatte ihre regionalen Hochburgen im Saarland ? dies sicherlich auf die dort damals außergewohnlich hohe Popularitat Lafontaines zuruckzufuhren ? und in Bremen , in beiden Landern erreichte sie uber 50 %. In Bayern erreichte sie trotz Zugewinnen nur 34,4 %, in Sachsen trotz Zugewinnen nicht einmal 30 %, wobei hier die CDU von 48,0 auf 32,7 % absturzte. Die Grunen waren insbesondere in den Stadtstaaten Berlin und Bremen mit jeweils 11,3 % besonders erfolgreich, schwachste Lander waren bei ihnen Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt .

    Die Union wurde zwar in ihrer Hochburg Bayern eindeutig starkste Kraft, blieb dort aber mit 47,7 % unter der erwarteten absoluten Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Infolgedessen erklarte Theo Waigel , beim CSU-Parteitag am 16. Januar 1999 nicht wieder als CSU-Vorsitzender zu kandidieren. [16] Bestes CDU-Land war mit 39,1 % das Heimatland Helmut Kohls, Rheinland-Pfalz. Besonders schlecht schnitt die CDU in Berlin (23,7 %) und Brandenburg (20,8 %) ab. Die FDP hatte in ihren Stammlandern Baden-Wurttemberg und Hessen mit knapp 9 bzw. knapp 8 % der Stimmen die besten Ergebnisse; in Brandenburg (2,8 %) und Mecklenburg-Vorpommern (2,2 %) hatte sie die schlechtesten.

    Bei der PDS zeigten sich große Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Wahrend sie im Osten Deutschlands uberall 20 % oder mehr erreichte, kam sie in den westdeutschen Landern nicht uber 2,4 % (Bremen) hinaus, in den Flachenlandern nicht einmal uber 1,5 % (Schleswig-Holstein und Niedersachsen). In Berlin lag ihr Resultat von 13 % etwas uber dem arithmetischen Mittel aus Ost- und Westlandern.

    Die rechten Parteien erzielten in Baden-Wurttemberg vergleichsweise die meisten Stimmen, was wohl der starken Stellung der Republikaner geschuldet war, die zu diesem Zeitpunkt im dortigen Landtag saßen, ebenso in Berlin, wo Republikaner und DVU fast gleichauf lagen. Ihr bestes Wahlergebnis erreichte die DVU in Sachsen-Anhalt. Wenig Wahlerzuspruch fanden die beiden Parteien in Schleswig-Holstein und Niedersachsen.

    Ausschopfungsquoten und Nichtwahleranteil [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

    Bundestagswahl 1998 mit Nichtwahleranteil
    Ausschopfungsquoten der Parteien und Anteil der Nichtwahler [17]
     %
    40
    30
    20
    10
    0
    33,2
    28,5
    5,4
    5,1
    4,1
    4,8
    1,1
    17,8
    Gewinne und Verluste
    im Vergleich zu 1994
     %p
       6
       4
       2
       0
      -2
      -4
    +4,8
    ?3,8
    ?0,3
    ?0,3
    +0,7
    +2,0
    +0,1
    ?3,2

    Sozialstrukturelle Unterschiede [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

    Die grundlegenden gesellschaftlichen Konfliktlinien ( Cleavages ) , die typisch fur das deutsche Wahlverhalten sind, zeigten sich auch bei dieser Wahl. Die SPD erzielte ihre besten Ergebnisse bei gewerkschaftsgebundenen Arbeitern, die Union ihre bei regelmaßig zur Kirche gehenden Katholiken. In beiden Wahlergruppen erreichte die jeweilige Partei etwa zwei Drittel der Stimmen. Auffallig im Vergleich zur Bundestagswahl 1994 war aber, dass die SPD in allen sozialen Gruppen Wahler hinzugewinnen konnte: besonders ausgepragt war dies bei Angestellten und bei Selbstandigen in Ostdeutschland, die beide primare Ziele der Neuen Mitte -Wahlkampagne waren. Gemessen an der Beschaftigung hatte die Sozialdemokratie jedoch weiterhin ihre starkste Unterstutzung unter den Arbeitern. Einzig westdeutsche Landwirte und ostdeutsche Beamte blieben so unionstreu wie zuvor. Unter den westdeutschen Landwirten stieg der Anteil der Unionswahler gar um 10 Prozentpunkte auf insgesamt 75 %.

    Arbeiter West
    SPD 61
    CDU 28
    PDS 1
    Andere 10
    Arbeiter Ost
    SPD 47
    CDU 17
    PDS 22
    Andere 15
    Angest. West
    SPD 57
    CDU 26
    PDS 2
    Andere 15
    Angest. Ost
    SPD 46
    CDU 31
    PDS 18
    Andere 6
    Ltd. Ang. West
    SPD 42
    CDU 32
    PDS 3
    Andere 23
    Ltd. Ang. Ost
    SPD 27
    CDU 35
    PDS 24
    Andere 13
    Selbstst. West
    SPD 21
    CDU 47
    PDS 2
    Andere 29
    Selbstst. Ost
    SPD 23
    CDU 40
    PDS 15
    Andere 23

    Mit Ausnahme der Bundnisgrunen und der CDU in Ostdeutschland, die unter Erst- und Jungwahlern im Vergleich massive Verluste erlitten, spielten sich die wahlentscheidenden Wahlerwanderungen vor allem in der Altersgruppe ab 35 Jahren ab. Die SPD gewann hier uberall erheblich, die PDS im Osten Deutschlands, die CDU verlor. In Ostdeutschland konnte die CDU nicht einmal ihre traditionelle starkste Position bei den uber 60-Jahrigen halten, in Westdeutschland war dies die einzige Altersgruppe, bei der sie noch vorn lag. Auffallige Unterschiede in der geschlechtsspezifischen Verteilung der Wahlerstimmen waren nicht festzustellen.

    Regierungsbildung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

    Mogliche Koalitionen Sitze
    Sitze gesamt 669
    Zweidrittelmehrheit 447
                    SPD, Union 543
    Absolute Mehrheit 335
                    SPD, Grune 345

    Vor der Wahl gab es einen Lagerwahlkampf, namlich Rot-Grun gegen Schwarz-Gelb. Da lange mit einem knappen Wahlausgang gerechnet wurde, bestand auch die Moglichkeit einer Großen Koalition, gefuhrt von der SPD oder der Union. Nach dem recht eindeutigen Wahlergebnis fanden am 1. Oktober erste Sondierungsgesprache zwischen den Grunen und der SPD statt, am folgenden Tag begannen die rot-grunen Koalitionsgesprache [18] . Der Koalitionsvertrag wurde am 20. Oktober in Bonn vorgestellt. Gerhard Schroder wurde als Nachfolger von Helmut Kohl am 27. Oktober zum Bundeskanzler gewahlt.

    Folgen der Wahl [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

    Das Ergebnis fuhrte zur ersten rot-grunen Koalition auf Bundesebene, der Gerhard Schroder als Bundeskanzler und Joschka Fischer als Außenminister und Vizekanzler angehorten. Gerhard Schroder wurde vom Deutschen Bundestag am 27. Oktober 1998 mit 351 Stimmen zum Bundeskanzler gewahlt, obwohl nur 344 Abgeordnete der Koalition anwesend waren.

    Helmut Kohl erklarte noch in der Wahlnacht seinen Rucktritt vom CDU-Vorsitz , den er seit Juni 1973 innegehabt hatte. Sein Nachfolger wurde Wolfgang Schauble ; er war seit November 1991 Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gewesen.

    Ebenfalls seinen Rucktritt erklarte der CSU-Vorsitzende Theo Waigel . Sein Nachfolger wurde der bayerische Ministerprasident Edmund Stoiber .

    Zum Nachfolger von Bundestagsprasidentin Rita Sussmuth wurde in der konstituierenden Sitzung des 14. Deutschen Bundestages am 26. Oktober 1998 mit Wolfgang Thierse (einer der stellvertretenden SPD-Parteivorsitzenden ) erstmals ein Ostdeutscher in eines der hohen Staatsamter der Bundesrepublik gewahlt.

    Siehe auch [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

    Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

    Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

    Commons : Bundestagswahl 1998  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

    Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

    1. a b Bundestagswahl 1998. Der Bundeswahlleiter, abgerufen am 27. Januar 2019 .
    2. Bundestagswahl 1994. Der Bundeswahlleiter, abgerufen am 27. Januar 2019 .
    3. Suddeutsche Zeitung vom 19. Mai 1998.
    4. Jens Peter Paul (Dissertation, 2007): Bilanz einer gescheiterten Kommunikation. Fallstudien zur deutschen Entstehungsgeschichte des Euro und ihrer demokratietheoretischen Qualitat [goo.gl/QKVrq Volltext (pdf, 344 S.)]
    5. Dissertation, S. 293.
    6. hdg.de: Euro
    7. Gewerkschaften: Fahrplan fur die Wahl. In: Der Spiegel 5/1998. 25. Januar 1998, abgerufen am 13. Juni 2021 .
    8. DGB startet zwei Millionen Euro teure Kampagne. In: FAZ.NET. 24. Juli 2002, abgerufen am 13. Juni 2021 .
    9. Sonntagsfrage Archiv ? Infratest dimap 1998. Abgerufen am 6. Juli 2022 .
    10. Sonntagsfrage Archiv ? Emnid 1998. Abgerufen am 6. Juli 2022 .
    11. Sonntagsfrage Archiv ? Forsa 1998. Abgerufen am 6. Juli 2022 .
    12. Sonntagsfrage Archiv ? Allensbach 1998?2002. Abgerufen am 6. Juli 2022 .
    13. Sonntagsfrage ? Forschungsgruppe Wahlen 1994?1998 (Projektion). Abgerufen am 6. Juli 2022 .
    14. schlechtestes Ergebnis waren 5,8 % bei der Bundestagswahl 1969
    15. wahlrecht.de
    16. website zur Geschichte der CDU der Konrad-Adenauer-Stiftung
    17. Bundeswahlleiter: Bundesergebnis ? Endgultiges Ergebnis der Bundestagswahl 1998. Bundeswahlleiter, abgerufen am 27. September 2018 . und eigene Berechnungen
    18. Vor 20 Jahren: Die Bundestagswahl 1998 | SPIEGEL TV. Abgerufen am 13. Mai 2022 (deutsch).