Andreas Georgiou Papandreou
(
griechisch
Ανδρ?α? Γεωργ?ου Παπανδρ?ου
; *
5. Februar
1919
auf
Chios
; †
23. Juni
1996
in
Ekali
) war ein griechischer
Politiker
und Wirtschaftswissenschaftler. Beim griechischen Militarputsch 1967 wurde er verhaftet und inhaftiert. Vom 21. Oktober 1981 bis zum 2. Juli 1989 und vom 13. Oktober 1993 bis zum 22. Januar 1996 war er
Ministerprasident
von
Griechenland
. Er ist der Vater des ehemaligen Ministerprasidenten
Giorgos Andrea Papandreou
und Sohn von
Georgios Papandreou
, der ebenfalls griechischer Ministerprasident war.
Andreas Papandreou wurde als Sohn des fuhrenden griechischen
liberalen
Politikers und Grunder der Partei des Demokratischen Zentrums
Georgios Papandreou
und von Zofia Mineyko, Tochter des polnischen Ingenieurs und griechischen Freiheitskampfers
Zygmunt Mineyko
, geboren. Er besuchte ab 1937 die
Nationale und Kapodistrias-Universitat Athen
, wo er
Jura
sowie Volkswirtschaft studierte und sich ab 1938 in
trotzkistischen
Gruppen engagierte. Im Sommer 1939 wurde er durch Organe der 1936 errichteten
Diktatur
von
Ioannis Metaxas
festgenommen, eingesperrt und gefoltert. Auf Grund internationaler Proteste musste er jedoch spater entlassen werden und konnte 1940 das Land verlassen.
Papandreou emigrierte in die USA und setzte hier sein Studium an der Columbia-Universitat und ab 1942 an der
Harvard University
fort, das er 1942 mit dem M.A. und 1943 mit dem Doktorgrad in
Okonomie
abschloss. Zunachst blieb er in Harvard als
Lektor
und außerordentlicher Professor. 1944 erwarb er die
US-Staatsburgerschaft
und diente bis 1945 bei der
US-Marine
. Ab da setzte er seine Lehrtatigkeit an der Harvard University fort. Spater erhielt er Professuren an der
University of Minnesota
, der
Northwestern University
, der
University of California, Berkeley
, wo er als
Dekan
die wirtschaftswissenschaftlichen Fakultat war leitete. Weitere Gastprofessuren hatte er an der
Universitat Stockholm
und der
York University
in
Toronto
, Kanada.
[1]
Nachdem er sich von seiner ersten Gattin, Christina Rasia, geschieden hatte, heiratete er 1951 die Amerikanerin Margaret Chant. Gemeinsam hatten sie drei Sohne und eine Tochter. Nach der Scheidung von ihr (1988) heiratete er 1989 die 36 Jahre jungere ehemalige Stewardess der
Olympic Airways
Dimitra Liani
, mit der er bis zu seinem Tod 1996 verheiratet blieb.
Papandreou kehrte 1959 ins
Konigreich Griechenland
zuruck, wo er ein
Forschungsprogramm
zur Wirtschaftsentwicklung leitete. In dieser Zeit setzte er noch Verpflichtungen aus seiner Lehrtatigkeit in den USA fort. 1960 wurde er zum Vorsitzenden des Vorstands und Generaldirektor des Athener Wirtschaftsforschungszentrums und Berater der
Bank von Griechenland
. 1963 wurde sein Vater Georgios Papandreou an die Spitze seiner
Enosis Kendrou
(Zentrumsunion) und zum Premierminister Griechenlands gewahlt. Andreas Papandreou wurde zum okonomischen Chefberater. Er verzichtete am 2. Januar 1964 auf seine
US-amerikanische Staatsburgerschaft
und wurde bei der
Wahl 1964
als Abgeordneter der Zentrumsunion ins griechische Parlament gewahlt. Sofort wurde er zum ersten Staatsminister (faktisch zum Stellvertretenden Premierminister) berufen. Als daraufhin Vorwurfe des ?Nepotismus“ aus Kreisen der Opposition laut wurden, legte er im November des gleichen Jahres sein Amt nieder. Doch bereits im April 1965 kehrte er als Minister fur wirtschaftliche Koordination in die Regierung zuruck.
Im
Kalten Krieg
nahm Papandreou rhetorisch einen neutralen Standpunkt ein und forderte fur Griechenland eine unabhangigere Stellung von den
USA
. Er kritisierte die massive Prasenz
amerikanischen Militars
und Geheimdienstteams und forderte die Ablosung von leitenden Offizieren mit antidemokratischer Tendenz im
griechischen Militar
. Erfolglos versuchte er die Fortsetzung des Abhorens des Kabinetts durch den griechischen
Geheimdienst
KYP
in außerst enger Zusammenarbeit mit der
CIA
mit verdeckten Abhoreinrichtungen zu beenden.
Sein schneller Aufstieg provozierte Widerstand und war einer der Grunde, der zum Sturz der Regierung seines Vaters Georgios Papandreou fuhrte: 1965 beabsichtigte Georgios Papandreou den Verteidigungsminister zu entlassen und den Posten selbst zu ubernehmen, als die
Aspida-Konspiration
innerhalb der
Armee
entdeckt wurde, die Andreas Papandreou einbeziehen und unglaubwurdig machen sollte.
Als die griechischen
Obristen
unter
Georgios Papadopoulos
im April 1967 sich an die Macht
putschten
, wurden Andreas und Georgios Papandreou inhaftiert. Sein Vater Georgios Papandreou starb wahrend seines
Hausarrests
1968, und Andreas wurde erneut ausgewiesen. Sieben Jahre verbrachte er in
Schweden
und
Kanada
im
Exil
, wo er eine oppositionelle Bewegung, die
Allgriechische Befreiungsbewegung
(PAK) grundete und um die Welt reiste, um gegen das
griechische Militarregime
zu protestieren. Im April 1968 lud ihn der DGB nach Deutschland ein, um Vortrage in verschiedenen Stadten zu halten.
Aufgrund seiner guten Kenntnisse der USA machte er in der Offentlichkeit die CIA fur den Putsch 1967 verantwortlich und nahm zunehmend
amerika-kritische
Positionen ein. In dieser Zeit nahm er von 1968 bis 1969 eine Gastprofessur in Stockholm und anschließend bis 1974 in Toronto wahr.
[1]
Nach dem Sturz der
Junta
1974 kehrte Papandreou im Juli nach Griechenland zuruck und grundete die sozialdemokratische
Allgriechische Sozialistische Bewegung
(PASOK).
[2]
Die meisten seiner fruheren Gefahrten der PAK sowie Mitglieder anderer antidiktatorischer Gruppen, wie der Demokratischen Verteidigung (
Δημοκρατικ? ?μυνα
), traten der neuen Partei bei.
Bei den
ersten Wahlen nach Ende der Militardiktatur
im November 1974 erreichte PASOK nur 13,5 % der Stimmen gegen den Kandidaten der konservativen
Nea Dimokratia
Konstantinos Karamanlis
, aber bereits 1977 erzielte sie 25 %, wodurch Papandreou zum Oppositionsfuhrer aufstieg.
Nach dem Rucktritt von Karamanlis zugunsten seines wenig charismatischen Nachfolgers
Georgios Rallis
konnte bei den
Wahlen am 18. Oktober 1981
die PASOK einen erdrutschartigen Sieg uber die Nea Dimokratia erreichen. Sie wurden mit 48 % der Stimmen gewahlt. Papandreou wurde Griechenlands erster sozialistischer Premierminister und ubernahm gleichzeitig das Verteidigungsministerium. Er forderte eine
kernwaffenfreie Zone
Balkan
und unterstutzte den sowjetischen Vorschlag einer internationalen
Zypern
-Konferenz. Im Amt musste er von einigen seiner Versprechungen, die er im Wahlkampf abgegeben hatte, abrucken: Griechenland trat weder aus der
NATO
aus, noch mussten die US-Truppen aus Griechenland abziehen, die polemische Rhetorik gegenuber der
Turkei
(vor allem in Bezug auf deren Besetzung Nordzyperns) wurde jedoch fortgesetzt. Nach erfolgreicher Vorarbeit der Konservativen trat Griechenland 1981 ? in der Amtszeit Papandreous ? als zehntes Mitglied der
Europaischen Gemeinschaft
(EG) bei. Im Juli 1983 wurde ein befristeter Vertrag uber die Nutzung der US-Militarstutzpunkte in Griechenland abgeschlossen, der eine Raumung bis 1990 vorsah. Mitte Mai 1984 bescheinigte er der
Sowjetunion
ein aufrichtiges Streben nach internationaler
Entspannung
, wahrend er den USA eine expansionistische Politik vorwarf. Den Dialog mit der Turkei machte er von einem Ruckzug turkischer Truppen von Nordzypern abhangig. In der Innenpolitik schwankte die Regierung Papandreou um liberale Reformen der Sozialpolitik, die nichts spezifisch
sozialistisches
besaßen.
Bei der
Wahl 1985
wurde Papandreou, wenn auch mit gewissen Verlusten, wiedergewahlt. Aber es kam auf Grund der eingeleiteten Sparmaßnahmen zum Jahreswechsel zu Streiks und im November sogar zum Generalstreik. Die zur Losung der inneren wirtschaftlichen Probleme eingeleiteten Maßnahmen fuhrten nicht in die richtige Richtung. Bis 1988 betrug die Inflationsrate 14 % und die Defizite bei den Staatsausgaben bezifferten sich um die 30 Milliarden US$. Obwohl er war zu Lebzeiten ein ausgesprochen
popularer
und volksnaher Politiker war kratzte die seit 1987 auch in der Offentlichkeit durch Papandreou demonstrierte Liaison mit der Stewardess Dimitra Liani-Kapopoulou stark an seinem Image.
[1]
Aber nach den
Wahlen im Juni 1989
entstand ein Stillstand, der in eine politische Krise mundete. Die Hauptursache dafur waren die nicht gelosten wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in denen Griechenland steckte. Der Chef der Nea Dimokratia,
Konstantinos Mitsotakis
, blieb schließlich Sieger und bildete die neue Regierung. Seit dieser Zeit wurde Papandreous Karriere zum Gegenstand von wachsenden Kontroversen und
Skandalen
. 1989 ließ er sich von seiner langjahrigen Ehefrau Margaret Papandreou scheiden, um seine junge Geliebte, die
Olympic-Airways
-
Stewardess
Dimitra Liani
(genannt Mimi), zu heiraten. Dies fuhrte zu einer Entfremdung von seinen erwachsenen Kindern, unter denen
Giorgos Andrea Papandreou
zu dieser Zeit als PASOK-Minister seinem Kabinett angehorte.
Im gleichen Jahr wurde Papandreou vom Parlament in Verbindung mit dem Veruntreuungsskandal von US$ 200 Mio. bei der
Bank von Kreta
gebracht. Er wurde beschuldigt, durch die Anordnung an die staatlichen Unternehmen, einen Teil ihrer Konten bei der Bank von Kreta zu unterhalten, bei der sich angeblich die PASOK-Partei bereicherte, der Veruntreuung Vorschub geleistet zu haben. In einem Prozess, den die
Nea Dimokratia
und die Kommunistische Partei gegen Papandreou anstrengten, wurde Papandreou von allen Vorwurfen mangels Beweisen fur seine Verwicklung in den Finanzskandal freigesprochen.
Bei den
Wahlen vom Oktober 1993
irritierte Papandreou seine Kritiker. Er errang einen souveranen Wahlsieg und wurde im Alter von 74 Jahren erneut Ministerprasident. Aber seine angegriffene Gesundheit hielt ihn von einer straffen politischen Amtsfuhrung ab. Seine junge Ehefrau Dimitra Liani nahm zunehmend politischen Einfluss und wurde beschuldigt, ihn vom
Rucktritt
abzuhalten. Ihre eigenen politischen Ambitionen scheiterten an mangelnder Unterstutzung durch Parteimitglieder der PASOK. Mit fortschreitenden Herzproblemen und
Nierenversagen
wurde Papandreou im November 1995 ins Krankenhaus eingeliefert. Hier rang er mehrere Monate mit dem Tod. Das lahmte das politische Leben in Griechenland zusatzlich. Am 16. Januar 1996 trat er dann von seinem Amt zuruck. Am 23. Juni starb er in Athen in seiner Villa im Vorort Ekali.
[3]
Auf Grund seiner Verdienste erhielt er ein
Staatsbegrabnis
. Seine Beisetzungsprozession fand unter emotionaler Teilnahme seiner Gefolgsleute und Parteianhanger statt.
Papandreou war eine polarisierende Personlichkeit. Er war ein machtiger Redner und wurde von der
Arbeiterklasse
und vielen Leuten im landlichen Griechenland bewundert, die von seinen populistischen Angriffen auf Reiche und seinem romantischen griechischen
Nationalismus
angezogen wurden. Von den Konservativen erhielt er hingegen wenig Anerkennung, da sie ihm Korruption und
Demagogie
unterstellten, die Griechenlands Ruf und Wirtschaft ruinieren und die Nachbarstaaten vor den Kopf stoßen wurden.
Sein großes historisches Bemuhen bestand darin, Griechenland ein modernes, westeuropaisches Geprage mit einem deutlichen Kurs der Zuruckdrangung US-amerikanischer Einflussnahme zu geben. Das erfolgte aus einer Mischung von sozialistischen und nationalistischen Elementen sowie einer Reihe einschneidender Reformgesetze. Obwohl der von ihm angestrebte ?große Wandel“ nicht erreicht wurde, gelang ihm eine deutliche Entwicklung in Richtung von Demokratisierung und Liberalisierung der griechischen Gesellschaft.
Sein Amtsnachfolger
Konstantinos Simitis
verfolgte eine andere politische Strategie, die weniger durch Volksnahe als vielmehr von sachlichen Reformen gepragt war. Er berief
Giorgos Andrea Papandreou
, den Sohn von Andreas Papandreou, zum Außenminister, welcher der Linie von Simitis folgte, jedoch mit der engeren Zusammenarbeit mit der Turkei auch eigene Ziele verwirklichte. Simitis trat im Februar 2004 zuruck und Giorgos Andrea Papandreou wurde zum Vorsitzenden der PASOK gewahlt. Dieser versuchte mit dem Slogan ?Andrea, zeis! Esy mas odhigeis!“ (?Andreas, Du lebst noch immer! Du fuhrst uns!“) auch fruhere politische Anhanger seines Vaters zu mobilisieren, wurde jedoch von der
Nea Dimokratia
unter deren Vorsitzenden
Kostas Karamanlis
besiegt. Erst bei den Wahlen im Oktober 2009 endete dieselbe Konstellation mit einem klaren Wahlsieg der PASOK.
- Griechische Tragodie. Von der Demokratie zur Militardiktatur.
Fritz Molden, Wien u. a. 1971,
ISBN 3-217-00197-4
.
- Kritik des amerikanischen Kapitalismus.
Herder und Herder, Frankfurt am Main u. a. 1973,
ISBN 3-585-32012-0
.
- ↑
a
b
c
Andreas Papandreou
Internationales Biographisches Archiv 30/1996 vom 15. Juli 1996, im
Munzinger-Archiv
, abgerufen am 18. Februar 2019 (Artikelanfang frei abrufbar)
- ↑
Andreas Papandreou.
In:
Encyclopædia Britannica
.
Abgerufen am 18. Februar 2019
(englisch).
- ↑
Gestorben: Andreas Papandreou
. In:
Der Spiegel
.
Nr.
27
, 1996 (
online
).