Agathe Uwilingiyimana

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Agathe Uwilingiyimana (* 23. Mai 1953 in Nyaruhengeri ; † 7. April 1994 in Kigali , Ruanda ) war eine ruandische Politikerin und Mitglied der Oppositionspartei Mouvement Democratique Republicain. Sie war in der Zeit vom 18. Juli 1993 bis zu ihrer Ermordung Premierministerin von Ruanda [1] .

Fruhes Leben [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Agathe Uwilingiyimana, eine Hutu , wurde 1953 in dem Dorf Nyaruhengeri, etwa 140 Kilometer sudostlich von Kigali , als Kind von Landwirten geboren. Kurz nach ihrer Geburt ging die Familie aus der Grenzregion Butare fort, um in Belgisch-Kongo zu arbeiten. Als Agathe vier Jahre alt war, ging die Familie auf Betreiben des Vaters wieder zuruck nach Butare. Nach bestandener Aufnahmeprufung wurde Agathe an der Notre Dame des Citeaux High School ausgebildet und erlangte im Alter von zwanzig Jahren die Erlaubnis, Geisteswissenschaften zu lehren.

1976 erlangte sie einen Abschluss in Mathematik sowie Chemie und wurde daraufhin Mathematiklehrerin in einer Schule in Butare. Im selben Jahr heiratete sie Ignace Barahira, einen Studienkollegen aus ihrem Dorf. Ebenfalls in diesem Jahr wurde bereits das erste Kind geboren; insgesamt hatte das Paar funf Kinder.

Im Alter von dreißig Jahren lehrte sie Chemie an der Nationaluniversitat Ruanda .

Aufstieg zur Premierministerin [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

1986 grundete sie eine Spar- und Kredit-Kooperative innerhalb des Kollegiums der Akademieschule Butare. Aufgrund ihrer hervorragenden Rolle innerhalb dieser Selbsthilfeorganisation wurde die Regierung in Kigali auf sie aufmerksam; diese wollte Entscheidungstrager aus dem unzufriedenen Suden des Landes einsetzen. 1989 wurde sie einer der Direktoren im Handelsministerium.

Sie trat 1992 dem Republican and Democratic Movement (MDR), einer Oppositionspartei, bei und wurde von Dismas Nsengiyaremye , dem ersten oppositionellen Premierminister innerhalb eines Bundnisses zwischen Prasident Juvenal Habyarimana und den funf großten Oppositionsparteien, bereits vier Monate spater zur Bildungsministerin ernannt. [2] Als Bildungsministerin schaffte sie das ethnische Quotensystem im akademischen Bereich ab. [2] Das brachte ihr die Feindschaft extremistischer Hutu-Parteien ein und fuhrte sogar zu tatlichen Angriffen gegen sie, auch auf ihrem eigenen Grund und Boden. [2] Auf der anderen Seite wurde von tausenden Studenten und Muttern fur ihre Politik demonstriert. [2]

Am 18. Juli 1993 wurde die neue Regierung mit Uwilingiyimana als Premierministerin eingesetzt. [3] Sie war damit eine der ersten Frauen in dieser Rolle. [3]

Die Arusha-Abkommen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Habyarimana-Uwilingiyimana-Regierung reprasentierte nach wie vor die dominierende Hutu-Bevolkerung und hatte die entmutigende Aufgabe, ein Friedensabkommen mit der eindringenden Ruandischen Patriotischen Front (RPF), den Tutsi -dominierten Streitkraften , die seit 1990 von Uganda aus nach Ruanda einmarschierten, abzuschließen. Am 4. August 1993 schließlich wurde zwischen Habyarimana, den funf großten Oppositionsparteien und der RPF selbst eine Ubereinkunft getroffen; unter der als Arusha-Abkommen bekannt gewordenen Ubereinkunft wurde vereinbart, dass Habyarimanas fuhrendes Mouvement republicain national pour la democratie et le developpement (MRND) vorubergehend die Prasidentschaft ubernimmt und der Premierminister von der MDR gestellt wird. Nach der Suspendierung von Uwilingiyimana durch die MDR ubernahm Faustin Twagiramungu , der auch federfuhrend an ihrer Absetzung beteiligt war, ihre Position.

Verwaltende Premierministerin [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Prasident Habyarimana enthob sie bereits achtzehn Tage nach ihrer Ernennung wieder ihres Amtes, allerdings blieb sie weitere acht Monate bis zu ihrem Tod im April 1994 als verwaltende Premierministerin weiterhin im Amt; dies, obwohl sie von allen Hutu-dominierten Parteien, inklusive ihrer eigenen MDR und der Partei von Prasident Habyarimana, aufs Scharfste kritisiert wurde. Im Januar 1994 hielt die MRND eine Pressekonferenz ab, in der Uwilingiyimana als ?politische Trickserin“ bezeichnet wurde.

Die gemeinsame Einschworung auf das ?Transitional Broad Based Government“ hat wahrscheinlich am 8. Januar 1994 stattgefunden. An diesem Tag war die Vereidigung der kompletten Regierung geplant, aber nach der morgendlichen Zeremonie, in der der Prasident vereidigt worden war, verließen die RPF und andere die Veranstaltung, so dass sie am Nachmittag, als die Parlamentarier vereidigt wurden, wiederholt werden musste. Indes verfasste Uwilingiyimana einen Brief an alle Parteien, in dem sie die ausstehenden Zeremonien aussetzte. Sie und einige andere wollten erreichen, dass die Zeremonien einige Tage spater nachgeholt wurden; zu diesem Zeitpunkt ware der Prasident auf einem Auslandsbesuch und sie hatte die Gelegenheit gehabt, die RPF mit mehr Befugnissen auszustatten. Ein damals anwesender Offizier der belgischen Armee sagte wahrend der Verhandlungen zum Kriegsverbrechertribunal aus, es habe sich dabei um einen Staatsstreich zu Gunsten der RPF gehandelt. An diesem Punkt wurde Uwilingiyimana dazu bewegt, sich fur Faustin Twagiramungu starkzumachen. Ihr wurde als Entgegenkommen ein niedrigerer Ministerialposten in der neuen Regierung versprochen. Die RPF erschien abermals nicht zu den geplanten Feierlichkeiten, sodass die Einsetzung der Regierung verschoben werden musste. Sie vereinbarte, dass die Vereidigung am nachsten Tag stattfinden sollte.

Das Attentat [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Gesprache zwischen Prasident Habyarimana, Uwilingiyimana und der Ruandischen Patriotischen Front (RPF) wurden nie beendet, da das Flugzeug des Prasidenten am 6. April 1994 bei einem Raketenangriff abgeschossen wurde . In einem Interview mit Radio France sagte Uwilingiyimana noch in der Nacht des Anschlages, dass es unverzuglich eine Untersuchung geben werde. In ihren letzten dokumentierten Worten sagte sie außerdem: ?Es wird geschossen, Menschen werden terrorisiert, sie liegen in ihren Hausern auf dem Boden. Ich glaube, wir leiden an den Konsequenzen, die der Tod unseres Staatsoberhauptes mit sich bringt. Wir, die Zivilisten, sind in keiner Weise fur den Tod unseres Staatsoberhauptes verantwortlich.“

Die UN-Friedenstruppen schickten noch in dieser Nacht, vor 3 Uhr morgens, eine Eskorte zu ihrem Haus, um sie zu Radio Rwanda zu bringen, wo sie eine Live-Ansprache an das ruandische Volk halten und zur Ruhe aufrufen wollte. [4] [5]

Uwilingiyimanas Haus wurde von funf ghanaischen Soldaten der UN-Truppen sowie einer Einheit ruandischer Polizisten und zehn belgischen Soldaten geschutzt. [4] [5] Dem belgischen Armee-Bericht KIBAT zufolge sollen sich ruandische Soldaten zwischen 5.55 Uhr und 6.45 Uhr dem Haus Uwilingiyimanas genahert haben. Diese verdachtigten ihrerseits die Belgier der Mitwirkung am Attentat. Schließlich forderten sie die Blauhelme auf, die Waffen niederzulegen. Die Blauhelme entsprachen umgehend dem Wunsch der ruandischen Soldaten und handigten die Waffen noch vor 7 Uhr aus, woraufhin sie festgenommen wurden. Spater wurden die belgischen Blauhelme von ruandischen Soldaten getotet. [4] [5]

Uwilingiyimana und ihre Familie, die die Ereignisse vor ihrem Haus beobachteten, flohen mit Hilfe der ruandischen Polizisten, die ein Loch in den Zaun schnitten, der das Haus umgab. Sie kamen etwa gegen 7 Uhr auf dem Gelande des Kigali U.N.D.P. an und versteckten sich dort. Augenzeugen gaben in der spateren, von den UN veranlassten Untersuchung an, dass ruandische Soldaten etwa gegen 10 Uhr das Gelande betraten und nach Agathe Uwilingiyimana suchten. Wenig spater wurde sie von ruandischen Sicherheitskraften erschossen, [5] auch ihr Ehemann, sowie zwei Begleiter wurden ermordet. [5] Sie wurde vor ihrem Tod vergewaltigt und teilweise nackt, mit einer in die Vagina geschobenen Bierflasche tot aufgefunden. [5] Alles deutet darauf hin, dass die ruandischen Soldaten ihr sexualisierte Gewalt antaten und sie umbrachten. [6]

Ihr Vermachtnis [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Obwohl nur kurz, hat ihre politische Karriere so etwas wie einen Prazedenzfall geschaffen, war sie doch eine der bisher wenigen weiblichen politischen Figuren Afrikas. Gleichzeitig mit ihr war Sylvie Kinigi Premierministerin von Burundi . Im Gedenken an die ruandische Premierministerin stiftete das Forum for African Women Educationalists (FAWE) die Agathe Innovative Award Competition . Diese Auszeichnung unterstutzt Projekte, die der Ausbildung und der Einkommenssicherung afrikanischer Madchen dienen. Agathe Uwilingiyimana war eines der Grundungsmitglieder der FAWE.

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Kevin A. Hill: Agathe Uwilingiyimana . In: Rebecca Mae Salokar, Mary L. Volcansek (Hrsg.): Women and the Law. A Bio-Bibliographical Sourcebook. Greenwood Press, Westport CT u. a. 1996, ISBN 0-313-29410-0 , S.   323?328 .

Siehe auch [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Alison des Forges : “Leave none to tell the story”. Genocide in Rwanda. Human Rights Watch; International Federation of Human Rights., New York 1999, ISBN 1-56432-171-1 , S.   52   ff .
  2. a b c d Alison des Forges : “Leave none to tell the story”. Genocide in Rwanda. Human Rights Watch; International Federation of Human Rights., New York 1999, ISBN 1-56432-171-1 , S.   41   ff . ( hrw.org [PDF]).
  3. a b Alison des Forges : “Leave none to tell the story”. Genocide in Rwanda. Human Rights Watch; International Federation of Human Rights., New York 1999, ISBN 1-56432-171-1 , S.   81 . ( hrw.org [PDF]).
  4. a b c Patrick Smyth: Colonel blamed for the deaths of 10 of his soldiers. In: The Irish Times . 10. Mai 1996, abgerufen am 16. September 2023 .
  5. a b c d e f Alison des Forges : “Leave none to tell the story”. Genocide in Rwanda. Human Rights Watch; International Federation of Human Rights., New York 1999, ISBN 1-56432-171-1 , S.   132   ff . ( hrw.org [PDF]).
  6. Alison des Forges: "Leave none to tell the story". Genocide in Rwanda. Human Rights Watch, New York 1999, ISBN 1-56432-171-1 .