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Gewitter

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Gewitterwolke mit Blitzen uber Pritzerbe

Ein Gewitter ist eine mit luftelektrischen Entladungen ( Blitz und Donner ) verbundene, komplexe, meteorologische Erscheinung. Im Durchschnitt treten auf der Erde etwa 1600 Gewitter gleichzeitig auf, die auf uber 0,3 Prozent der Erdoberflache stattfinden. [1] Gewitter werden in der Regel von kraftigen, wolkenbruchartigen Regen - oder Hagelschauern begleitet. Vor einer Gewitterfront wehen boige Winde mit bis zu Sturmstarke . Seltenere Begleiterscheinungen sind Tornados und Downbursts . Starke Gewitter konnen auch als Unwetter bezeichnet werden. Sommergewitter treten wesentlich haufiger auf als Wintergewitter, die auch mit kraftigen Schneeschauern verbunden sein konnen.

Durch aufsteigende feuchtwarme Luftmassen baut sich eine große Gewitterwolke (auch Cumulonimbus genannt) bis in die hohere, kaltere Troposphare auf. Solche aufsteigenden Luftstromungen bilden sich, wenn in einem begrenzten Gebiet eine hohere Temperatur als in der naheren Umgebung erreicht wird (z. B. infolge der Sonneneinstrahlung oder unterschiedlicher Warmeabgabe des Untergrundes, wie bei Wasserflachen, Feldern und Waldgebieten oder Warmefreisetzung durch Kondensation ).

Entstehung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Fur die Entstehung von Gewittern werden 3 Faktoren benotigt:

Entstehungsbedingungen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Entstehung eines Gewitters. Schematischer Schnitt durch eine Gewitterwolke.

Gewitter konnen entstehen, wenn eine hinreichend große vertikale Temperaturabnahme in der Atmosphare vorhanden ist, d. h. wenn die Temperatur mit zunehmender Hohe so stark abnimmt, dass ein Luftpaket durch Kondensation instabil wird und aufsteigt (bedingt labile Schichtung). Dafur muss die Temperatur pro 100 Hohenmeter um mehr als 0,65 K abnehmen. Ein aufsteigendes auskondensiertes Luftpaket kuhlt sich beim Aufstieg um ca. 0,65 K/100 m ( feuchtadiabatischer Aufstieg ) ab. Durch die freiwerdende Kondensationsenthalpie kuhlt es dabei jedoch weniger schnell als die umgebende Luft ab. Dadurch wird es warmer und damit aufgrund der Dichteabnahme leichter als die Umgebungsluft; ein Auftrieb wird erzeugt. Aus diesem Grund ist fur die Entstehung eines Gewitters eine feuchte Luftschicht in Bodennahe notwendig, die uber die Kondensationsenthalpie (fruher auch latente Warme genannt) den Energielieferanten fur die Feuchtekonvektion darstellt und somit die Gewitterbildung uberhaupt erst ermoglicht. Die Kondensationsenthalpie ist die im Wasserdampf enthaltene Energie, die bei der Kondensation in Form von Warme und Volumenarbeit freigesetzt wird. Der Konvektiv-Index , als meteorologische Große, ist einer von vielen Indikatoren fur die Gewitterneigung.

Gewitterhaufigkeit: Globale Blitzverteilung (Blitze pro Jahr je km²; Einschlage & Wolke-Wolke; ohne Nebenblitze)

Auch wenn die Grundbedingungen (geeignete Temperaturschichtung und Feuchte in Bodennahe) fur ein Gewitter erfullt sind, muss nicht zwangslaufig eines entstehen. Erst die Hebung der feucht-warmen Luftschicht am Boden lost ein Gewitter aus. Dafur sind Faktoren wie Wind - und Luftdruckverhaltnisse , die Topographie , sowie die Luftschichtung relevant. Da einige dieser Faktoren durch Vorhersagemodelle schwierig vorauszuberechnen sind und von Ort zu Ort stark variieren, ist die Vorhersage von Gewittern außerordentlich schwierig.

Wie Forscher der Universitat Karlsruhe herausfanden, hat sich im langjahrigen Durchschnitt die Intensitat der Gewitter, aber nicht deren Haufigkeit erhoht. Ablesbar sei das vor allem an der Zunahme der Hagelunwetter . [2]

Vorwarnzeiten [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Heranziehende Shelf cloud einer Superzelle

Gewitter bilden sich an den mitteleuropaischen Meereskusten meist uber einen langeren Zeitraum. Dem entspricht z. B. die Sprachregelung des britischen Seewetterdienstes fur Sturmwarnungen: imminent ( unmittelbar bevorstehend ) bedeutet innerhalb der nachsten sechs Stunden, soon ( bald ) bedeutet innerhalb von zwolf Stunden und later ( spater ) in der danach folgenden Zeit. [3] Der deutsche Seewetterbericht gibt Sturmwarnungen fur die nachsten zwolf Stunden heraus. [4]

Ein sich tatsachlich naherndes oder aufbauendes Gewitter lasst sich an der Kuste und im Inland meist schon fruh an den dunkel und bedrohlich wirkenden Wolken erkennen. Im Gegensatz dazu kann in den Alpen und im Alpenvorland ein Gewitter innerhalb von 10 bis 15 Minuten buchstablich ?aus heiterem Himmel“ entstehen, das sich allenfalls in Anderungen des Luftdrucks, der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit ankundigt, die ohne Messgerate meist nur von Einheimischen erfuhlt werden konnen.

Entstehungsprozess einer Gewitterzelle [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Durch Hebung kuhlt ein feuchtes Luftpaket zunachst trockenadiabatisch (1,0 K/100 m) ab, bis seine Temperatur die Taupunkttemperatur erreicht. Ab dieser Temperatur beginnt der im Luftpaket enthaltene Wasserdampf zu kondensieren und es bildet sich eine Quellwolke , die schließlich bei geeigneten Bedingungen zu einer Gewitterwolke, einem sogenannten Cumulonimbus (kurz: Cb), anwachsen kann. Bei dem Kondensationsvorgang wird im Wasserdampf gespeicherte Energie ( Kondensationsenthalpie ) in Form von Warme freigesetzt, wodurch die Temperatur steigt. Dadurch sinkt die Dichte des Luftpakets relativ zur Umgebung und es erhalt zusatzlichen Auftrieb. Liegt eine sogenannte bedingt labile Schichtung der Atmosphare vor, so steigt das Luftpaket bis in eine Hohe auf, wo die Temperaturdifferenz pro Hoheneinheit ( Temperaturgradient ) wieder abnimmt. Dadurch verringert sich der Temperatur- und Dichteunterschied im Vergleich zur Umgebungsluft wieder. Ist die Dichte des Luftpakets schließlich gleich der Dichte der Umgebungsluft, verschwindet die Auftriebskraft, und die aufsteigende Luft wird gebremst. Dieses Niveau wird Gleichgewichtsniveau ( Equilibrium Level ) genannt und an dieser Luftmassengrenze kann sich die Wolke horizontal ausbreiten. Dadurch entsteht ihre charakteristische diapirartige Ambossform , weshalb sie auch Ambosswolke genannt wird. Meistens befindet sich dieses Gleichgewichtsniveau in der Nahe der Tropopause . Diese liegt in Mitteleuropa zwischen 8 km Hohe im Winter und 12 km Hohe im Sommer. In den Tropen liegt die Tropopause auf ca. 16 km Hohe. Deswegen werden die Gewitter in den Tropen wesentlich hoher als in unseren Breiten.

Die Bewegungsenergie, die ein Luftpaket bei seinem Aufstieg erhalt, wird auch als Labilitatsenergie bezeichnet. Je großer die Labilitatsenergie, desto hoher ist die maximale Aufwindgeschwindigkeit in der Gewitterwolke. Die Intensitat von Gewittern hangt eng mit der vorhandenen Labilitatsenergie zusammen. Aufgrund ihrer Tragheit konnen die Luftpakete ahnlich einem Springbrunnen uber das Gleichgewichtsniveau hinausschießen (konvektives Uberschießen), und zwar umso hoher, je großer die Labilitatsenergie und damit die Geschwindigkeit des Aufwindes ist. Solche overshooting tops konnen Hohen von uber 20 km erreichen.

Niederschlagsbildung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Donner und Regen (Audioaufzeichnung)

In der Gewitterwolke herrschen starke Aufwinde , die unter Umstanden verhindern, dass kleinere Regentropfen aus der Wolke nach unten fallen. Die Regentropfen und Eiskornchen werden dann immer wieder nach oben getragen, wo sie gefrieren und sich neues Eis anlagert. Dieser Vorgang wiederholt sich so oft, bis die Eiskorner so schwer geworden sind, dass sie von den Aufwinden nicht mehr gehalten werden konnen. Dann fallen entweder sehr dicke, kalte Regentropfen, Graupel oder sogar Hagelkorner aus der Gewitterwolke auf die Erde. Je starker die Aufwinde in der Gewitterwolke sind, desto großer konnen die Hagelkorner werden. Bei sehr großtropfigem konvektivem Niederschlag ( Platzregen ) handelt es sich in der warmen Jahreszeit oder in den Tropen meistens um aufgeschmolzene Hagelkorner.

Blitzbildung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Blitz

Der Blitz entsteht aufgrund der hohen Vertikalwindgeschwindigkeiten, die nur innerhalb von Gewitterwolken auftreten konnen. Eine weitere Bedingung fur die Entstehung von Blitzen sind Eiskristalle innerhalb der Gewitterwolke. Eiskristalle transportieren aufgrund ihrer Große unterschiedliche Ladungen und fuhren an den Grenzflachen zwischen Auf- und Abwinden zur weiteren Ladungstrennung. Die Blitzentladung sorgt schließlich fur einen Abbau der aufgebauten elektrischen Spannung .

Trockengewitter [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Wenn bei einem Gewitter der Niederschlag am Erdboden ausbleibt, spricht man von einem Trockengewitter. Dazu kommt es, wenn der Niederschlag zwischen Wolkenuntergrenze und Boden uber eine ausreichend lange Strecke durch eine sehr trockene Luftschicht fallt, in der er vollstandig verdunstet. [5] Das erhoht die Brandgefahr durch Blitzschlag, da die brandhemmende Wirkung des Regens ausbleibt. [6] Großbrande der portugiesischen Bergwalder im Sommer 2017 wurden mit Trockengewittern in Zusammenhang gebracht. [7] In Mitteleuropa sind Trockengewitter selten. [8]

Eruptionsgewitter [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Als Eruptionsgewitter werden atmospharische Entladungen bezeichnet, deren Ursachen auf den Ausbruch eines Vulkans zuruckzufuhren sind. Durch Reibung von Tephra -Partikeln (staubfeine Ascheteilchen ) in einer Eruptionssaule bei Vulkanausbruchen kommt es zu einer statischen Aufladung. Abgebaut wird diese Ladung durch einen Blitz.

Arten von Gewitterzellen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Eine Gewitterzelle ist die kleinste abgeschlossene Einheit, aus der ein Gewitter aufgebaut sein kann. Sie durchlauft immer drei Stadien, ein Wachstumsstadium , ein Reifestadium und ein Zerfallsstadium . Eine Gewitterzelle ist aus einer Cumulonimbuswolke aufgebaut, in der Auf- und Abwinde auftreten. Haufig schließen sich mehrere Gewitterzellen zusammen und bilden großere, zusammenhangende Einheiten von Gewittern.

Einzelzellengewitter [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Entstehung einer Einzelzelle

Bei der Einzelzelle handelt es sich um eine einzelne Gewitterzelle. Es ist die kleinstmogliche abgeschlossene Form, in der ein Gewitter auftreten kann. Ihre Lebensdauer betragt zwischen 30 Minuten und einer Stunde. Sie entsteht bei schwacher Windscherung , das heißt, wenn der Wind mit der Hohe nur unwesentlich zunimmt. Meistens verursachen Einzelzellen relativ schwache Gewitter.

Lebenszyklus einer Gewitterzelle [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Aufzug eines Einzelzellengewitters mit spater sichtbar konvektivem Niederschlag , Zeitraffer

Die Einzelzelle durchlauft drei Stadien:

  • Wachstumsstadium: In dieser Phase existiert nur ein Aufwind. Dieser wird durch die Freisetzung von Labilitatsenergie erzeugt. Zuerst bildet sich ein Cumulus Congestus. Wenn die Wolke in den oberen Teilen vereist, entsteht ein Cumulonimbus, die eigentliche Gewitterwolke. Noch sind keine Abwinde vorhanden, und es fallt kein Niederschlag aus der Wolke. Es konnen aber in seltenen Fallen schwache Tornados auftreten.
  • Reifestadium: In dieser Phase existieren sowohl Aufwinde als auch Abwinde. Der Abwind bildet sich durch fallenden Niederschlag, der kalte Luft aus hoheren Schichten nach unten transportiert. Aufgrund schwacher Windscherung konnen sich Auf- und Abwind nicht voneinander trennen. Der Niederschlag fallt auch in den Aufwind zuruck und schwacht diesen damit ab. Am Boden setzt Niederschlag in Form von Regen, Graupel oder kleinem Hagel ein. Anfangs konnen noch schwache Tornados auftreten. Meistens ist die Niederschlagsintensitat zu Beginn der Reifephase am hochsten. Am Boden treten vereinzelt Boen auf. Fast alle Blitze treten wahrend dieser Phase auf.
  • Zerfalls- oder Auflosungsstadium: In dieser Phase existiert nur noch ein Abwind. Die Zelle regnet aus. Die Cumulonimbuswolke lost sich auf. Der vereiste Wolkenschirm ( Cirrus oder Cirrostratus cumulonimbogenitus) kann aber noch uber langere Zeit bestehen bleiben.

Impulsgewitter [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Eine Sonderform der Einzelzelle ist ein Impulsgewitter , das dann auftritt, wenn viel Labilitatsenergie bei geringer Windscherung vorhanden ist. Ein Impulsgewitter ist kraftiger als eine gewohnliche Einzelzelle und kann schwache Tornados, kraftige Fallboen ( Downbursts ) und Hagel verursachen.

Isolierte Einzelzellen sind selten. Meistens treten mehrere Gewitterzellen nebeneinander auf, sogenannte Multizellengewitter.

Superzellengewitter [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Superzelle

Bei Superzellen handelt es sich um eine Sonderform von Einzelzellen, die durch ihren hohen Grad an organisierter Struktur ausgezeichnet sind. Sie konnen auch in einem Zell-Cluster oder einer Boenlinie eingebettet sein.

Wesentliches Merkmal einer Superzelle ist eine hochreichende persistente Rotation des Aufwindbereiches, die sogenannte Mesozyklone . Hochreichend heißt, dass mindestens ein Drittel der Aufwinde rotiert; persistent heißt, dass die Rotation mindestens so lange andauert wie ein Konvektionszyklus. Das sind gewohnlich etwa 10 bis 20 Minuten, per Definition muss allerdings mindestens 30 Minuten lang Rotation vorliegen, damit man von einer Superzelle sprechen kann. Dabei uberwiegt die zyklonale Rotation: auf der Nordhalbkugel entgegen dem Uhrzeigersinn, auf der Sudhalbkugel umgekehrt.

Ursachlich ist eine vertikale Windscherung , also eine Anderung der Windgeschwindigkeit und -richtung mit der Hohe. Meistens nimmt dabei der Wind unter Rechtsdrehung mit der Hohe zu. Die Corioliskraft hat keinen direkten Einfluss hierauf, da Mesozyklonen zu kleinraumig sind. Indirekt spielt sie aber insofern eine Rolle, als das großraumige Windfeld, in das die Mesozyklone eingebettet ist, durch die Corioliskraft ? neben Druckgradient , Zentrifugalkraft und Bodenreibung ? mit bestimmt wird. Die erwahnte Rechtsdrehung des Windes mit der Hohe ist ein solcher Effekt.

Weitere Kennzeichen einer Superzelle sind neben dem Vorhandensein einer Mesozyklone eine raumliche Trennung der Auf- und Abwindbereiche. Dabei ist der Aufwind durch die vertikale Geschwindigkeitszunahme geneigt, meistens in Richtung des Windes im mittelhohen Niveau (ca. 5 km). Der im Abwindbereich ausfallende Niederschlag stort somit nicht durch seine Verdunstungskuhlung die Zufuhr feuchtwarmer Luft in den Aufwindbereich.

Bildung einer Mesozyklone
Stadium 1: Scherwinde aus unterschiedlichen Richtungen (rote Pfeile) fuhren zu einer horizontalen Rotation der Luftmassen (grune Spirale)
Stadium 2: Durch die Drehung der Luftmassen (grune Spirale) beginnt sich die rotierende Luftsaule aufzurichten (blauer Pfeil)
Stadium 3: Die aufgerichtete rotierende Luftsaule (grune Spirale) saugt ihrerseits neue Luft in die Luftsaule, die sich dadurch verstarkt (blaue Spirale)


Schematische Darstellung einer Superzelle mit Tornado

Es werden anhand der Niederschlagsintensitat drei Typen von Superzellen unterschieden:

  • LP-Superzelle ( englisch low precipitation supercell ) ? hier ist das Niederschlagsfeld meistens klein und auf den Zellkern beschrankt. Dort kann aber sehr großkorniger Hagel auftreten, wahrend Tornados nur selten auftreten. Dieser Typ tritt haufig in den westlichen Great Plains der USA an der Grenze feucht-warmer Luft aus dem Golf von Mexiko zu trocken-heißer Wustenluft aus dem Sudwesten der USA auf. In Mitteleuropa ist er recht selten.
  • Klassische Superzelle ( englisch classic supercell ) ? die haufigste und typische Form von Superzellen. Das Niederschlagsfeld ist ausgedehnter als im vorigen Fall und der Zellkern mit den starksten Niederschlagen (Starkregen und Hagel) wickelt in der Regel hakenformig um die Mesozyklone ( Hakenecho oder engl. hook echo ). Tornados treten bei diesem Typ wesentlich haufiger auf als bei der LP-Superzelle.
  • HP-Superzelle ( englisch high precipitation supercell ) ? die niederschlagsintensivste Form von Superzellen. Das Niederschlagsfeld ist sehr ausgedehnt und es kommt uber einem recht großen Gebiet zu Starkregen oder Hagel. Der Zellkern mit den intensivsten Niederschlagen weist haufig eine nierenformige Struktur auf. Das Niederschlagsgebiet umschließt die Mesozyklone großtenteils und verdeckt damit manchmal die Sicht auf einen allfalligen Tornado ( bear's cage = Barenkafig). Diese mit Regen umwickelten ( rain-wrapped ) Tornados sind besonders gefahrlich und fur die meisten Todesfalle in den USA verantwortlich.

Daneben gibt es noch die Sonderform flacher Superzellen ( low-topped supercell, mini supercell ) geringerer Hohenerstreckung, aber mit persistenter Mesozyklone. Diese treten in der Regel in Kaltluftmassen auf. Wichtig ist auch, dass eine Superzelle keine elektrische Aktivitat ( Blitze ) zeigen muss, auch wenn die meisten Superzellen nicht nur als Schauer , sondern auch als Gewitter auftreten.

Wallcloud mit Tailcloud

Die Unterschiede einer Superzelle gegenuber einer normalen Zelle:

  • Eine Superzelle ist im Allgemeinen bedeutend langlebiger, sie lebt manchmal mehrere Stunden. Ihre raumliche Ausdehnung kann betrachtlich sein, ist aber nicht notwendig großer als die einer Einzel- oder Multizelle.
  • Die Zugrichtung von Superzellen zeigt meistens ein Ausscheren nach rechts (auf der Sudhalbkugel nach links) gegenuber dem steuernden Wind im mittleren Niveau der Troposphare, der die Zugrichtung normaler Gewitterzellen bestimmt.
  • Es treten deutlich intensivere Wettererscheinungen und Auspragungen der Wolke und auch spezielle Wolkenformen auf. Hierzu zahlt vor allem die sogenannte Wallcloud , die als Absenkung der regenfreien Wolkenbasis unter dem rotierenden Aufwind in Erscheinung tritt.
  • Die intensiven Begleiterscheinungen machen Superzellen zur gefahrlichsten Art von Gewitterzellen. Sie sind oft begleitet von Wolkenbruchen , großem Hagel uber 4 cm Durchmesser und schweren Fallboen ( Downbursts ). Bei ca. 10?20 % aller Superzellen kommt es zur Bildung mesozyklonaler Tornados .
  • Superzellen sind bekannt fur die Bildung von großen bis sehr großen Hagelkornern, da sie durch die Mesozyklone und das mehrmalige Schleudern in die kalteren hoheren Luftschichten mehrere Schichten um den Hagelkern entstehen lasst. So ging das großte Hagelkorn der USA ? entstanden durch eine Superzelle ? am 22. Juni 2003 in der kleinen Stadt Aurora in Nebraska nieder [9] . Mit einem Durchmesser von 17,8 Zentimetern und einem Umfang von 47,6 Zentimetern hatte es etwa die Große eines Handballs.

Lange Zeit galten Superzellen mit wenigen Ausnahmen allein auf die USA beschrankt (nach letzten Erkenntnissen sind es hier mehrere tausend pro Jahr), mittlerweile hat sich aber gezeigt, dass sie bei geeigneten Bedingungen in vielen Gebieten der Erde (auch in den Tropen) auftreten konnen.

Vermutlich liegt die Anzahl rotierender Sturme an der Gesamtzahl der Gewitter um 5 % (Untersuchungen aus den USA sowie Mitteleuropa), der Versuch einer Aufnahme aller jahrlichen Superzellen in eine statistische Auswertung ist derzeit jedoch nur aus Osterreich bekannt (von 2003 bis 2005 im Schnitt etwas mehr als 50 rotierende Gewitter jahrlich registriert).

Nahezu alle sehr starken oder verheerenden Tornados (F3 und daruber auf der Fujita-Skala ) gehen aus Superzellen bzw. den zugehorigen Mesozyklonen hervor. Schwachere Tornados (F0 bis F2) konnen sowohl mesozyklonalen als auch nicht-mesozyklonalen Ursprungs sein. Je nach Region uberwiegt hier aber der letztgenannte Typ.

Superzellen sind in eindeutiger Weise nur anhand der Rotation (TVS, Tornado Vortex Signature ) erkennbar, die auch beim Doppler-Velocity-Scan im Wetterradar sichtbar wird.

Multizellengewitter [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Multizelle über dem Schwarzwald
Multizelle uber dem Schwarzwald mit zwei ausgebildeten Ambossen

Eine Multizelle besteht aus mehreren einzelnen Gewitterzellen, die relativ nahe beieinander liegen und interagieren. Die Zellen konnen sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden. Bei der Multizelle lasst der Abwind einer Gewitterzelle eine neue Zelle entstehen. Obwohl die Lebensdauer einer Zelle innerhalb des Komplexes nicht hoher ist als die einer isolierten Einzelzelle, kann das ganze System insgesamt wesentlich langer als eine Stunde existieren. Die Gewitterzellen treten entweder in Gruppen ( Multizellen-Clustern ) auf oder ordnen sich entlang einer Multizellen-Linie an.

Multizellen-Linie [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Gewitterzellen konnen sich linienformig anordnen. Diese Gewitterlinien konnen mehrere 100 km lang werden. Man bezeichnet sie auch als Boenlinien (engl. squall lines ), da an der Vorderseite von diesen haufig kraftige Sturmwinde auftreten. Diese Boenfront sorgt dafur, dass standig neue Gewitterzellen entstehen, welche die alten ersetzen. Dieses geschieht, indem sich die kuhlere und schwerere Luft, die unter den Gewittern entsteht, vor die Gewitterlinie schiebt. Dort wird die feucht-warme und somit energiereiche Luftmasse angehoben, wodurch eine neue Zelle entsteht. Dieser Prozess halt solange an, wie die Luft an der Vorderseite instabil geschichtet und ausreichend feucht ist.

Derecho [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Bei einem Derecho ( Aussprache [ d??re?t?o? ] von spanisch derecho ) handelt es sich um eine langgezogene, langlebige Gewitterlinie, die verbreitet starke Sturmwinde ( Downbursts ) verursacht. Um der Definition eines Derechos gerecht zu werden, muss sie auf mindestens 450 km Lange wirksam sein und dabei immer wieder schwere Sturmboen uber 93 km/h hervorbringen.

Im August 2020 vernichtete ein Derecho uber 40 % der Ernten in Iowa . [10]

Multizellen-Cluster [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Gewitterzellen konnen sich zu sogenannten Clustern gruppieren, die als Ganzes gesehen eine langere Lebensdauer aufweisen. Cluster zeigen sich im Satellitenbild als Ansammlungen von runden oder ovalen Punktwolken, wobei die Punkte die Einzelzellen darstellen.

  • Mesoskaliges konvektives System (MCS): Ein MCS ist ein Komplex aus mehreren Gewitterzellen, der sich auf einer großeren Skala organisiert als eine einzelne Gewitterzelle. Ein MCS hat eine Lebensdauer von mehreren Stunden. Der MCS kann von oben gesehen eine runde oder ovale Form annehmen. Er kann auch innerhalb von tropischen Zyklonen , Gewitterlinien und MCCs auftreten.
  • Mesoskaliger konvektiver Komplex (MCC): Ein MCC ist ein großer MCS, der normalerweise eine runde oder leicht ovale Form aufweist. Er erreicht seine großte Intensitat gewohnlich wahrend der Nacht. Ein MCC wird definiert uber die Große, die Lebensdauer und die Exzentrizitat (auch Rundheit ), basierend auf dem Wolkenschirm, der auf dem Satellitenbild beobachtet werden kann:
    • Große: Die Temperatur der Wolkenoberseite muss auf einer Flache von mindestens 100.000 km² ?32 °C oder weniger betragen. Die Temperatur der Wolkenoberseite muss auf einer Flache von mindestens 50.000 km² ?52 °C oder weniger betragen.
    • Lebensdauer: Das Großenkriterium muss mindestens 6 Stunden erfullt sein.
    • Exzentrizitat: Das Verhaltnis zwischen kurzester und langster Achse darf nicht unter 0,7 liegen.
  • Mesoskaliger konvektiver Wirbel (MCV): Ein MCV ist eine große Mesozyklone eines MCS. Nachdem sich ein MCS aufgelost hat, kann ?sein“ MCV noch bis zu 2 Tage uberleben und ist nicht selten die Quelle des nachsten Gewitter-Outbreaks. Wenn ein MCV in tropische Gewasser zieht, kann es sich zum Kern eines tropischen Sturmes oder Hurricans entwickeln. [11] [12]

Klassifikation von Gewittern [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Gewitter (Symbol für Wettervorhersagekarten)
Gewitter (Symbol fur Wettervorhersagekarten)
„Leichtes oder mäßiges Gewitter mit Graupel oder Hagel zum Beobachtungszeitpunkt“ (Wetterkartensymbol)
?Leichtes oder maßiges Gewitter mit Graupel oder Hagel zum Beobachtungszeitpunkt“ (Wetterkartensymbol)

Die Bildung von hochreichender konvektiver Bewolkung und Gewittern setzt neben einer bedingt labilen Schichtung zur Auslosung der Feuchtekonvektion einen Hebungsantrieb voraus. Hinsichtlich der Auslosemechanismen konnen verschiedene Gewittertypen unterschieden werden.

Luftmassengewitter [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Luftmassengewitter treten in einer einheitlichen Luftmasse auf, d. h. die Temperatur verandert sich in horizontaler Richtung kaum. Die Temperatur muss aber mit der Hohe hinreichend stark abnehmen und es muss ein bodennaher Heizmechanismus vorliegen (man spricht von thermischer Auslosung des Gewitters). [13] Man unterscheidet zwischen zwei Haupttypen von Luftmassengewittern: Warmegewitter und Wintergewitter.

Warmegewitter [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Warmegewitter (auch Sommergewitter oder Konvektionsgewitter genannt) entstehen in Mitteleuropa praktisch ausschließlich im Sommerhalbjahr. Die starke Sonneneinstrahlung erwarmt die Luft vor allem in Bodennahe und lasst zudem viel Wasser durch Evapotranspiration verdunsten . Dadurch erhoht sich der vertikale Temperaturgradient im Tagesverlauf. Die Temperatur steigt vor allem am Boden stark an, wahrend sie in der Hohe nahezu konstant bleibt. Ab einer bestimmten Temperatur ( Auslosetemperatur ) beginnen Warmluftblasen in die Hohe zu steigen, da sie warmer und somit leichter sind als die Luft in ihrer Umgebung. Dabei kuhlen sie sich ab und erreichen schließlich das Kondensationsniveau. Ist die Atmosphare daruber feuchtlabil geschichtet, so werden auf diese Weise thermische Gewitter ausgelost. Warmegewitter treten meistens in den Nachmittags- und Abendstunden auf. [14]

Wintergewitter [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Wintergewitter entstehen im Winterhalbjahr. Sie sind deutlich seltener als Warmegewitter im Sommer. Ihre Entstehung ist prinzipiell dieselbe wie die der Warmegewitter. Allerdings fehlt im Winter oft eine ausreichend starke Sonneneinstrahlung. Deswegen kann ein hoher Temperaturgradient nur durch starke Abkuhlung in der Hohe zustande kommen. Das geschieht durch Zufuhr von Hohenkaltluft , die meistens polaren Ursprungs ist. Uber See wird die Feuchtekonvektion spontan und tageszeitunabhangig thermisch durch den starken Temperaturgradienten zwischen der relativ warmen Meeresoberflache und der daruber gefuhrten relativ kalten Luft ausgelost. Auf Satellitenbildern sind diese Luftmassen an der zellularen konvektiven Bewolkung deutlich zu erkennen. Uber Land hingegen tritt dieser Mechanismus zuruck, und es ist unter Einfluss der ? wenn auch schwachen ? Einstrahlung ein Tagesgang der Konvektion zu beobachten. Wintergewitter treten am haufigsten in den Mittags- und fruhen Nachmittagsstunden auf. Allerdings ist die in den unteren Schichten uber dem Meer erwarmte Luft oft recht weit ins Binnenland hinein noch genugend labil, um Konvektion auszulosen. Am heftigsten sind die Wettererscheinungen dabei in den Kustenregionen ( Lake effect snow ) . Wintergewitter sind oft mit kraftigen Graupelschauer - und Schneeschauern verbunden. Da kaltere Luft jedoch weniger Wasserdampf enthalt und somit weniger energiereich ist, sind diese Gewitter meistens weniger intensiv als Warmegewitter im Sommer. Allerdings konnen Gewitter im Winterhalbjahr zu oft unerwartet starken Sturmen fuhren. [15]

Frontgewitter [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Frontgewitter entstehen durch dynamische Hebung, die durch die Fronten verursacht wird. Es mussen allerdings bereits vor dem Frontdurchzug die Grundbedingungen fur Gewitter erfullt sein. Die Front ist lediglich der Ausloser (engl. ?Trigger“ genannt). Frontengewitter treten vor allem an der Vorderseite von Kaltfronten auf. Nur in seltenen Fallen konnen sie auch an Warmfronten auftreten. In diesem Fall wird die Atmosphare durch den Einschub feucht-warmer Luftmassen in den unteren Bereichen der Troposphare labilisiert, und es kommt zu sogenannten Warmlufteinschubgewittern .

Wenn eine Kaltfront aufzieht, schiebt sich die kalte Luft wie ein Keil unter die feuchtwarme Luft, wodurch diese in die Hohe gehoben wird. Auf einer bestimmten Hohe kondensiert der Wasserdampf, und es bilden sich Quellwolken , die schließlich bei geeigneten Bedingungen zu Gewitterwolken anwachsen konnen. Solche Frontgewitter konnen das ganze Jahr uber auftreten, sind allerdings im Sommer haufiger als im Winter und fallen in der Regel auch heftiger aus.

Prafrontale Konvergenz [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Eine Besonderheit, die vor allem in der warmen Jahreszeit auftritt, sind linienhaft angeordnete Gewitter entlang von Konvergenzen , die vielfach einer Kaltfront vorgelagert sind und in diesem Fall als prafrontale Konvergenzen bezeichnet werden. Im Bereich der Konvergenz, wo Windstromungen aus unterschiedlichen Richtungen zusammenfließen, kommt es noch nicht zu einem Luftmassenwechsel. Die Konvergenz macht sich am Boden bemerkbar durch einen Windsprung , der durch das konvergente Windfeld bedingt ist. Ausloser bzw. Hebungsmechanismus ist hier die zusammenstromende Luft, die entlang der Konvergenz zum Aufsteigen gezwungen wird. Im Winter sind solche Konvergenzen meistens wenig wetteraktiv, wahrend im Sommer die Haupt-Gewittertatigkeit oft an der Konvergenz und nicht an der nachfolgenden Kaltfront zu finden ist. Innerhalb von Kaltluftmassen hinter einer Kaltfront kommt es entlang von Troglinien zu Hebungsvorgangen, die Feuchtekonvektion und auch Gewitter auslosen konnen. Dieser Mechanismus ist zu allen Jahreszeiten zu beobachten, schwerpunktmaßig dabei im Winter, da dann die Dynamik von Tiefdruckgebieten am ausgepragtesten ist.

Orographische Gewitter [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Orographische Gewitter entstehen durch Hebung an Gebirgen. Uberstromt eine Luftmasse ein Gebirge, wird sie zwangslaufig gehoben. Dabei kuhlt sie sich ab und kann auskondensieren. Es kann sich bei geeigneten Bedingungen eine Gewitterwolke bilden. Orographische Gewitter konnen in Staulagen enorme Regenmengen verursachen, da sie sich unter Umstanden immer wieder an derselben Stelle bilden.

Elektrische Phanomene [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Ein Blitz innerhalb der Wolken

Die elektrostatische Aufladung der Atmosphare in der Nahe von Gewittern kann zu zwei verschiedenen Phanomenen fuhren: Erdblitz und Elmsfeuer . Letzteres kann besonders an hohen Schiffsmasten, Kirchturmspitzen oder am Cockpit-Fenster von Flugzeugen beobachtet werden und deutet auf einen unmittelbar bevorstehenden Blitzeinschlag hin.

Biologische Phanomene [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Bei Gewittern haben besonders viele Menschen Asthmabeschwerden . Nach einer australischen Studie von 2001 liegt das daran, dass bei einem Gewitter zuerst Pollen von den Feldern nach oben gewirbelt werden und anschließend die Boen mit den Pollen wieder nach unten gedruckt werden. Zudem kann der Regen die Pollenkorner aufbrechen, so dass kleine Partikel entstehen, die in die Lunge eindringen konnen. [16] In Melbourne starben am 27. November 2016 bei solch einem ?Asthma-Gewitter“ sechs Menschen. Dabei hatte der Sturm Weidelgraspollen zum Platzen gebracht. 8500 Menschen mussten medizinisch behandelt werden. [17]

Das haufig beobachtete schnellere Verderben von Lebensmitteln bei Gewittern ist darauf zuruckzufuhren, dass Warme und Feuchtigkeit vor und wahrend eines Gewitters Mikroorganismen ideale Bedingungen bieten, sich zu vermehren.

Gefahren [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

In manchen Fallen bergen starke Gewitter Gefahren wie z. B. Sturmschaden durch Fallboen ( Downbursts ) oder Tornados , Uberschwemmungen durch starken Regen und Schaden durch Hagel . Selten kommt es zu Schaden durch Blitze, etwa zu Kurzschlussen , Branden oder gar Verletzungen . Seit der Erfindung des Blitzableiters sind viele Gebaude vor Blitzen geschutzt. Jedoch kommt es immer noch zu Blitzeinschlagen in Bauernhofe (vor allem auf dem Land), die dann Großbrande zur Folge haben. Der Aufenthalt in Waldern wahrend eines Gewitters ist mitunter lebensgefahrlich. Schlagt der Blitz in einen Baum ein, kann das darin enthaltene Wasser durch die Blitzenergie schlagartig verdampfen und den Baum sprengen. [18]

Die Gefahr eines Blitzschlages besteht auch in einiger Entfernung zu der eigentlichen Gewitterzelle noch, mitunter wird von Blitzschlagen aus Nieselregen heraus ohne zuvor hor- und sichtbare Gewitter berichtet. Wolken-Boden-Blitze legen zum Teil sogar sehr große Entfernungen von 32 Kilometern und mehr zuruck. [19] Deshalb sollte man sich bei gemeldeten Gewittern nicht in der Nahe von Metallgegenstanden aufhalten, wozu im Gebirge auch die Drahtseilsicherung an Klettersteigen zahlt.

Verhaltensregeln beim Aufenthalt im Freien wahrend eines Gewitters [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Um die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz verletzt zu werden, zu minimieren, gilt es, Folgendes zu beachten:

  • Schutz in Gebauden oder Fahrzeugen suchen. Fahrzeuge mit geschlossener Metallkarosserie und viele Gebaude mit einem Blitzschutzsystem wirken in guter Naherung wie ein Faradayscher Kafig und bieten so im Inneren Sicherheit vor hohen elektrischen Feldstarken. [20]
  • Wenn kein Schutz in Gebauden oder Fahrzeugen gefunden werden kann:
    • Um nicht direkt vom Blitz getroffen zu werden:
      • Aufenthalt in offenem Gelande sowie auf Hugeln und Hohenzugen vermeiden.
      • Aufenthalt in Gewassern und Schwimmbecken vermeiden.
      • Um bei einem Blitzeinschlag in der Nahe die Schrittspannung klein zu halten: Fuße zusammenstellen, in die Hocke gehen, Arme am Korper halten und den Kopf einziehen. Nicht flach auf den Boden legen, Gummisohlen und isolierende Materialien als Standflache sind vorteilhaft. [21]
    • Um nicht von Sekundareffekten betroffen zu sein:
      • Die unmittelbare Nahe von Baumen, Masten und Turmen meiden. Blitze schlagen besonders haufig in hohe Objekte ein, gerade wenn sie frei stehen. Wenn die Grundflache des Objekts klein ist, ist die Potentialdifferenz des Bodens in seiner unmittelbaren Nahe besonders groß und die mogliche Schrittspannung deshalb besonders hoch. Wenn die Leitfahigkeit des Objekts eingeschrankt ist, wie zum Beispiel bei Baumen, besteht die Gefahr umhergeschleuderter abgesprengter Teile und des Austritts des Blitzes in Bodennahe.
      • Hohleneingange und enge Mulden (Ackerfurchen, Wasserrinnen oder Straßengraben) meiden. Besser auf ebenem Terrain mit geschlossenen Fußen in die Hocke gehen oder tiefer in die Hohle gehen (aber Vorsicht: Im Hohleninneren besteht die Gefahr von plotzlichem und starkem Wasseranstieg aufgrund starken Niederschlags). Der Blitz verteilt sich nach einem Einschlag zunachst nahe der Bodenoberflache, der er an Hohleneingangen und engen Mulden unter Umstanden nicht folgen kann. Dann springt ein Sekundarblitz uber, von dem Schutzsuchende getroffen werden konnen. [22]

Die Sicherheit hangt vom vorausschauenden Verhalten ab: Ein Gewitter kommt, außer in den Alpen und im Alpenvorland, niemals ?aus heiterem Himmel“; wer regelmaßig einen Blick in den Himmel wirft, kann ein sich naherndes Gewitter schon fruh an den dunkel und bedrohlich wirkenden Wolken erkennen. Wenn das Gewitter bemerkt wurde, sollte abhangig von seiner Entfernung und Geschwindigkeit der sicherste erreichbare Zufluchtsort angestrebt werden. Anhand der Zeitdifferenz zwischen Blitz ( Lichtgeschwindigkeit ) und Donner ( Schallgeschwindigkeit , ca. 340 m/s) lasst sich die Entfernung des Blitzes berechnen:

Durch Wiederholung der Berechnung lasst sich die Bewegungsrichtung und -geschwindigkeit des Gewitters abschatzen: Jede Sekunde, die der Abstand zwischen Blitz und Donner kurzer wird, ist es 340 m naher gekommen. Unter 6 Sekunden zwischen Blitz und Donner, also unter ca. 2 km Entfernung, ist jederzeit die Moglichkeit eines Einschlags in der Nahe gegeben. [23]

Anhand folgender Faustformel lasst sich die Entfernung des Blitzes abschatzen: [24]

Nicht ungefahrlich ist die Befolgung eines alten deutschen Sprichwortes :

Vor den Eichen sollst du weichen.
Und die Weiden sollst du meiden.
Zu den Fichten flieh mitnichten,
Linden sollst du finden,
Doch die Buchen musst du suchen!

Eine Lesart geht davon aus, dass fruher niedrige Gewachse (Busche) im Deutschen als ?Bucken“ bezeichnet wurden. Man soll sich also eher ins Gebusch schlagen, als sich neben einen Baum zu stellen. Eine andere Lesart basiert auf der Beobachtung, dass Buchen seltener vom Blitz zersprengt werden. Das liegt aber nicht daran, dass sie nicht getroffen wurden, sondern an ihrer glatten Rinde, die bei Gewitter großflachig nass wird und dann einen naturlichen Blitzableiter bildet, der den Blitz daran hindert, das Innere des Baumes zu durchlaufen. [25]

Verhalten in Gebauden wahrend eines Gewitters [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Innerhalb eines Gebaudes konnen Gefahren durch von außen hereinkommende Leitungen bestehen (u. a. Strom- oder Wasserleitungen). Durch ordnungsgemaße Erdung in Form eines Hauptpotentialausgleiches lassen sich diese aber vermeiden. Lediglich in Gebauden ohne diesen vorschriftsmaßigen Blitzschutz sollte bei Gewitter deshalb moglichst nicht geduscht, gebadet oder mit elektrischen Geraten hantiert werden, da dann durchaus Lebensgefahr bestehen kann. Eine weitere Gefahr konnen hier Telefone darstellen, besonders bei oberirdischer Zufuhrung der Telefonleitung ans Haus. Es sollte dann moglichst nicht mit schnurgebundenen Festnetztelefonen telefoniert werden. Schlagt der Blitz in die Leitung ein, stellt man mit dem Telefonhorer in der Hand eine gute Verbindung zur Erde dar. Schnurlostelefone stellen konstruktionsbedingt keine Gefahr dar. [26]

Generell gilt die Regel, dass man bei Gewitter Aufzuge nicht benutzen sollte, um bei Stromausfall nicht steckenzubleiben. [27]

Betrieb von Fahrzeugen wahrend eines Gewitters [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Der Innenraum aller Fahrzeuge mit geschlossener Metallkarosserie (Landfahrzeuge, Luftfahrzeuge, Schiffe) stellt einen Faradayschen Kafig dar, in dem keine direkte Gefahr eines Blitzschlages besteht. Offene Fenster beeintrachtigen dabei das Schutzvermogen des Fahrzeuges an sich nicht. Bei Versuchen in Hochspannungs-Labors wurden Brandspuren am Lack sowie quer uber die Reifenflanken festgestellt. [28] Nach unbelegten Vermutungen konnten indes Sekundarschaden eines Blitzeinschlages auch die Insassen betreffen.

  • Brand brennbarer Teile an der Außenseite wie z. B. Reifen, Kuhlergrill, Stoßstangen
  • Defekt der Bordelektronik und aller im Auto befindlichen elektronischen Gerate (Luftionisation, elektromagnetische Induktion )
  • Defekt von wichtigen Geraten zur Steuerung des Fahrzeuges (Bremsen, Lenkung)

Bei Gefahr eines Blitzeinschlages sollte die Fahrgeschwindigkeit reduziert werden, um bei Versagen der Bordelektronik oder eingeschrankter Fahrtuchtigkeit sofort anhalten zu konnen. Da Gewitter jedoch haufig von Hagel und schweren Wolkenbruchen begleitet werden, empfiehlt sich ohnehin eine reduzierte Fahrgeschwindigkeit. Auf Autobahnen darf auch bei Gewitter nur mit eingeschalteter Warnblinkanlage auf dem Standstreifen gehalten werden.

Schiffe aus Metall (Ganzmetallkonstruktionen) bieten im Inneren den besten Schutz, ein Aufenthalt an Deck wahrend eines Gewitters sollte vermieden werden. Hier gilt wie bei Landfahrzeugen, Fenster und Turen geschlossen zu halten und den Kontakt mit metallischen Gegenstanden zu meiden. Boote hingegen, die aus Kunststoff oder Holz gefertigt sind, bieten wenig bis gar keinen Schutz, es sei denn, es befindet sich ein eingearbeitetes und durchgehendes Drahtgitter in Kajute und Rumpf, oder das Boot besitzt einen eigenen Blitzableiter. [29]

Aus Metall konstruierte Flugzeuge und Hubschrauber bieten einen guten Schutz, wenn sie rundum geschlossen sind und geprufte Blitzschutzeinrichtungen besitzen. Aufgrund des Einsatzes moderner Verbundwerkstoffe bei Luftfahrzeugen kommt es aber immer wieder zu Komplikationen, da diese nicht oder nur schwach leitend sind. Infolgedessen kann ein Blitzeinschlag auf der Außenhaut des Flugzeuges sogenannte Brandflecken hinterlassen. Aus diesem Grund werden standig weitere Blitzschutzsysteme fur Luftfahrzeuge entwickelt. Blitzeinschlage haben, bis auf wenige Ausnahmefalle in der Vergangenheit, keine nachhaltigen Auswirkungen auf die Betriebstauglichkeit heutiger Verkehrsluftfahrzeuge. Dennoch werden Gewitter in fast allen Fallen umflogen, da man die Flugzeugstruktur und die Passagiere vor Turbulenzen bewahren mochte und Beschadigungen der Außenhulle durch Hagelkorner vermeiden will. Kleinere Flugzeuge meiden Gewitter generell, zumal sie, abgesehen von der Blitzschlaggefahr, auch nicht fur die in und um Gewitterzellen auftretenden starken Winde konstruiert sind. [30]

Philatelistisches [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Mit dem Erstausgabetag 1. Juli 2021 gab die Deutsche Post AG in der Serie Himmelsereignisse zwei Postwertzeichen im Nennwert von 80 Eurocent bzw. 370 Eurocent zum Thema Gewitter bzw. Superzelle heraus. Die Entwurfe stammen von der Grafikerin Bettina Walter aus Bonn.

Siehe auch [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Medien [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Gewitter  ? Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Gewitter  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Der Brockhaus. Wetter und Klima . Seite 117, Brockhaus, Leipzig/Mannheim 2009, ISBN 978-3-7653-3381-1 .
  2. Wetterchaos: Europa im Sturm. In: Frankfurter Rundschau. Abgerufen am 4. Juni 2017 .
  3. Marine forecasts glossary des UK Met Office
  4. Seewetterbericht fur Nord- und Ostsee. Deutscher Wetterdienst
  5. Ildiko Holderer, Wie Gewitter ohne Regen entstehen , WDR, 19. Juni 2017.
  6. Deutscher Wetterdienst Wetterlexikon: Blitz , abgerufen am 7. Juli 2017.
  7. Trockengewitter konnte verheerenden Brand ausgelost haben , Die Welt, 19. Juni 2017
  8. Deutscher Wetterdienst Wetterlexikon: Gewitter , abgerufen am 7. Juli 2017.
  9. Das großte Hagelkorn der USA ist fast so groß wie ein Handball. Abgerufen am 27. Marz 2022 .
  10. Midwest derecho devastates Iowa corn crop. Satellite imagery shows damage. In: Washington Post . ISSN   0190-8286 ( washingtonpost.com [abgerufen am 14. Mai 2023]).
  11. Houze, R.A., Jr. (2004): Mesoscale convective systems. In: Rev. Geophys. 42: RG4003
  12. http://cimss.ssec.wisc.edu/goes/misc/970708.html
  13. Alexander Stahr, Luftmassengewitter , Wissen.de, abgerufen am 25. Juli 2017.
  14. Warmegewitter - Wetterlexikon , Wetter Online, abgerufen am 25. Juli 2017.
  15. Thomas Savert, Warum gibt es Gewitter auch im Winter? Kachelmann-Wetter, 18. November 2016.
  16. Warum Gewitter den Atem rauben. In: Spiegel Online , 23. Mai 2001.
  17. Nach Asthma-Gewitter sterben sechs Menschen. ( Memento vom 27. November 2016 im Internet Archive ) In: Deutschlandfunk , 27. November 2016.
  18. US National Weather Service Caribou, Lightning Obliterates Tree in Saratoga Springs, NY , 7. Juni 2014, abgerufen am 7. Juli 2017.
  19. Meteorologen messen langsten Blitz. In: Spiegel online . 19. September 2016.
  20. Merle Sievers, Zorn der Gotter - Verhalten bei Gewitter . Suddeutsche Zeitung, 29. Juli 2013, abgerufen am 7. Juli 2017.
  21. Andreas Kohler, Verhalten bei Gewitter . Planet Wissen vom 5. April 2017, abgerufen am 7. Juli 2017.
  22. VDE Blitzschutz und Blitzforschung: Sind Hohlen ein sicherer Ort bei Gewitter? ( Memento vom 7. Juli 2017 im Internet Archive ) 13. Juni 2014, abgerufen am 7. Juli 2017.
  23. Gerhard Lux, Vorsicht Hochspannung @1 @2 Vorlage:Toter Link/www.dwd.de ( Seite nicht mehr abrufbar , festgestellt im September 2019. Suche in Webarchiven ) , Deutscher Wetterdienst 2016, abgerufen am 7. Juli 2017.
  24. Entfernung von Gewitter berechnen + Formel + Verhaltensweisen. Abgerufen am 27. Mai 2018 .
  25. Christoph Drosser, Stimmt’s? - Buchen bloß nicht suchen! , Die ZEIT Nr. 17 1998.
  26. VDI, Blitzschutz in Gebauden ( Memento vom 8. Juli 2017 im Internet Archive ) , 18. Juli 2013.
  27. BVS - Brandverhutungsstelle fur Oberosterreich, Brandfallsteuerung fur Personenaufzuge @1 @2 Vorlage:Toter Link/www.bvs-ooe.at ( Seite nicht mehr abrufbar , festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven ) , Merkblatt, 15. Marz 2006.
  28. ADAC, Sicherheit auch bei Blitzeinschlag , 3. Juli 2015.
  29. Sportbootfuehrerschein.de Gewitter auf See , 6. Marz 2008.
  30. Nikolaus Braun Ist ein Gewitter fur ein Flugzeug gefahrlich? , airliners.de, 1. Dezember 2015.