Ein
Gewitter
ist eine mit luftelektrischen
Entladungen
(
Blitz
und
Donner
) verbundene, komplexe,
meteorologische
Erscheinung. Im Durchschnitt treten auf der
Erde
etwa 1600 Gewitter gleichzeitig auf, die auf uber 0,3 Prozent der Erdoberflache stattfinden.
[1]
Gewitter werden in der Regel von kraftigen,
wolkenbruchartigen
Regen
- oder
Hagelschauern
begleitet. Vor einer Gewitterfront wehen
boige
Winde
mit bis zu
Sturmstarke
. Seltenere Begleiterscheinungen sind
Tornados
und
Downbursts
. Starke Gewitter konnen auch als
Unwetter
bezeichnet werden. Sommergewitter treten wesentlich haufiger auf als Wintergewitter, die auch mit kraftigen
Schneeschauern
verbunden sein konnen.
Durch aufsteigende feuchtwarme Luftmassen baut sich eine große Gewitterwolke (auch
Cumulonimbus
genannt) bis in die hohere, kaltere
Troposphare
auf. Solche aufsteigenden Luftstromungen bilden sich, wenn in einem begrenzten Gebiet eine hohere
Temperatur
als in der naheren Umgebung erreicht wird (z. B. infolge der Sonneneinstrahlung oder unterschiedlicher Warmeabgabe des Untergrundes, wie bei Wasserflachen, Feldern und Waldgebieten oder Warmefreisetzung durch
Kondensation
).
Fur die Entstehung von Gewittern werden 3 Faktoren benotigt:
Gewitter konnen entstehen, wenn eine hinreichend große
vertikale Temperaturabnahme in der Atmosphare
vorhanden ist, d. h. wenn die
Temperatur
mit zunehmender Hohe so stark abnimmt, dass ein Luftpaket durch Kondensation instabil wird und aufsteigt (bedingt labile Schichtung). Dafur muss die Temperatur pro 100 Hohenmeter um mehr als 0,65 K abnehmen. Ein aufsteigendes auskondensiertes Luftpaket kuhlt sich beim Aufstieg um ca. 0,65 K/100 m (
feuchtadiabatischer Aufstieg
) ab. Durch die freiwerdende
Kondensationsenthalpie
kuhlt es dabei jedoch weniger schnell als die umgebende Luft ab. Dadurch wird es warmer und damit aufgrund der Dichteabnahme leichter als die Umgebungsluft; ein
Auftrieb
wird erzeugt. Aus diesem Grund ist fur die Entstehung eines Gewitters eine feuchte
Luftschicht
in Bodennahe notwendig, die uber die Kondensationsenthalpie (fruher auch
latente Warme
genannt) den Energielieferanten fur die
Feuchtekonvektion
darstellt und somit die Gewitterbildung uberhaupt erst ermoglicht. Die Kondensationsenthalpie ist die im Wasserdampf enthaltene Energie, die bei der Kondensation in Form von Warme und
Volumenarbeit
freigesetzt wird. Der
Konvektiv-Index
, als meteorologische Große, ist einer von vielen Indikatoren fur die Gewitterneigung.
Auch wenn die Grundbedingungen (geeignete Temperaturschichtung und Feuchte in Bodennahe) fur ein Gewitter erfullt sind, muss nicht zwangslaufig eines entstehen. Erst die
Hebung
der feucht-warmen Luftschicht am Boden lost ein Gewitter aus. Dafur sind Faktoren wie
Wind
- und
Luftdruckverhaltnisse
, die
Topographie
, sowie die
Luftschichtung
relevant. Da einige dieser Faktoren durch
Vorhersagemodelle
schwierig vorauszuberechnen sind und von Ort zu Ort stark variieren, ist die
Vorhersage
von Gewittern außerordentlich schwierig.
Wie Forscher der Universitat Karlsruhe herausfanden, hat sich im langjahrigen Durchschnitt die Intensitat der Gewitter, aber nicht deren Haufigkeit erhoht. Ablesbar sei das vor allem an der Zunahme der
Hagelunwetter
.
[2]
Gewitter bilden sich an den mitteleuropaischen Meereskusten meist uber einen langeren Zeitraum. Dem entspricht z. B. die Sprachregelung des britischen Seewetterdienstes fur Sturmwarnungen:
imminent
(
unmittelbar bevorstehend
) bedeutet innerhalb der nachsten sechs Stunden,
soon
(
bald
) bedeutet innerhalb von zwolf Stunden und
later
(
spater
) in der danach folgenden Zeit.
[3]
Der deutsche Seewetterbericht gibt Sturmwarnungen fur die nachsten zwolf Stunden heraus.
[4]
Ein sich tatsachlich naherndes oder aufbauendes Gewitter lasst sich an der Kuste und im Inland meist schon fruh an den dunkel und bedrohlich wirkenden Wolken erkennen. Im Gegensatz dazu kann in den Alpen und im Alpenvorland ein Gewitter innerhalb von 10 bis 15 Minuten buchstablich ?aus heiterem Himmel“ entstehen, das sich allenfalls in Anderungen des Luftdrucks, der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit ankundigt, die ohne Messgerate meist nur von Einheimischen
erfuhlt
werden konnen.
Durch
Hebung
kuhlt ein feuchtes
Luftpaket
zunachst
trockenadiabatisch
(1,0 K/100 m) ab, bis seine Temperatur die
Taupunkttemperatur
erreicht. Ab dieser Temperatur beginnt der im Luftpaket enthaltene
Wasserdampf
zu
kondensieren
und es bildet sich eine
Quellwolke
, die schließlich bei geeigneten Bedingungen zu einer Gewitterwolke, einem sogenannten
Cumulonimbus
(kurz: Cb), anwachsen kann. Bei dem Kondensationsvorgang wird im Wasserdampf gespeicherte Energie (
Kondensationsenthalpie
) in Form von Warme freigesetzt, wodurch die Temperatur steigt. Dadurch sinkt die Dichte des Luftpakets relativ zur Umgebung und es erhalt zusatzlichen Auftrieb. Liegt eine sogenannte
bedingt labile Schichtung
der Atmosphare vor, so steigt das Luftpaket bis in eine Hohe auf, wo die Temperaturdifferenz pro Hoheneinheit (
Temperaturgradient
) wieder abnimmt. Dadurch verringert sich der Temperatur- und Dichteunterschied im Vergleich zur Umgebungsluft wieder. Ist die Dichte des Luftpakets schließlich gleich der Dichte der Umgebungsluft, verschwindet die Auftriebskraft, und die aufsteigende Luft wird gebremst. Dieses Niveau wird Gleichgewichtsniveau (
Equilibrium Level
) genannt und an dieser
Luftmassengrenze
kann sich die Wolke horizontal ausbreiten. Dadurch entsteht ihre charakteristische
diapirartige
Ambossform
, weshalb sie auch
Ambosswolke
genannt wird. Meistens befindet sich dieses Gleichgewichtsniveau in der Nahe der
Tropopause
. Diese liegt in
Mitteleuropa
zwischen 8 km Hohe im Winter und 12 km Hohe im Sommer. In den
Tropen
liegt die Tropopause auf ca. 16 km Hohe. Deswegen werden die Gewitter in den Tropen wesentlich hoher als in unseren Breiten.
Die Bewegungsenergie, die ein Luftpaket bei seinem Aufstieg erhalt, wird auch als
Labilitatsenergie
bezeichnet. Je großer die Labilitatsenergie, desto hoher ist die maximale Aufwindgeschwindigkeit in der Gewitterwolke. Die Intensitat von Gewittern hangt eng mit der vorhandenen Labilitatsenergie zusammen. Aufgrund ihrer Tragheit konnen die Luftpakete ahnlich einem Springbrunnen uber das Gleichgewichtsniveau hinausschießen (konvektives Uberschießen), und zwar umso hoher, je großer die Labilitatsenergie und damit die Geschwindigkeit des Aufwindes ist. Solche
overshooting tops
konnen Hohen von uber 20 km erreichen.
In der Gewitterwolke herrschen starke
Aufwinde
, die unter Umstanden verhindern, dass kleinere Regentropfen aus der Wolke nach unten fallen. Die Regentropfen und Eiskornchen werden dann immer wieder nach oben getragen, wo sie gefrieren und sich neues Eis anlagert. Dieser Vorgang wiederholt sich so oft, bis die Eiskorner so schwer geworden sind, dass sie von den Aufwinden nicht mehr gehalten werden konnen. Dann fallen entweder sehr dicke, kalte Regentropfen,
Graupel
oder sogar
Hagelkorner
aus der Gewitterwolke auf die Erde. Je starker die Aufwinde in der Gewitterwolke sind, desto großer konnen die Hagelkorner werden. Bei sehr großtropfigem konvektivem Niederschlag (
Platzregen
) handelt es sich in der warmen Jahreszeit oder in den Tropen meistens um aufgeschmolzene Hagelkorner.
Der Blitz entsteht aufgrund der hohen Vertikalwindgeschwindigkeiten, die nur innerhalb von Gewitterwolken auftreten konnen. Eine weitere Bedingung fur die Entstehung von Blitzen sind Eiskristalle innerhalb der Gewitterwolke. Eiskristalle transportieren aufgrund ihrer Große unterschiedliche Ladungen und fuhren an den Grenzflachen zwischen Auf- und Abwinden zur weiteren Ladungstrennung. Die Blitzentladung sorgt schließlich fur einen Abbau der aufgebauten
elektrischen Spannung
.
Wenn bei einem Gewitter der Niederschlag am Erdboden ausbleibt, spricht man von einem Trockengewitter. Dazu kommt es, wenn der Niederschlag zwischen Wolkenuntergrenze und Boden uber eine ausreichend lange Strecke durch eine sehr trockene Luftschicht fallt, in der er vollstandig verdunstet.
[5]
Das erhoht die Brandgefahr durch Blitzschlag, da die brandhemmende Wirkung des Regens ausbleibt.
[6]
Großbrande der portugiesischen Bergwalder im Sommer 2017 wurden mit Trockengewittern in Zusammenhang gebracht.
[7]
In Mitteleuropa sind Trockengewitter selten.
[8]
Als
Eruptionsgewitter
werden atmospharische Entladungen bezeichnet, deren Ursachen auf den
Ausbruch
eines
Vulkans
zuruckzufuhren sind. Durch Reibung von
Tephra
-Partikeln (staubfeine
Ascheteilchen
) in einer
Eruptionssaule
bei Vulkanausbruchen kommt es zu einer statischen Aufladung. Abgebaut wird diese Ladung durch einen Blitz.
Eine
Gewitterzelle
ist die kleinste abgeschlossene Einheit, aus der ein Gewitter aufgebaut sein kann. Sie durchlauft immer drei Stadien, ein
Wachstumsstadium
, ein
Reifestadium
und ein
Zerfallsstadium
. Eine Gewitterzelle ist aus einer
Cumulonimbuswolke
aufgebaut, in der Auf- und Abwinde auftreten. Haufig schließen sich mehrere Gewitterzellen zusammen und bilden großere, zusammenhangende Einheiten von Gewittern.
Bei der
Einzelzelle
handelt es sich um eine einzelne Gewitterzelle. Es ist die kleinstmogliche abgeschlossene Form, in der ein Gewitter auftreten kann. Ihre Lebensdauer betragt zwischen 30 Minuten und einer Stunde. Sie entsteht bei schwacher
Windscherung
, das heißt, wenn der Wind mit der Hohe nur unwesentlich zunimmt. Meistens verursachen Einzelzellen relativ schwache Gewitter.
Die Einzelzelle durchlauft drei Stadien:
- Wachstumsstadium:
In dieser Phase existiert nur ein Aufwind. Dieser wird durch die Freisetzung von
Labilitatsenergie
erzeugt. Zuerst bildet sich ein Cumulus Congestus. Wenn die Wolke in den oberen Teilen vereist, entsteht ein Cumulonimbus, die eigentliche Gewitterwolke. Noch sind keine Abwinde vorhanden, und es fallt kein Niederschlag aus der Wolke. Es konnen aber in seltenen Fallen schwache
Tornados
auftreten.
- Reifestadium:
In dieser Phase existieren sowohl Aufwinde als auch Abwinde. Der Abwind bildet sich durch fallenden Niederschlag, der kalte Luft aus hoheren Schichten nach unten transportiert. Aufgrund schwacher Windscherung konnen sich Auf- und Abwind nicht voneinander trennen. Der Niederschlag fallt auch in den Aufwind zuruck und schwacht diesen damit ab. Am Boden setzt Niederschlag in Form von Regen,
Graupel
oder kleinem
Hagel
ein. Anfangs konnen noch schwache Tornados auftreten. Meistens ist die Niederschlagsintensitat zu Beginn der Reifephase am hochsten. Am Boden treten vereinzelt Boen auf. Fast alle
Blitze
treten wahrend dieser Phase auf.
- Zerfalls- oder Auflosungsstadium:
In dieser Phase existiert nur noch ein Abwind. Die Zelle regnet aus. Die
Cumulonimbuswolke
lost sich auf. Der vereiste Wolkenschirm (
Cirrus
oder Cirrostratus cumulonimbogenitus) kann aber noch uber langere Zeit bestehen bleiben.
Eine Sonderform der Einzelzelle ist ein
Impulsgewitter
, das dann auftritt, wenn viel Labilitatsenergie bei geringer Windscherung vorhanden ist. Ein Impulsgewitter ist kraftiger als eine gewohnliche Einzelzelle und kann schwache Tornados, kraftige Fallboen (
Downbursts
) und Hagel verursachen.
Isolierte Einzelzellen sind selten. Meistens treten mehrere Gewitterzellen nebeneinander auf, sogenannte Multizellengewitter.
Bei
Superzellen
handelt es sich um eine Sonderform von Einzelzellen, die durch ihren hohen Grad an organisierter Struktur ausgezeichnet sind. Sie konnen auch in einem Zell-Cluster oder einer Boenlinie eingebettet sein.
Wesentliches Merkmal einer Superzelle ist eine hochreichende persistente Rotation des Aufwindbereiches, die sogenannte
Mesozyklone
. Hochreichend heißt, dass mindestens ein Drittel der Aufwinde rotiert; persistent heißt, dass die Rotation mindestens so lange andauert wie ein Konvektionszyklus. Das sind gewohnlich etwa 10 bis 20 Minuten, per Definition muss allerdings mindestens 30 Minuten lang Rotation vorliegen, damit man von einer Superzelle sprechen kann. Dabei uberwiegt die
zyklonale
Rotation: auf der Nordhalbkugel entgegen dem Uhrzeigersinn, auf der Sudhalbkugel umgekehrt.
Ursachlich ist eine vertikale
Windscherung
, also eine Anderung der Windgeschwindigkeit und -richtung mit der Hohe. Meistens nimmt dabei der Wind unter Rechtsdrehung mit der Hohe zu. Die
Corioliskraft
hat keinen direkten Einfluss hierauf, da Mesozyklonen zu kleinraumig sind. Indirekt spielt sie aber insofern eine Rolle, als das großraumige Windfeld, in das die Mesozyklone eingebettet ist, durch die Corioliskraft ? neben
Druckgradient
,
Zentrifugalkraft
und Bodenreibung ? mit bestimmt wird. Die erwahnte Rechtsdrehung des Windes mit der Hohe ist ein solcher Effekt.
Weitere Kennzeichen einer Superzelle sind neben dem Vorhandensein einer Mesozyklone eine raumliche Trennung der Auf- und Abwindbereiche. Dabei ist der Aufwind durch die vertikale Geschwindigkeitszunahme geneigt, meistens in Richtung des Windes im mittelhohen Niveau (ca. 5 km). Der im Abwindbereich ausfallende Niederschlag stort somit nicht durch seine
Verdunstungskuhlung
die Zufuhr feuchtwarmer Luft in den Aufwindbereich.
Bildung einer Mesozyklone
Stadium 1: Scherwinde aus unterschiedlichen Richtungen (rote Pfeile) fuhren zu einer horizontalen Rotation der Luftmassen (grune Spirale)
Stadium 2: Durch die Drehung der Luftmassen (grune Spirale) beginnt sich die rotierende Luftsaule aufzurichten (blauer Pfeil)
Stadium 3: Die aufgerichtete rotierende Luftsaule (grune Spirale) saugt ihrerseits neue Luft in die Luftsaule, die sich dadurch verstarkt (blaue Spirale)
Es werden anhand der Niederschlagsintensitat drei Typen von Superzellen unterschieden:
- LP-Superzelle
(
englisch
low precipitation supercell
) ? hier ist das Niederschlagsfeld meistens klein und auf den Zellkern beschrankt. Dort kann aber sehr großkorniger Hagel auftreten, wahrend Tornados nur selten auftreten. Dieser Typ tritt haufig in den westlichen
Great Plains
der USA an der Grenze feucht-warmer Luft aus dem Golf von Mexiko zu trocken-heißer Wustenluft aus dem Sudwesten der USA auf. In Mitteleuropa ist er recht selten.
- Klassische Superzelle
(
englisch
classic supercell
) ? die haufigste und typische Form von Superzellen. Das Niederschlagsfeld ist ausgedehnter als im vorigen Fall und der Zellkern mit den starksten Niederschlagen (Starkregen und Hagel) wickelt in der Regel hakenformig um die Mesozyklone (
Hakenecho
oder engl.
hook echo
). Tornados treten bei diesem Typ wesentlich haufiger auf als bei der LP-Superzelle.
- HP-Superzelle
(
englisch
high precipitation supercell
) ? die niederschlagsintensivste Form von Superzellen. Das Niederschlagsfeld ist sehr ausgedehnt und es kommt uber einem recht großen Gebiet zu Starkregen oder Hagel. Der Zellkern mit den intensivsten Niederschlagen weist haufig eine nierenformige Struktur auf. Das Niederschlagsgebiet umschließt die Mesozyklone großtenteils und verdeckt damit manchmal die Sicht auf einen allfalligen Tornado (
bear's cage
= Barenkafig). Diese mit Regen umwickelten (
rain-wrapped
) Tornados sind besonders gefahrlich und fur die meisten Todesfalle in den USA verantwortlich.
Daneben gibt es noch die Sonderform
flacher Superzellen
(
low-topped supercell, mini supercell
) geringerer Hohenerstreckung, aber mit persistenter Mesozyklone. Diese treten in der Regel in Kaltluftmassen auf. Wichtig ist auch, dass eine Superzelle keine elektrische Aktivitat (
Blitze
) zeigen muss, auch wenn die meisten Superzellen nicht nur als
Schauer
, sondern auch als Gewitter auftreten.
Die Unterschiede einer Superzelle gegenuber einer normalen Zelle:
- Eine Superzelle ist im Allgemeinen bedeutend langlebiger, sie lebt manchmal mehrere Stunden. Ihre raumliche Ausdehnung kann betrachtlich sein, ist aber nicht notwendig großer als die einer Einzel- oder Multizelle.
- Die Zugrichtung von Superzellen zeigt meistens ein Ausscheren nach rechts (auf der Sudhalbkugel nach links) gegenuber dem steuernden Wind im mittleren Niveau der Troposphare, der die Zugrichtung normaler Gewitterzellen bestimmt.
- Es treten deutlich intensivere Wettererscheinungen und Auspragungen der Wolke und auch spezielle Wolkenformen auf. Hierzu zahlt vor allem die sogenannte
Wallcloud
, die als Absenkung der regenfreien Wolkenbasis unter dem rotierenden Aufwind in Erscheinung tritt.
- Die intensiven Begleiterscheinungen machen Superzellen zur gefahrlichsten Art von Gewitterzellen. Sie sind oft begleitet von
Wolkenbruchen
, großem
Hagel
uber 4 cm Durchmesser und schweren Fallboen (
Downbursts
). Bei ca. 10?20 % aller Superzellen kommt es zur Bildung mesozyklonaler
Tornados
.
- Superzellen sind bekannt fur die Bildung von großen bis sehr großen Hagelkornern, da sie durch die Mesozyklone und das mehrmalige Schleudern in die kalteren hoheren Luftschichten mehrere Schichten um den Hagelkern entstehen lasst. So ging das großte Hagelkorn der USA ? entstanden durch eine Superzelle ? am 22. Juni 2003 in der kleinen Stadt Aurora in Nebraska nieder
[9]
. Mit einem Durchmesser von 17,8 Zentimetern und einem Umfang von 47,6 Zentimetern hatte es etwa die Große eines Handballs.
Lange Zeit galten Superzellen mit wenigen Ausnahmen allein auf die USA beschrankt (nach letzten Erkenntnissen sind es hier mehrere tausend pro Jahr), mittlerweile hat sich aber gezeigt, dass sie bei geeigneten Bedingungen in vielen Gebieten der Erde (auch in den Tropen) auftreten konnen.
Vermutlich liegt die Anzahl rotierender Sturme an der Gesamtzahl der Gewitter um 5 % (Untersuchungen aus den USA sowie Mitteleuropa), der Versuch einer Aufnahme aller jahrlichen Superzellen in eine statistische Auswertung ist derzeit jedoch nur aus Osterreich bekannt (von 2003 bis 2005 im Schnitt etwas mehr als 50 rotierende Gewitter jahrlich registriert).
Nahezu alle sehr starken oder verheerenden Tornados (F3 und daruber auf der
Fujita-Skala
) gehen aus Superzellen bzw. den zugehorigen Mesozyklonen hervor. Schwachere Tornados (F0 bis F2) konnen sowohl mesozyklonalen als auch nicht-mesozyklonalen Ursprungs sein. Je nach Region uberwiegt hier aber der letztgenannte Typ.
Superzellen sind in eindeutiger Weise nur anhand der Rotation
(TVS,
Tornado Vortex Signature
)
erkennbar, die auch beim
Doppler-Velocity-Scan
im
Wetterradar
sichtbar wird.
Eine
Multizelle
besteht aus mehreren einzelnen Gewitterzellen, die relativ nahe beieinander liegen und interagieren. Die Zellen konnen sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden. Bei der Multizelle lasst der Abwind einer Gewitterzelle eine neue Zelle entstehen. Obwohl die Lebensdauer einer Zelle innerhalb des Komplexes nicht hoher ist als die einer isolierten Einzelzelle, kann das ganze System insgesamt wesentlich langer als eine Stunde existieren. Die Gewitterzellen treten entweder in Gruppen (
Multizellen-Clustern
) auf oder ordnen sich entlang einer
Multizellen-Linie
an.
Die Gewitterzellen konnen sich linienformig anordnen. Diese Gewitterlinien konnen mehrere 100 km lang werden. Man bezeichnet sie auch als Boenlinien (engl.
squall lines
), da an der Vorderseite von diesen haufig kraftige Sturmwinde auftreten. Diese
Boenfront
sorgt dafur, dass standig neue Gewitterzellen entstehen, welche die alten ersetzen. Dieses geschieht, indem sich die kuhlere und schwerere Luft, die unter den Gewittern entsteht, vor die Gewitterlinie schiebt. Dort wird die feucht-warme und somit energiereiche Luftmasse angehoben, wodurch eine neue Zelle entsteht. Dieser Prozess halt solange an, wie die Luft an der Vorderseite instabil geschichtet und ausreichend feucht ist.
Bei einem
Derecho
(
Aussprache
[
d??re?t?o?
] von
spanisch
derecho
) handelt es sich um eine langgezogene, langlebige Gewitterlinie, die verbreitet starke Sturmwinde (
Downbursts
) verursacht. Um der Definition eines Derechos gerecht zu werden, muss sie auf mindestens 450 km Lange wirksam sein und dabei immer wieder schwere Sturmboen uber 93 km/h hervorbringen.
Im August 2020 vernichtete ein Derecho uber 40 % der Ernten in
Iowa
.
[10]
Gewitterzellen konnen sich zu sogenannten Clustern gruppieren, die als Ganzes gesehen eine langere Lebensdauer aufweisen. Cluster zeigen sich im Satellitenbild als Ansammlungen von runden oder ovalen Punktwolken, wobei die Punkte die Einzelzellen darstellen.
- Mesoskaliges konvektives System
(MCS): Ein MCS ist ein Komplex aus mehreren Gewitterzellen, der sich auf einer großeren Skala organisiert als eine einzelne Gewitterzelle. Ein MCS hat eine Lebensdauer von mehreren Stunden. Der MCS kann von oben gesehen eine runde oder ovale Form annehmen. Er kann auch innerhalb von
tropischen Zyklonen
, Gewitterlinien und MCCs auftreten.
- Mesoskaliger konvektiver Komplex
(MCC): Ein MCC ist ein großer MCS, der normalerweise eine runde oder leicht ovale Form aufweist. Er erreicht seine großte Intensitat gewohnlich wahrend der Nacht. Ein MCC wird definiert uber die Große, die Lebensdauer und die
Exzentrizitat
(auch
Rundheit
), basierend auf dem Wolkenschirm, der auf dem
Satellitenbild
beobachtet werden kann:
- Große: Die Temperatur der Wolkenoberseite muss auf einer Flache von mindestens 100.000 km² ?32 °C oder weniger betragen. Die Temperatur der Wolkenoberseite muss auf einer Flache von mindestens 50.000 km² ?52 °C oder weniger betragen.
- Lebensdauer: Das Großenkriterium muss mindestens 6 Stunden erfullt sein.
- Exzentrizitat: Das Verhaltnis zwischen kurzester und langster Achse darf nicht unter 0,7 liegen.
- Mesoskaliger konvektiver Wirbel
(MCV): Ein MCV ist eine große
Mesozyklone
eines MCS. Nachdem sich ein MCS aufgelost hat, kann ?sein“ MCV noch bis zu 2 Tage uberleben und ist nicht selten die Quelle des nachsten Gewitter-Outbreaks. Wenn ein MCV in tropische Gewasser zieht, kann es sich zum Kern eines tropischen Sturmes oder Hurricans entwickeln.
[11]
[12]
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Die Bildung von hochreichender konvektiver Bewolkung und Gewittern setzt neben einer
bedingt labilen Schichtung
zur Auslosung der
Feuchtekonvektion
einen Hebungsantrieb voraus. Hinsichtlich der Auslosemechanismen konnen verschiedene Gewittertypen unterschieden werden.
Luftmassengewitter
treten in einer einheitlichen
Luftmasse
auf, d. h. die Temperatur verandert sich in horizontaler Richtung kaum. Die Temperatur muss aber mit der Hohe hinreichend stark abnehmen und es muss ein bodennaher Heizmechanismus vorliegen (man spricht von
thermischer Auslosung
des Gewitters).
[13]
Man unterscheidet zwischen zwei Haupttypen von Luftmassengewittern: Warmegewitter und Wintergewitter.
Warmegewitter
(auch
Sommergewitter
oder
Konvektionsgewitter
genannt) entstehen in Mitteleuropa praktisch ausschließlich im Sommerhalbjahr. Die starke Sonneneinstrahlung erwarmt die Luft vor allem in Bodennahe und lasst zudem viel Wasser durch
Evapotranspiration
verdunsten
. Dadurch erhoht sich der vertikale Temperaturgradient im Tagesverlauf. Die Temperatur steigt vor allem am Boden stark an, wahrend sie in der Hohe nahezu konstant bleibt. Ab einer bestimmten Temperatur (
Auslosetemperatur
) beginnen Warmluftblasen in die Hohe zu steigen, da sie warmer und somit leichter sind als die Luft in ihrer Umgebung. Dabei kuhlen sie sich ab und erreichen schließlich das Kondensationsniveau. Ist die Atmosphare daruber feuchtlabil geschichtet, so werden auf diese Weise thermische Gewitter ausgelost. Warmegewitter treten meistens in den Nachmittags- und Abendstunden auf.
[14]
Wintergewitter
entstehen im Winterhalbjahr. Sie sind deutlich seltener als Warmegewitter im Sommer. Ihre Entstehung ist prinzipiell dieselbe wie die der Warmegewitter. Allerdings fehlt im Winter oft eine ausreichend starke Sonneneinstrahlung. Deswegen kann ein hoher Temperaturgradient nur durch starke Abkuhlung in der Hohe zustande kommen. Das geschieht durch Zufuhr von
Hohenkaltluft
, die meistens polaren Ursprungs ist. Uber See wird die Feuchtekonvektion spontan und tageszeitunabhangig thermisch durch den starken Temperaturgradienten zwischen der relativ warmen Meeresoberflache und der daruber gefuhrten relativ kalten Luft ausgelost. Auf
Satellitenbildern
sind diese Luftmassen an der zellularen konvektiven Bewolkung deutlich zu erkennen. Uber Land hingegen tritt dieser Mechanismus zuruck, und es ist unter Einfluss der ? wenn auch schwachen ? Einstrahlung ein Tagesgang der Konvektion zu beobachten. Wintergewitter treten am haufigsten in den Mittags- und fruhen Nachmittagsstunden auf. Allerdings ist die in den unteren Schichten uber dem Meer erwarmte Luft oft recht weit ins Binnenland hinein noch genugend labil, um Konvektion auszulosen. Am heftigsten sind die Wettererscheinungen dabei in den Kustenregionen
(
Lake effect snow
)
. Wintergewitter sind oft mit kraftigen
Graupelschauer
- und
Schneeschauern
verbunden. Da kaltere Luft jedoch weniger Wasserdampf enthalt und somit weniger energiereich ist, sind diese Gewitter meistens weniger intensiv als Warmegewitter im Sommer. Allerdings konnen Gewitter im Winterhalbjahr zu oft unerwartet starken Sturmen fuhren.
[15]
Frontgewitter
entstehen durch
dynamische
Hebung, die durch die Fronten verursacht wird. Es mussen allerdings bereits vor dem Frontdurchzug die Grundbedingungen fur Gewitter erfullt sein. Die Front ist lediglich der Ausloser (engl. ?Trigger“ genannt). Frontengewitter treten vor allem an der Vorderseite von
Kaltfronten
auf. Nur in seltenen Fallen konnen sie auch an
Warmfronten
auftreten. In diesem Fall wird die Atmosphare durch den Einschub feucht-warmer Luftmassen in den unteren Bereichen der Troposphare labilisiert, und es kommt zu sogenannten
Warmlufteinschubgewittern
.
Wenn eine Kaltfront aufzieht, schiebt sich die kalte Luft wie ein Keil unter die feuchtwarme Luft, wodurch diese in die Hohe gehoben wird. Auf einer bestimmten Hohe kondensiert der Wasserdampf, und es bilden sich
Quellwolken
, die schließlich bei geeigneten Bedingungen zu Gewitterwolken anwachsen konnen. Solche Frontgewitter konnen das ganze Jahr uber auftreten, sind allerdings im Sommer haufiger als im Winter und fallen in der Regel auch heftiger aus.
Eine Besonderheit, die vor allem in der warmen Jahreszeit auftritt, sind linienhaft angeordnete Gewitter entlang von
Konvergenzen
, die vielfach einer Kaltfront vorgelagert sind und in diesem Fall als
prafrontale Konvergenzen
bezeichnet werden. Im Bereich der Konvergenz, wo Windstromungen aus unterschiedlichen Richtungen zusammenfließen, kommt es noch nicht zu einem Luftmassenwechsel. Die Konvergenz macht sich am Boden bemerkbar durch einen
Windsprung
, der durch das konvergente Windfeld bedingt ist. Ausloser bzw. Hebungsmechanismus ist hier die zusammenstromende Luft, die entlang der Konvergenz zum Aufsteigen gezwungen wird. Im Winter sind solche Konvergenzen meistens wenig wetteraktiv, wahrend im Sommer die Haupt-Gewittertatigkeit oft an der Konvergenz und nicht an der nachfolgenden Kaltfront zu finden ist. Innerhalb von Kaltluftmassen hinter einer Kaltfront kommt es entlang von
Troglinien
zu Hebungsvorgangen, die Feuchtekonvektion und auch Gewitter auslosen konnen. Dieser Mechanismus ist zu allen Jahreszeiten zu beobachten, schwerpunktmaßig dabei im Winter, da dann die
Dynamik
von Tiefdruckgebieten am ausgepragtesten ist.
Orographische Gewitter
entstehen durch Hebung an Gebirgen. Uberstromt eine Luftmasse ein Gebirge, wird sie zwangslaufig gehoben. Dabei kuhlt sie sich ab und kann auskondensieren. Es kann sich bei geeigneten Bedingungen eine Gewitterwolke bilden.
Orographische
Gewitter konnen in
Staulagen
enorme Regenmengen verursachen, da sie sich unter Umstanden immer wieder an derselben Stelle bilden.
Die
elektrostatische Aufladung
der Atmosphare in der Nahe von Gewittern kann zu zwei verschiedenen Phanomenen fuhren:
Erdblitz
und
Elmsfeuer
. Letzteres kann besonders an hohen Schiffsmasten, Kirchturmspitzen oder am Cockpit-Fenster von Flugzeugen beobachtet werden und deutet auf einen unmittelbar bevorstehenden Blitzeinschlag hin.
Bei Gewittern haben besonders viele Menschen
Asthmabeschwerden
. Nach einer australischen Studie von 2001 liegt das daran, dass bei einem Gewitter zuerst Pollen von den Feldern nach oben gewirbelt werden und anschließend die Boen mit den Pollen wieder nach unten gedruckt werden. Zudem kann der Regen die Pollenkorner aufbrechen, so dass kleine Partikel entstehen, die in die Lunge eindringen konnen.
[16]
In
Melbourne
starben am 27. November 2016 bei solch einem ?Asthma-Gewitter“ sechs Menschen. Dabei hatte der Sturm
Weidelgraspollen
zum Platzen gebracht. 8500 Menschen mussten medizinisch behandelt werden.
[17]
Das haufig beobachtete schnellere Verderben von Lebensmitteln bei Gewittern ist darauf zuruckzufuhren, dass Warme und Feuchtigkeit vor und wahrend eines Gewitters Mikroorganismen ideale Bedingungen bieten, sich zu vermehren.
In manchen Fallen bergen starke Gewitter
Gefahren
wie z. B.
Sturmschaden
durch
Fallboen
(
Downbursts
) oder
Tornados
,
Uberschwemmungen
durch starken
Regen
und Schaden durch
Hagel
. Selten kommt es zu Schaden durch Blitze, etwa zu
Kurzschlussen
,
Branden
oder gar
Verletzungen
. Seit der Erfindung des
Blitzableiters
sind viele Gebaude vor Blitzen geschutzt. Jedoch kommt es immer noch zu Blitzeinschlagen in Bauernhofe (vor allem auf dem Land), die dann Großbrande zur Folge haben. Der Aufenthalt in Waldern wahrend eines Gewitters ist mitunter lebensgefahrlich. Schlagt der Blitz in einen Baum ein, kann das darin enthaltene Wasser durch die Blitzenergie schlagartig verdampfen und den Baum sprengen.
[18]
Die Gefahr eines Blitzschlages besteht auch in einiger Entfernung zu der eigentlichen
Gewitterzelle
noch, mitunter wird von Blitzschlagen aus Nieselregen heraus ohne zuvor hor- und sichtbare Gewitter berichtet. Wolken-Boden-Blitze legen zum Teil sogar sehr große Entfernungen von 32 Kilometern und mehr zuruck.
[19]
Deshalb sollte man sich bei gemeldeten Gewittern nicht in der Nahe von Metallgegenstanden aufhalten, wozu im Gebirge auch die Drahtseilsicherung an Klettersteigen zahlt.
Verhaltensregeln beim Aufenthalt im Freien wahrend eines Gewitters
[
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Um die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz verletzt zu werden, zu minimieren, gilt es, Folgendes zu beachten:
- Schutz in Gebauden oder Fahrzeugen suchen. Fahrzeuge mit geschlossener Metallkarosserie und viele Gebaude mit einem Blitzschutzsystem wirken in guter Naherung wie ein
Faradayscher Kafig
und bieten so im Inneren Sicherheit vor hohen elektrischen Feldstarken.
[20]
- Wenn kein Schutz in Gebauden oder Fahrzeugen gefunden werden kann:
- Um nicht direkt vom Blitz getroffen zu werden:
- Aufenthalt in offenem Gelande sowie auf Hugeln und Hohenzugen vermeiden.
- Aufenthalt in Gewassern und Schwimmbecken vermeiden.
- Um bei einem Blitzeinschlag in der Nahe die
Schrittspannung
klein zu halten: Fuße zusammenstellen, in die Hocke gehen, Arme am Korper halten und den Kopf einziehen. Nicht flach auf den Boden legen, Gummisohlen und
isolierende Materialien
als Standflache sind vorteilhaft.
[21]
- Um nicht von Sekundareffekten betroffen zu sein:
- Die unmittelbare Nahe von Baumen, Masten und Turmen meiden. Blitze schlagen besonders haufig in hohe Objekte ein, gerade wenn sie frei stehen. Wenn die Grundflache des Objekts klein ist, ist die
Potentialdifferenz
des Bodens in seiner unmittelbaren Nahe besonders groß und die mogliche
Schrittspannung
deshalb besonders hoch. Wenn die
Leitfahigkeit
des Objekts eingeschrankt ist, wie zum Beispiel bei Baumen, besteht die Gefahr umhergeschleuderter abgesprengter Teile und des Austritts des Blitzes in Bodennahe.
- Hohleneingange und enge Mulden (Ackerfurchen, Wasserrinnen oder Straßengraben) meiden. Besser auf ebenem Terrain mit geschlossenen Fußen in die Hocke gehen oder tiefer in die Hohle gehen (aber Vorsicht: Im Hohleninneren besteht die Gefahr von plotzlichem und starkem Wasseranstieg aufgrund starken Niederschlags). Der Blitz verteilt sich nach einem Einschlag zunachst nahe der Bodenoberflache, der er an Hohleneingangen und engen Mulden unter Umstanden nicht folgen kann. Dann springt ein Sekundarblitz uber, von dem Schutzsuchende getroffen werden konnen.
[22]
Die Sicherheit hangt vom vorausschauenden Verhalten ab: Ein Gewitter kommt, außer in den Alpen und im Alpenvorland, niemals ?aus heiterem Himmel“; wer regelmaßig einen Blick in den Himmel wirft, kann ein sich naherndes Gewitter schon fruh an den dunkel und bedrohlich wirkenden Wolken erkennen. Wenn das Gewitter bemerkt wurde, sollte abhangig von seiner Entfernung und Geschwindigkeit der sicherste erreichbare Zufluchtsort angestrebt werden. Anhand der Zeitdifferenz
zwischen Blitz (
Lichtgeschwindigkeit
) und
Donner
(
Schallgeschwindigkeit
, ca. 340 m/s) lasst sich die Entfernung
des Blitzes berechnen:
Durch Wiederholung der Berechnung lasst sich die Bewegungsrichtung und -geschwindigkeit des Gewitters abschatzen: Jede Sekunde, die der Abstand zwischen Blitz und Donner kurzer wird, ist es 340 m naher gekommen. Unter 6 Sekunden zwischen Blitz und Donner, also unter ca. 2 km Entfernung, ist jederzeit die Moglichkeit eines Einschlags in der Nahe gegeben.
[23]
Anhand folgender
Faustformel
lasst sich die Entfernung des Blitzes abschatzen:
[24]
Nicht ungefahrlich ist die Befolgung eines alten deutschen
Sprichwortes
:
- Vor den
Eichen
sollst du weichen.
- Und die
Weiden
sollst du meiden.
- Zu den
Fichten
flieh mitnichten,
- Linden
sollst du finden,
- Doch die
Buchen
musst du suchen!
Eine Lesart geht davon aus, dass fruher niedrige Gewachse (Busche) im Deutschen als ?Bucken“ bezeichnet wurden. Man soll sich also eher ins Gebusch schlagen, als sich neben einen Baum zu stellen. Eine andere Lesart basiert auf der Beobachtung, dass Buchen seltener vom Blitz zersprengt werden. Das liegt aber nicht daran, dass sie nicht getroffen wurden, sondern an ihrer glatten Rinde, die bei Gewitter großflachig nass wird und dann einen naturlichen Blitzableiter bildet, der den Blitz daran hindert, das Innere des Baumes zu durchlaufen.
[25]
Innerhalb eines Gebaudes konnen Gefahren durch von außen hereinkommende Leitungen bestehen (u. a. Strom- oder Wasserleitungen). Durch ordnungsgemaße Erdung in Form eines
Hauptpotentialausgleiches
lassen sich diese aber vermeiden. Lediglich in Gebauden ohne diesen vorschriftsmaßigen Blitzschutz sollte bei Gewitter deshalb moglichst nicht geduscht, gebadet oder mit elektrischen Geraten hantiert werden, da dann durchaus Lebensgefahr bestehen kann. Eine weitere Gefahr konnen hier Telefone darstellen, besonders bei oberirdischer Zufuhrung der Telefonleitung ans Haus. Es sollte dann moglichst nicht mit schnurgebundenen Festnetztelefonen telefoniert werden. Schlagt der Blitz in die Leitung ein, stellt man mit dem Telefonhorer in der Hand eine gute Verbindung zur Erde dar. Schnurlostelefone stellen konstruktionsbedingt keine Gefahr dar.
[26]
Generell gilt die Regel, dass man bei Gewitter Aufzuge nicht benutzen sollte, um bei Stromausfall nicht steckenzubleiben.
[27]
Der Innenraum aller Fahrzeuge mit geschlossener Metallkarosserie (Landfahrzeuge, Luftfahrzeuge, Schiffe) stellt einen
Faradayschen Kafig
dar, in dem keine direkte Gefahr eines Blitzschlages besteht. Offene Fenster beeintrachtigen dabei das Schutzvermogen des Fahrzeuges an sich nicht. Bei Versuchen in Hochspannungs-Labors wurden Brandspuren am Lack sowie quer uber die Reifenflanken festgestellt.
[28]
Nach unbelegten Vermutungen konnten indes Sekundarschaden eines Blitzeinschlages auch die Insassen betreffen.
- Brand brennbarer Teile an der Außenseite wie z. B. Reifen, Kuhlergrill, Stoßstangen
- Defekt der Bordelektronik und aller im Auto befindlichen elektronischen Gerate (Luftionisation,
elektromagnetische Induktion
)
- Defekt von wichtigen Geraten zur Steuerung des Fahrzeuges (Bremsen, Lenkung)
Bei Gefahr eines Blitzeinschlages sollte die Fahrgeschwindigkeit reduziert werden, um bei Versagen der Bordelektronik oder eingeschrankter Fahrtuchtigkeit sofort anhalten zu konnen. Da Gewitter jedoch haufig von Hagel und schweren Wolkenbruchen begleitet werden, empfiehlt sich ohnehin eine reduzierte Fahrgeschwindigkeit. Auf Autobahnen darf auch bei Gewitter nur mit eingeschalteter Warnblinkanlage auf dem Standstreifen gehalten werden.
Schiffe aus Metall (Ganzmetallkonstruktionen) bieten im Inneren den besten Schutz, ein Aufenthalt an Deck wahrend eines Gewitters sollte vermieden werden. Hier gilt wie bei Landfahrzeugen, Fenster und Turen geschlossen zu halten und den Kontakt mit metallischen Gegenstanden zu meiden. Boote hingegen, die aus Kunststoff oder Holz gefertigt sind, bieten wenig bis gar keinen Schutz, es sei denn, es befindet sich ein eingearbeitetes und durchgehendes Drahtgitter in Kajute und Rumpf, oder das Boot besitzt einen eigenen Blitzableiter.
[29]
Aus Metall konstruierte Flugzeuge und Hubschrauber bieten einen guten Schutz, wenn sie rundum geschlossen sind und geprufte Blitzschutzeinrichtungen besitzen. Aufgrund des Einsatzes moderner Verbundwerkstoffe bei Luftfahrzeugen kommt es aber immer wieder zu Komplikationen, da diese nicht oder nur schwach leitend sind. Infolgedessen kann ein Blitzeinschlag auf der Außenhaut des Flugzeuges sogenannte Brandflecken hinterlassen. Aus diesem Grund werden standig weitere Blitzschutzsysteme fur Luftfahrzeuge entwickelt. Blitzeinschlage haben, bis auf wenige Ausnahmefalle in der Vergangenheit, keine nachhaltigen Auswirkungen auf die Betriebstauglichkeit heutiger Verkehrsluftfahrzeuge. Dennoch werden Gewitter in fast allen Fallen umflogen, da man die Flugzeugstruktur und die Passagiere vor Turbulenzen bewahren mochte und Beschadigungen der Außenhulle durch
Hagelkorner
vermeiden will. Kleinere Flugzeuge meiden Gewitter generell, zumal sie, abgesehen von der Blitzschlaggefahr, auch nicht fur die in und um Gewitterzellen auftretenden starken Winde konstruiert sind.
[30]
Mit dem
Erstausgabetag
1. Juli 2021 gab die
Deutsche Post AG
in der Serie
Himmelsereignisse
zwei
Postwertzeichen
im
Nennwert
von 80 Eurocent bzw. 370 Eurocent zum Thema
Gewitter
bzw.
Superzelle
heraus. Die Entwurfe stammen von der Grafikerin Bettina Walter aus Bonn.
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Der Brockhaus. Wetter und Klima
. Seite 117, Brockhaus, Leipzig/Mannheim 2009,
ISBN 978-3-7653-3381-1
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