Satellitenstaat

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Ein Satellitenstaat oder Vasallenstaat (abgeleitet von Vasall im Fruhmittelalter ) ist eine Bezeichnung fur einen kleinen, volkerrechtlich unabhangigen Staat , der unter dem beherrschenden Einfluss eines politisch machtigeren Staates, insbesondere einer Großmacht , steht. Satellitenstaaten werden sowohl hinsichtlich ihrer außenpolitischen Orientierung als auch ihrer inneren Struktur vom großeren Staatsverband politisch dominiert. Obwohl Satellitenstaaten nicht uber volle Unabhangigkeit verfugen, gelten sie als Staaten im Sinne des Volkerrechts, sofern sie am internationalen Rechtsverkehr teilnehmen und ihren volkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommen konnen. [1]

Der Begriff greift das Bild eines Satelliten auf, also eines kunstlichen oder naturlichen kleineren Objekts , das sich unentrinnbar im Gravitationsfeld eines großeren Himmelskorpers , etwa Planeten , bewegt.

Andere Bezeichnungen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Klientelstaat
Im antiken Rom sprach man von Klientelstaaten , diese standen unter Kontrolle des Imperium Romanum und verfugten nur uber eingeschrankte Souveranitat (z. B. Judaa zur Zeitenwende).
Der Konig oder die Konigin eines Klientelstaates ( rex socius ) durfte keine eigene Außenpolitik betreiben und war verpflichtet, dem Romischen Reich im Krieg Beistand zu leisten. Klientelkonige konnten ihr Reich nicht selbstandig vererben, sondern mussten die Nachfolgeregelung durch Rom genehmigen lassen. Auch das Munzrecht der Klientelstaaten war eingeschrankt (Verbot der Pragung von Goldmunzen); in Einzelfallen mussten die Klientelkonige Tribut leisten.
Staatenstaat
Im staatsrechtlichen Sinne ubt bei einem Staatenstaat (z. B. das Protektorat Bohmen und Mahren ) ein souveraner ?Oberstaat“ (der Suzeran ) seine Herrschaft uber einen halbsouveranen ?Unterstaat“ ( abhangiger Staat , der im Wesentlichen eine passive Stellung einnimmt und zumeist nur Pflichten tragt) aus. [2] [3] Der Staatenstaat wird auch als ?Staatenverbindung zu ungleichem Recht“ bezeichnet. [4]

Beispiele [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die ersten Satellitenstaaten wurden bereits im Altertum errichtet, vor allem am Rande des eigenen Herrschaftsbereiches zur Grenzsicherung oder um schwer kontrollierbare, weit entfernte Gebiete uber einen lokalen Vasallen an sich zu binden, ohne allzu viele eigene Mittel einsetzen zu mussen (z. B. Konigreiche Mauretanien und Judaa unter den Romern ). Dieselbe Uberlegung fuhrte auch in der Kolonialzeit zu mehreren europaischen Protektoraten . Dabei traten große Unterschiede in der lokalen Autonomie auf, von nur einzelnen Garnisonen der Schutzmacht im Lande (meist in Hauptstadtnahe), auslandischen Beratern der Lokalregierung und formellen Beschrankungen vor allem der Außen- und Verteidigungspolitik bis hin zu wenig von einer Kolonie verschiedenen Verhaltnissen. Auch im Bereich der mesoamerikanischen Kulturen gab es Vasallenstaaten, die von den großeren Zentren Teotihuacan , Tenochtitlan , Tikal und Calakmul abhangig waren.

Vom 16. bis 17. Jahrhundert waren die drei Furstentumer Siebenburgen , Moldau und Walachei Vasallen des Osmanischen Reichs . Korea bildete seit dem spaten Mittelalter bis 1895 einen Satellitenstaat der chinesischen Qing-Dynastie .

Klassische Vasallenstaaten waren die Staaten unter Kontrolle franzosischer Revolutionsregierungen, einschließlich der Regierung Napoleon Bonapartes . Diese Tochterrepubliken (der Ersten Franzosischen Republik) wurden in Monarchien umgewandelt, nachdem Napoleon sich zum Kaiser hatte kronen lassen. Ein enger Verwandter Napoleons wurde zum Monarchen oder Vizekonig. Teilweise nennt man sie Modellstaaten , wenn sie durch fortschrittliche Gesetzgebung einen Propagandaeffekt haben sollten. Die Satellitenstaaten mussten Frankreich wirtschaftlich und militarisch unterstutzen; die versprochenen Volksvertretungen hatten kaum Einfluss oder wurden gar nicht (mehr) einberufen.

Der bei Ende des Ersten Weltkriegs an der Ostfront im Marz 1918 unterzeichnete Friedensvertrag zwischen Russland und dem Deutschen Reich ( Friedensvertrag von Brest-Litowsk ) sah die Bildung deutsch kontrollierter Satellitenstaaten von der Ukraine bis zum Baltikum vor. Die deutschen Gebietsverluste durch den Versailler Vertrag vom 28. Juni 1919 machten diese Bestimmungen wieder zunichte. [5]

Beispiele sind ferner die Staaten, welche kurz vor oder wahrend des Zweiten Weltkrieges unter der Kontrolle Deutschlands , Italiens oder Japans ?unabhangig“ wurden ( Vichy-Frankreich , Erste Slowakische Republik , Unabhangiger Staat Kroatien , Unabhangiger Staat Montenegro , Mandschukuo ), oder die Staaten des Ostblocks bzw. des Warschauer Pakts , deren Politik von der sowjetischen Fuhrungsmacht dominiert wurde. [6] [7] Die Ostblockstaaten hatten in der Regel nur wenig eigene Macht und mussten sich in grundsatzlichen Entscheidungen gemaß der Breschnew-Doktrin immer nach der Sowjetunion richten. [8] Die Deutsche Demokratische Republik wurde dabei beschrieben als ein ?Satellitenstaat, der im Kern auf der Prasenz des sowjetischen Militars beruhte“, [9] und dass die DDR als Satellitenstaat der Sowjetunion von dieser ihre eigene Souveranitat habe ableiten mussen. [10] Sie galt aber auch vor dem Hintergrund ihrer Anerkennung als UNO -Mitglied 1973 fur den Westen ?nach wie vor als Satellitenstaat der Sowjetunion“. [11]

Frankreich 1792?1815 und 1852?1870 [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Frankreich schuf wahrend der Koalitionskriege Satellitenstaaten, von denen die demokratisch regierten als Tochterrepubliken bezeichnet werden.

Frankreich und seine Satellitenstaaten um 1812

Lander unter direkter Kontrolle Frankreichs ( Erste Franzosische Republik 1792?1804, Erstes Kaiserreich 1804?1814, 1815, Zweites Kaiserreich 1852?1870) waren u. a.

Satellitenstaaten auf dem Gebiet des vormaligen Heiligen Romischen Reiches
Satellitenstaaten in Italien
Restliche Satellitenstaaten

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Henry L. Roberts: The satellites in Eastern Europe. Philadelphia: Sage Publ., 1958 (englisch).
  • Volker Matthies: Somalia ? Ein sowjetischer ?Satellitenstaat“ im Horn von Afrika? Einige Anmerkungen zu den somalisch-sowjetischen Beziehungen. Verfassung und Recht in Ubersee (VUR) 1976, S. 437?456.
  • Chiara Thies: Kambodscha nach den Wahlen ? Chinas nachster Satellitenstaat. Cicero , 31. Juli 2018 ( Volltext ).
  • Manfred Wilke : Die DDR als sowjetischer Satellitenstaat. Metropol Verlag, 2021, ISBN 978-3-86331-605-1 .
  • Jeremy Shapiro, Jana Puglierin: The art of vassalisation: How Russia’s war on Ukraine has transformed transatlantic relations. European Council on Foreign Relations , Policy Brief, 4. April 2023 ( Volltext , englisch).

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Wiktionary: Satellitenstaat  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen
Wiktionary: Vasallenstaat  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Georg Dahm , Jost Delbruck , Rudiger Wolfrum : Volkerrecht , Bd. I/1: Die Grundlagen. Die Volkerrechtssubjekte , 2. Auflage, de Gruyter, Berlin 1989, ISBN 3-11-005809-X , S. 131.
  2. Siehe z. B. Peter Schwacke/Guido Schmidt, Staatsrecht , 5. Aufl., W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-555-01398-5 , S. 27, Rn. 85 ; vgl. Norbert Berthold Wagner, Reine Staatslehre , Band I: Staaten, Fictitious States und das Deutschland-Paradoxon , Teilband 1, Lit Verlag, 2015, S. 576 sowie ausfuhrlich, ebd., S. 617 ff.
  3. Vgl. Vittorio Hosle , Moral und Politik: Grundlagen einer politischen Ethik fur das 21. Jahrhundert , Kap. II.6.1.3.4: ?Die rechtlichen Formen zwischenstaatlicher Beziehungen. Außere Souveranitat.“ C.H. Beck, Munchen 1997, S. 613 ff. (614, insbes. zum Begriff Fn. 105 ).
  4. Norbert B. Wagner, Reine Staatslehre , Bd. I/1, 2015, S. 619 ; Dietrich Richter, Die volkerrechtlichen Staatenverbindungen zu gleichem Recht der Gegenwart , Schon, Munchen 1968 (zugleich Diss. Univ. Bonn 1968), S. 2.
  5. Manfred Wichmann: Der Frieden von Brest-Litowsk 1918. Lebendiges Museum Online , 12. Juni 2015.
  6. Dietrich Frenzke: Die Rechtsnatur des Sowjetblocks: eine juristische Entschleierung. Berlin Verlag, 1981, ISBN 3-87061-162-6 .
  7. Jon Gheorge: Rumaniens Weg zum Satellitenstaat. Heidelberg 1952.
  8. Vgl. Theodor Schweisfurth , Volkerrecht , Tubingen 2006, S. 26 Rn. 90 .
  9. Zit. nach Hans-Ulrich Wehler , Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Band 5: Bundesrepublik und DDR 1949?1990 , C.H. Beck, Munchen 2008, S. 252.
  10. Siehe dazu naher Herwig Roggemann , Systemunrecht und Strafrecht am Beispiel der Mauerschutzen in der ehemaligen DDR , Verlag Arno Spitz, Berlin 1993, S. 67 ff.; Peter-Alexis Albrecht , Das Bundesverfassungsgericht und die strafrechtliche Verarbeitung von Systemunrecht ? eine deutsche Losung , in: NJ 1997, S. 1; Uwe Wesel , Der Honecker-Prozeß , in KJ 1993, S. 198 ff. (200).
  11. Zit. n. Marianne Howarth, Die Westpolitik der DDR zwischen internationaler Aufwertung und ideologischer Offensive (1966?1989) , in: Ulrich Pfeil (Hg.): Die DDR und der Westen: Transnationale Beziehungen 1949?1989 , 1. Aufl., Ch. Links, Berlin 2001, S. 81 ff. (88); dem vorausgehend ist anzumerken, dass die USA die DDR bereits seit dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 ?erstmals als sowjetischen Satellitenstaat begriffen“ (Christian M. Ostermann, in: ibid., S. 169 f. ). Vgl. dazu Uwe Backes , in: Eckhard Jesse, Roland Sturm (Hrsg.), Demokratien des 21. Jahrhunderts im Vergleich , S. 341 ff. (349), der schreibt, dass die DDR seit ihrer Grundung ein ?sowjetisch beherrschte[r] Satellitenstaat“ war. Oder auch Manfred Wilke in: Stefan Karner , Natalja G. Tomilina, Alexander Tschubarjan, Manfred Wilke et al. (Hrsg.): Prager Fruhling , Bohlau, Koln/Weimar 2008, S. 421 geht konform mit dieser Auffassung, da ?[d]ie SED in […] enger Abstimmung mit der KPdSU [handelte, weil] dies […] ihrem Selbstverstandnis und dem Status der DDR als Satellitenstaat der Sowjetunion [entsprach]“.
  12. Das Konigreich Westfalen als Modell- und Satellitenstaat. In: Helmut Berding : Napoleonische Herrschafts- und Gesellschaftspolitik im Konigreich Westfalen 1807?1813. Vandenhoeck & Ruprecht, Gottingen 2011, ISBN 978-3-525-35958-7 , S. 19 ff.