Sarazenen

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Der Begriff Sarazenen (von lateinisch sar[r]acenus; wahrscheinlich uber arabisch ?????? , DMG ?arq?y?n ?Menschen des Ostens‘ in Bezug auf die Bewohner der arabischen Halbinsel, von arabisch ???? , DMG ?arq? ?ostlich‘) [1] bezeichnet ursprunglich einen im Nordwesten der arabischen Halbinsel siedelnden Volksstamm . Infolge der islamischen Expansion wurde der Begriff in lateinischen Quellen und im christlichen Europa als Sammelbezeichnung fur die islamisierten Volker verwendet, die ab etwa 700 n. Chr. den ostlichen und sudlichen Mittelmeerraum beherrschten, auch unter dem Eindruck der von ihnen ausgehenden Piraterie . [2] Zu ihren Vertretern zahlen z. B. die Herrscherdynastien der Abbasiden , Fatimiden und Ziriden .

Weibliche und mannliche Tracht der Sarazenen in einer Darstellung von 1486

Etymologie [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Griechisch Sarakenoi ( Σαρακηνο? ), syrisch Sarkaye und lateinisch Saraceni bezeichneten in der Spatantike (zweites bis viertes Jahrhundert) zunachst einen oder mehrere Nomadenstamme im Nordwesten Arabiens und auf der Sinai-Halbinsel , und zwar nach der Darstellung des Ptolemaus im Gebiet von Nabataa . Die Herkunft und Bedeutung des Begriffs Sarazenen wurde fruher unterschiedlich gesehen. Ptolemaus verband den Begriff mit dem Toponym Saraka ( Σ?ρακα ), das einerseits eine Stadt in Arabia Felix , zum anderen eine Wuste auf der Sinai-Halbinsel (auch Sarak?n? , Σαρακην? ) bezeichnete. [3] Seit dem dritten Jahrhundert wurde die Bezeichnung synonym mit Arabes Scenitae (gr. Σκην?ται ) verwendet, die sich ihrerseits als ?Zelt-Araber“ verstehen lasst, aber wohl in keinem etymologischen Zusammenhang mit Sarak?noi steht. Seit dem sechsten Jahrhundert bezeichnete Sarak?noi in Byzanz alle Arabisch sprechenden Volker. [3]

Unter den Etymologien , die in moderner Zeit vorgeschlagen wurden, begegnet am haufigsten eine im 18. Jahrhundert aufgekommene Herleitung von Scharqiyun (?Morgenlander“) aus arabisch ????   scharqi , DMG ?arq? ?ostlich, orientalisch, Orientale‘, von dem sich auch die arabische Bezeichnung fur den Orient , al-Ma?riq , herleitet. Daneben wurde auch eine Herleitung aus der semitischen Wurzel ?rkt ?Stamm, Konfoderation“ vorgeschlagen. [3]

Der Theologe und Arabist Gunter Luling hat die mittelalterliche [4] Verbindung mit der alttestamentlichen Sara , der Ehefrau Abrahams und Erzmutter Israels, wiederaufgenommen und eine Bedeutung ?Bekampfer Sarahs“ vermutet, indem er den Wortbestandteil -kenos zu gr. konein (κ?νειν) ?bekampfen“ stellte und das Wort fur ein Synonym von Hagarener ( Hagarenoi ) hielt, einer weiteren aus der Bibel abgeleiteten Bezeichnung fur die arabischen Stamme. [5]

Bedeutungsentwicklung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Bedeutung wurde seit der Spatantike sukzessive erweitert, zuerst auf die ubrigen arabischen Stamme der vorislamischen Zeit ( Eusebius , Hieronymus ), dann im Laufe der kriegerischen Auseinandersetzungen mit maurischen und arabischen Armeen in Europa auf die islamischen Volkerschaften schlechthin. In dieser erweiterten Bedeutung wurde das Wort seit der Zeit der Kreuzzuge aus dem Griechischen und Lateinischen auch in die europaischen Volkssprachen ubernommen.

Der Gebrauch im christlichen Schrifttum war hierbei von einer die bezeichneten Volker abwertenden, gelehrten Volksetymologie gepragt. Bereits bei Hieronymus und Sozomenos , also in vorislamischer Zeit, erscheint die Worterklarung, dass die Agarener (oder Hagarener), die Nachfahren der Hagar , der verstoßenen Sklavin und Nebenfrau Abrahams , sich falschlich als ?Sarazenen“ bezeichnet hatten, um sich als Abkommlinge der Sarah , der Freien und Ehefrau Abrahams auszugeben und sich dadurch aufzuwerten. Diese Worterklarung, die die Sarazenen als verkappte Agarener, und damit in Anknupfung an die paulinische Deutung des alttestamentlichen Themas ( Gal 4,21?31  EU ) als Angehorige eines von Gott heilsgeschichtlich verstoßenen Volkes deutete, wurde bei den christlichen Autoren des Mittelalters seit dem Aufkommen des Islams zu einem anti-islamischen Topos , der in der europaischen Literatur uber die Kreuzzuge und den Islam weitere Verbreitung erlangte.

Der romische Terminus Saracenus fur die arabischen Eroberer Spaniens fand als Sarqy auch Eingang ins Hebraische . [6]

Sarazenischer Pelzhandler in Kairo , Olgemalde von Jean-Leon Gerome (1869)

Das Wort saracenus und seine volkssprachlichen Entsprechungen haben im Verlauf ihrer mittelalterlichen Bedeutungsentwicklung neben der primaren ethnischen oder religiosen Bedeutung ?islamischen Volkern zugehorig“ zum Teil auch die weitere Bedeutung ? heidnisch “ oder allgemein ?fremdartig, alt“ angenommen (so in Bezeichnungen von Bauwerken oder Ruinen der romischen Antike als ?sarazenisch“, daher auch engl. sarsen (stone) fur Megalithen in prahistorischen Monumenten), außerdem in bestimmten Zusammenhangen die ubertragene Bedeutung ?schwarz, dunkel“. Sprach- und sachgeschichtlich ist deshalb oft schwer oder nur anhand des jeweiligen Kontextes zu entscheiden, ob gegebene Verwendungsweisen auf der primaren oder einer der sekundaren Bedeutungen beruhen.

Als zu Beginn des 15. Jahrhunderts in romanischen und deutschsprachigen Landern erstmals Gruppen der ursprunglich aus Indien stammenden, uber Byzanz und den Balkan zugewanderten Roma auftauchten und von der einheimischen Bevolkerung als Angehorige eines fremden, dunkelhautigen und aus dem Osten stammenden Volkes wahrgenommen wurden, wurde neben anderen Bezeichnungen wie ?Agypter“, ? Zigeuner “ (beides schon im byzantinischen Sprachgebrauch vorgebildet), ?Heiden“ und ? Tataren “ zuweilen auch die Bezeichnung ?Sarazenen“ fur Roma verwendet, so hauptsachlich in romanischen Sprachen, und unter deren Einfluss dann im 15. Jahrhundert vereinzelt auch im Deutschen.

Abgeleitete Namen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Personennamen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Besonders in Frankreich und der Schweiz ist noch heute der Familienname Sarasin oder Sarrasin bzw. Sarazin, Sarrazin (von mittelhochdeutsch Sarrazin [7] ) verbreitet, in der deutschsprachigen Schweiz auch Saratz , in Italien und der italienischsprachigen Schweiz Saraceno , Sarraceno, Saracino, Sarracino oder Saraceni , Sarraceni , im Englischen die aus dem Franzosischen bzw. Anglonormannischen noch weiter entwickelte Form Sarson . Vorlaufer solcher Namen ist im Mittelalter ein in den lateinischen Quellen seit dem elften Jahrhundert vielfach dokumentierter Name oder Beiname Saracenus , der in vielen Fallen wegen einer ?sarazenischen“ Herkunft des Tragers, in anderen Fallen aber auch nur wegen eines zeitweiligen Aufenthaltes bei den ?Sarazenen“ oder, wie lat. Maurus , nordfrz. Moreau , engl. Moore , zur Hervorhebung einer besonders dunklen Haut- oder Haarfarbe entstand. Sofern der Name erst im Spatmittelalter in Gebrauch kam, ist auch mit der Moglichkeit zu rechnen, dass er im Hinblick auf die mogliche Bedeutung ?Zigeuner“ gewahlt wurde.

Historisch namhafte mittelalterliche Trager waren unter anderem:

Gegenwartig bekanntester Namenstrager in Deutschland ist der ehemalige Bundesbankvorstand und SPD-Politiker Thilo Sarrazin .

Schweizer Ortsnamen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Da ?Sarazenen“ (d. h. Mauren uberwiegend berberischer Herkunft, sie lagerten zwischen ca. 890 und 970 in der Gegend um Fraxinetum ) wahrend des neunten und zehnten Jahrhunderts vereinzelt auch Zuge uber die Westalpen in die Schweiz unternahmen, wo sie ? uber das Hospiz auf dem Grossen St. Bernhard  ? unter anderem bis nach Chur und St. Gallen kamen, hat man in spaterer Zeit einige Schweizer Ortsnamen mit solchen ?Eindringlingen“ in Verbindung bringen wollen. Auch in denjenigen Fallen, in denen sich ein solches Toponym sprachlich tatsachlich aus dem Namen der Sarazenen herleiten lasst ? wie speziell im Fall von Pontresina (1137?1139 als pons sarasina , 1303 als ponte sarracino belegt) und der Wasserleitung Bisse de Sarrazin im Walliser Vercorin  ? ist jedoch zu bedenken, dass im Hintergrund auch ein nicht oder nicht mehr ethnisch bedingter Personenname des namengebenden Erbauers oder Besitzers stehen kann oder eine allgemeinere Bedeutung wie ?fremdartig, alt“. So schreibt das Historische Lexikon der Schweiz: ?Der immer wieder postulierten arabischen Etymologie einiger Walliser Orts- und Bergnamen steht die linguistische Forschung ablehnend gegenuber.“ [8]

Buchweizen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Als ?sarazenisches Korn“ wird in den romanischen Sprachen der Buchweizen bezeichnet (frz. ble sarrasin , ital. grano saraceno , span. trigo sarraceno ), der ursprunglich aus China stammt und den Europaern als Kulturpflanze von den Tataren vermittelt wurde (in Deutschland erstmals 1396 urkundlich bezeugt). [9] [10] Dass der Name primar im Sinne ?Korn der Sarazenen“ (vgl. lat. frumenta sarracenorum , 1460) zu verstehen ist und hiermit auf die Herkunft aus einem fremden, heidnischen Volk hinweist, wird durch vergleichbare Bezeichnungen im Deutschen (mittelhochd. heidenkorn , sudl. Osterreich: Haid, Heid, Hoad und Heidensterz ) und in ost- und nordeuropaischen Sprachen ( bohm. tatarka oder pohanka von lat. paganus , slk. tatarka, pohanka , estn. tatar , finn. tattari ) nahegelegt. Lediglich sekundar konnte der romanische Name dann zusatzlich auch durch die dunkle Farbe der Fruchte des Buchweizens motiviert sein (vgl. frz. ble noir , ital. grano nero , deutsch Schwarzes Welschkorn ).

Weitere Pflanzennamen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

In der Entstehung ungeklart ist die Verwendung (aristolochia) sarracenica (16. Jh.?, Tabernaemontanus ), franzosisch sarrasine (1611 mit der engl. Ubersetzung ?Heatwort, or Birthwort“), eingedeutscht Saracenkraut (18. Jh., Johann Leonard Frisch ) fur Pflanzen aus der Familie der Osterluzeigewachse . Senecio sarracenicus ist der botanische Name des Fluss-Greiskrauts .

Der wissenschaftliche lateinische Name der in Amerika verbreiteten Familie der Schlauchpflanzengewachse , Sarraceniaceae , und ebenso derjenige der zu dieser Familie gehorenden Gattung der Schlauchpflanzen oder Trompetenpflanzen, Sarracenia bzw. im Plural Sarraceniae , sind jeweils abgeleitet von dem Namen des franzosisch-kanadischen Botanikers Michel Sarrazin (1659?1734).

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Sarazenen  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Nabil Osman (Hrsg.): Kleines Lexikon deutscher Worter arabischer Herkunft. 3. Auflage. C.H.Beck, Munchen 1992, S. 108.
  2. R. Southern: Das Islambild des Mittelalters. Stuttgart 1981.
  3. a b c Isabel Toral-Niehoff: ?Saraka“. In: Der Neue Pauly , hrsg. von Hubert Cancik, Helmuth Schneider, and Manfred Landfester, Brill Reference Online doi:10.1163/1574-9347 dnp e1101160 , abgerufen am 8. Juni 2017.
  4. Vgl. das Zitat aus Ranulf Higdons Polychronicon (1387) im Eintrag ?Saracen“ . In: Online Etymology Dictionary , abgerufen am 8. Juni 2017.
  5. Gunter Luling: Ein neues Paradigma fur die Entstehung des Islam und seine Konsequenzen fur ein neues Paradigma der Geschichte Israels , in: Sprache und Archaisches Denken. Neun Aufsatze zur Geistes- und Religionsgeschichte . Verlagsbuchhandlung Hannelore Luling, Erlangen 1985 ( Textausschnitt ).
  6. Norman Roth: Jews, Visigoths, and Muslims in Medieval Spain ? Cooperation and Conflicts , E. J. Brill, 1994, ISBN 90 04 09971 9 , S. 49
  7. Matthias Lexer : Mittelhochdeutsches Handworterbuch. Zugleich als Supplement und alphabetischer Index zum Mittelhochdeutschen Worterbuche von Benecke-Muller-Zarncke. I?III und Nachtrage, Leipzig 1872?1878, Band II, 609.
  8. Hannes Steiner: Sarazenen. In: Historisches Lexikon der Schweiz . 11. Januar 2012 , abgerufen am 4. Juni 2019 .
  9. Ohmi Ohnishi: Search for the wild ancestor of buckwheat. III. The wild ancestor of cultivated common buckwheat, and of tatary buckwheat . In: Economic Botany . Band 52, 1998, S. 123?133. ISSN   0013-0001
  10. Friedrich J. Zeller: Buchweizen (Fagopyrum esculentum Moench) ? Nutzung, Genetik, Zuchtung . @1 @2 Vorlage:Toter Link/www.laoek.botanik.uni-greifswald.de ( Seite nicht mehr abrufbar , festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven )     Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prufe den Link gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF) In: Die Bodenkultur . Band 52, 3, 2001, S. 259?276. ISSN   0006-5471