Das
romische Militarlager
(
lateinisch
Castrum
, Mehrzahl
Castra
; fur: befestigter Ort), auch
Kastell
(von lateinisch
castellum
, Verkleinerungsform von
castrum
), war ein wesentliches Element des
romischen Heerwesens
. Von
Tacitus
ist folgende Aussage uberliefert: ?Das Lager ist der besondere Stolz der Soldaten. Es ist ihr Vaterland, das seine Soldaten beheimatet“.
[1]
Militarische Einrichtungen, insbesondere die Kastelle, waren, wo auch immer das Imperium in der Welt auftrat, die ?physische Manifestation Roms“.
[2]
Zusatzlich zu seiner Funktion als Ausgangspunkt fur militarische Operationen oder als kurzfristiger Standort vor Schlachten hatten insbesondere die standigen
Garnisonen
aufgrund ihrer Wirtschaftskraft und ihres bis dahin an vielen Orten unbekannten technischen Fortschrittes wesentlichen Anteil an der Romanisierung der eroberten Gebiete. Zahlreiche Stadtegrundungen, die bis heute bestehen, gehen auf romische Militarstandorte zuruck.
Die Große der Anlagen richtete sich nach den jeweiligen Erfordernissen, wobei es neben Garnisonen auch Nachschublager gab. Ebenso sind militarische
Fundorte
bekannt, die moglicherweise unter anderem spezielle Aufgaben zu erledigen hatten. Ein wesentlicher Faktor fur den Umfang romischer Kastelle ist zudem die historische Entwicklung im Zusammenhang mit den baulichen Strukturen, da sich deren Aussehen durch veranderte militarische Strategien im Laufe der Jahrhunderte stark wandelte.
Neben den archaologischen
Grabungen
an den architektonischen Resten bildet besonders die schriftliche Uberlieferung eine wesentliche Grundlage zum Verstandnis romischer Lager. Zwei militartheoretische Schriften der Antike sind hierzu besonders wichtig. Das eine ist ein nur unvollstandig erhaltener, kurzer Text mit dem Titel
De munitionibus castrorum
(Von den Befestigungen der Kastelle), der aus einem Sammelwerk stammt, das ein Vermessungstechniker namens
Hyginus Gromaticus
zusammengestellt hat.
[3]
Hygin ist allerdings nicht der Autor dieser militarischen Schrift unbekannten Ursprungs. Daher wird er in der Fachliteratur im Zusammenhang mit
De munitionibus castrorum
auch als
Pseudo-Hygin
bezeichnet. Der Entstehungszeitraum dieser Schrift wird mit dem 1. oder 2. Jahrhundert n. Chr. in Verbindung gebracht. Das andere Werk,
Epitoma rei militaris
(Abriss des Militarwesens), stammt von
Flavius Vegetius Renatus
und wurde im 4. Jahrhundert n. Chr. geschrieben.
[4]
Vegetius schopft aus einer Vielzahl von teils wesentlich alteren Quellen, die mehr als ein halbes Jahrtausend romischer Militargeschichte umfassen. Da er diese Quellen jedoch nicht einzeln nennt, vermischen sich in der Schrift viele Aspekte einer jahrhundertelangen Entwicklung des romischen Heerwesens zu einem heute großtenteils nicht sauber trennbaren Surrogat. In der Forschung wird diese Schrift daher sehr vorsichtig verwendet. Ein anderer Autor, der griechische Historiker
Polybios
[5]
, bringt Einzelheiten romischer Marschlager vom Ende des 3. bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. Seine Schriften, die
Historiae
, bearbeiten die Zeit von 264?146 v. Chr. Bekannt ist er fur seine darin enthaltene Beschreibung des Aufstiegs Roms, damals noch eine Republik, zur fuhrenden Macht im Mittelmeerraum, und fur seinen Augenzeugenbericht der Einnahme Karthagos im Jahre 146 v. Chr.
[6]
Hundert Jahre spater erwahnt
Caesar
viele Einzelheiten uber die Bauweise der Lager zu seiner Zeit. Das Militarwesen der Kaiserzeit wird durch
Flavius Arrianus
greifbar, der als Historiker zur Zeit Kaiser
Hadrians
bekannt ist. Daneben bilden bei
Ausgrabungen
aufgefundene Dokumente, Briefe und Urkunden sowie Steininschriften eine wichtige Quelle.
[7]
Die festen Kastellanlagen der Kaiserzeit hatten ihren Ursprung in den Feldlagern der romischen Republik. Diese ließen sich in zwei Kategorien unterteilen: in Marsch- und temporare Lager, zu denen auch Winterlager (
hiberna
) zahlten. Zahlreiche Lager der spaten Republik und fruhen Kaiserzeit waren an das Gelande angepasst und hatten oftmals unregelmaßige Grundrisse. Die innere Bebauung folgten jedoch meist einem standardisierten Muster.
[8]
Der Aufbau eines solchen Lagers war straff vereinheitlicht, da es nach jedem Marsch gegen Abend neu errichtet werden musste. Dazu war es notwendig, dass die große Zahl der Menschen, die an einer militarischen Operation teilnahmen, zu jeder Zeit wusste, was zu tun war und wie sie sich in dem Lager zurechtzufinden hatten. Diese Ablaufe folgten einer stets gleichen Mechanik, die jede Art von Nachfragen erubrigte. Daher war ein rascher und professioneller Lagerauf- und -abbau auch in Ausnahmesituationen gewahrleistet.
[9]
Die Einhaltung der rechteckigen oder quadratischen Grundform sowie die Innenbebauung eines Kastells konnten bereits bei den leichtbefestigten langerfristigen Lagern der spaten Republik stark vom Normschema abweichen, wenn es die Bedingungen erforderlich machten. Insbesondere die Standlager wahrend der Eroberungszuge in Germanien zur Zeit des
Augustus
(31 v. Chr.?14 n. Chr.) weichen in einigen Fallen deutlich von der Regelkonzeption ab. Mit dem Ausbau und der Befestigung der Grenzen wahrend der nachfolgenden Generationen werden die Vorgaben deutlich straffer gehandhabt. Mit den gesellschaftlichen und politischen Umwalzungen des 3. Jahrhunderts setzen sich nach grundlegenden militarischen Reformen neue, individueller zu handhabende Grundmodelle fur den Aufbau von Kastellen durch, die nicht nur vielfach versuchen, den gewahlten Standort strategisch bestmoglich zu nutzen, sondern auch den bisherigen kasernenartigen Garnisonscharakter zugunsten festungsartiger Bauweisen aufgeben.
Die romischen Kastelle der fruhen und mittleren
Kaiserzeit
wurden bis in das 3. Jahrhundert n. Chr. nach einem offensichtlich stark vereinheitlichten Grundschema angelegt. Sie folgten in ihrer Anlage dem Prinzip der alteren Marschlager. Die sehr haufig rechteckige Lagerumwehrung besaß zumeist abgerundete Ecken, in denen Wachturme standen. Der Bereich zwischen der
Via principalis
und der
Porta praetoria
wurde
praetentura
(Vorderlager) genannt, der Bereich zwischen der Ruckseite des Stabsgebaudes und der
Porta decumana
hieß
retentura
(Hinterlager).
Nach allen vier Himmelsrichtungen offnete sich meist je ein Tor, durch das die vier Lagerhauptstraßen rechtwinkelig hindurchfuhrten und am Mittelpunkt des Kastells zusammenliefen. Die wichtigste Ausfallstraße war die
Via praetoria
, welche zum Haupttor (
Porta praetoria
; 5) hinausfuhrte. Dort befand sich auch die
Pratorialfront
, die dem Feind zugewandte Lagerseite. Zu den beiden Schmalseiten fuhrten die
Via principalis dextra
und die
Via principalis sinistra
, an deren Endpunkt die
Porta principalis dextra
(4; das rechte Tor) und die
Porta principalis sinistra
(6; das linke Tor) lagen. Ruckwartig befand sich die
Via decumana
, die mit der
Porta decumana
(7) korrespondierte. Am Kreuzungspunkt der beiden Hauptstraßen, genannt
Locus gromae
, nach dem Vermessungsinstrument
Groma
, mit dem das Lager von hier aus vermessen wurde, lagen die
Principia
(1), das Stabsgebaude. Meist links oder rechts des Stabsgebaudes befand sich das
Praetorium
, das Wohnhaus des Kommandeurs sowie der Getreidespeicher
(
Horreum
)
. Nach Hygin verlauft die
Via quintana
parallel zur
Via principalis
, jedoch hinter dem Mittelstreifen des Lagers
(Latera praetorii)
. Eine weitere wichtige Straße befindet sich im
Intervallum
, dem Raum zwischen Wehrmauer/Wall und der angrenzenden Innenbebauung des Kastells. Dort fuhrt die Lagerringstraße
(Via sagularis)
rund um alle Baulichkeiten der Anlage. Innerhalb der Befestigung konnte es verschiedenste Einrichtungen geben, die sich nach den jeweiligen Erfordernissen richteten.
[10]
[11]
Das abendliche, von Wall und Graben umwehrte Marschlager der romischen Armee stellt sich nach den beiden uberlieferten Planen teilweise recht verschieden dar. Das von
Polybios
im 2. Jahrhundert v. Chr. vorgestellte bausteinartige Konzept ist fur eine Doppellegion, Reiterei, Verbundete, Hilfstruppen und Leibgarde vorgesehen, insgesamt 18.600 Mann. Dieser Bauplan eines rund 600 × 600 Meter (je 2017 romische Fuß) großen, quadratischen Lagers mit je einem Tor an jeder Langsseite, konnte ohne Schwierigkeiten auch auf kleinere Truppenkontingente herunter gerechnet werden. Vom zukunftigen Standort des
Praetoriums
, dem Feldherrenzelt aus, wurde mit der Vermessung des Flachenrasters begonnen, wobei im Gelande mehrfarbige Fahnchen zum Einsatz kamen. Die Flache vor dem Feldherrenzelt wurde
Principia
genannt. Nach diesem Wort erhielt die Lagerstraße, die diesen Platz in ihrer Mitte durchschnitt, den Namen
Via principalis
. Diese Straße war bei Polybios rund 30 Meter (100 Fuß) breit. Die
Via praetoria
sollte indes nur die halbe Breite besitzen. Links und rechts des
Praetoriums
befanden sich das
Forum
und das
Quaestorium
. Daran grenzen ebenfalls links- und rechtsseitig die Zelte der teilberittenen Leibgarde, der
Equites
und
Pedites extraordinarii
an. Vor diesen Einrichtungen lagerten entlang der
Via principalis
die zwolf Legionstribunen, je sechs pro
Legion
. Hinter diesen Einrichtungen war der Standort fur Hilfstruppen aller Art vorgesehen. Auf der gegenuberliegenden Seite der
Via principalis
wurde Platz fur die beiden Legionen sowie fur die Verbundeten geschaffen. Wahrend die Legionare gestaffelt entlang der
Via praetoria
untergebracht wurden, lagerten die Verbundeten in dem verbleibenden Raum zwischen dem Intervallum und den Legionen. Das Intervallum, der rund um im Inneren des Lagers von den Truppen unbewohnte verbleibende Raum, war bei Polybios rund 60 Meter (200 Fuß breit). Der Platz wurde benotigt, um im Verteidigungsfall die Bewegungsfreiheit der Soldaten nicht zu beschranken, die Zelte außerhalb der Reichweite von Geschossen und das im Tross mitlaufende Vieh sowie die Beute sicher zu halten.
[12]
Erst viele Generationen spater, vom Ende des 1. oder aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. ist ein weiteres Idealmodell zum romischen Marschlager durch den Pseudo-Hygin uberliefert. Die offensichtlichen Unterschiede zwischen diesem und dem Lager des Polybios konnten eine konzeptionelle Entwicklung der Marschlager anzeigen, die es sicherlich gegeben haben muss, da sich die romische Armee seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. deutlich in ihrem Aufbau und der Militartechnik verandert hatte. Das ebenfalls mit Wall und Graben ausgestattete, 687 × 480 Meter (2320 × 1620 Fuß) große rechteckige Nachtlager der Schrift
De munitionibus castrorum
ist fur drei Legionen, Hilfstruppen und die kaiserliche Leibgarde, zusammen rund 40.000 Mann, vorgesehen und besaß abgerundete Ecken (Spielkartenform). Wie bereits die Mannschafts- und Flachenangabe zeigt, war dieses
Castrum
wesentlich dichter belegt als der republikanische Vorganger. Der um das Lager gelegte Graben sollte mindestens 1,50 Meter (5 Fuß) tief und 0,90 Meter (3 Fuß) breit ausgehoben werden. Mit dem gewonnenen Aushub war dann ein 2,40 Meter (8 Fuß) breiter und 1,80 Meter (6 Fuß) hoher Erdwall anzulegen, der sich nach innen gerichtet hinter dem Graben befand und das Lager schutzen sollte. Im Wall konnten je nach ortlichen Bedingungen auch
Rasensoden
und Steine zur Befestigung mitverwendet werden. Die Brustwehr hatte aus Holzpfosten oder Flechtwerk zu bestehen. Mit den Pfosten konnten in der Schrift die beidseitig angespitzten
Pila muralia
gemeint sein, die offenbar von jeder Stubengemeinschaft
(
Contubernium
)
, der kleinsten Einheit des romischen Heeres, auf Maultieren mitgefuhrt wurden. Vor den vier Toren, von denen sich je eines an jeder Seite der Anlage befand, hatten die Legionare etwas versetzt zum Hauptgraben kurze Graben
(Titula)
anzulegen, die ein direkt vorgehendes Eindringen in das Lager erschweren sollten. Die
Via principalis
, welche die an den Langsseiten liegenden Einlasse (
Porta principalis dextra
und
Porta principalis sinistra
) verband, sollte mit einer Breite von knapp 18 Metern (60 Fuß) vermessen werden. Die dem Feind zugewandte
Porta praetoria
an einer der Schmalseiten war uber die das Vorderlager durchlaufende
Via praetoria
mit der
Via principalis
rechtwinklig verbunden. Genau hinter dem Schnittpunkt hatte das
Praetorium
in den
Latera praetorii
seinen Standort zu finden. Auf diesem Mittelstreifen sollten außerdem das
Auguratorium
fur die Opferhandlungen sowie das Tribunal fur die Ansprachen des Kommandeurs untergebracht sein. Daneben hatten im Mittelstreifen die Zelte des Stabes und der kaiserlichen Leibgarde
(Praetorianer)
zu stehen. Die außeren Bereiche dieses Lagerteils sollten fur die ersten Legionskohorten und die
Vexillarii
(Feldzeichentrager) der beiden privilegierten Legionen reserviert werden. In der
Praetentura
war entlang der
Via principalis
den Legionslegaten und -tribunen Platz zu machen. Weitere Einrichtungen in diesem Lagerteil sollten die
Scholae
(Versammlungsplatze) der ersten Legionskohorten sein. Sodann hatten die Quartiere der Reitereien zu folgen und darauf die erste Legionskohorte der nicht so vornehmen Legion. Außerdem waren im Vorderlager die Feldschmiede
(Fabrica)
, das Lazarett
(Valetudinarium)
sowie die Tierklinik
(Veterinarium)
untergebracht. Nach
De munitionibus castrorum
hatten hier auch die Marine, Pioniere und Aufklarer ihren Zeltplatz. Die
Latera praetorii
sollten an ihrer Ruckseite mit der
Via quintana
abschließen. Dahinter begann die
Retentura
. Dort befand sich direkt hinter dem
Praetorium
das
Quaestorium
. Neben der Verwaltung war dieser Bereich fur die Unterkunft des Lagerprafekten vorgesehen. Zudem hatten hier die Hilfstruppen zu lagern und es war Platz fur die Beute und Gefangenen zu schaffen. Die 2. bis 10. Kohorte der drei Legionen, die als Elite galten, waren mit ihren Zelten direkt entlang der Umwallung untergebracht und umschlossen damit alle anderen Lagereinrichtungen. Dies ist ein wichtiger Unterschied zum Lager des Polybios, bei dem nicht die Legion, sondern die Verbundete und Hilfstruppen im Außenbereich saßen. Zwischen den Legionskohorten in der Außenzone, und dem Wall war die Lagerringstraße im 18 Meter (60 Fuß) breiten
Intervallum
vorgesehen. Die kleineren Nebengassen entlang der Zeltreihen wurden
Viae vicinariae
genannt und hatten zwischen 10 und 20 Fuß (rund drei bis sechs Meter) breit zu sein.
[13]
Eine Ansammlung von 13 Ubungs-Marschlagern, die wahrend Manovern in der Zeit zwischen 1. und 3. Jahrhundert errichtet wurden und noch mit bis zu 0,5 m hohen Wallen erhalten sind, findet sich im
Uedemer Hochwald
bei Xanten (
Vetera Castra
).
Das republikanische Marschlager bildete die strukturelle Ausgangsbasis fur die sich erst in der
fruhen Kaiserzeit
herausformenden festen Garnisonen. Diese je nach Große der Befestigung in sich variierende normierte Konzeption blieb bis in die
Spatantike
erhalten. Spatestens unter Kaiser
Diokletian
(284?305 n. Chr.) sind vollkommen neue Architekturformen eingefuhrt worden.
[14]
Festungsartig ausgebaute Stutzpunkte mit wechselnden Grundrissen losten die bisherigen standardisierten Kasernen ab.
Standlager wurden fur einen mehr oder minder langfristigen Einsatz errichtet. In vielen Fallen reichte es den romischen Militars, die Anlagen als reine Holz-Erde-Kastelle mit Erdwallen auszufuhren und nach Intervallen von 20 bis 30 Jahren von Grund auf zu erneuern. Teilweise wurden zu einem bestimmten Zeitpunkt in diesen Garnisonen nur wichtige Teile eines Bauwerks, wie das Fahnenheiligtum im Stabsgebaude
(Principia)
oder beheizbare Raume am Wohnhaus des Kommandanten, in Stein ausgebaut, wahrend bei den ubrigen Strukturen die Holzbauweise erhalten blieb. Einige in Holz-Erde-Technik errichtete Standlager wie das
Kleinkastell Burlafingen
an der Donau haben trotz einer Nutzungsdauer von rund zehn Jahren keine feste Innenbebauung erhalten. Meist aus zeitlich nicht absehbaren Gegebenheiten wurde vielfach in die Errichtung eines Steinkastells investiert, wobei es alle moglichen Abstufungen des steinernen Ausbaus je nach Grad der Wichtigkeit gegeben hat. In aller Regel ist bei diesen Anlagen zumindest die Umwehrung entsprechend befestigt worden. Besonders in den romischen Grenzregionen kann beobachtet werden, dass auf erste Holz-Erde-Lager haufig ein weitgehender Ausbau in Steintechnik erfolgte. Wahrend bei den Garnisonen der Hilfstruppen die Mannschaftsbaracken jedoch auch in solchen Befestigungen zumeist als Fachwerkgebaude entstanden, wurden die festen Legionsstandorte meist vollstandig in Steinbauweise verwirklicht. Besonderer Wert wurde vielfach auf eindrucksvolle Torbauten und reprasentative Stabsgebaude gelegt. Etliche der in den
Principia
errichteten Hallen standen mit ihren Ausmaßen und den Spannweiten der Decken großer stadtischer Architektur in nichts nach.
Im Verlauf des 3. Jahrhunderts vollzogen sich im Romischen Reich zahlreiche Veranderungen, die auch das Militar betrafen. Aufgrund des verstarkten Drucks, dem sich Rom im Norden und Osten (vgl.
Sassaniden
) ausgesetzt sah, wurde die Grenzverteidigung reformiert. Viele der alteren
limites
wurden aufgegeben, und man zog sich an leichter zu verteidigende Grenzen, besonders Flusse, zuruck. In der Spatantike entstand daher ein neuer Kastelltyp, der nicht mehr viel mit denen der fruhen und mittleren Kaiserzeit gemein hatte. Der Ubergang lasst sich gut an den Kastellen entlang von Rhein, Donau und an der
Sachsenkuste
nachvollziehen. Die neuen militarischen Stutzpunkte waren wesentlich starker befestigt als die Kastelle der ersten beiden Jahrhunderte nach Christus und ahnelten oft bereits
mittelalterlichen
Burgen
.
Endre Toth
sieht die Herkunft der fruhen U- und facherformigen Turme des 3. Jahrhunderts in den Balkanprovinzen Mosien und Skytien.
[15]
Die fachliche Diskussion zur Entwicklung einzelner Baukorper in spatantiken Kastellen ist noch nicht abgeschlossen. Diese Art der Militararchitektur blieb bis ins 6. Jahrhundert ublich. Große Festungsbauprogramme fuhrten vor allem die Kaiser
Diokletian
,
Valentinian I.
und
Justinian I.
durch.
[16]
Durch die vielfach zu beobachtende Verkleinerung der Kastellflachen beziehungsweise die Anpassung der Bebauung an neue Truppenstrukturen und oftmals zahlenmaßig reduzierte Einheiten kam es in der Spatzeit auch zu Abbruchen und Umnutzungen der bisherigen Innenbebauung. So wurde das Fahnenheiligtum der mittelkaiserzeitlichen
Principia
des pannonischen
Kastells Szazhalombatta-Dunafured
(Matrica)
in nachvalentinianischer Zeit als Abfallgrube umgenutzt.
[17]
- Neue Bauschemata
-
Weiterentwicklungen
: Das um 300 n. Chr. in Agypten errichtete ruckwartige
Limeskastell Nag el-Hagar
mit seiner spatantiken Palastanlage und einer ungewohnlichen
Principia
mit oktogonalem Fahnenheiligtum
-
Das ebenfalls um 300 n. Chr. im heutigen Jordanien an der vorderen Wustengrenze errichtete
Kastell Dajaniya
, eine kleinere Ausfuhrung des quadratischen Bauschemas
-
burgartige Festungen
: Das große
Donaukastell
Castra ad Herculem
folgt der naturlichen Struktur des Felsen, auf dem es steht. Ende 3. oder fruhes 4. Jahrhundert; Innenbebauung des spaten 4. Jahrhunderts
-
… der gleichen neuartigen Idee folgte das am Ende des 3. Jahrhunderts gegrundete kleine
Burgle bei Gundremmingen
am
Donau-Iller-Rhein-Limes
, das sich als burgartige ausgebaute Festung prasentierte
-
Quadriburgi
: Das zwischen 337 und 361 entstandene
Donaukastell Visegrad-Gizellamajor
ein
Quadriburgus
mit vier Facherturmen in Ungarn, weist dasselbe Baumuster auf wie …
-
… das in Syrien ergrabene
Kleinkastell Tetrapyrgium
, das fruhestens 324 erbaut wurde
-
Eines der besterhaltenen Kastelle der romischen Welt: der diokletianische
Quadriburgus
Castra Praetorii Mobeni
,
Qasr Bshir
im heutigen Jordanien
-
Das tripolitanische
Kleinkastell Gasr Bularkan
zeigt einen anderen typischen Bautyps des
Quadriburgus
, der zeitlich kurz nach 275/280 datiert wird
- Burgi
-
Der am raetischen Limes errichtete severische
Burgus Burgsalach
zeigte bereits Elemente spatantiker Wehrbauten
-
Das tripolitanische
Centenarium Gasr Duib
entstand bereits um 246 n. Chr.
-
Der pannonische
Burgus Leanyfalu
: Zur Grenzsicherung in vielfach engen Ketten eingefuhrte machtige turmartige Befestigungen, die kleinen Einheiten als Basis dienten. In dieser Bauausfuhrung datieren diese Burgi in die Herrschaftszeit des Kaisers
Valentinian I.
(364?375)
-
Der gleichfalls valentinianische
Burgus Finningen
an der Donau stand auf einem grabenumwehrten Turmhugel. Typisch fur viele kleinere Burgi
-
Der
Qasr Abu Rukba
: auch in der jordanischen Wuste vertraute der romische Grenzschutz auf das turmartige Bauschema mit weiter Fernsicht
- Landeburgi
-
Zur militarischen Sicherung der großen Flußgrenzen entwickelte Burgi, an denen Kriegsschiffe anlegen konnten. Sie datieren ebenfalls in die Herrschaftszeit des Kaisers Valentinian I., konnen aber moglicherweise auch alter sein
Unter den kleineren Lagertypen finden sich auch die Auxiliarkastelle. Das bedeutet, dass dort
Auxiliartruppen
zur Besetzung zahlten.
Principia
, Kommandantenwohnhaus und Mannschaftsunterkunfte fanden sich bei Alen-, Kohorten- und Numeruskastellen meist in der gleichen Lage wie beim Legionslager.
Die Reitertruppen der
Alen
bestanden entweder als
ala quingenaria
aus knapp 500 oder als
ala milliaria
(doppelte Ala) aus bis zu 1000 Mann. Mit dem notigen Platz fur die Pferde wurden Lagergroßen bis zu 60.000 m² erreicht. Typisch fur berittene Einheiten waren Kasernen-Stuben (Belegung sechs oder acht Mann) mit Durchgang zu unmittelbar anschließenden Pferdestallen.
[18]
Romische Hilfseinheiten wurden grundsatzlich in drei Grundtypen organisiert: die Infanterie-Kohorte (
cohors peditata
), die Kavallerie-Geschwader (
ala
) und die
cohors equitata
, was oft als ?teilberitten“ ubersetzt wird. Jeder dieser drei Typen tritt als Standardeinheit auf, mit nominell 500 Mann (was die Romer
quingenaria
nannten) oder als vergroßerte Einheit mit nominell 1000 Mann (
milliaria
). Die Begriffe
quingenaria
und
milliaria
wurden vermutlich nur als Naherungen genannt und nicht als genaue Großeneinheiten gesehen. Die Große und die innere Struktur dieser Einheiten bleiben ein Ratsel, aber einige waren offensichtlich groß genug, um uber mehrere Standorte hinweg ausgebreitet zu werden. Archaologen gehen oft davon aus, dass eine einzige
centuria
und Offiziere oder zwei
turmae
und ihre Offiziere einen einzigen Barackenblock besetzten.
[19]
Ein typisches Kohortenkastell findet sich in
Hesselbach (Odenwaldkreis)
.
Bei einer Große von 6000 bis 8000 m² kamen in Numeruskastellen etwa 150 Mann der Aufklarungseinheiten (
Numeri
) unter.
Kleinkastelle hatten oft nur eine Große von 300 m². Die Besatzungsstarke schwankte zwischen 12 und 80 Mann. In der Urform gab es nur ein Tor und einen Graben. Der Innenausbau war entweder U-formig angeordnet, oder bei zwei gegenuberliegenden Toren lagen die Mannschaftsbaracken links und rechts der Straße. Oft waren nicht militarische Grunde fur die Anlage solcher Kleinkastelle ausschlaggebend, sondern eine Kontrollfunktion des Menschen- und Warenverkehrs an Eintrittsstellen in das Limesgebiet.
Burgus
(
lat.
,
Pl.
Burgi
) oder auch
turris
[20]
ist eine von den Romern entlehnte germanische Bezeichnung fur turmartige kleinere Kastelle der
Spatantike
, die teilweise auch mit einem Außenwerk und umlaufenden Graben versehen waren. Commodus baute Wachturme entlang der Grenzen, um deren Beaufsichtigung zu unterstutzen. Inschriften zeichnen die Bauarbeiten auf und verzeichnen den Zweck der Turme zur Uberwachung von Rauberbanden, die regelmaßig in die nordlichen Provinzen einfielen.
[21]
Mit Wall, Graben, Pfahlen und Flechtzaunen schutzten sich die Romer in den Marschlagern. Die holzernen
Pila muralia
(Mauerspeere), welche neben ihrer Funktion als doppelseitig angespitzte Schanzpfahle auch als Wegsperren hatten eingesetzt werden konnen, wurden an einigen romischen Garnisonsorten der Kaiserzeit, wie dem
Ostkastell Welzheim
, in sehr gutem Zustand angetroffen. Ab welchem Zeitpunkt und wie umfassend sich die romische Armee dieser Pfahle bediente, ist unbekannt. Die bisher aufgefundenen
Pila
sind trotz einer grundsatzlichen Normierung ihres Aussehens teil sehr unterschiedlich gearbeitet. So variierten die Hohen und der Durchmesser teils betrachtlich.
[22]
Es wird angenommen, dass die aufgefundenen Pfahle mit der Spitze einer Seite in die Wallkronen der Marschlager gerammt wurden.
Insbesondere im 1. Jahrhundert n. Chr. waren auch viele dauerhafte militarische Standorte nicht immer durch steinerne Mauern geschutzt. Aufgrund der verschiedenen vor Ort aufgefundenen Verhaltnisse haben die Romer diese Lager mit unterschiedlichen Techniken umwehrt, darunter auch
Fallgrubenreihen (Lilia)
. Als stabile und sichere Konstruktion wurde das aus dem altitalischen Stadtebau ubernommene System von zwei gegenuberliegenden steinernen Mauerschalen verwendet, deren Zwischenraum nachtraglich mit festgestampfter Erde verfullt worden ist. Das romische Militar passte dieses Grundkonzept den jeweiligen Umstanden an. So wurden Rasensodenziegel
(Caespites)
ausgestochen und anstelle der Steinmauern verwendet, andernorts ubernahmen unterschiedliche Holzkonstruktionen diese Funktion. Es wurden auch Lehmwalle und senkrechte Rasensodenmauern mit Steinfullung errichtet, wie am sudenglischen
Kastell Hod Hill
.
[23]
Eine von vielen Moglichkeiten waren mit Erde verfullte Trockenmauerschalen, wie sie unter anderem am
Kastell Hesselbach (Bauphase B)
vorkamen.
[24]
All diese Bauten besaßen Brustwehren mit
Zinnen
aus Holzbalken oder Flechtwerk, die Verteidiger standen auf dem Wall. Zusatzlich waren Wehrturme oder Wehrplattformen installiert. Um einen sicheren Stand dieser Holz-Erde-Konstruktionen zu gewahrleisten, musste fur einen standfesten und trockenen Untergrund gesorgt werden. Daher wurden Bettungen aus Reisig, Zweigen, Holzbalken und Steinen eingesetzt. Auch die Walle selbst konnten durch Holzeinlagen wie Balken, Reisig und Aste versteift werden. Die Aufgange zu diesen Anlagen konnten Rampen oder Treppen sein.
Die Rekonstruktion eines solchen Kastells wurde 2011 als
Limeskastell Pohl
eroffnet.
Wie eine Bauinschrift von einem der Tore des
tripolitanischen
Kastells Gholaia
aus dem Jahr 222 bezeugt, brachten die Soldaten bei den Baumaßnahmen große Leistungsbereitschaft auf.
[26]
Die Bedeutung der hochaufragenden Tore beschreibt der Text aus Gholaia wie folgt: ?Wie der Edelstein in Gold gefasst wird, so ziert das Tor das Lager.“
[27]
In den Marschlagern wurden keine Tore errichtet. Als Annaherungshindernis war dort in Form von Graben das
Titulum
(Schutzgraben) oder die Außere und Innere
Clavicula
(eine Art
Brustwehr
mit kleinem Graben) vor den Zugangen vorgesehen. Torbauten, von denen das romische Lager in der Regel je eines an seinen zwei Flanken und Stirnseiten besaß, wurden erst mit den festeren und festen Kastellen ublich. Diese vier Zugange besaßen eigene Namen, die sich an jeder Garnison wiederholten. Das dem Feind zugewandte Tor hieß
Porta praetoria
, der ruckwartige Einlass wurde
Porta decumana
genannt und die beiden seitlichen Tore hießen
Porta principalis sinistra
sowie
Porta principalis dextra
. Im Grundriss ahnelten sich die Torbauten der fruhen und mittleren Kaiserzeit. Mit dem Aufkommen neuer Tor- und Kastellformen in der Spatantike, die auch runde, oder mehreckige Turme besitzen konnten, werden die Baumuster der Garnisonen und holzernen Militarstandorte konstruktionsbedingt deutlich starker voneinander abgewichen sein. An vielen Standorten der mittleren Kaiserzeit konnte festgestellt werden, dass die
Porta decumana
als ruckwartiger Aus- bzw. Einlass deutlich kleiner ausgefuhrt war, als die drei anderen Torbauten.
In ihrer einfachsten Bauausfuhrung, die bei Holz- und Steinkastellen vorkommen kann, wurde auf jegliche Art von Turm verzichtet. Insbesondere Kleinkastelle weisen diese Bauart haufiger auf, doch sind sie speziell auch bei den holzernen Auxiliargarnisonen mehrfach beobachtet worden, wobei es Varianten gibt. Fur die Forschung besteht die Schwierigkeit, festzustellen, ob das ein oder andere Tor einen Turm besessen hat oder nicht. Wenn, dann stand dieser Turm direkt uber dem Zugang. Archaologisch nachweisbar sind indes meist nur die Pfostenlocher, die wenige Erkenntnisse zu dem einstigen Uberbau zulassen. Das Gleiche gilt fur die in Stein ausgebauten Kastelle. Auch hier geben die Fundamente nur selten Auskunft uber das aufgehende Mauerwerk.
Auch bei den holzernen und steinernen Toren mit quadratischen oder rechteckigen, seitlich flankierenden Turmen konnen mehrerer Bauarten unterschieden werden. So gab es Torbauten, bei denen die Seitenturme mauerbundig abschlossen, bei anderen sprangen die Turme mehr oder minder weit aus der Kastellmauer hervor. Die letztere Bauweise lasst sich bereits in
flavischer Zeit
(69?96 n. Chr.) beobachten, bleibt zunachst jedoch seltener und ist zunachst wohl eher ein die Architektur betonendes Element. Erst nach der Mitte des 2. Jahrhunderts werden diese Torturmbauten immer haufiger und massiver befestigt. Ihr stark hervorkragendes Merkmal lasst sich bereits unter Kaiser
Commodus
(180 bis 192 n. Chr.) nutzen, um seitliche Schießscharten anzubringen, wie dies am Kastell Niederbieber der Fall war. Eine weitere, seltener zu beobachtende Torvariante der mittleren Kaiserzeit ist das U-formige Tor, wie es auch an Stadttoren eingesetzt wurde. Das bekannteste militarische Beispiel stammt aus der Zeit um 170 n. Chr. und wurde in monumentaler Ausfuhrung als
Porta Praetoria
des Legionskastells
Castra Regina
(Regensburg) errichtet. Dieses Tor war moglicherweise Vorbild fur Nachbauten an anderen ratischen Auxiliarstandorten, wie am
Kastell Schirenhof
und Weißenburg. Noch seltener ist eine konkave Krummung, wie sie beim Kohortenkastell Theilenhofen ergraben wurde. Dieser Bau gehort in die antoninische Epoche. Weitere bekannte Beispiele finden sich am Legionslager im osterreichischen
Carnuntum
und im Legionslager Lambaesis in Algerien.
Bei allen Varianten waren ein- oder zweispurige Zufahrten moglich. Uber der uberwolbten Zufahrt befand sich der ein- oder zweigeschossige Wehrgang. Dieser konnte uberdacht, mit Fenstern oder offen, mit Brustung und Zinnen ausgefuhrt sein. Auch die zumeist wohl mindestens zweigeschossigen Turme waren der Witterung entsprechend uberdacht oder mit einem Zinnenkranz ausgestattet. Die Dachdeckung konnte mit Tonziegeln und Schieferplatten geschehen. Nicht nachzuweisen, aber beispielsweise bei leichteren Turmen durchaus denkbar sind Holzschindeln
[29]
oder
Reetdacher
. Doch auch bei fest ausgebauten Militaranlagen fehlen haufig Ziegel- oder Steinschindeln, so dass auch hier mit einer alternativen, verganglichen Dachdeckung zu rechnen ist. Aufgrund von noch aufrecht stehenden Kastelltoren beziehungsweise Zeichnungen, die fruhe Forscher von damals noch besser erhaltenen Toren angefertigt haben sowie anhand von Befunden, die im gesamten ehemaligen romischen Reichsgebiet zusammengetragen wurden, lasst sich heute ein relativ klares Bild der grundsatzlichen Torgestaltung gewinnen, wenn auch viele Einzelheiten zu den Details an den meisten Garnisonsplatzen fur immer unbekannt bleiben werden. Ausgesprochen haufig setzten die Romer beim Bau von Fensteroffnungen den Bogen ein. Er kann bei etlichen Torbauten durch den Fund von Keilsteinen nachgewiesen werden. Eine architektonische Eigenheit der Wehrbauten am Main und am Odenwaldlimes war die bogenformige Betonung der Maueroffnungen durch steinerne Fenster- oder Tursturz
lunetten
.
[30]
Das dazugehorige Fenster oder die entsprechende Ture hatten in dieser Region an ihrem Scheitelpunkt einen waagrechten Abschluss uber dem eine halbkreisformige, verzierte Lunette eingemauert war. Auch am nordenglischen Kastell Birdoswald wurden solche Lunetten im Schutt der Lagertore ergraben. Unter dem reichhaltigen Architekturmaterial, das bei den archaologischen Untersuchungen vielfach entdeckt wird, sind sehr haufig Gesimse, welche die Wehrmauer und Tore waagrecht untergliederten, sowie teils verzierte Fenster- und Tursturze, die einen Blick auf gestalterische Eigenheiten unterschiedlicher Garnisonsplatze preisgeben. Am Legionslager Bou Njem im heutigen Libyen, war der oberste Keilstein an der einspurigen Nordzufahrt mit einem romischen Adler verziert. Ein wichtiges Element, das sich nicht nur an den Hauptzufahrten fand, war die oft monumentale Bauinschrift aus der mindestens hervorging, unter welchem Kaiser und von welcher Truppe der Bau ausgefuhrt worden war. Haufig fand haufig die Nennung des Truppenkommandeurs, des Statthalters und manchmal sogar die der jeweils amtierenden Konsuln statt, durch die eine jahrgenaue Datierung der Inschrift moglich wird. Damit erhalt die Forschung den Zeitpunkt fur die Errichtung des jeweiligen Steinbaus. Diese Inschriften waren in der Regel mittig uber den Bogen der Zufahrt eingelassen. Die Torbauten wie die gesamten Wehrmauern eines Kastells waren zumindest sehr haufig weiß verputzt. Um ein besonders imposantes Aussehen vorzutauschen, wurden auf diesen Putz regelmaßige, großere Quadersteine durch Einritzungen in den Putz imitiert. Diese Ritzungen wurden dann mit roter Farbe nachgezogen.
[31]
[29]
Am Kastell Ellingen konnte nur ein einfacher weißer Verputz festgestellt werden, wobei es die Ausgraber jedoch offenließen, ob nicht doch ein roter Fugenstrich vorhanden war.
[32]
Die Inschriften waren mit leuchtend weißem Stuck uberzogen, wobei die vertieften Buchstaben und Zahlen ebenfalls mit Rot ausgefullt wurden. In einigen Kastellen am Obergermanisch-ratischen Limes, sowie entlang der Donaugrenze wurden zumeist aus dem Verbund gerissene vergoldete Metallbuchstaben gefunden, die haufig mit dem Besuch Kaiser
Caracallas
an der Reichsgrenze in Verbindung gebracht werden, der 213 n. Chr. stattfand.
[33]
Daher ist bekannt, dass es auch in dieser Form Ehren- und Bauinschriften gegeben hat. Die Zugange zu den Steinturmen waren stets ebenerdig und konnten sich an der Turmruckseite oder an deren Flanke unter der Tordurchfahrt befinden. Von ihren aus gelangten die Soldaten nicht nur in die oberen Stockwerke, denn das Erdgeschoss diente auch als Aufenthaltsraum fur die Torwache.
Am Ende des 3. Jahrhunderts, zu Beginn der Spatantike, lassen sich ganzlich neue festungstechnische Konzeptionen fur die festen romischen Militarstandorte nachweisen. Bereits zu dieser Zeit wurden die neuen Normen selbst in weit entfernten Provinzen umgesetzt, wie die runden Torturme der sudenglischen Kastelle an der
Sachsenkuste
zeigen.
Die
Principia
(Mehrzahlwort) waren das verwaltungsmaßige und religiose Zentrum an fast jedem befestigten militarischen Standort. Von der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. bis zum Beginn der Spatantike folgte ihr Aufbau einem standardisierten Grundrissschema.
[34]
Durch seine Lage am Schnittpunkt der wichtigsten Straßenachsen eines Kastells wird die Bedeutung dieses Gebaudekomplexes unterstrichen. In der Literatur wird daher auch das Wort
Mittelgebaude
fur dieses Bauwerk verwendet. Das Aussehen dieser Mittelgebaude war in den Jahrhunderten einer Vielzahl von Veranderungen unterworfen.
Auf Feldzugen war der Kommandeur eines romischen Heeres in einem Zelt untergebracht, das inmitten des Marschlagers aufgestellt wurde. Dieses Zelt wurde als
Praetorium
bezeichnet. In den dauerhafteren Lagern der spaten Republik, wie sie besonders durch die Eroberungszuge in Spanien bekannt geworden sind, entwickelte sich daraus das Wohnhaus des Kommandeurs, das damals noch mit den
Principia
verbunden war. Moglicherweise fand die letztendliche Trennung dieser beiden Baueinheiten erst in der fruhen Kaiserzeit statt. In Feldlagern blieb diese Einheit jedoch weiterhin gewahrt, wie der Befund des Lagers B der Umschließung von
Masada
zeigt (72/73 n. Chr.). Vom Grundriss her orientierte sich das kaiserzeitliche
Praetorium
zumeist an der Architektur traditioneller italischer Wohnbauten im Stil der Peristylhauser. Diese Architektur war schon vor der romischen Epoche im stadtischen Wohnbau des ostlichen Mittelmeerraumes beheimatet gewesen. In den meisten Fallen gruppierten sich vier reichlich Platz bietende Flugel um einen langlich-rechteckigen bis quadratischen Portikushof. Dieses Schema wurde nicht nur bei den in Steinbauweise errichteten Kommandantenhausern verwirklicht, sondern findet sich auch bei den Holz-Erde-Kastellen. In den meisten Hilfstruppengarnisonen der fruhen und mittleren Kaiserzeit war das
Praetorium
in der
Latera praetorii
, dem Mittelstreifen eines Kastells nahe dem Stabsgebaude zu finden. Waren bereits den augusteiischen Legionslagern Peristylhauser fur die Tribunen bekannt, finden sie sich an den Standorten der Auxiliare erstmals wahrend der Regierungszeit des Kaisers
Claudius
(41?54 n. Chr.), so in den Kastellen
Hofheim
am Taunus und
Oberstimm
.
[35]
Viele spatantike Militarstandorte verzichteten auf ein spezielles Wohnhaus fur den Kommandanten beziehungsweise es lasst sich aufgrund der individuellen Strukturen dieser Anlagen nicht eindeutig identifizieren. Doch halt sich das Peristylhaus in den Kastellen bis ins 4. Jahrhundert. Im rumanischen Kastell Dinogetia haben sich bauliche Strukturen des ausgehenden 3. oder fruhen 4. Jahrhunderts erhalten, die einer fruh- und mittelkaiserzeitlichen Kommandantenvilla entsprechen. Ahnliches wurde im
Kastell Caernarfon
, Wales, vorgefunden.
Unbekannt ist, wie viele Menschen der Haushalt des Kommandeurs neben der Dienerschaft umfasste. War es unter Augustus selbst hohen Offizieren nicht gestattet, ihre Gattinnen mit in die Garnisonen zu nehmen,
[36]
wurde dieses Verbot fur die Befehlshaber spater gelockert und aufgehoben. Viele Frauen mogen ihren Mannern dennoch nicht direkt in die Kastelle der Grenzregionen gefolgt sein, andere wohnten moglicherweise in etwas weiter entfernten großeren Ansiedlungen oder in besser ausgebauten Lagerdorfern, die einem gehobenen Anspruch genugten. Zeugnisse von Familien sind jedoch sehr selten. So starb die junge Frau des Publius Crepereius Verecundianus, eines Kohortenprafekten des limesnahen Kastells Pfunz, in der etwas weiter sudlich gelegenen Siedlung Nassenfels.
[37]
Im nordenglischen
Kastell Birdoswald
am Hadrianswall gibt ein Grabstein vom Anfang des 3. Jahrhunderts Aufschluss uber die Anwesenheit der Familie des Tribuns Aurelius Iulianus am Garnisonsort. Er wurde fur dessen einjahrigen Sohn errichtet.
[38]
Die gelegentlich in Abfallgruben und aufgelassenen Brunnen der Kastelle zu findenden Schuhe von Frauen und Kindern, beispielsweise im Ostkastell von Welzheim, sind kein Nachweis fur Offiziersfamilien in den Kastellen. Sie zeugen lediglich vom Leben in den Lagerdorfern.
Das eher privat gestaltete
Praetorium
halt sich in vielen Fallen nicht ganz so genau an die rasterartigen Vorgaben eines Kastells der mittleren Kaiserzeit. Einige besaßen unregelmaßigere Grundrisse mit opulenten Badern wie im schottischen
Kastell Mumrills
am
Antoninuswall
, andere versuchten sich mit einer Arkadenfront zur Straße hin ganz in geradliniger architektonischer Strenge wie in Oberstimm. Reste von bemaltem Wandverputz, Steinestrichboden (
Opus signinum
) und Fensterglasbruchstucke sowie Unterflur- und Wandheizungen zeugen vom Komfort, den sich auch die Kommandeure der Hilfstruppenkastelle leisteten. Im nordenglischen
Kastell Bewcastle
am Hadrianswall hatten die Handwerker sogar profilierte Marmorplatten verarbeitet. Einige Praetorien besaßen Anbauten mit Wirtschaftshofen, die Stalle, Scheunen und Schuppen umfassten, andere grenzten an Garten. Als fruhestes Beispiel fur ein Kommandantenhaus mit Anbau gilt ebenfalls Kastell Hofheim wahrend der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr.
An den meisten festen großeren Kastellplatzen der Kaiserzeit konnten
Getreidespeicher
aufgedeckt werden. Auch in der Spatantike sind diese Bauten fur die Archaologie anhand ihres typischen Aussehens noch nachweisbar. Die
Horrea
standen meist auf dem Mittelstreifen
(Latera praetorii)
eines Kastells, in einigen Fallen auch im angrenzenden Bereich der
Retentura
, der ruckwartigen Lagerzone, an der
Via quintana
. Ein Merkmal der Speicherbauten ist ihre haufige Nahe zu den
Principia
; an manchen militarischen Standorten des 2. Jahrhunderts n. Chr. sind in diesem Zusammenhang bauliche Verdichtungen zu beobachten, bei denen das
Horreum
mit dem Stabsgebaude fast zu einer Einheit verschmilzt. Da in der Spatantike aufgrund der baulichen Individualisierung der Garnisonen vielfach keine Kommandanturen oder Verwaltungstrakte mehr zweifelsfrei nachzuweisen sind, kann zu diesem Punkt keine eindeutige Aussage mehr gemacht werden. Manche Lager besitzen nur einen Getreidespeicher, andere zwei oder mehr. Speziell in Versorgungslagern kann fast der gesamte Kastellbereich von
Horrea
bebaut sein und nur noch ein kleiner Abschnitt fur Unterkunfte und Verwaltung freistehen, wie im nordenglischen Lager South Shields, das unter Kaiser
Septimius Severus
(193 bis 211 n. Chr.) ausgebaut wurde. In einigen Lagern kommen Doppelhorrea vor, wie im Kastell Niederbieber. In der Pfunzer Garnison befand sich einer der Getreidespeicher sogar vor den Toren des Lagers.
Es lassen sich zwei grundsatzliche zwei Arten von
Horrea
unterscheiden. Den bekanntesten und haufig genutzten Typus des langlich-rechteckigen Steinbaus mit meist kraftigen Wandvorlagen und Holzfußboden, die von steinernen oder holzernen Pfeilern oder Mauerunterzugen uber dem Bodenniveau getragen wurden sowie den sogenannten Hoftypus, bei dem sich die Raume um einen rechteckigen Innenhof gruppieren, wie dies beispielsweise am Kastell Aalen nachgewiesen wurde. Daneben waren auch holzerne Getreidespeicher bekannt. Wie sich bei besser erhaltenen
Horrea
zeigte, war dem oftmals an der
Via principalis
liegenden Eingang dieser Bauten eine holzerne Laderampe vorgelagert, die offensichtlich durch das weit vorgezogene Dach des Gebaudes vor Regen geschutzt blieb. Das Dach wurde von holzernen Standern oder von Steinsaulen in Form eines Portikus getragen, wie dies am
Kastell Corbridge
in Northumberland nachgewiesen wurde. Dort haben sich auch die steinernen Grundmauern des Speichers hervorragend erhalten. Dadurch konnte festgestellt werden, dass es in regelmaßigen Abstanden schmale langlich-hohe Luftungsoffnungen gegeben hat, die nochmals mittig durch einen einfachen Steinpfeiler unterteilt worden sind. Stattdessen konnte es auch holzerne und eiserne Gitter an diesen Unterflurbeluftungen geben. Sinn der Beluftung des gelagerten Getreides war es, das Schuttgut so trocken wie moglich zu halten, um es langerfristig lagern zu konnen. Die erhohte Lage uber dem Erdboden schutze auch vor Schadlingen. Das Getreide wurde offen in die Horrea geschuttet, weshalb auf den Wanden ein besonders hoher Druck lag, der durch die Wandvorlagen abgefangen wurde.
Um unter anderem ein gesundes Umfeld an den Garnisonsorten zu schaffen, hat das romische Militar versucht, die aus Italien bekannten sanitaren Maßstabe auch an den entlegensten Orten des Reiches zu verwirklichen. Bis ins 20. Jahrhundert fuhrten auch in den Industriestaaten
Seuchen
zu verheerenden Bevolkerungsverlusten. Mangelnde Hygiene hat weltweit ganze Armeen geschwacht, Krankheiten haben Volkerschaften dezimiert. Diese Gefahren galt es zu minimieren, um die romischen Soldaten stets schlagkraftig zu halten. Ein wichtiger Aspekt war daher die Entsorgung der
Fakalien
. Der gesonderte Umgang mit den
Exkrementen
war in einer Zeit, als nicht unwesentliche Teile der Bevolkerung aufgrund fehlender Medikamente an Darmparasiten litten, besonders wichtig. Dabei wurde an etlichen Kastellplatzen versucht, mithilfe von Kanalsystemen
Spulwassertoiletten
einzurichten, die ein manuelles Ausraumen der Aborte minimierten beziehungsweise unnotig machten.
Wahrend die Offiziere zumeist eigene Latrinen besaßen, musste sich die Truppe mit Mannschaftstoiletten begnugen. Der Nachweis dieser Einrichtungen ist in der Vergangenheit nicht immer gelungen, trotzdem geht die Forschung von einer relativ vereinheitlichten Toilettenkultur an den Kastellplatzen aus, wenn auch in den kurzfristigen Feldlagern aber auch an den in Stein befestigten Militarposten vielfach nur oder zumindest teilweise mit einfachen Aborten in Form der ?Donnerbalken“ zu rechnen ist, wie man sie bis in die Gegenwart kennt. Beim romischen Militar wurde zu diesem Zweck eine langliche Grube in den Boden eingelassen und ein einfacher Holzbau mit Sitzgelegenheiten und Uberdachung daruber gestellt. Nachdem die Grube verfullt war, musste eine neue ausgehoben und die alte zugeworfen werden. Diese Art der Latrinen stand vorzugsweise dicht hinter den Umwehrungen an der Lagerringstraße
(Via sagularis)
. Ihr Nachweis gelang beispielsweise am
Kastell Kunzing
anhand der vertorften Grubenfullung. Der dort untersuchte Abtritt war 1,4 Meter tief, 14 Meter lang und zwei Meter breit. Der Rauminhalt zeigt, dass dieser ?Donnerbalken“ viele Jahre in Betrieb geblieben ist. Pfostenlocher deuten auf den holzernen Oberbau hin. Es konnte festgestellt werden, dass die Besatzung des Kastells trotz der allgemeinen Hygienemaßnahmen erheblich mit dem relativ harmlosen
Peitschenwurm
Trichuris trichiura
verseucht gewesen sein muss.
[39]
Nur in großeren Mengen fuhrt dieses auch heute noch recht haufig vorkommende Tier zu Durchfall und Blutungen, in außerst seltenen Fallen gar zu
Darmverschluss
. In den Kopfbauten der Mannschaftsbaracken, die von den Zenturionen und eventuell auch anderen Offizieren bewohnt worden waren, befand sich deren Privattoilette. Die Entsorgung dieser Einrichtungen geschah haufig uber holzverschalte Kanale. Diese mundeten in kurzfristigeren Holz-Erde-Lagern haufig in Sickergruben, besser ausgebaute Toiletten besaßen eine abwassergespulte Kanalisation. Diese konnte auch an die Gemeinschaftslatrinen angeschlossen sein. Voraussetzung fur eine funktionsfahige Spulung war eine gewisse Hanglage des Kastells, wobei die Mannschaftstoilette, die am meisten Wasser benotigte, am tiefsten Punkt liegen musste.
[40]
Im sudhollandischen Kastell
Alphen aan den Rijn
(
Albaniana
)
wurde eine fruhe Fachwerkbaracke aus der Mitte des 1. Jahrhunderts ergraben, in der sich der rechteckige, 0,9 × 2,5 Meter große Toilettenraum des Zenturios mit kanalisiertem WC erhalten hatte. Gleichartige Latrinen wurden auch im Kastell
Valkenburg
(
Praetorium Agrippinae
)
ergraben.
[41]
Die Zenturionentoilette aus Alphen aan den Rijn enthielt Reste des Kornwurmes, der teilweise das Getreide der Einheit befallen haben muss. Wahrend des Mahlvorgangs war er zerrieben worden und kam so in die Nahrungskette. Außerdem fanden sich tausende Eier des Peitschenwurms, des
Spulwurms
und in erheblich geringerem Maße des
Bandwurms
. In der fruhkaiserzeitlichen Latrine des Schweizer
Kastells Zurzach
wurde zusatzlich der
Rinderbandwurm
gefunden. Hingegen trafen die Ausgraber im
Kastell Ellingen
nur auf den Peitschenwurm.
[42]
Eine besonders aufwendige Spultoilette besaßen die Mannschaften des nordenglischen
Kastells Housesteads
am Hadrianswall im 2. Jahrhundert n. Chr. Die in hadrianischer Zeit erbaute, mindestens zweiperiodige rechteckige Latrine mit zwei gegenuberliegenden holzernen Sitzreihen war ganzlich in Stein ausgebaut und besaß an ihrer Ruckseite einen großen, viereckigen Wassertank mit dessen Hilfe die Spulung gewahrleistet wurde. Das Brauchwasser floss anschließend in den unterhalb gelegenen Kastellgraben. Vor den Sitzen befand sich am Boden eine in die Steinfliesen eingelassene flache Rinne, die Frischwasser fuhrte. Sich buckend, konnten darin die Schwamme eingetaucht und gereinigt werden, die anstelle von Toilettenpapier verwendet wurden. Die mittig in der Latrine zwischen den gegenuberliegenden Sitzreihen befindlichen beiden Handwaschbecken wurden ursprunglich von einer Druckwasserleitung gespeist. Ahnliche WC-Anlagen wurden unter anderem im
Kastell Saalburg
und im
Kastell Großkrotzenburg
am Main gefunden. Solch komfortable sanitare Anlagen, wie bei der romischen Armee, hat wohl kein Heer vor dem 20. Jahrhundert wieder besessen. Aus dem Dienstplan einer Legionsabteilung in Agypten vom 2. Oktober 87 n. Chr. geht hervor, dass der Soldat
M. Longinus A …
zum Toilettenreinigen abkommandiert worden ist.
[39]
Zu den Einrichtungen zahlten auch
Badehauser
bzw.
Thermen
mit
Hypokaustenbeheizung
.
In den Unterkunften wurde die organisatorische Gliederung der Legion beibehalten. Jede Gruppe (
contubernium
, Zeltgemeinschaft) hatte einen Schlafraum, der uber eine Feuerstelle verfugte und einen Vorraum fur die Ausrustung und evtl. vorhandenes unfreies Personal. Teilweise befand sich vor diesen zwei Raumen noch ein Laubengang. Die zehn Raume der
Centurie
waren in einer Reihe angeordnet. Am Kopfende befand sich die Unterkunft des
Centurios
, des
Optios
und der weiteren Dienstgrade. Das Platzverhaltnis von einfachen Soldaten zu Centurio betrug dabei ca. 1:10?1:12.
Ein Standlager konnte neben den obigen Gebauden noch
Stallungen
,
Lazarett
(
Valetudinarium
) und
Werkstatten
umfassen. Neben den Metallwerkstatten gab es teilweise regelrechte Bauhofe im oder am Lager, da die Legion auch fur viele Bauaufgaben in ihrem Bereich zustandig war. So tragen sehr viele
Ziegel
, auch außerhalb militarischer Bauten, Legionsstempel.
Um ein Standlager bildete sich rasch eine Siedlung (
Vicus
) von zivilem Begleitpersonal der Legion, welches von Werkstatten, Handlern,
Wirtschaften
bis zu den Lebensgefahrtinnen und Familien der offiziell unverheirateten Legionare reichte.
Diese Siedlung
(
canabae
)
bildete zusammen mit dem eigentlichen Lager die Keimzelle zur
Romanisierung
der jeweiligen Provinz, wobei die Romanisierung in unmittelbarer Grenznahe, durch die großere Zahl von Militarlagern, meist starker oder schneller war als im Hinterland. Teilweise bildete sich, etwa bei den
Batavern
am
Niederrhein
eine eigene Militarkaste heraus, die mehrere Jahrhunderte lang die jeweilige Legion oder auch das gesamte Heer erganzte.
Weiterhin befand sich auch der
Friedhof
außerhalb des Lagers. Eine der großten Graberstatten dieser Art wurde beim
Kastell Gelduba
entdeckt.
Außerhalb von fast allen Festungen und Kastellen gab es zivile Siedlungen bekannt als
canabae
im Falle von Festungen und
vici
bei Kastellen. Aus romischen Kastellen und ihren
Vici
entstanden oftmals bedeutende Stadte, wobei bereits die Romer teils auf altere Siedlungsstandorte zuruckgegriffen haben. Die Armee war in der Lage, die zivilen Siedlungen zu schutzen, indem sie die Grenzen bewahrte und den Frieden innerlich durch Polizeiarbeiten hielt. Jedoch stieg ab dem dritten Jahrhundert der Druck zur Befestigung an. Die vollige Stagnation des Wachstums und der Mangel an Neubau oder Ausbau der Stadte aus dem dritten Jahrhundert wurde als einer der uberzeugendsten Beweise fur den Niedergang des Reiches gesehen. Stattdessen gab es einen Aufschwung im Bau der Verteidigungsmauern, der zweifellos die ganze Aufmerksamkeit, Aufwand und Kosten erforderten.
[43]
Jene Stadten, an denen es ein direktes imperiales Interesse gab, oder besser noch eine verlangerte kaiserliche Prasenz mit den Truppen der Feldarmeen, die in den Stadten untergebracht wurden, wurden unterstutzt und uberlebten die Krise des dritten Jahrhunderts. Fur Stadte, die nicht vom Kaiser und den Feldarmeen besetzt waren oder nicht auf wichtigen Routen lagen, fiel die Verantwortlichkeit fur den Aufbau von Verteidigungsanlagen auf die Einwohner. Manche neuzeitliche Stadt entstand in nachromischer Zeit auch in der Peripherie des antiken Vorgangers und nutzte diesen als billigen Baustofflieferanten.
[44]
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