Pio von Pietrelcina
, bekannter als
Pater Pio
(
italienisch
Padre Pio
; burgerlich
Francesco Forgione
; *
25. Mai
1887
in
Pietrelcina
,
Provinz Benevento
,
Kampanien
,
Konigreich Italien
; †
23. September
1968
in
San Giovanni Rotondo
in der italienischen
Provinz Foggia
), war
Kapuziner
und
Ordenspriester
. Ab 1918 zeigten sich bei ihm
Stigmata
; auch soll er uber die Gaben des
Heilens
, der
Prophetie
und der Seelenschau verfugt haben, was Anlass fur mehrere teils kirchliche, teils medizinische Untersuchungen war. In kritischen Veroffentlichungen werden die Stigmata auf naturliche Ursachen zuruckgefuhrt und Pios Wirken teils sehr negativ bewertet.
Papst
Johannes Paul II.
sprach ihn 1999
selig
und 2002
heilig
. Um Pater Pio entwickelte sich bereits zu Lebzeiten ein Kult; er gilt als einer der beliebtesten
Heiligen
Italiens.
Francesco Forgione war das achte Kind von Grazio Forgione, einem Bauern, und Maria Giuseppa di Nunzio. Eine seiner drei jungeren Schwestern wurde
Birgittin
.
Im Alter von ungefahr vierzehn Jahren fuhlte er sich zum Ordensleben als
Kapuziner
berufen.
[1]
Am 6. Juli 1902 bewarb sich Francesco als Aspirant bei den Kapuzinern in San Giovanni. Nach Beendigung der Schulzeit trat er im Alter von sechzehn Jahren am 6. Januar 1903 als
Postulant
den Kapuzinern von Morcone bei, bei denen er am 22. Januar zur
Einkleidung
den
Ordensnamen
Pio (der Fromme) annahm.
Nach den
zeitlichen Gelubden
am 22. Januar 1904 begann Bruder Pio mit dem Studium. Nach Aufenthalten in
Sant’Elia a Pianisi
und
San Marco in Lamis
wurde er 1907 nach
Serracapriola
entsandt und legte am 27. Januar 1907 die ewigen Gelubde ab. 1909 wurde er nach
Morcone
geschickt und empfing am 18. Juli die Weihe zum
Diakon
. Am 10. August 1910 wurde er ? mit einem
Dispens
vorgezogen ? in der Kathedrale von
Benevent
zum
Priester
geweiht
[2]
und feierte am 14. August 1910 die
Primiz
in der Kirche Santa Maria degli Angeli
[3]
in Pietrelcina.
Nach der Priesterweihe verbrachte Pater Pio wegen seines schlechten Gesundheitszustands die Jahre zwischen 1910 und 1916 nicht im Kloster, sondern, mit der Erlaubnis des Kapuzinerordens, im Haus seiner Familie in Pietrelcina.
[4]
1915 wurde er zur Armee eingezogen, durfte diese aber zu einem einjahrigen Genesungsurlaub wieder verlassen. Im Jahre 1918 erklarte man ihn wegen einer doppelseitigen
Lungenentzundung
schließlich fur dienstuntauglich.
[5]
1916 wurde Pater Pio in den Konvent Unserer Lieben Frau von der Gnade nach
San Giovanni Rotondo
im Vorgebirge von
Gargano
entsandt, der zu jener Zeit nur noch aus sieben Ordensbrudern bestand. Dort blieb er bis zu seinem Tode 1968.
[6]
Schon in einem Brief vom 21. Marz 1912 an seinen geistlichen Begleiter und Beichtvater Pater Agostino schrieb Pater Pio von seiner Hingabe an den mystischen Leib Christi und der Ahnung, dass er, Pio, eines Tages selbst die Wundmale Christi tragen werde. Der italienische Historiker
Sergio Luzzatto
weist darauf hin, dass Pater Pio in diesem Brief nicht kenntlich gemachte Textstellen aus einem Buch der stigmatisierten Mystikerin
Gemma Galgani
verwendete. Spater habe er abgestritten, das zitierte Buch zu besitzen.
[4]
Nach eigener Aussage seien bei Pater Pio erstmals sichtbare Wunden (
Stigmata
) nach seiner Vision am 20. September 1918 aufgetreten. Die Vision habe sich nach dem Dankgebet im
Chor
ereignet. Sie habe den Herrn in der Haltung eines Gekreuzigten gezeigt, der die Undankbarkeit der Menschen beklagte, besonders jener, die sich ihm geweiht hatten. Dies habe das Leiden des Herrn und seinen Wunsch offenbart, Seelen mit seinem Leiden zu vereinen. Er habe Pater Pio ?eingeladen, an seinen Beschwernissen teilzuhaben und diese zu betrachten“. Pater Pio sei dann voll des Mitgefuhls fur die Leiden des Herrn gewesen; und nach einer Frage, was er tun konne, habe er die Stimme Christi gehort, die ihn mit seinem Leiden vereinte. Nachdem die Vision verschwand, habe er ?diese Zeichen hier“ gesehen, ?aus denen das Blut herabtropfte“.
[8]
Um die Wunden an den Handen zu verbergen, trug Pater Pio meist fingerlose Handschuhe.
Kritiker fuhrten die Wunden auf die Verwendung atzender Substanzen zuruck.
[9]
Luzzatto erarbeitet in seinem Buch uber Pater Pio eine Indizienkette, die eine naturliche Verursachung der Wunden durch den gezielten Einsatz von
Phenol
(Karbolsaure) plausibel erscheinen lasst.
[10]
Uber die Cousine des Apothekers Valentini Vista soll Pio versucht haben, dieses in großeren Mengen zu beziehen. Die Cousine gehorte zu einem Kreis frommer Frauen, die Luzzatto zufolge in San Giovanni Rotondo ein und aus gingen. In einem erhaltenen Brief benennt Pio als Verwendungszweck des Phenols die Desinfektion von Spritzen. Bei dieser Cousine soll er auch um eine große Menge
Veratrin
gebeten haben, eine außerst giftige Mischung verschiedener Alkaloide, sowie um weitere Medikamente.
[11]
Die Einnahme des Nerven- und Insektengiftes Veratrin hat eine Unempfindlichkeit gegen Wundschmerzen zur Folge.
[12]
Pater Pio habe Vista keine arztlichen Rezepte vorgelegt, wie dieser anmerkt. Vista zog den Bischof von Foggia, Salvatore Bella, ins Vertrauen und zeigte ihm entsprechende Briefe. Bella schickte diese Dokumente an das Heilige Offizium in Rom.
[13]
Nachdem Luzzattos Veroffentlichungen in Italien Aufsehen erregt hatten, erklarte der Kapuzinerorden im September 2007, Pater Pio sei in seinem Konvent auch fur medizinische Dienste zustandig gewesen, und wiederholte die bereits 1921 von Pater Pio abgegebene Erklarung, dass das Phenol zur Desinfektion von Spritzen benutzt worden sei.
[14]
Seit 1919 gab es Anzeichen fur das Herausbilden eines Kultes um Pio.
[15]
Ebenfalls 1919 erschienen Berichte uber Pio in franzosischen und spanischen Zeitungen.
[16]
In Spanien erschienen auch die ersten beiden Biographien von Pio. Bewohner von San Giovanni Rotondo sammelten blutgetrankte Taschentucher auf und verwendeten sie zu Hause als Heilmittel.
[17]
Ein Fotograf fertigte Bilder von Pio an, die als Postkarten kursierten und die Handstigmata zeigten.
[18]
Gegenstande, die Pio beruhrt hatte (Hemden, Gurtel und Stuhle), wurden von fanatisierten Anhangern zerschnitten und aus dem Kloster mitgenommen.
[19]
Bereits in dieser Zeit besuchten jeden Tag Hunderte Menschen Pio, wie eine italienische Zeitung berichtete.
[20]
Neben den Anhangern meldeten sich von Anfang an auch Zweifler, darunter die sich selbst so benennende ?Gruppe der Treuen“, die sich per anonymen Briefen an das
Heilige Offizium
wandten. Sie beschrieben die angeblichen Wunder als Produkte der ?uberhitzten Imagination“ der Menge und benannten Verfehlungen der Monche.
[21]
Bereits 1919 versuchte der Provinzialminister des Kapuzinerordens, Pietro von Ischetella, den Kult um Pio einzuschranken. Er verbot z. B. Laien, das Refektorium des Klosters zu betreten. Keinem Journalisten und Fotografen sollte noch das Betreten des Klosters erlaubt werden, und er versuchte zu verhindern, dass Gegenstande von Pio aus dem Kloster gebracht werden konnten.
[22]
Einschrankungen bei der Ausubung des priesterlichen Dienstes
[
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]
Im Juni 1922 plante der Sekretar des Heiligen Offiziums, Kardinal
Rafael Merry del Val
, die Befugnisse Pios als Priester stark einzuschranken. Er sollte von Glaubigen bestmoglich isoliert werden,
[23]
seine Stigmata sollte er nicht langer der Offentlichkeit prasentieren und seine Beziehung zu Pater Benedetto sollte beendet werden. Außerdem wurde vorgeschlagen, Pio an einen anderen Ort zu entsenden.
[24]
Dieses Ansinnen, von Seiten des Vatikans mehrfach in Angriff genommen, wurde letztlich nie ausgefuhrt. Entscheidend waren sowohl die Tatsache, dass Pio die Unterstutzung faschistischer Kreise genoss,
[25]
als auch die Befurchtung, dass gewalttatige Reaktionen der religiosen Bevolkerung ausgelost werden konnten.
[26]
1923 gab das Heilige Offizium in einer am 31. Mai veroffentlichten Erklarung bekannt, dass es in Bezug auf die Pater Pio zugeschriebenen Phanomena keinen Beweis fur ubernaturliches Eingreifen gebe
(non constare de eorundem factorum supernaturalitate)
,
[27]
und wies die Glaubigen an, sich daran zu halten. Pater Pio wurde verboten, die Heilige Messe in der Offentlichkeit zu feiern.
[28]
1931 wurde durch das Heilige Offizium seine Erlaubnis, Beichten horen zu durfen, widerrufen, doch 1933 schrittweise wiedergestellt, zusammen mit der Erlaubnis, auch die Messe wieder in der Offentlichkeit zu feiern. 1941 wurde ihm nach Bitten des Generaloberen des Kapuzinerordens vom Heiligen Offizium die Erlaubnis erteilt, auch an den Nachmittagen in der Kirche Beichte zu horen; 1948 horte er die Beichte Karol Wojtyłas, des spateren Papstes
Johannes Paul II.
Wahrend des
Zweiten Vatikanischen Konzils
suchten viele Bischofe Pater Pio in Giovanni Rotondo auf. 1964 schließlich machte Kardinal
Ottaviani
als Prafekt des Heiligen Offiziums bekannt, dass Pater Pio ?sein Amt in voller Freiheit ausuben moge“.
[29]
Die Einstellung des Vatikans zum Wirken Pios unterlag uber Jahrzehnte hinweg großen Schwankungen. Gleiches gilt fur zeitweilige Einschrankungen Pios. Letztlich war es Johannes Paul II., der die Kanonisierung betrieb und so die zustimmende Bewertung Pios durch die katholische Kirche festschrieb.
[30]
Luzzatto rekonstruiert die offene Unterstutzung Pater Pios fur die
faschistische
Bewegung ab 1920. Damals habe sich ?um Padre Pio herum ein
klerikal-faschistisches
Gemisch herausgebildet“
[31]
und der Padre habe gegenuber
Benito Mussolini
eine positive Haltung eingenommen.
[32]
San Giovanni Rotondo, ein abgelegenes Stadtchen in karger Landschaft, dessen Analphabetenanteil im Jahr 1920 bei uber 90 % lag, bildete zunachst das politische Umfeld von Pio.
[33]
Nach dem Ersten Weltkrieg geriet Italien in einen politischen Umbruch mit burgerkriegsartigen Erscheinungen, wobei sich das sozialistische und das faschistische Lager gegenuberstanden. Auf sozialistischer Seite gab es starke anti-religiose und antiklerikale Stromungen. Am 14. Oktober 1920 ereignete sich in San Giovanni Rotondo ein Massaker, bei dem ein Marsch der Sozialisten vom konservativen Block, dem Fascio d‘Ordine, gebildet aus der (katholischen)
Popularen Partei PPI
, den Liberalen und der Veteranen-Organisation angegriffen wurde. Dabei starben elf Bauern, alle aus dem Lager der Sozialisten.
[34]
Wenige Wochen spater nahm der Vorsitzende des konservativen Blocks Kontakt zu Padre Pio auf. Spater ließen sich die faschismusnahen Organisationen der Veteranen von ihm an Maria Himmelfahrt (15. August 1920) die Flagge segnen.
[35]
Vermittelt durch eine junge Frau, deren geistlicher Fuhrer Pio war, kam es wenig spater zum Treffen zwischen ihm und dem faschistischen Politiker
Giuseppe Caradonna
aus der Provinz Foggia.
[36]
Pio wurde Beichtvater von Caradonna und den Angehorigen seiner Miliz.
[37]
Nach Luzzatto kam es durch den Kontakt mit Caradonna zur Etablierung einer regelrechten Pratorianergarde um Pio, die verhindern sollte, dass er aus San Giovanni Rotondo von kirchlicher Seite entfernt werden konne.
[36]
Aus derartigen Anfangen bildete sich im Lauf der Zeit das klerikalfaschistische Gemisch, an dessen Entstehen Padre Pio gemaß der Rekonstruktion von Luzzatto seinen Anteil hatte. Nach Luzzatto hatte Pio damals eindeutig Partei ergriffen fur die Sache der Veteranen. Umgekehrt waren die Sozialisten haufig antiklerikal eingestellt und kritisierten Pio auch offentlich.
[38]
Ein wichtiger Anhanger von Pio war Emanuele Brunatto, einer der ersten Biografen von Pio (Biografie veroffentlicht 1926 unter dem Pseudonym Giuseppe De Rossi).
[39]
Brunatto vermittelte zwischen den Anhangern von Pio und den leitenden Figuren der faschistischen Bewegung. Der Verleger dieses Buches und weiterer Biografien zu Pio war
Giorgio Berlutti
, seinerseits Teil der intellektuellen Unterstutzung des
Marschs auf Rom
.
[40]
Nach Luzzatto war die Publikation der Biografien Teil des Versuchs, Padre Pio den faschistischen Meinungsfuhrern bekannt zu machen.
[40]
Brunatto war evtl. ab 1931, spatestens aber ab 1935 im Auftrag der faschistischen Regierung und von ihr finanziert in Frankreich als Spion tatig.
[41]
Pio war in mehrfacher Hinsicht verbunden mit seinem Biografen Brunatto: Dieser fungierte als geschaftsfuhrender Direktor einer Aktiengesellschaft namens ?Anonima Brevetti Zarlatti“, die Patente fur Diesellokomotiven verkaufte.
[42]
Luzzatto wies anhand von handschriftlichen Notizen Pios nach, dass dieser direkt an geschaftlichen Vorgangen der ?Anonima Brevetti Zarlatti“ beteiligt war.
[42]
Die Aktionare kauften im Vertrauen auf die Beteiligung Pios entsprechende Aktien. Nachdem die Gesellschaft bankrottgegangen war, hatten die Aktionare den entsprechenden Schaden. Der Historiker Luzzatto bezeichnet Brunatto als ?chronischen Lugner“ und Betruger, der Anhanger von Padre Pio mit Personen aus der faschistischen Hierarchie und ebenso mit fuhrenden Personen aus dem Vatikan zusammenbrachte.
[39]
Bereits 1925 wurde von Pater Pio in San Giovanni Rotondo ein altes Kloster in eine Klinik mit nur wenigen Betten umgewandelt, die fur Menschen in großer Not gedacht waren.
[43]
1940 fand sich ein Komitee zusammen, das die Grundung einer Klinik in den Anliegen Pater Pios zur Absicht hatte
[44]
und das Projekt mit Spenden unterstutzte. Die Bauarbeiten begannen 1947.
[43]
Nach Luzzatto kam der Hauptteil des Geldes fur die Finanzierung des Krankenhauses direkt von Brunatto, der mit Schwarzmarktgeschaften im von Nazi-Deutschland besetzten Frankreich ein Vermogen gemacht hatte.
[45]
In der von Luzzatto als ?hagiographisch“ bezeichneten Geschichtsschreibung werde die Rolle der Journalistin
Barbara Ward
bei der Finanzierung uberbetont. Ward war die Verlobte von Robert Jackson, des Vizesekretars der
UNRRA
. Die UNRRA war die entscheidende Institution beim Wiederaufbau von Nachkriegs-Italien. Von der UNRRA flossen letztlich 250 Millionen Lire in die Errichtung des Krankenhauses. Nach Luzzatto sei der Betrag von Brunatto allerdings doppelt so groß gewesen.
[46]
Beteiligt an den Verhandlungen zur Finanzierung durch die UNRRA waren auch Lodovico Montini, Spitzenpolitiker der
Democrazia Cristiana
, und sein Bruder
Giovanni Battista Montini
,
Vizestaatssekretar
des Vatikan und spatere Papst Paul VI. Lodovico Montini wurde der Verhandlungsfuhrer einer Delegation, die im Auftrage des Staates Italien mit der UNRRA verhandelte, sein Bruder verhandelte im Auftrag des Vatikan.
[47]
Bemerkenswert ist die große Summe, die an das Krankenhaus floss, denn das Italienische Rote Kreuz etwa, zustandig fur ganz Italien, erhielt damals nur 130 Mio. Lire.
[48]
Das Krankenhaus sollte zunachst den Namen des 1947 verstorbenen Prasidenten der UNRRA ?
Fiorello LaGuardia
? erhalten. Selbst eine entsprechende Inschrift war am entstehenden Gebaude angebracht, verschwand aber im Lauf der Fertigstellung.
[49]
Durch entsprechende Interventionen der Verhandlungsfuhrer und, so Luzzatto, der ?Pater-Pio-Lobby“, wurde letztlich das Projekt umbenannt und als Werk von Pater Pio hingestellt.
[50]
1956 wurde die
Casa sollievo della sofferenza
(?Haus der Linderung der Leiden“) in der Stadt San Giovanni Rotondo eroffnet
[51]
und von Pater Pio direkt dem Heiligen Stuhl ubergeben. 1967 wurde das Krankenhaus erweitert. Die Klinik, eine von nur zweien, die der Gerichtsbarkeit des Papstes unterstehen, verfugt mittlerweile uber 1000 Betten.
[43]
1968 begann sich Pater Pios Gesundheit zu verschlechtern, weshalb er zuletzt einen Rollstuhl gebrauchen musste. Er feierte seine letzte Heilige Messe in den fruhen Morgenstunden des 22. September 1968 und starb am Tag darauf morgens um 2:30 Uhr im Alter von 81 Jahren mit den Worten ?Jesus, Maria“, die er noch einmal wiederholte.
[29]
Zur
kirchlichen Begrabnisfeier
kamen uber 100.000 Menschen.
[52]
Angeblich verschwanden nach seinem Tod die Stigmata.
[53]
Medizinische und kirchliche Untersuchungen von Pater Pio
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Luigi Romanelli, leitender Chirurg des offentlichen Krankenhauses von Barletta, ging von einer ubernaturlichen Verursachung der Wunden Pater Pios aus und schrieb uber seine Ansichten im Mai 1919 einen Bericht. Offenbar hatte er aber die Wunden von Pio nie untersucht. Luzzatto schreibt, dass Romanelli zweimal zu Padre Pio um Segnungen gebetet hatte, die aber ausgeblieben seien. Daher reiste Romanelli zu Padre Pio, der ihn jedoch abwies.
[54]
Der Pathologe Amico Bignami fuhrte 1919 eine medizinische Untersuchung der Wunden Pater Pios durch und kam zu dem Schluss, es handle sich um eine Nekrose der Haut, die mit Hilfe von Chemikalien, etwa Jodtinktur, an der Abheilung gehindert werde.
[55]
Giorgio Festa, medizinische Untersuchungen 1919 und 1920
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Festa war Mediziner und untersuchte Pater Pio 1919 und 1920. Er war offenbar beeindruckt vom Wohlgeruch der Stigmata.
[56]
Festa ? wie zuvor Bignami ? beschrieb die Seitenwunde als kreuzformig.
[57]
Insgesamt kam Festa in seinem Bericht an das Heilige Offizium von 1925 zu einem wohlwollenden Urteil und attackierte die kritische Ansicht Gemellis zu den Stigmata Pios, wobei theologische Argumente die Hauptrolle spielten.
Agostino Gemelli, psychiatrische Untersuchung von 1920 und medizinisch-psychiatrische Untersuchung 1925
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Eine psychiatrische Untersuchung wurde durch den Psychiater,
Franziskaner
und Priester
Agostino Gemelli
im Jahr 1920 durchgefuhrt. Er kam zu dem Urteil, dass Francesco Forgione ein Mann sei von ?eingeschranktem Wissensbereich, niedriger psychischer Energie, monotonen Ideen, wenig Willen.“
[58]
Gemelli beurteilte Pio ausgesprochen kritisch: ?Es handelt sich um einen Fall von Suggestion, unbewußt eingeplanzt von Vater Benedetto in den schwachen Geist von Padre Pio, die die charakteristischen Manifestationen von mechanischem Nachplappern und Nachahmen ergibt, die typisch fur den hysterischen Geist sind.“
[59]
Im Auftrag des Heiligen Offiziums untersuchte Gemelli Pater Pio im Jahr 1925 erneut und verfasste im April 1926 dazu einen Bericht. Gemelli sah als Ursache der Wunden die Verwendung einer atzenden Substanz an. Pio habe sich diese Wunden also selbst beigefugt. Der Jesuit Festa hatte zuvor versucht, Gemellis Außerungen zu Stigmata im Allgemeinen in Frage zu stellen.
[60]
Gemelli antwortete auf diese Kritik in seinem Bericht und griff bei der Erwiderung auf seine Kenntnis von selbstbeigebrachten Wunden zuruck. Er prazisierte daher seine Aussagen uber die Beschaffenheit von Pios Wunden: ?Jeder mit Erfahrung in
forensischer
Medizin und daruber hinaus mit der Vielfalt von wunden Stellen und Wunden, die selbstdestruktive Soldaten wahrend des Krieges prasentierten, kann keinen Zweifel haben, dass diese Wunden von Erosion durch den Gebrauch einer atzenden Substanz verursacht sind. Die Basis der wunden Stelle und ihre Form ist in jeder Weise ahnlich zu den Wundstellen, die bei Soldaten beobachtet werden konnten, die sie mit chemischen Mitteln am Abheilen hinderten.“
[61]
Erneut beurteilte Gemelli die geistigen Fahigkeiten Pater Pios als limitiert: ?Er [Pio] ist der ideale Partner, mit dem der fruhere Provinzialminister Pater Benedetto ein Inkubus-Succubus-Paar bilden kann … Er ist ein guter Priester: ruhig, still, bescheiden, mehr aufgrund des mentalen Defizits denn als aus Tugend. Eine arme Seele, fahig, ein paar stereotype Phrasen zu wiederholen, ein armer, kranker Mann, der seine Lektion von seinem Meister Pater Benedetto gelernt hat.“
[62]
Gemelli schrieb 1940 und auch spater mehrfach an das Heilige Offizium uber die seiner Ansicht nach unberechtigten Anspruche auf Heiligkeit Pater Pios.
[63]
Joseph Lemius, Votum fur das Heilige Offizium von 1920
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Der franzosische Pater Joseph Lemius, der seinerzeit Generalprokurator der
Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria
war, wurde 1920 mit der schriftlichen Antwort auf die Frage, welche Maßnahmen, wenn uberhaupt welche, das Heilige Offizium seiner Ansicht nach in Bezug auf Pater Pio treffen solle, beauftragt. Lemius beurteilte Pater Pio nicht aufgrund einer Untersuchung, sondern nach Durchsicht von Akten und Dokumenten und reichte ein sogenanntes Votum ein, in dem er erklarte, er konne schon wegen fehlender eigener Inaugenscheinnahme ?nichts mit Gewißheit uber den Ursprung der Stigmata sagen“, und dem Heiligen Offizium empfahl, einen apostolischen Visitator zu entsenden,
[64]
was das Heilige Offizium Anfang 1921 aufgriff. In seinem Votum fuhrte Lemius vier gleichberechtigte Hypothesen an, wie die bei Pater Pio festgestellten Wunden entstanden sein konnten:
- selbst zugefugt
ab intrinseco
(aufgrund einer innewohnenden krankhaften Veranlagung)
- selbst zugefugt
ab extrinseco
(durch Suggestion oder mutwillige Anwendung kunstlicher Mittel)
- Stigmata gottlichen Ursprungs
- Stigmata teuflischen Ursprungs
Die letztere Hypothese erschien Lemius vor dem Hintergrund der Spiritualitat Pater Pios als unwahrscheinlich; so verwarf er sie.
[65]
Lucia Ceci schreibt hingegen, Lemius sei zu dem Schluss gekommen, Pio habe die ersten Anzeichen seiner Stigmata an Handen und Fußen durch die ?schiere Kraft des Betens auf den Wunden unseres Herrn“ herbeigefuhrt, aber dann mit chemischen Substanzen nachgeholfen.
[23]
Raffaele Rossi, erste Apostolische Visitation von 1921
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Der Bischof von Volterra,
Raffaele Rossi
, ein
Karmelit
, wurde am 11. Juni 1921 in aller Form vom
Heiligen Offizium
mit der Durchfuhrung einer kanonischen Untersuchung betreffend Pater Pio beauftragt. Rossi begann am 14. Juni in San Giovanni Rotondo seine
apostolische Visitation
mit der Befragung von Zeugen, zwei
Diozesanpriester
und sieben
Ordensbruder
. Er erstellte nach achttagiger Untersuchung abschließend einen wohlwollenden Bericht, den er mit Datum vom 4. Oktober 1921, dem Fest des heiligen
Franziskus von Assisi
, an das Heilige Offizium sandte. Der umfangreiche und detaillierte Bericht sagte im Wesentlichen folgendes aus: Pater Pio, von dem Rossi einen gunstigen Eindruck hatte, sei ein guter Ordensmann und der Konvent von San Giovanni Rotondo eine gute Kommunitat. Was immer außerordentlich daran sei, was Pater Pio geschehe, konne nicht erklart werden, geschehe aber sicher nicht durch Eingreifen des
Teufels
oder durch Tauschung oder Schwindel. Der offentliche Uberschwang habe stark nachgelassen.
[66]
[67]
Bei der Befragung der Zeugen, die Rossi insgesamt dreimal vornahm, ließ er sich von dem zu diesem Zeitpunkt 34 Jahre alten Pater Pio auch die Stigmata zeigen und von ihrer Entstehung berichten, was er im Bericht mit ?Die Stigmata
sind da
. Wir stehen einem wirklichen Faktum gegenuber ? es ist unmoglich, das zu leugnen“ vermerkte.
[68]
In seinen unmittelbar zu Papier gebrachten Notizen und dem abschließenden Bericht beschreibt Rossi Form und Aussehen der Wunden. Die in den Handen seien ?sehr sichtbar“ und seiner Ansicht nach ?von einem blutigen Exsudat verursacht“ gewesen. Jene in den Fußen ?waren im Verschwinden begriffen. Was beobachtet werden konnte, glich zwei punktformigen Erhebungen
[69]
mit weißerer und zarterer Haut“.
[68]
In Bezug auf die Seite heißt es: ?An seiner Seite erscheint das Zeichen in Form eines dreieckigen Fleckes in der Farbe von Rotwein und anderen, kleineren Flecken, die zu dieser Zeit nicht mehr die Form eines umgekehrten Kreuzes bilden.“
[70]
Rossi richtete zudem die Bitte an das Heilige Offizium, eine Chronik uber Pater Pio zu Rate zu ziehen, die Pater Benedetto zusammenstelle, oder sich wenigstens von diesem zusammengetragenes Material senden zu lassen, damit man eines Tages uber das Leben Pater Pios schreiben konne.
[71]
Zu den Hauptfaktoren, die Rossi im Laufe der Visitation zu der Ansicht kommen ließen, es handle sich wohl um Stigmata gottlichen Ursprungs, gehorten die Beobachtungen, es habe sich um blutige
Exsudationen
gehandelt. Die Anwendung von Karbolsaure rufe ein ganz anderes Bild und eine Zerstorung des Gewebes durch Entzundung oder Vereiterung hervor, die Wundmale seien jedoch frei von jeder Infektion gewesen. Sie hatten nicht den ublen Geruch geronnenen Blutes abgegeben, sondern einen sehr angenehmen, eindringlichen Duft, ?ahnlich dem von Veilchen“, der auch aus der Ferne wahrnehmbar gewesen sei.
[72]
Rossi zufolge sei an den ?Wundern“, die Pater Pio dem Erzpriester Giuseppe Prencipe zufolge nachgesagt wurden und die San Giovanni Rotondo so großes Aufsehen erregt hatten, kaum ein wahres Wort gewesen, wofur er Pater Pio expressis verbis bedauerte: ?Zu denken, dass so viele unnutze Worte ein solch ungunstiges Licht auf diesen armen Kapuziner geworfen haben!“ Von diesen ?Wundern“ wurden beispielsweise aufgezahlt: die angebliche Heilung mehrerer Buckliger, des verrenkten Fußes eines Urkundsbeamten, die eines stummen Madchens, und dass eine Glocke auf ein Gebet Pater Pios hin gesprungen sei.
[73]
Auch Lucia Ceci schreibt, dass Rossi keines der zugeschriebenen Wunder habe feststellen konnen: ?there could be no doubt: not one of the claimed miracles could be substantiated.“ (?Es konnte kein Zweifel bestehen: Nicht eines der behaupteten Wunder konnte nachgewiesen werden.“)
[23]
Zur Frage nach einer
Bilokation
gab Pio an, dass es diese nicht gegeben habe, ?soweit mir bewußt ist“.
[74]
Johannes XXIII, Nachforschungen und Tonbandaufnahmen, nach 1958
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Johannes XXIII.
war ausgesprochen skeptisch gegenuber Pater Pio. Zu Beginn seiner Amtszeit wurde ihm bekannt, dass Gegner von Pater Pio in seiner Klosterzelle und in seinem Beichtstuhl Abhorgerate platziert und so dessen Beichtgesprache mit Tonbandern aufgezeichnet hatten.
[75]
Auf vier Blatter außerhalb seines semi-offiziellen Tagebuchs schrieb Johannes XXIII., dass er fur ?P.P.“ (Padre Pio) bete. Der Inhalt dieser privaten Notizen wurde zum ersten Mal von Luzzatto publiziert. Aufgrund der Tonbandaufnahmen sei klar geworden, dass Pater Pio ? sofern es denn wahr sei, was mitgeteilt werde (?si vera sunt quae referentur“) ? ?intime und unanstandige Beziehungen mit den Frauen aus seiner undurchdringlichen Pratorianergarde rund um seine Person“ habe.
[75]
Johannes XXIII. hat wohl die Tonbander nie selbst durchgehort, ging aber von der Richtigkeit dieser Ansicht aus. Nach Luzzatto hatte der Vatikan diese Abhoraktion nicht angeordnet. Johannes XXIII. hatte es Jahre zuvor vermieden, Kontakt mit Pater Pio in San Giovanno Rotondo aufzunehmen, und schrieb uber seine Reaktion auf die skandaltrachtigen Tonbandaufnahmen: ?Der Grund fur meine geistige Ruhe, und das ist ein unbezahlbares Privileg und eine Gnade, ist, dass ich mich personlich rein fuhle von dieser Verunreinigung, die seit vierzig Jahren Hunderttausende von Seelen korrodiert hat, die in unerhortem Maße narrisch gemacht und durcheinander gebracht wurden.“
[76]
In einer weiteren Notiz schrieb Johannes XXIII., dass er Maßnahmen ergreifen wolle. Tatsachlich ordnete er eine weitere Apostolische Visitation an.
Carlo Maccari, zweite Apostolische Visitation von 1960
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Der Priester
Carlo Maccari
war Generalsekretar der Diozese Rom und traf Pio insgesamt neun Mal.
[77]
Pio war gegenuber Maccari ausgesprochen misstrauisch. Dieser notierte in sein Tagebuch: ?Verschlossenheit, Enge des Geistes, Lugen ? dies sind die Waffen, die er benutzt, um meinen Fragen auszuweichen … Gesamteindruck: bedauernswert.“
[78]
Maccari forderte die Unterlassung des von Pater Pio praktizierten Kusses nach der Beichte fur die Laienschwestern. In seinem Bericht vermerkte Maccari, dass Pio eine unzureichende religiose Bildung aufwies. Er arbeite viel fur einen Mann seines Alters. Er sei kein Asket und verfuge uber zahlreiche Verbindungen zur außerklosterlichen Welt. Generell gebe es eine zu starke Vermischung aus dem ?Sakralen“ und dem ?Allzumenschlichen“.
[79]
Maccari vermerkte in seinem Report namentlich, welche Frau angab, zu welcher Zeit die Geliebte von Pio gewesen zu sein ? ohne klar zu beurteilen, ob all diese Aussagen der Wahrheit entsprachen.
[79]
Maccari konzentrierte sich auf die Beurteilung des Fanatismus der sozialen Umgebung Pios und bezeichnet dessen Auspragung als ?religiose Auffassungen, die schwankten zwischen Aberglaube und Magie.“
[80]
Die Anhanger von Pio bezeichnete Maccari als ?enorm ausgedehnte und gefahrliche Organisation“.
[81]
Pio habe nie von sich aus seinen Anhangern zur Maßigung geraten. Maccari fragte sich, wie Gott ?so viel Tauschung“ zulassen konne.
[82]
Seinen kritischen Bericht beendete Maccari mit einer Liste von Empfehlungen zum weiteren Umgang mit Pater Pio. Die Bruder von Santa Maria delle Grazie sollten nach und nach versetzt werden, ein neuer Abt sollte von außerhalb der Region stammen. Niemand solle mehr als einmal pro Monat bei Pio beichten durfen. Das Krankenhaus sollte neue gesetzlich Statuten bekommen, um die Aufgaben der Mediziner und der spirituell ?heilenden“ Kapuziner strikter zu trennen.
[82]
Im Anschluss an Maccaris Apostolische Visitation notierte Johannes XXIII in sein Tagebuch, dass er Pater Pio als ?Strohidol“ (
idolo di stoppa
) sehe.
[83]
In der Literatur wird Pater Pio mehrfach als ?zweiter Christus“ (
lateinisch
alter Christus
) bezeichnet.
Luzzatto erwagt die Frage, ob ein guter Christ jemals die Moglichkeit eines solchen
alter Christus
akzeptieren konne und welche theologischen Schwierigkeiten damit seiner Ansicht nach verbunden seien. Auch den Zeitgenossen des heiligen
Franziskus
habe sich diese Frage bereits gestellt, dieser sei andererseits nicht
Priester
gewesen. Der heilige Franziskus habe die Stigmata gegen Ende seines Lebens empfangen, Pater Pio dagegen als junger Mann, der sie ein halbes Jahrhundert lang getragen hatte. Wenn Pater Pio die Heilige Messe gefeiert habe, seien die Stigmata, die ihn als einen blutenden
alter Christus
gekennzeichnet hatten, ?so deutlich zutage getreten, dass man sie nur als entweder erhaben oder sakrilegisch“ ansehen hatte konnen. Solche Erwagungen trugen wiederum zur Erklarung der Vorsicht, Zuruckhaltung und des Argwohns bei, mit denen man Pater Pio seinerzeit begegnet sei.
[84]
Luzzatto beschreibt an verschiedenen Stellen seines Buches die Sichtweise der Anhanger von Pater Pio, die ihn als lebenden Christus verstanden.
[85]
Entsprechend schrieb der Bischof von Volterra Rossi, alles andere als kritisch gegenuber Padre Pio, dass Anhanger des Kapuziners diesen ?in bedauernswerter Ignoranz“ zum ?lebenden Christus“ erklarten.
[86]
Der romisch-katholische Schriftsteller
Vittorio Messori
sieht in Pater Pio hingegen ein Mahnmal des leidenden wie des auferstandenen Christus, in dessen Wunden man gleichsam mit den zweifelnden
Thomas
seine Finger legen konne. Messori fuhrt ebenfalls an, dass die Stigmata zur fraglichen Zeit unterschiedliche Reaktionen ausgelost hatten, sieht jedoch in dem Auftreten Pater Pios einen Gnadenerweis Gottes. Wenige Ereignisse des 20. Jahrhunderts hatten soviel zur Erhaltung des Glaubens beigetragen wie ?die demutige Prasenz dieses
alter Christus
, den Gott in seiner Gute uns gewahrt“ habe.
[87]
Das erste Wunder sei laut Rose Ann Palmer im Jahr 1896 geschehen, als Francesco Forgione neun Jahre alt war. Er soll mit einer Frau, deren Kind missgebildet war, gebetet und geweint haben, wonach das Kind durch Werfen auf einen Altar geheilt gewesen sein soll. Dies habe einen bleibenden Eindruck bei Francesco hinterlassen. 1908 soll erstmals ein Wunder geschehen sein, nachdem er seiner Tante Daria einen Sack selbst gesammelter Kastanien geschenkt hatte. Daria erlitt spater bei einem Unfall Brandwunden im Gesicht und legte sich zur Linderung den wassergetrankten Sack, in dem sich zuvor die Kastanien befunden hatten, aufs Gesicht. Danach seien die Brandwunden vollstandig verschwunden, ohne Narben zu hinterlassen.
Im April 1913 war die Gegend um Pietrelcina von einer
Sternorrhynchaplage
befallen, die fur die ansassigen Bauern einen Ausfall bei der Bohnenernte bedeutet hatte. Nur durch Beten und Segnen der Felder soll Francesco alle Insekten getotet haben, wodurch die Ernte besonders reich ausgefallen sei.
Als der Enkel des Freimaurers und Atheisten Alberto Del Fante an Knochen- und Lungentuberkulose und Abszessen der Nieren unheilbar erkrankt war, bat seine Familie Pater Pio um sein Gebet fur den Jungen. Del Fante wurde auf der Stelle anderen Sinnes, als er den Jungen fast unmittelbar darauf geheilt vorfand. Er pilgerte nach San Giovanni Rotondo, beichtete und fand zum Katholizismus zuruck. Del Fante veroffentlichte daraufhin das Werk
Padre Pio of Pietrelcina, Herald of the Lord
, in dem er 36 medizinisch dokumentierte Wunder Pios beschrieb, die bis zum Jahr 1931 geschehen sein sollen.
[88]
Pater Pio wird nachgesagt, dem jungen
Karol Wojtyła
1947 sowohl die Wahl zum Papst als auch das Attentat von 1981 vorausgesagt zu haben. Eine italienische Zeitung hatte bereits 1959 berichtet, dass Pio die Wahl von Angelo Roncalli zum Papst vorhergesagt habe, eine Zeitungsmeldung, die laut Luzzatto komplett erfunden gewesen sei.
[89]
Mehrfache Berichte erwahnen bei der Aufzahlung der Wunder auch, dass Pater Pio zur selben Zeit an ganz verschiedenen Orten uberall auf der Welt erschienen sein soll (
Bilokation
).
[90]
Anfang der 1920er-Jahre reisten zunehmend
Pilger
nach San Giovanni Rotondo zu den
Heiligen Messen
, die Pater Pio feierte, und wahlten ihn als
Beichtvater
. Zeitweise verboten ihm die Oberen, sich in der Offentlichkeit zu zeigen. Der Generalprokurator der Kapuziner, Pater Melchiorre da Benisa, verbot im April 1924 in einem Rundbrief an alle Kapuzinerkloster, Pilgerreisen zu Pater Pio zu unternehmen, sich schriftlich zu ihm zu außern oder Bilder von ihm zu verbreiten.
[91]
Am 20. Marz 1983, vierzehn Jahre nach dem Tod Pios von Pietrelcina, wurde der vorbereitende Ermittlungsprozess zur Seligsprechung eroffnet.
[92]
Am 2. Juni 1997 wurde Pater Pio nach Feststellung des heroischen Tugendgrades zum
ehrwurdigen Diener Gottes
erhoben.
[93]
Am 2. Mai 1999 wurde Pater Pio
seliggesprochen
.
[94]
Der
Petersplatz
war zu klein, um alle Glaubigen aufzunehmen, die der Feier beiwohnen wollten. Die Heiligsprechung folgte am 16. Juni 2002, etwa 200.000 Pilger waren dafur nach Rom gereist.
[95]
Der
Gedenktag
Pios von Pietrelcina ist der
23. September
.
Im Sommer 2004 wurde nach mehrjahriger Bauzeit die neue Kirche
San Pio da Pietrelcina
des Architekten
Renzo Piano
neben dem Grab des Paters in San Giovanni Rotondo
geweiht
, da die bisherige Kirche zu klein geworden war.
Die Kommerzialisierung des Heiligen in San Giovanni Rotondo wurde teils scharf kritisiert: Der Bischof von
Como
,
Alessandro Maggiolini
, sprach sich am Tag vor der Kanonisierung Pater Pios gegen die florierenden Geschafte aus, die sich in Verbindung mit diesem Geistlichen entwickelt hatten. ?Jesus Christus vertrieb die Handler aus dem Tempel, aber ich muss jetzt feststellen, dass sie zuruckgekehrt sind“, sagte er in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung
La Repubblica
.
[96]
Auf die Wunder angesprochen, die in den beiden Kanonisierungsverfahren auf die Fursprache Pater Pios zuruckgefuhrt wurden, außerte Maggiolini sich zugleich zweifelnd.
[97]
Anfang Marz 2008 wurde der Leichnam Pater Pios exhumiert.
[95]
Die sterblichen Uberreste wurden nach einer Untersuchung in der Krypta der Klosterkirche Santa Maria delle Grazie fur einige Monate zur Verehrung in einen glasernen
Reliquienschrein
gelegt. Der ortliche Erzbischof Domenico D’Ambrosio sagte nach der Exhumierung, bei der Sargoffnung sei sogleich und gut der Bart des Heiligen erkennbar gewesen. Der obere Teil des Schadels sei teilweise skelettiert, das Kinn war jedoch einwandfrei erhalten und der Rest des Korpers in gutem Zustand. ?Wenn Pater Pio gestattet, wurde ich sagen, seine Hande sahen aus wie frisch manikurt.“
[98]
Seit dem 19. April 2010
[99]
befinden sich die sterblichen Uberreste Pater Pios in einem Reliquienschrein in der
Unterkirche
der neuen Wallfahrtsbasilika. Sein Gesicht wird von einer Silikonmaske verdeckt, die auch die buschigen Augenbrauen und den Bart nachbildet.
[100]
[101]
Diese Maske wurde nach einer Fotografie des Leichnams von Pater Pio aus dem Jahre 1968 von dem Londoner Gems-Studio hergestellt, das gewohnlich fur Wachsfigurenkabinette und Volkerkundemuseen tatig ist.
[102]
Anfang Februar des außerordentlichen
Heiligen Jahres der Barmherzigkeit
2016 wurden auf ausdrucklichen Wunsch Papst
Franziskus’
die Reliquien Pater Pios zur Verehrung nach
Sankt Laurentius vor den Mauern
und von dort in einer Prozession in den
Petersdom
gebracht, wo sie bis nach
Aschermittwoch
des Jahres blieben.
[103]
Papst Franziskus selbst betete am 6. Februar 2016 am Schrein des Heiligen.
Am 17. Marz 2018 unternahm Papst Franziskus eine Wallfahrt nach San Giovanni Rotondo.
[104]
[105]
[106]
Im Oktober 2018 gab die Vatikanstadt eine 2-Euro-Gedenkmunze zum Gedachtnis des 50. Todestages von Pater Pio heraus.
Der Schweizer Priester
Hans Buschor
drehte 1968 den Dokumentarfilm
Pater Pio, Vater von Millionen
, eine Filmbiografie mit zahlreichen Augenzeugenberichten und historischen Filmaufnahmen aus Pios Leben, seiner letzten Messe und seiner Beerdigung. Aus dem Erlos des Films finanzierte Buschor den katholischen Fernsehsender
K-TV
; in seinem Studio stand eine Statue Pater Pios, die bei vielen Sendungen im Hintergrund sichtbar war.
Carlo Carlei
verfilmte 2000 das Leben Pater Pios fur das Fernsehen unter dem Titel
Padre Pio
mit
Sergio Castellitto
in der Hauptrolle. 2022 lief
Abel Ferraras
Version
Padre Pio
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Pater Pio aus Pietrelcina. Erinnerungen an einen bevorzugten Zeugen Christi
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Beato impostore
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?Doch wahrend Italien uber Padre Pio und die Saure streitet, sind Luzzattos wirklich wichtige Thesen ganz andere: Etwa die, dass der fromme Pater um 1920 offen die im Aufwind begriffene faschistische Bewegung unterstutzte und sich damals ?um Padre Pio herum ein klerikal-faschistisches Gemisch herausgebildet‘ habe.“ Suddeutsche Zeitung, 19. Mai 2010.
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?The case is one of suggestion unconsciously planted by Father Benedetto in the weak mind of Padre Pio, producing those characteristic manifestations of psittacism that are intrinsic to the hysteric mind.“ Sergio Luzzatto (2011):
Padre Pio: Miracles and Politics in a Secular Age.
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Padre Pio: Miracles and Politics in a Secular Age.
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?Anyone with experience in forensic medicine, and above all in variety of sores and wounds that self-destructive soldiers presented during the war, can have no doubt that these were wounds of erosion caused by the use of a caustic substance. The base of the sore and its shape are in every way similar to the sores observed in soldiers who procured them with chemical means.“ In: Sergio Luzzatto (2011):
Padre Pio: Miracles and Politics in a Secular Age.
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(Auslassung von Luzzatto) Sergio Luzzatto (2011):
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wortlich: ?buttons‘
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