Pangermanismus

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Der Pangermanismus ist eine ethnisch begrundete Panbewegung . Im engeren Sinne strebt er die großtmogliche Vereinigung aller ethnischen Deutschen an bis hin zur Schaffung eines deutschen Staatenbundes oder Nationalstaates, der alle Gebiete umfasst, die als ethnisch deutsch besiedelt betrachtet wurden. Er war im 19. Jahrhundert ein starker politischer Faktor in vielen deutschen Staaten und ist verwandt mit dem Deutschen Nationalismus . Auf ihn geht die Großdeutsche Losung zuruck.

Von den deutschnationalen Großdeutschen unterschieden sich wiederum die deutschvolkischen Alldeutschen , die sich in dem extrem nationalistischen, expansionistischen und militaristischen Alldeutschen Verband sammelten.

Im weiteren Sinne bezeichnet der Pangermanismus das uber den partikularen Germanismus (angelsachsischen Teutonismus, Skandinavismus , deutscher Germanismus) hinausgehende, alle germanischen Volker erfassende Gemeinschaftsgefuhl. [1]

Vorgeschichte [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Eine großdeutsche (?reichische“) Bewegung existierte in allen Staaten des deutschen Reiches schon im Mittelalter; sie strebte eine Starkung des Deutschen Reiches an, bis hin zur Union. Da diese per se einen Machtverlust verschiedener Adliger bedeutet hatte, kam es aber nie dazu. Infolge der Reformation verringerte sich die Einheit der Deutschen zusatzlich, da zu den politischen Grenzen nun auch konfessionelle Grenzen kamen. Im Zuge der Schlesischen Kriege verringerte sich die Vormachtstellung Wiens im Deutschen Reich, wodurch auch der Kaiser selbst sein Interesse an einem starken Reich verlor. Der Gegensatz der nunmehrigen Großmachte Preußen und Osterreich verhinderte eine alldeutsche Einigung noch weiter. Infolge der Napoleonischen Kriege im fruhen 19. Jahrhundert erstarkte diese Bewegung zu ihrer großten Bedeutung. Napoleon hatte es verstanden, die deutsche Kleinstaaterei auszunutzen, um die deutschen Staaten gegeneinander auszuspielen. So stritten insbesondere die Staaten des Rheinbundes , Bayern und Sachsen an seiner Seite gegen Preußen, Osterreich und andere deutsche Staaten. Geschlagen wurde Napoleon unter anderem dank deutscher Verbruderungserfolge. Fur die Pangermanisten stellen die Napoleonischen Kriege einen guten Beweis dar, wie Deutschland durch Kleinstaaterei geschwacht werde. Im Zuge des Wiener Kongresses wurde das 1806 aufgeloste Deutsche Reich durch den Deutschen Bund ersetzt, der eine noch viel losere Gemeinschaft bedeutete, als sie das Heilige Romische Reich Deutscher Nation gewesen war.

Geschichte [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Preußen, Osterreich und der Nationalismus [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Mitte des 19. Jahrhunderts gab es gewichtige Bestrebungen in den deutschen Einzelstaaten und den beiden machtigsten deutschen Staaten Preußen und Osterreich in Richtung eines deutschen Nationalstaates . Dabei ging es vor allem um die Frage, ob fur die Staaten des Deutschen Bundes die ? Kleindeutsche Losung “ unter preußischer Fuhrung oder vielmehr die ? Großdeutsche Losung “ unter Einschluss Osterreichs anzustreben sei. Das von den Habsburgern regierte osterreichische Kaiserreich war allerdings ein Vielvolkerstaat , dessen Menschen und Volker ebenfalls nationale Bestrebungen hatten hin zu einem Anschluss an ihren jeweiligen Nationalstaat oder zur Eigenstandigkeit. In der Revolution von 1848/1849 forderten die liberal-nationalen Revolutionare die Großdeutsche Losung. [2] Nach dem Deutschen Krieg wurde der Deutsche Bund aufgelost, Osterreich war daher kein Teil mehr von Deutschland. Es gab auch wachsende ethnische Spannungen innerhalb des Habsburgerreiches.

Unter der politischen Fuhrung des Norddeutschen Otto von Bismarck wurde schließlich die Kleindeutsche Losung umgesetzt. 1871 wurde das Deutsche Kaiserreich gegrundet und offiziell als Deutsches Reich bezeichnet; es folgte die Kronung Wilhelms I. als (ein) Deutscher Kaiser . Der zweite deutsche Monarch war der Habsburger Kaiser in Wien; daher gab es auch keinen ?Kaiser von Deutschland“.

Viele ethnische Deutsche (damals in Angrenzung von den ? Reichsdeutschen “ meist ? Volksdeutsche “ genannt) wohnten weiterhin außerhalb des neuen deutschen Reiches. Besonders im Vielvolker-Großreich Osterreich-Ungarn suchten deutschnationale Kreise nach einer Vereinigung mit dem neuen Deutschen Reich, welches sie im Sinne der Großdeutschen Losung als ihr Vaterland ansahen, namlich die gemaßigte Deutschliberale Partei und die volkisch-nationalistische Deutschnationale Bewegung . Dies fuhrte oft zu Streitigkeiten zwischen den Befurwortern und den Widersachern dieser Bewegung.
Auf die in diesen Diskussionen durchschlagende ethnische Auffassung von Nation und die sich aus den Konflikten ergebenden Pan-Bewegungen wies Ernest Renan in seiner Rede am 11. Marz 1882 ? Was ist eine Nation? “ am Beispiel der Deutschen und Slawen hin: ?Bedenken Sie, diese ethnographische Politik ist nicht verlasslich. Heute setzt ihr sie gegen die anderen ein; spater werdet ihr erleben, wie sie sich gegen euch selbst kehrt. Ist es sicher, dass die Deutschen, die die Flagge der Ethnographie so hoch gehisst haben, nicht eines Tages erleben werden, wie die Slawen ihrerseits die Dorfnamen Sachsens und der Lausitz erforschen, die Spuren der Wilzen und der Obodriten erkunden und Rechenschaft fur die Gemetzel und massenhaften Verkaufe fordern, die ihren Ahnen von den Ottonen angetan wurden?“ [3]
Der aufmerksamste Beobachter der deutsch-slawischen Konfliktlage war der spatere tschechoslowakische Staatsprasident Toma? Garrigue Masaryk , der vor allen Dingen wahrnahm, wie durch Slawenfeindlichkeit den angeblich nicht staatsfahigen Slawen in herablassender Weise ihr nationales Selbstbestimmungsrecht abgesprochen wurde, gab es doch mit Friedrich List , Paul de Lagarde und Constantin Frantz politische Publizisten, die eine grenzkolonisatorische Ausweitung des deutschen Einflussbereichs nach Polen und uber die Donau bis zu ihrer Mundung ins Schwarze Meer propagierten (siehe hierzu auch Deutscher Grenzkolonialismus ). [4]

Innerhalb und außerhalb der ?alldeutschen“ Bewegung gab es aber auch weitergehende Plane fur ein ?Germanisches Großreich“, das sich auf eine Union der sprachlich und kulturell verwandten Volker der Germanen stutzen sollte, also neben den Deutschen z. B. Niederlander , Flamen , Danen , Schweden , Norweger und Englander , die einer genetisch uberlegenen ? Herrenrasse “ angehoren sollten. Diese Rassentheorien wurden von Mannern wie Houston Stewart Chamberlain vertreten und hatten v. a. in der britischen Aristokratie eine gewisse Anhangerschaft, die sich bis in die 30er Jahre weiterverfolgen lasst, als einige britische Politiker eine Zusammenarbeit mit Nazi-Deutschland wunschten, so auch Konig Eduard VIII. Auch in der Deutschschweiz fanden sich im Ersten und Zweiten Weltkrieg neben den Anhangern der Neutralitat Deutschnationale, die einen Anschluss an oder zumindest eine Zusammenarbeit mit dem Deutschen Reich suchten.

Entwicklung nach dem Ersten Weltkrieg [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die mit Kriegsende in den Pariser Vorortvertragen von den Alliierten durchgesetzten neuen Grenzziehungen verstarkten die pangermanischen Bestrebungen, die besonders auf die ?blutende Grenze“ [5] zum neuen nationalstaatlichen Nachbarn Polen gerichtet waren. Die im Rahmen der deutschen Ostforschung eingerichtete Volks- und Kulturbodenforschung , [6] in der insgesamt Fragen des sogenannten Grenzlanddeutschtums erforscht wurden, zielte an erster Stelle darauf ab, die Daseinsberechtigung des polnischen Staates unter dem Aspekt deutscher Volkstumspolitik einer Revision zu unterziehen.

In den Pariser Vorortvertragen war auch ein Anschlussverbot zwischen der aus den deutschsprachigen Gebieten des alten Habsburgerreiches neu gegrundeten Republik Deutschosterreich und dem ebenfalls verkleinerten und wirtschaftlich geschwachten Deutschland vereinbart worden, um zukunftigen Gefahren fur den Frieden und das Machtegleichgewicht auf dem Kontinent entgegenzutreten. Auch Plane fur eine Zollunion Deutschland-Osterreich konnten 1931 auf franzosischen Druck hin nicht verwirklicht werden.

Die ? Machtergreifung “ des geburtigen Osterreichers Hitler , der Aufstieg des Nationalsozialismus und der ?Anschluss“ Osterreichs 1938 an das Deutsche Reich fuhrten schließlich zu den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs und machten diese Bestrebungen zunichte.

Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg und Ende des Pangermanismus [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Folge des Zweiten Weltkrieges war auch ein Ende des Pangermanismus. [7] Insbesondere in der wiedererrichteten Republik Osterreich kehrten sich die Bestrebungen um, mehr hin zu einer eigenen osterreichischen Identitat ? man wollte sich nicht mehr als Deutsche bezeichnen und fuhlen. Heute hat sich in der osterreichischen Republik das Identitatsbewusstsein der Menschen als Osterreicher gefestigt und viele Burger wollen sich auch nicht mehr als deutsche Osterreicher sehen ? außer deutschnational denkende Personen und Gruppierungen. Die Erfahrung des Nationalsozialismus hat die Mehrheit der Deutschen in den Nachfolgestaaten (nach 1945) des Großdeutschen Reiches derart traumatisiert, dass jede Pangermanismus-Bewegung tabuisiert bzw. ihr entschieden politisch gegengesteuert wird. [8]

Die meisten Schweizer, Liechtensteiner, Sudtiroler, Ostbelgier usw. bezeichnen sich heute jeweils als deutschsprachiges Volk oder Volksgruppe; durch gezielte Pflege ihres jeweiligen Dialekts ( Letzebuergesch , Schweizerdeutsch ) und dessen Erhebung zur Nationalsprache wurde/wird die eigene Identitat und die Eigenstandigkeit gegenuber Deutschland betont.

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Frank Ludwig Schafer: Juristische Germanistik: eine Geschichte der Wissenschaft vom einheimischen Privatrecht. (Juristische Abhandlungen. Band 51). 2008, ISBN 978-3-465-03590-9 , S. 291.
  2. Kurt Bauer: Nationalsozialismus: Ursprunge, Anfange, Aufstieg und Fall . Bohlau Verlag, 2008, ISBN 978-3-8252-3076-0 , S.   41 .
  3. Vgl. Abdruck der Rede hier ( Memento des Originals vom 9. August 2007 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.dir-info.de .
  4. Toma? Garrigue Masaryk: Das neue Europa . Der slawische Standpunkt. Berlin 1991, S. 10?26. (Nach der tschechischen Ausgabe von 1920 erschien die deutsche 1922.)
  5. Daniel-Erasmus Khan: Die deutschen Staatsgrenzen. Rechtshistorische Grundlagen und offene Rechtsfragen. Mohr Siebeck, Tubingen 2004, ISBN 3-16-148403-7 , S. 79.
  6. Ingo Haar : Historiker im Nationalsozialismus. Deutsche Geschichtswissenschaft und der ?Volkstumskampf‘ im Osten (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft . Band 143). Vandenhoeck & Ruprecht: Gottingen 2002, ISBN 3-525-35942-X , S. 25?69.
  7. Toni Cetta: Pangermanismus. In: Historisches Lexikon der Schweiz . 23. September 2010 , abgerufen am 12. Juni 2019 .
  8. Unser Kampf um Staatsvertrag und Souveranitat , Ernst Fischer auf der Plenartagung des Zentralkomitees der KPOe (1948)

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Wiktionary: Pangermanismus  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen