Die
Nationaal-Socialistische Beweging in Nederland
(NSB) war in der Zeit von 1931 bis 1945 eine zunachst
faschistische
, spater
nationalsozialistische
Partei
in den
Niederlanden
. Die NSB hatte nur geringen Erfolg.
[1]
Obwohl die NSB zwischen 1933 und 1935 ihre Mitgliederzahl bedeutend erhohte, erzielte die Partei bei den Wahlen zu den
Provinzialstaaten
mit 7,9 % der Stimmen ihren großten Wahlerfolg. Zwei Jahre spater, bei den niederlandischen Parlamentswahlen, war dieser Prozentsatz fast um die Halfte gesunken (4,2 %) und die NSB hatte ihren Zenit bereits uberschritten.
[2]
Nach der Besetzung der Niederlande durch die
Wehrmacht
(
Westfeldzug
) war die NSB die einzige zugelassene Partei.
Die Nationaal-Socialistische Beweging (NSB) wurde am 14. Dezember 1931 von
Anton Adriaan Mussert
und
Cornelis van Geelkerken
in
Utrecht
gegrundet. Das Parteiprogramm entsprach in weiten Teilen fast wortgetreu dem
Parteiprogramm der NSDAP
.
[3]
Dennoch unterschied sich die NSB zunachst in wesentlichen Bereichen von der Ideologie
Hitlers
. Ebenso wie anfangs auch
Mussolini
, lehnte Mussert Hitlers
Rassismus
und
Antisemitismus
ab. Des Weiteren plante Mussert ein groß-niederlandisches Reich, was den spateren Planen Hitlers nach der Schaffung eines
groß-germanischen Reiches
entgegenstand. Dunkelhautige und
Juden
durften Mitglied der NSB werden. Der NSB gelang ein schneller Aufstieg. Zahlte sie 1933 nur 1.000 Mitglieder, waren es 1936 bereits 52.000. Bei den Wahlen der
Provinciale Staten
im April 1935 erreichte die NSB 7,94 % der Stimmen und gewann bei der Wahl der
Ersten Kammer der Generalstaaten
im Juli 1935 zwei der zu vergebenden 25 Sitze.
In der Nahe von
Lunteren
erwarb die NSB ein 16 Hektar großes Grundstuck auf dem
Goundsberg
und errichtete dort ein
Nationaal Tehuis
(deutsch: ?Nationales Zuhause“) genanntes Gelande fur Massenveranstaltungen (vergleichbar mit dem ? wesentlich großeren ?
Reichsparteitagsgelande
in Nurnberg). Zwischen 1936 und 1940 fanden dort insgesamt 6 große Parteiversammlungen (
Hagespraken
) statt.
Musserts Rolle als
leider
(?
Leiter/Fuhrer
“) der Partei war aber umstritten. Aufgrund der Erfolge Hitlers wuchs die Deutschfreundlichkeit in der Partei, die Mussert immer weiter in die Richtung von Hitlers Antisemitismus trieb. Die innerparteiliche Spaltung zwischen den deutschfreundlichen, volkischen (
volksen
) Mitgliedern unter der Fuhrung von
Meinoud Rost van Tonningen
und den Anhangern um Mussert (
staatschen
) fuhrte zur Schwachung der Partei, die bei den Wahlen zu den
Provinciale Staten
vom 19. April 1939 nur noch 3,89 % erreichte. Daraufhin naherte sich Mussert immer weiter Hitler an, was die Niederlander noch weiter von der NSB entfremden sollte.
Nach dem
Einmarsch
der deutschen
Wehrmacht
in die Niederlande am 10. Mai 1940 verbot Mussert seinen Anhangern jede aktive Unterstutzung der Invasoren. Am 22. Juni 1940 erklarte er bei einer
Veranstaltung
in Lunteren, dass die NSB das
Machtvakuum
fullen musse und alle Niederlander hinter der NSB stehen sollten, weil dies die Unabhangigkeit des Landes garantieren konne. Hitler hielt wenig von der NSB und noch weniger von Mussert. Jedoch war Mussert der Besatzungsmacht von einem gewissen Nutzen, da sein Beharren auf einer gewissen Unabhangigkeit verbunden mit der
Kollaboration
der NSB einen Zulauf auf 100.000 Mitglieder verschafft hatte. Ein Fortbestehen der Unabhangigkeit der Niederlande war aber seitens Hitler im spateren Kriegsverlauf nicht mehr vorgesehen. Vielmehr sollten die Niederlande zusammen mit dem
flamischen
Teil von
Belgien
in den ?großgermanischen Raum“ einbezogen werden.
Am 11. September 1940 entstand innerhalb der NSB die
Niederlandische SS
als Teil der sogenannten
Germanischen SS
innerhalb der deutschen SS, in welche den Mitgliedern der NSB der Eintritt nahegelegt wurde. Etwa 50.000 Niederlander kamen diesem Ruf nach.
Nach der Auflosung der burgerlichen Parteien in der Mitte des Jahres 1941 und dem Verbot der
Niederlandischen Union
im Dezember 1941 wurde die NSB am 13. Dezember 1941 zur einzigen zugelassenen Partei.
Arthur Seyß-Inquarts
Uberlegung, Mussert zum
Ministerprasidenten
zu machen, scheiterte am
Veto
Hitlers. Stattdessen wurde er zum ?Fuhrer des niederlandischen Volkes“ ernannt, und es wurde ihm die Bildung eines Staatssekretariats erlaubt. Eine realpolitische Macht hatte Mussert aber nicht. Vielmehr verlor die NSB innerhalb der Bevolkerung durch die Verscharfung des Besatzungsklimas an Zuspruch und wurde in die vollige Isolation getrieben. Die Radikalen innerhalb der NSB um den Fuhrer der
Nederlandsche SS
Henk Feldmeijer
bildeten ab September 1943 sogar eigene Milizen, die vollstandig mit den Deutschen kollaborierten und den
Widerstand
bekampften. Als die alliierten Truppen im September 1944 die Niederlande erreichten, setzten sich viele Mitglieder ins
Deutsche Reich
ab. Mussert wurde am 7. Mai 1945 in
Den Haag
festgenommen und ab dem 27. November 1945 vor Gericht gestellt. Die Anklage forderte im Namen der
Konigin
die
Todesstrafe
, die am 12. Dezember 1945 auch ausgesprochen wurde. Die Berufungskammer bestatigte das Urteil am 20. Marz 1946. Am 7. Mai 1946 wurde Mussert hingerichtet.
-
NSB-Parteitag
(Utrecht 1941)
-
NSB-Parteitag
(Den Haag 1941)
-
Parteitag
(Den Haag 1941)
Die NSB begann als faschistisch-
korporatistische
Partei, ahnlich der italienischen
Nationalen Faschistischen Partei
Mussolinis. Sie forderte eine starke Regierung,
strenge Kriminalitatsbekampfung
und einen ausgepragten gesellschaftlichen Gemeinschaftssinn. Sie stellte die nationalen Interessen sowohl uber die Interessen des Einzelnen als auch uber die
Verzuiling
(Versaulung), eine Segmentierung der Gesellschaft nach sozialen Milieus. Die Partei hatte stark anti
parlamentarische
und
autoritare
Zuge. Obwohl ihr politisches Programm weitgehend auf dem
Parteiprogramm
der NSDAP basierte, wurde auf deren antisemitische und
volkische
Bestandteile verzichtet. Nach 1936, mit dem zunehmenden Einfluss von
Meinoud Rost van Tonningen
, vollzog sich eine Entwicklung hin zur
nationalsozialistischen Rassenideologie
. Die Partei sympathisierte auch immer mehr mit der Außenpolitik
Italiens
und
Deutschlands
.
Zentrale Forderungen der NSB waren: Abschaffung des
allgemeinen Wahlrechts
, Korporatismus, Einfuhrung einer allgemeinen
Wehrpflicht
, Einschrankung der
Pressefreiheit
und ein gesetzliches
Streikverbot
. Die Niederlande wurden keineswegs Bestandteil, vielmehr ein unabhangiger und loyaler Verbundeter des Deutschen Reiches werden.
Ihren großten Zulauf erhielt die NSB aus dem
Mittelstand
: Beamte, Landwirte, Geschaftsleute und Soldaten unterstutzten die Partei und deren Ziele. Die meisten dieser Leute gehorten zu keiner der großen gesellschaftlichen Gruppen der
Verzuiling
. Sie waren eher lose und wechselbereite Anhanger der schwacheren allgemeinen ?Saule“. Ihre besten Wahlergebnisse erzielte die Partei in den Provinzen
Drenthe
und
Limburg
. Eine Hochburg war unter anderem
Winterswijk
. Die Existenz des
deutschen Nationalsozialismus
beeinflusste besonders in den ostlichen Grenzprovinzen die uberdurchschnittlich guten Wahlergebnisse der NSB.
[4]
Mussert war
Vorsitzender
und politischer ?Fuhrer“ der Partei. Die NSB veranstaltete von 1936 bis 1940 einen
Landdag
, auf dem Mussert eine politische Rede hielt.
Die NSB unterhielt eine Reihe von Unterorganisationen. So wurde im parteieigenen Verlag das Wochenblatt
Volk en Vaderland
herausgegeben. Zwischen 1931 und 1935 und von 1941 bis 1944 existierte mit dem
Weerbaarheidsafdeling
(WA) auch ein
paramilitarischer
Verband, vergleichbar der Sturmabteilung der NSDAP. Des Weiteren gab es noch die Jugendorganisation
Jeugdstorm
(?Jugendsturm“), einen Bauernverband und mit
Het Nationale Dagblad
eine eigene Tageszeitung.
1933 wurden der Parteigruß
Hou zee!
(analog zu ?
Heil Hitler
“) und neue Anreden eingefuhrt:
Leider
fur das Parteioberhaupt Mussert,
Kameraad
fur Manner und der
Neologismus
Kameraadske
fur Frauen. Die Parteifarben waren schwarz und rot.
Am 11. September 1940 wurde die
Niederlandische SS
als Abteilung XI der NSB gegrundet. Sie geriet immer mehr unter den Einfluss des deutschen
Reichssicherheitshauptamtes
und war an der
Vernichtung der hollandischen Juden
und der Bewachung der Konzentrationslager in den Niederlanden beteiligt.
[5]
Die NSB wurde von
allen anderen Parteien
vollstandig gemieden, von
Kleinparteien
wie der
Nationaal-Socialistische Nederlandsche Arbeiderspartij
und dem
Algemeene Nederlandsche Fascisten Bond
abgesehen.
Vor dem Kriegsbeginn organisierten die Sozialdemokratische Arbeiterpartei und der sozialdemokratische
Gewerkschaftsverband
Gegendemonstrationen und Propaganda unter der Dachorganisation ?Freiheit, Arbeit und Brot“.
- Dietrich Orlow:
A Difficult Relationship of Unequal Relatives. The Dutch NSB and Nazi Germany, 1933?1940.
In:
European History Quarterly.
Vol. 29, Nr. 3 (1999), S. 349?380.
- Chris van der Heijden:
Die NSB ? eine ganz normale politische Partei? Ein Pladoyer fur historische Korrektheit jenseits der Political Correctness.
In:
Tater und Tabu. Grenzen der Toleranz in den deutschen und niederlandischen Geschichtsdebatten.
Klartext-Verlag, Essen 2011,
ISBN 978-3-8375-0346-3
, S. 25?32.
- Konrad Kwiet:
Zur Geschichte der Mussert-Bewegung.
Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte, 1970 Heft 2, PDF.
- ↑
Friso Wielenga: Die Niederlande. Politik und politische Kultur im 20. Jahrhundert, Waxmann Verlag, 2008, S. 131. Zitat: "Es muss also zur Erklarung des letztlich geringen Erfolges [sic] der NSB in den Niederlanden auch das versaulte politisch-gesellschaftliche System genannt werden (...) " (
Online link, auf Deutsch
)
- ↑
Friso Wielenga: Die Niederlande. Politik und politische Kultur im 20. Jahrhundert, Waxmann Verlag, 2008, S. 130. Zitat: "Der Vormarsch der NSB begann 1933. Im Januar dieses Jahres zahlte die Partei rund 1.000 Mitglieder, Ende 1933 war die Mitgliederzahl auf ca. 20.000 gestiegen und im April 1935 betrug sie gut 36.000. Kurz darauf erzielte die Partei ihren großten Wahlerfolg und holte 1935 bei den Wahlen zu den Provinzialstaaten 7,9% der Stimmen. Zwei Jahren spater, bei den Wahlen zur Zweiten Kammer des niederlandischen Parlaments, war dieser Prozentsatz fast um die Halfte gesunken (4,2%) und die NSB hatte ihren Zenit bereits uberschritten." (
Online link, auf Deutsch
)
- ↑
Konrad Kwiet:
Zur Geschichte der Mussert-Bewegung
in:
Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte
, Jahrgang 18 (1970), Heft 2, S. 164ff. (pdf)
- ↑
Arnd Bauerkamper:
Der Faschismus in Europa 1918?1945
. Reclam,
S.
118
.
- ↑
Raul Hilberg
:
Die Vernichtung der europaischen Juden.
Fischer Taschenbuch 1982, Band 2,
ISBN 3-596-24417-X
, S. 598 ff.