Kurmainz
war das von den
Kurfursten
und
Erzbischofen
von
Mainz
regierte
Erzstift
, also deren weltliches Herrschaftsgebiet, das als eigenstandiges Territorium des
Heiligen Romischen Reichs
von etwa der Mitte des 10. Jahrhunderts bis zum
Reichsdeputationshauptschluss
von 1803 existierte. Es gehorte mit
Kurkoln
und
Kurtrier
zu den drei geistlichen Kurfurstentumern. Den drei rheinischen Erzbischofen stand zusammen mit den
Pfalzgrafen bei Rhein
, den
Markgrafen von Brandenburg
, den
Herzogen von Sachsen
und den
Konigen von Bohmen
seit dem 13. Jahrhundert das alleinige Recht zur Wahl des
romisch-deutschen Konigs
und
Kaisers
zu. Seit 1512 gehorte Kurmainz dem
Kurrheinischen Reichskreis
an.
Das Gebiet des Kurfurstentums und des Erzbistums Mainz
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Die Grenzen des
Kurfurstentums
und des
Erzbistums
stimmten geographisch nicht uberein. Im Kurfurstentum (dem
Erzstift
) war der Mainzer Erzbischof
reichsunmittelbarer
Furst und damit weltlicher und geistlicher Herrscher zugleich, im Erzbistum dagegen lediglich geistlicher
Oberhirte
.
Das Erzbistum Mainz ein zusammenhangendes Gebiet, das vom
Hunsruck
uber den nordlichen
Odenwald
, den
Vogelsberg
bis nach
Einbeck
und an die
Saale
reichte. Zudem stand dem Mainzer Erzbischof in seiner Eigenschaft als
Metropolit
die Aufsicht uber die
Mainzer Kirchenprovinz
zu. Zu ihr gehorten im
Hochmittelalter
die
Suffraganbistumer
Worms
,
Speyer
,
Konstanz
,
Straßburg
,
Augsburg
,
Chur
,
Wurzburg
,
Eichstatt
,
Paderborn
und
Hildesheim
.
Das Kurfurstentum Mainz dagegen war stark zersplittert und umfasste nach dem Stand von 1787
- das
Untere Erzstift,
wozu
Mainz
, einige Orte sudlich der Stadt, der
Rheingau
, die Gegend um
Bingen
, das
Amt
Oberlahnstein
und ein langer Gebietsstreifen nordostlich von Mainz, der sich von
Hochst am Main
in den
Taunus
hinein bis hin zur
Burg Konigstein
erstreckte, gehorten und
- das
Obere Erzstift,
ein Gebiet von
Seligenstadt
im Norden uber die
Bergstraße
und den
Odenwald
bis
Heppenheim
,
Walldurn
und
Buchen
im Suden, zweigeteilt durch den
Main
, mit der Verwaltungshauptstadt
Aschaffenburg
.
Dazu kamen noch einige
hessische
Amter wie
Amoneburg
und
Fritzlar
, der
Erfurter Staat
, der
Eichsfelder
Staat sowie Anteile an den Grafschaften
Rieneck
(im frankischen Kreis),
Konigstein
(im oberrheinischen Kreis),
Gleichen
und an der Niederen Grafschaft
Kranichfeld
.
Die Flache des Kurfurstentums betrug insgesamt 6150 km², nach anderen Angaben auch 8260 km², je nach Umrechnungsschlussel der 170 Quadratmeilen, die fur das Territorium allgemein angegeben werden.
[1]
Die Einwohnerzahl betrug im 18. Jahrhundert rund 350.000; in der Stadt Mainz selbst lebten damals 30.000 Menschen.
Die historische Entwicklung von Kurfurstentum und Erzbistum
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Das Mainzer Erzbistum wurde 780/81 endgultig begrundet. Bis zum 13. Jahrhundert war seine Entwicklung gekennzeichnet durch den stetigen Aufstieg der Mainzer Erzbischofe zu den ersten geistlichen und weltlichen Reichsfursten.
Das Spatmittelalter war die Phase der
Territorialisierung
beziehungsweise des Ausbaus der Besitzungen des Kurstaates und des Erzbistums. Dieser endete erst 1462 mit dem Zusammenbruch in der
Mainzer Stiftsfehde
.
In der Zeit der
Reformation
erlitt Mainz die schwersten territorialen Verluste, die es wahrend der Gegenreformation (als Mitglied in der
katholischen Liga
) und des
Dreißigjahrigen Krieges
nur geringfugig wieder ausgleichen konnte.
Vom
Westfalischen Frieden
bis zur
Sakularisation
1803 veranderte sich der Kurstaat in territorialer Hinsicht nur gering. Es kam zur Erstarrung und damit auch zum endgultigen Verlust seiner fruheren reichspolitischen Bedeutung.
In Kurmainz lassen sich vier Bevolkerungsgruppen nachweisen. Die zahlenmaßig großte Gruppe waren die Bauern, die sich in einem abhangigen Status befanden. Alles Ackerland, das sie bebauten, gehorte den privilegierten Standen, das heißt in diesem Fall dem Kurfursten, dem
Domkapitel
, den Klostern und Reichsrittern, die aus den verschiedenen Steuern, die die Bauern zu leisten hatten, vor allem dem
Zehnten
, ein lukratives Einkommen bezogen.
Die zweifellos einflussreichste Bevolkerungsschicht waren die
Reichsritter
, die als Angehorige des Adels in Kurmainz konkurrenzlos waren. Außer ihnen gab es nur noch den
Dienstadel
, der aber zum Burgertum gerechnet wurde. Die Reichsritter waren
reichsunmittelbar
, das heißt nicht der Souveranitat und Jurisdiktion des Kurfursten untergeordnet, sondern sie unterstanden direkt dem Kaiser. Die meisten Kurfursten gehorten nach der Reformation selbst diesem Reichsritterstand an. Als privilegierter Stand waren die Reichsritter von jeglichen Steuern und Abgaben befreit. Ihnen waren alle vierundzwanzig Pfrunden des Domkapitels, etwa 130 Beamtenstellen im Kurfurstentum, dazu etwa funfundsechzig Ehrenposten am Mainzer Hof, hohe Posten beim Militar sowie die Besetzung der kurfurstlichen Leibgarde ausschließlich vorbehalten.
Die letzten hier zu nennenden Bevolkerungsgruppen sind die Burger und die Beisassen beziehungsweise Tolerierten, die sich hauptsachlich in den Stadten, vor allem in Mainz, konzentrierten.
Zum
Burgertum
zahlten die Kaufleute, Geschaftsleute und Handwerksmeister, also Mitglieder einer
Zunft
, da nur diese das Burgerrecht bekamen. Die Burger hatten besondere Rechte und Privilegien, beispielsweise personliche Freiheit, sie brauchten keine
Fron
und keinen Militardienst zu leisten und konnten zu stadtischen Korperschaften gewahlt werden. Unter Beisassen und Tolerierten, letztere waren die Protestanten und
Schutzjuden
, verstand man die Zugewanderten in Mainz, die sich auf bestimmte Zeit und auf Widerruf dort niederlassen und ihren Beruf ausuben durften, aber kein Burgerrecht erlangen konnten.
Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens des Kurfurstentums Mainz stand die Stadt Mainz. Mainz war weniger Fabrikantenstadt wie Frankfurt als eher Verteilungszentrum fur Waren. Um die Stadt herum lag fruchtbares Gebiet, und eine ausgiebige landwirtschaftliche Produktion lieferte Wein, Tabak, Hanf, Hirse, Fruchte, Nusse und vor allem Getreide fur den Export. Ebenfalls exportiert wurde Holz aus den Waldern von
Taunus
und
Spessart
. Erwahnenswert in diesem Zusammenhang ist auch der
Rheingau
, der schon damals wie heute als eines der besten Weinanbaugebiete galt. Die Stadt Mainz besaß wie auch Koln seit 1495 das
Stapelrecht
, das den Handel auf dem Rhein betraf.
Guter, die die Stadt passierten, mussten ausgeladen und drei Tage zum Verkauf angeboten werden, ehe sie wieder in Mainzer Schiffe eingeladen und zu ihrem endgultigen Ziel transportiert werden durften. Die Kurfursten waren sehr an der Aufrechterhaltung dieses Privilegs interessiert, da es ihnen die dabei anfallenden Gebuhren als Einnahmen fur die Staatskasse sicherte. Als Zeugnis dafur galt das alte Kaufhaus am Brand, welches im 19. Jahrhundert abgebrochen wurde, da es seine Funktion verloren hatte und baufallig wurde.
Ende des 18. Jahrhunderts wurde die stadtische Wirtschaft noch von den Handwerkszunften beherrscht, die aber seit 1462 schon dem furstlichen Absolutismus unterlegen waren. Ein vom Kurfursten ernanntes Mitglied des Stadtrates, ab 1782 zwei Polizeikommissare, mussten bei allen Versammlungen der Zunfte anwesend sein. Keine Entscheidung konnte ohne Zustimmung des Kurfursten getroffen werden. Somit waren die Zunfte im Grunde nur noch Staatsorgane. Insgesamt wurde Mainz, unter anderem durch Abschaffung der stadtischen Freiheiten nach 1462, wirtschaftlich von Frankfurt in den Hintergrund gedrangt.
Erst mit der merkantilistischen Politik des Kurfursten
Johann Friedrich Karl von Ostein
(1743?1763) erfuhr der Handel eine Wiederbelebung. Zwischen 1730 und 1790 war sowohl ein wirtschaftlicher Aufschwung als auch ein Bevolkerungswachstum in Kurmainz zu verzeichnen.
Neben seinen Funktionen im Mainzer Kurfurstentum und Erzbistum kam dem Kurfursten noch eine herausgehobene Stellung im
Romischen Reich
zu. Er war Vorsitzender des
Kurfurstenkollegiums
, das heißt, er berief die sechs anderen Kurfursten zur Wahl des neuen Konigs nach
Frankfurt am Main
ein. Dort hatte er den Vorsitz bei der Wahl des Konigs und den Beratungen uber die
Wahlkapitulation
. Auch nahm er die
Weihe
und
Salbung
des neuen Konigs vor. Daruber hinaus war der Mainzer Kurfurst
Erzkanzler
und Kopf der
Reichskanzlei
, formal auch wichtigster Mann im
Reichstag
. Er ubte die Kontrolle uber das
Reichstagsarchiv
aus und hatte eine besondere Position beim
Reichshofrat
und
Reichskammergericht
inne. Als kreisausschreibender Furst und Direktor oblag ihm die Leitung des
kurfurstlich-rheinischen Kreises
. Die meisten dieser Funktionen jedoch hatten eher reprasentativen Charakter, als dass sie dem Kurfursten politisches Gewicht verliehen.
Das
Mainzer Domkapitel
hatte 24
Pfrunden
und ein eigenes Herrschaftsgebiet, das direkt dem Kaiser unterstellt war und fur das es dem Kurfursten nicht verantwortlich war. Das Gebiet schloss große Landereien ein, unter anderem die Stadt Bingen und sieben weitere bedeutende Ortschaften. Daruber hinaus hatte das Kapitel Landereien im Kurfurstentum selbst und in anderen Furstentumern. Diese Besitzungen sicherten dem Domkapitel große Einkunfte, die schatzungsweise ein Funftel des Gesamteinkommens des Mainzer Erzstifts ausmachten.
Die Mitglieder des Kapitels hatten zum Teil weitere Einkunfte, die sich daraus ergaben, dass sie in anderen Kapiteln oder Kollegiatstiften saßen oder weltliche Amter im Kurfurstentum innehatten, die fur sie reserviert waren.
Beherrscht wurde das Domkapitel von den Reichsrittern. Seine Mitglieder mussten einem der drei Reichsritterkreise, das heißt dem frankischen, schwabischen oder rheinischen, angehoren und nachweisen, dass ihre 16 Ururgroßeltern alle deutschen ritterlichen Ursprungs waren. Die Lucken im Domkapitel wurden gefullt durch
Kooptation
, das heißt Ernennung der Anwarter durch
Kanoniker
und Kurfurst. In der Praxis fuhrte dieses Verfahren dazu, dass immer wieder Verwandte ernannt wurden und das Kapitel von einer kleinen Gruppe von Familien beherrscht wurde. Die Hauptaufgabe des Domkapitels war die Wahl des Erzbischofs und Kurfursten sowie beim Tode eines Kurfursten die Verwaltung des Kurstaates bis zur Wahl eines neuen. Sein Einfluss wurde hauptsachlich durch die
Wahlkapitulationen
gesichert, in denen jeweils alte und neue Privilegien des Domkapitels festgelegt wurden, auf die der jeweilige Kurfurst bei seinem Regierungsantritt dann vereidigt wurde.
Die
Wahlkapitulationen
waren die
Verfassung des Kurfurstentums
, insofern man hier uberhaupt von einer solchen sprechen kann. Ihre vollstandigste Form erreichten sie mit der
capitulatio perpetua
von 1788, aufgesetzt vom Kapitel anlasslich der Wahl des
Koadjutors
(= Amtsgehilfen) Dalberg. Diese (jedoch nie in Kraft getretene) Kapitulation war als eine Art Staatsgrundgesetz vorgesehen, das nicht nur der Erzbischof und Kurfurst, sondern auch Diener und Beamte beschworen sollten. Inhaltlich war der Anspruch des Kapitels festgelegt, die Stande des Kurfurstentums zu sein; seit dem
Bauernkrieg
von 1524/25 gab es in Kurmainz keine
Landstande
mehr (einzige Ausnahme waren die
Landstande des Eichsfeldes
).
Daruber hinaus war festgehalten, dass der Kurfurst ohne Zustimmung des Kapitels kein Land veraußern oder verpfanden und keine Schulden machen konnte. Er war zur Erhaltung der katholischen Religion und Bevorzugung von Katholiken bei der Besetzung von Beamtenstellen, Aufrechterhaltung guter Beziehungen zum Papst und der Verbindung mit den
Habsburgern
sowie zur Beseitigung von Glaubensabtrunnigen, also
Haretikern
, verpflichtet. Die Wahlkapitulationen verschafften dem Kapitel jedoch kein
legislatives Veto
. Nur in finanziellen Angelegenheiten, also Steuern, Steuererhebungen, Schaffung neuer Steuern, war seine Zustimmung notig.
Im 18. Jahrhundert haben die Wahlkapitulationen insgesamt an Bedeutung verloren, da sie 1695 vom Papst beziehungsweise 1698 vom Kaiser offiziell verboten worden waren. Jedoch konnte Kurfurst
Lothar Franz von Schonborn
(1695?1729), der in diesem Fall offensichtlich auf Seiten des Kapitels stand, ein papstliches Schreiben erwirken, durch das Mainz vom Verbot der Wahlkapitulationen ausgenommen wurde. Als 1774 vor der Wahl des Kurfursten
Friedrich Karl Joseph von Erthal
erstmals der Einfluss dieses Verbotes spurbar wurde, ging das Domkapitel dazu uber, eine offizielle Hauptkapitulation auszuarbeiten und dazu eine Art geheime Nebenkapitulation, in der alle Artikel zusammengefasst waren, die moglicherweise ein Einschreiten des Papstes oder Kaisers provoziert hatten.
Der Hofrat war das zentrale Verwaltungsorgan des Kurstaats. Die Ursprunge des Hofrates sind nicht geklart. Bis zur Amtszeit
Albrechts von Brandenburg
(1514?1545) gab es keinen Hofrat mit geregelter Geschaftsordnung.
[2]
Die Verwaltung spielte sich damals im Rahmen des Hofes ab. Kurfurst
Jakob von Liebenstein
(1504?1508) erließ um 1505 die erste bekannte Hofordnung. Wahlkapitulationen belegen, dass ein Ratskollegium bereits 1459 bestanden haben muss. Es war jedoch ungeordnet und ohne bestimmte Teilnehmer.
[3]
1522 richtete Kurfurst Albrecht einen
bestandigen
bzw.
geordneten
Rat ein und gab dem Ratskollegium so eine feste Form. Es bestand aus 13 Mitgliedern, von denen 9 durch den Kurfursten ernannt wurden, namlich Hofmeister, Kanzler, Marschall, die beiden zu entsendenden Mitglieder des Domkapitels, zwei Rechtsgelehrte und zwei Vertreter des Adels. Die ubrigen vier wurden von
Pralaten
und Adel unterer und oberer Landschaft entsandt.
[4]
1541 folgte eine neue Ordnung fur Rat und Kanzlei, die auch die Kompetenzen zwischen Lokalverwaltung und Zentralverwaltung regelte. Diese Ordnung wurde fur die spatere Entwicklung des Gremiums maßgeblich. Der Rat war demnach sowohl zentrale Verwaltungsbehorde als auch Gericht, da er uber Appellationen gegen Urteile der Burggerichte entschied oder als Urteilsinstanz bei schwierigen Prozessen auftrat. Außerdem erteilte der Rat Ratschlage in Kriminalsachen.
Wichtigstes Amt im Rat war das des Hofmeisters. Der Hofmeister hatte die Aufsicht uber das Finanzwesen und die Lokalverwaltung, zudem fuhrte er die diplomatischen Verhandlungen. Mit der Zeit ging die Fuhrung der Tagesgeschafte jedoch bezuglich des furstlichen Haushalts auf den Haushofmeister und bezuglich der Regierungsangelegenheiten auf den Kanzler uber.
[4]
Der Kanzler war in der Regel ein Jurist burgerlicher Herkunft, und obwohl die Wahlkapitulationen bis 1675 vorsahen, dass das Amt mit einem Geistlichen besetzt werde, waren die Kanzler ab der Mitte des 16. Jahrhunderts vorwiegend Laien.
[5]
Das Kollegium setzte sich aus adligen und gelehrten Raten zusammen, ihre Amtszeit war im 16. Jahrhundert noch auf sechs Jahre begrenzt. Die gelehrten Rate nahmen die tagliche Hofratsarbeit wahr und besaßen gegenuber den adligen Raten ein hoheres Gewicht, da diese nur fallweise zu bestimmten Aufgaben herangezogen wurden. Einen festen Sitz hatte der Rat nicht, er folgte jeweils dem Hof und tagte somit in Mainz genauso wie im
Schloss Johannisburg
in
Aschaffenburg
. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts veranderte sich die personelle Struktur. Zum Hofmeister und zum Marschall, die bis dahin das Prasidium gebildet hatten, kamen 1609 der Direktor in judicialibus (der fur die Prozesse des Erzstifts verantwortlich war) und der Hofprasident (ab 1693 Hofratsprasident) hinzu.
Der Dreißigjahrige Krieg hemmte eine Fortentwicklung der Verwaltung und somit auch des Hofrates. Erst ab 1674 kam es wieder zu Umgestaltungen des Gremiums, darunter die Schaffung des Amts des Kanzleidirektors, der den Kanzler zu entlasten hatte. Die ubrigen Neuerungen waren zum großeren Teil experimenteller Natur. Dazu gehorte die Errichtung einer Kriegskonferenz 1690, die 1780 als Hofkriegsrat in den Rang einer eigenstandigen Behorde erhoben wurde, was jedoch angesichts der kleinen Militarmacht des Kurstaats eher aus Prestigegrunden geschah.
[6]
Bedeutend war aber die Entwicklung auf dem Gebiet der Kriminalgerichtsbarkeit. Ab dem Ende des 17. Jahrhunderts zog der Hofrat schrittweise die Kriminalprozesse an sich. 1776 entstand ein eigener Kriminalsenat. Da gleichzeitig noch ein Regierungsjustizsenat als Disziplinargerichtshof fur Beamtenschaft und Schiedsgericht gegrundet wurde, blieb dem Hofrat selbst danach nur die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Seit dem 17. Jahrhundert wurden die Ratsmitglieder auf Lebenszeit ernannt, konnten jedoch ? mit Ausnahme des durch Wahlkapitulationen abgesicherten Hof(rats)prasidenten ? vom Kurfursten entlassen werden. Der Hofratsprasident verdrangte im 18. Jahrhundert den Hofmeister aus der Leitung des Hofrats. Dieser gehorte dem Rat zwar noch bis 1774 an, trat aber nur noch bei zeremoniellen Anlassen auf und verlegte seine Arbeit ansonsten in die Geheime Staatskonferenz. Der Marschall verschwand ganzlich aus der Verwaltung.
[7]
1771 gab es 31 adlige und 28 gelehrte Hofrate, 1790 insgesamt noch 49 Mitglieder.
[8]
Geheimer Rat, Kabinettskonferenz und Geheime Staatskonferenz
[
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Das Gremium des
Geheimen Rats
hatte ursprunglich den Charakter einer privaten Zusammenkunft abseits offizieller Einrichtungen. Es diente dem Kurfursten zur Besprechung von mehr oder weniger geheimen Angelegenheiten im Kreise weniger Vertrauter, zu dem einige Rate und hohe Hofbeamte zahlten. Schon Kurfurst
Albrecht von Brandenburg
hatte sich in der Neuauflage der Hofratsordnung von 1451 offengehalten, Mitglieder des Hofrats zu vertraulichen Beratungen heranzuziehen.
[9]
Entsprechend dieser Praxis ist uber die Arbeit der Geheimen Rate in dieser Zeit nicht viel bekannt.
Die anderte sich erst mit der zunehmenden Verwicklung in die große Politik im 17. Jahrhundert. Der Geheime Rat tagte in den 1640er Jahren regelmaßig und hatte ein eigenes Aufgabengebiet, welches vorrangig Fragen der Außenpolitik beinhaltete. Die Organisation ahnelte der des Hofrates.
[9]
Nach dem Tod
Johann Philipps von Schonborn
1673 verlor der Geheime Rat erneut an Bedeutung. In den 1730er Jahren wurden jedoch wieder Konferenzminister (Konferentialminister) ernannt, die 1754 unter dem Vorsitz des Kurfursten als Geheime Kabinettskonferenz zu einer festen Einrichtung wurden und seit 1766 offiziell in den
Hof- und Staatskalendern
erschienen.
[10]
1774 loste
Friedrich Karl Joseph von Erthal
das Gremium wieder auf, grundete es jedoch bereits ein Jahr spater als Geheime Staatskonferenz neu. Sie bestand aus dem Staats- und Konferenzminister sowie funf Referendaren, von denen zwei den Titel Geheimer Staatsrat trugen. 1781 kam noch ein Referent fur geistliche Angelegenheiten hinzu. Das Gremium ubte auf den Kurfursten erheblichen Einfluss aus. Ab 1790 gab es vier Staats- und Konferenzminister, was die Staatskonferenz gemessen an der tatsachlichen Bedeutung des Kurstaats uberdimensioniert erscheinen lasst. Sie war somit ein Beispiel dafur, dass bei der Ausformung der Behorden und Gremien des Kurstaats immer auch der Geltungsdrang des Kurfursten miteinfloss.
[11]
Seit wann im Erzstift eine zentrale Kameralverwaltung existiert hat, ist nicht geklart. Vor dem 16. Jahrhundert existierte nur das Amt des Kammerschreibers als niedere Charge. Die Reform Albrechts von Brandenburg 1522 bestimmte, dass der Hofrat die Finanzverwaltung zu ubernehmen hatte.
[11]
Diese Regelung hatte allerdings nur kurze Zeit Bestand. Noch im 16. Jahrhundert wurde die Besorgung der Finanzen wieder allein dem Kammerschreiber ubertragen, der die Rechen- bzw. Rentkammer leitete, die spater als Hofkammer bezeichnet wurde. Hauptaufgabe war die Aufsicht uber die erzstiftischen Domanen sowie die Einkunfte aus Zollstellen und Kellereien.
Zwischen 1619 und 1625 wurde die Hofkammer zu einer Kollegialbehorde umgebaut, mit einem dem Domkapitel zu entnehmenden Kammerprasidenten an der Spitze. Der Kammerschreiber fuhrte ab 1667 den Titel Kammerdirektor und war fur die Fuhrung der Geschafte verantwortlich, der Kammerprasident reprasentierte nur. Das Gremium bestand aus vier bis funf, bis 1740 aus zwolf Hofkammerraten. Der Zustandigkeitsbereich erstreckte sich neben den ursprunglichen Gebieten auch auf die Beteiligung an der Leitung der staatlichen Manufakturen, Bergwerke und
Salinen
. Der Einfluss auf das Jagd- und Forstwesen wurde ihr von Kurfurst Johann Philipp von Schonborn kurzzeitig entzogen. Das ebenfalls in den Zustandigkeitsbereich der Kammer fallende Militarwesen erhielt 1690 mit der Errichtung der Kriegskonferenz eine eigene Administration, die jedoch zunachst noch von der Hofkammer abhangig war.
[12]
Im 18. Jahrhundert wurde schließlich ein Revisionswesen eingefuhrt, die Rechnungsrevision bzw. Rechnungsdeputation. 1788 erhielt sie als Rechnungsrevisionskammer den Status einer selbststandigen Behorde. Eine Kassentrennung zwischen Hofbedarf und Landesverwaltung gab es bis zum Ende des Kurstaats nicht.
[12]
Mit Ausnahme der Leitungsfunktionen waren die Mitglieder der Hofkammer Burgerliche. Trotz hoherer Besoldung als im Hofrat waren die Amter in der Hofkammer nicht begehrt. Ihr haftete die Herkunft als Subalternbehorde an, deren Mitglieder sich als einfache Leute nach oben gearbeitet hatten.
[12]
Die Entstehung des
Hofgerichts
ging ebenfalls auf die Reformtatigkeit Kurfurst Albrechts von Brandenburg zuruck. Mangel im Gerichtswesen und Vorgaben der
Reichskammergerichtsordnung
von 1495 veranlassten ihn zur Aufstellung einer Hofgerichtsordnung, deren endgultige Fassung von 1516 am 21. Mai 1521 von Kaiser
Karl V.
bestatigt wurde.
[13]
Sie galt fur das ganze Erzstift mit Ausnahme des Eichsfeldes, fur das eine Zwischeninstanz geschaffen wurde und der Stadt Erfurt, die sich zu diesem Zeitpunkt gerade gegen die erzbischofliche Stadtherrschaft auflehnte. Erst 1664 erlangte die Hofgerichtsordnung dort Geltung.
Im Gegensatz zu Hofkammer und Hofrat folgte das Hofgericht nicht dem jeweiligen Aufenthaltsort des Hofes nach, sondern hatte seinen festen Sitz in Mainz. Es wurde sowohl in erster als auch in zweiter Instanz tatig. Die Zustandigkeit in erster Instanz umfasste Prozesse von besonderem Interesse fur den Erzbischof, Prozesse des Adels, der Beamtenschaft und aller Personen mit eximiniertem Gerichtsstand, auch fur Auslander, die sich an das Gericht wandten. Kurfurst und Hofrat konnten des Weiteren alle Prozesse an das Hofgericht verweisen. Die Hauptaufgabe des Gerichts war jedoch die Funktion als
Appellationsinstanz
. Es entschied uber alle Berufungen gegen von Untergerichten gefallte Urteile, selbst uber solche, die von Juden in erster Instanz vor dem Rabbiner gefuhrt wurden. Zudem judizierte das Gericht uber Rechtsmissbrauch wie
Rechtsverweigerung
, -verschleppung oder richterliche Parteilichkeit.
[14]
Nicht zustandig dagegen war das Gericht bei Prozessen von Geistlichen, Beamten und Bedienten des Hofes sowie von Personen, die innerhalb des Burgbanns wohnten. Fur die Geistlichen war in erster Instanz das Vikariatsamt, in zweiter Instanz aus den Reihen der Domkapitulare bestellte Kommissare zustandig. Die Bedienten und Beamten am Hof hatten ihren Gerichtsstand in erster Instanz beim Oberhofmarschallamt als ?hochstem Burggericht“ und in zweiter Instanz beim Hofrat. Im 17. Jahrhundert wurden dem Hofgericht auch die Handels- und Bauangelegenheiten entzogen. Die Kriminalgerichtsbarkeit fiel wie bereits erwahnt in die Zustandigkeit des Hofrats (ab 1776 in die des Kriminalsenats). Auch das Militar hatte eine eigene Gerichtsbarkeit.
[15]
Das Hofgericht wurde grundsatzlich nur mit Personal besetzt, das an keiner anderen Behorde tatig war. Lediglich das Amt des an der Spitze stehenden Hofrichters wurde mit anderen Amtern wie dem des
Vizedoms im Rheingau
verbunden, so dass es zur
Sinekure
verkam. Seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert wurde der Vorsitz daher von einem Hofgerichtsprasidenten ausgeubt, welches jedoch ab 1742 ebenfalls zur Sinekure wurde. Den Vorsitz ubernahm nun einer der gelehrten Beisitzer am Gericht, der den Titel Hofgerichtsdirektor annahm. Ursprunglich hatte es zehn solcher Beisitzer gegeben, je funf adlige und gelehrte, die alle ab 1662 den Hofraten im Rang gleichgestellt wurden. Die adeligen Beisitzer kamen jedoch im Laufe der Zeit ihren Verpflichtungen nicht mehr nach, weswegen die Arbeit des Gerichts im Wesentlichen von den burgerlichen Hofgerichtsraten erledigt wurde. Das anderte sich erst, als das Gericht im 18. Jahrhundert zur Durchgangsstation zum Hofrat wurde. 1786 gab es 30 Beisitzer.
Ursprunglich war das Hofgericht ein so genannter Quartalsgerichtshof gewesen. Urteile verkundete der Gerichtshof also nur vier Mal im Jahr. Weil sich dies als unpraktisch herausstellte, wurden spater zweimal wochentlich Zwischenurteile veroffentlicht, die mit der regularen Sitzung am Quartalsende zu Endurteilen umgewandelt wurden.
[16]
Erst 1662 kam es zu einem vierwochigen Turnus, ab 1746 geschah die Verkundigung nach Gutdunken der Richter.
Uber dem Hofgericht existierte lange Zeit kein drittinstanzliches Gericht. Revisionen wurden unter Vorbehalt der Rechte des Kurfursten an das Reichskammergericht gerichtet. Erst 1662 wurde ein Revisionsgericht errichtet, damit entfiel auch die Moglichkeit einer Appellation an das Reichskammergericht. Der Gerichtsbetrieb des Revisionsgerichts kam jedoch bald schon wieder zum Erliegen, erst 1710 erhielt das Gericht eine eigene Ordnung. Die Mitglieder waren vor allem Angehorige des Hofrats, mit dem Kanzler oder Vizekanzler als Prasidenten. Erst 1776 erhielt es wieder einen eigenen Direktor. Besetzt war es mit sechs bis acht Richtern.
[16]
Die
Beamten
des Mainzer Staates wurden in patriarchalischer Art behandelt. Die hochsten Beamten wurden sehr hoch besoldet, die ubrigen dagegen niedrig, was dazu fuhrte, dass die Untertanen fur die Inanspruchnahme der Behorden sehr hohe Gebuhren errichten mussten, die den Beamten als Nebeneinnahmen dienten. So hatten die Beamten nicht nur das Staatsinteresse, sondern auch den eigenen Nutzen im Auge, worunter die Verwaltung zu leiden hatte. Das Domkapitel sicherte sich im Laufe der Entwicklung des Kurstaates mit Hilfe der Wahlkapitulationen hohe Posten und damit Einfluss auf die Verwaltung, so dass zumindest nichts ohne sein Wissen geschehen konnte. Insgesamt gesehen brachte der Verwaltungsapparat trotz einiger struktureller Mangel allein dem Kurfursten Vorteile, der damit uber ein Instrument verfugte, dem das Kapitel nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen hatte.
Das Verhaltnis zwischen Kurfurst und Domkapitel im entstehenden Absolutismus
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Die reichsunmittelbare Stellung der Domherren, die Existenz der Wahlkapitulationen und die Tatsache, dass ihnen bestimmte Amter im Staat vorbehalten waren, sicherte dem Kapitel Privilegien, Immunitaten und Einfluss auf die Politik. Man hatte sich in jedem Fall einem tyrannischen Kurfursten widersetzen konnen. Dies alles fuhrte aber auch zu einem gewissen Dualismus zwischen Kurfurst und Domkapitel im Hinblick auf die Macht im Kurstaat. In der Praxis trafen aber wohl allein der Kurfurst und sein engster Beraterkreis die politischen Entscheidungen. Regelmaßige Steuereinnahmen und ausgedehnte Guter ermoglichten ihm zumindest eine relativ unabhangige Innenpolitik.
Als Beamte in der Verwaltung mussten die Domherren den Befehlen des Kurfursten Folge leisten, um ihre Stellung nicht zu verlieren. Sie waren also dort eher gezwungen, sich dem Kurfursten unterzuordnen, als dass sie es sich hatten leisten konnen, die Interessen des Kapitels allzu stark zu vertreten. Dies traf vor allem dann zu, wenn es die Domherren anstrebten, Familienmitglieder in der Verwaltung unterzubringen.
Auf der anderen Seite stammten Kurfurst und Domkapitel meist aus der gleichen Gesellschaftsschicht und damit Interessengruppe. Insofern galt Ausgleich und Maßigung als Verhaltensregel zwischen beiden und war auch Voraussetzung fur den Erhalt der Regierungsform. Die Kurfursten hatten ein hauspolitisches Interesse, moglichst viele Verwandte im Kapitel unterzubringen, von denen vielleicht einer die Nachfolge antritt und damit die eigene Regierungsweise stabilisiert. Mit diesem Ziel konnten die Kurfursten sich nicht rucksichtslos uber die Interessen des Domkapitels hinwegsetzen.
Zwischen Kurfurst und Domkapitel existierte quasi eine Symbiose, beide waren voneinander abhangig, beide versuchten die Macht des anderen einzuschranken, wobei man im 18. Jahrhundert jedoch eine Dominanz der Kurfursten, besonders der aufgeklarten, feststellen kann, vor allem da ihnen allein der Behorden- und Beamtenapparat als Machtinstrument zugutekam. Vielleicht trifft die Bezeichnung
Wahlmonarchie
am besten auf das Kurmainz dieses Jahrhunderts zu.
Erwahnenswert in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass sowohl Kurfurst als auch Domkapitel in der Regel Unterstutzer der habsburgischen Monarchie waren, da Kurmainz als geistliches Territorium vom Uberleben des Reiches abhangig war. Dies wiederum gab den Habsburgern die Moglichkeit, hauptsachlich durch finanzielle Mittel, Einfluss auf die Wahl des Mainzer Kurfursten zu nehmen.
Der
Vizedom
war ursprunglich ein Amt der Zentralgewalt. Da sich das Herrschaftsgebiet der Erzbischofe (von einem Kurstaat war damals noch nicht die Rede) aber in mehreren Zentren entwickelte, wurde es notig, jedes einzelne dieser Zentren extra zu verwalten. Erzbischof
Adalbert I. von Saarbrucken
(1112?1137) setzte daher ab 1120 fur die Zentren Mainz-Rheingau, das
Vizedomamt Aschaffenburg
, das
Eichsfeld
und die hessische Exklave sowie fur
Erfurt
je einen Vizedom ein. Sie bildeten die Mittelinstanz zwischen Zentralgewalt und Amtleuten.
Eine klare Abgrenzung der Sprengel der Vizedome gab es nicht. Die Amtsgewalt des Mainzer Vizedoms konzentrierte sich nach der Gewahrung der Stadtfreiheit durch Erzbischof
Siegfried III. von Eppstein
(1230?1249) hauptsachlich auf den Rheingau. Nachdem die Stadt 1462 wieder an den Erzbischof gefallen war, wurden zwei Vizedomamter geschaffen, eines fur die Stadt (
Vizedomamt in der Stadt Mainz
) und eines fur das Umland (
Vizedomamt außer der Stadt Mainz
). Das
Vizedomamt Rheingau
bestand bis zum Ende des Kurstaates.
Der Kompetenzbereich des Aschaffenburger Vizedoms war ursprunglich das Territorium um
Main
,
Tauber
(u. a.
Kurmainzisches Schloss Tauberbischofsheim
),
Spessart
und
Odenwald
. Das Gebiet schrumpfte jedoch im Laufe der Zeit stark zusammen. Ab 1773 wurde das Amt nicht mehr besetzt und die Fuhrung der Geschafte 1782 einem Vizedomamtsdirektor ubertragen.
Zustandig fur Hessen und das
Eichsfeld
war der Vizedom auf
Burg Rusteberg
. Allerdings wurde fur Hessen schon 1273 eine eigene Oberamtsverwaltung herausgelost. Zu diesem Zeitpunkt lag das Amt bereits als erbliches
Lehen
in der Hand der
Hansteiner
und entwickelte sich zur Sinekure. 1323 verkaufte die Adelsfamilie das Amt an den Erzbischof. Daher wurde 1354 auf dem Rusteberg eine Landvogtei fur Hessen, Thuringen und das Eichsfeld eingerichtet, die schon 1385 in je einen Landvogteibezirk fur Hessen und Westfalen sowie fur das Eichsfeld, Thuringen und Sachsen aufgeteilt wurde. 1732 trat an die Stelle der Landvogte (Oberamtleute) ein Statthalter.
In
Erfurt
war das Amt des Vizedoms bereits kurz nach seiner Errichtung in der ersten Halfte des 12. Jahrhunderts erblich geworden. Wie im Fall von Rusteberg verkauften die Lehensnehmer das Amt an den Erzbischof (1342). Danach amtierten erzbischofliche Provisoren; das Amt des Vizedoms ging zwar nicht unter, verlor aber seine Bedeutung. Erst 1664 wurde es in der ursprunglichen Bedeutung wiedererrichtet. 1675 folgte die Umwandlung in eine Statthalterei.
Im Unterschied zu den Vizedomamtern im Rheingau und in Aschaffenburg umfassten die Statthaltereien auf dem Eichsfeld und in Erfurt einen umfangreichen Behordenapparat. Dies findet auch in den Bezeichnungen als
Kurfurstlich mainzischer Eichsfelder Staat
bzw.
Kurfurstlich mainzischer Erfurter Staat
seinen Ausdruck.
Die Aufgabengebiete der Vizedome umfassten vor allem richterliche und militarische Angelegenheiten, wobei es unterschiedliche Schwerpunktsetzungen gegeben hat. Von den Kameralangelegenheiten ? der Oberaufsicht uber Guter und Einkunfte ? wurde der Vizedom hingegen schon fruh (ab dem 14. Jahrhundert) durch den Aufbau einer Kameralverwaltung entbunden.
Das anwachsende Territorium des erzbischoflichen Herrschaftsbereichs machte es bald notig, nach der Gliederung in die vier Bereiche der Vizedome weitere Unterteilungen in uberschaubare Sprengel zu unternehmen. Dies fuhrte zur Einrichtung der
Amter
, deren Mittelpunkt oftmals die Burgen waren, weswegen bis ins 16. Jahrhundert hinein oftmals Burggrafen als Amtleute fungierten. Solange dauerte es auch, der Amterstruktur eine feste Form zu geben. Fluktuationen bei den Amtszustandigkeiten (z. B. durch Tausch oder Verpfandung) sowie die finanzielle und militarische Abhangigkeit des durch die Stiftsschismen notorisch klammen Erzbischofs von den Burggrafen hatten dies zuvor verhindert.
Der Kurstaat unterhielt seit dem Westfalischen Frieden auch ein
stehendes Heer
, das zur Verteidigung des Territoriums vorgehalten wurde. Hauptverteidigungspunkt bildete die
Festung Mainz
, die sukzessive zu einer der großten und wichtigsten Reichsfestungen ausgebaut wurde.
Mainz gehorte nicht zu den Gebieten erster Hexenprozesse im 15. Jahrhundert, auch ignorierte Erzbischof
Berthold von Henneberg
wie viele andere die von Papst
Innozenz VIII.
1484 in der papstlichen Bulle
Summis desiderantes affectibus
geforderte Unterstutzung der Inquisitoren
Heinrich Institoris
und
Jakob Sprenger
zur Inhaftierung und Bestrafung (nicht Verbrennung) von Hexen. Jedoch gab es in der Folge durch das 16. Jahrhundert hindurch immer wieder Verleumdungsklagen, die vereinzelt zu Prozessen mit unterschiedlichem Ausgang fuhrten.
Das anderte sich ab 1594, als unter Duldung der Erzbischofe
Johann Adam von Bicken
und seines Nachfolgers
Johann Schweikhard von Cronberg
insbesondere im Oberstift (den kurmainzischen Gebieten um Aschaffenburg) eine große Zahl von
Hexenprozessen
mit uber 1000 Hinrichtungen stattfanden. Dies waren 650 Hinrichtungen unter Johann Adam von Bicken in den Jahren 1601 bis 1604 und 361 Hinrichtungen unter Johann Schweikhard von Cronberg bis 1626. Unter dem nachsten Furstbischof
Georg Friedrich von Greiffenclau
wurden von 1626 bis 1629 noch 768 weitere Menschen wegen Hexerei hingerichtet.
[17]
Von
1604
bis
1629
sind fur das Erzstift Mainz Dokumente zum Tod von 1779 Menschen als Opfer der
Hexenverfolgungen
erhalten geblieben. Zwei der Opfer waren in
Aschaffenburg
die
Karpfenwirtin
Margarethe Rucker und die
Kreuzschneiderin
Elisabeth Strauß, die am 19. Dezember 1611 enthauptet und verbrannt wurden.
[18]
In Florsheim wurden 1617 drei Geschwister im Jugendalter wegen angeblicher Hexerei hingerichtet:
Johann Schad, Margreth Schad und Ela Schad
.
Erzbischof
Johann Philipp von Schonborn
brach als einer der ersten deutschen Reichsfursten in der Mitte des 17. Jahrhunderts den Hexenwahn, indem er die vereinzelt noch stattfindenden Hexenprozesse durch Verordnungen erschwerte und schließlich verbot.
Ahnlich massive Hexenverfolgungen wie im Erzstift Mainz zwischen 1594 und 1618 lassen sich in Suddeutschland nur in den Hexenprozessserien der Hochstifte
Bamberg
und
Wurzburg
sowie in
Eichstatt
und
Ellwangen
nachweisen.
Da der Koadjutor
Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg
nur drei Jahre als Kurfurst regierte, lasst sich seine Politik schwer charakterisieren. Er zehrte im Wesentlichen von der Arbeit seines Vorgangers
Lothar Franz von Schonborn
. Besonders zu erwahnen sind hier nur Reformen zur Verbesserung der Priester- und Richterausbildung. Mit dem Domkapitel gab es keine Konflikte, da es die Wahlkapitulation vorher mit ihm abgesprochen und die Einhaltung somit sichergestellt hatte.
Philipp Karl von Eltz
war Domkantor in Mainz und wurde 1732 mit kaiserlicher Empfehlung zum Kurfursten gewahlt. Er verfolgte einen traditionell habsburgischen Kurs und hatte sich sehr fur die Anerkennung der
Pragmatischen Sanktion
eingesetzt, die in Osterreich die Erbfolge regelte. Erst als er 1742 durch seine Stimme die Wahl des bayerischen Kurfursten Karl Albrecht zum deutschen Kaiser entschied, verschlechterte sich das Verhaltnis zu Osterreich. Philipp Karl hatte zwei Jahre lang das
Collegium Germanicum
in Rom besucht und besaß dadurch eine wesentlich bessere geistliche Ausbildung als andere Kurfursten. Dies zeigte sich vor allem darin, dass er seine geistlichen Pflichten intensiver wahrnahm. Auch in weltlichen Angelegenheiten konnte er eine zwanzigjahrige Erfahrung als Regierungsprasident vorweisen. Hervorzuheben ist hier speziell der Abbau der Schuldenlasten des Kurstaates.
Mit
Johann Friedrich Karl von Ostein
begann in Mainz die Zeit des
aufgeklarten Absolutismus
. In der Praxis war jedoch nicht er der Herrscher im Kurfurstentum, sondern sein Kanzler
Anton Heinrich Friedrich von Stadion
, der schon unter den beiden Vorgangern Johann Friedrichs hohe Amter innegehabt hatte. Stadion war beeinflusst von der franzosischen Aufklarung, was sich in seinen Reformen niederschlug.
Er wollte das Kurfurstentum auf den gleichen Stand mit den weltlichen Staaten des Reiches bringen. Dazu konzentrierte er sich vor allem auf die Wirtschaft, die sehr unter den
franzosischen Militaroperationen im Rheinland 1740?1748
gelitten hatte. Zur Belebung des Handels grundete er 1746 den Mainzer Handelsstand, kummerte sich um den Ausbau der Hauptverkehrsstraßen, den Bau neuer Warenhauser, die Einrichtung eines dauernden Weinmarktes und zweier jahrlich stattfindender Messen sowie um die Verbesserung des Geldverkehrs. Das Handelszentrum begann sich wieder von Frankfurt nach Mainz zu verlagern.
Auch die Kirche blieb von Reformen nicht verschont. 1746 wurde ein Tilgungsgesetz erlassen, durch das verhindert werden sollte, dass weltlicher Grundbesitz in kirchliche Hande uberging. Dazu wurde die Ruckfuhrung von kirchlichem Besitz in weltliche Hande gefordert.
Weitere politische Maßnahmen wahrend der Regierungszeit Johann Friedrichs und seines Kanzlers waren die Verbesserung der elementaren Schulausbildung und des sozialen Systems sowie die Schaffung eines einheitlichen kurmainzischen
Landrechts
(1756).
Emmerich Josef Freiherr von Breidbach zu Burresheim (1763?1774)
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Emmerich Josef von Breidbach-Burresheim
war der bedeutendste Mainzer Kurfurst des 18. Jahrhunderts. Unter seiner Herrschaft wurden die Prinzipien der Aufklarung in allen Bereichen konsequent gesetzt. Wahrend er in der Wirtschaft die
merkantilistische
Politik seines Vorgangers nur fortsetzte, es gab keine fundamentalen Wirtschaftsreformen, konzentrierte er sich umso mehr auf die Reformierung des Bildungswesens. Er bemuhte sich vor allem um die Verringerung des klerikalen Einflusses, insbesondere der
Jesuiten
, die Universitaten und Gymnasien beherrschten. Dies gelang aber erst mit der totalen Auflosung des Jesuitenordens durch Papst Clemens XIV. im Jahre 1773.
Um den Gymnasien und Universitaten eine finanzielle Basis zu verschaffen, ordnete Emmerich Josef die Aufhebung von Klostern, Beschlagnahmung ihres Besitzes und die Einschrankung samtlicher Privilegien an. Dies fuhrte 1771 zum Streit mit dem Domkapitel, das seinerseits den Verlust von Besitz und Privilegien furchtete, aber sich letztlich dem Kurfursten beugen musste. Diese Maßnahmen dienten der Verbesserung der Lehrerausbildung sowie der Einrichtung neuer Facher, vor allem naturwissenschaftlicher und praktischer, damit die Kinder nicht mehr nur zu aufrichtigen Christen, sondern auch zu nutzlichen Burgern erzogen werden sollten, wobei letzteres im Vordergrund stand.
Zusammen mit den anderen beiden rheinischen Erzbischofen versuchte Emmerich Josef zwischen 1768 und 1770 den Einfluss des Papstes auf Angelegenheiten seines Erzbistums zu reduzieren. Dieser Versuch scheiterte jedoch an der Uneinigkeit der Erzbischofe, der fehlenden Unterstutzung des Kaisers und der mangelnden Bereitschaft des Papstes, Konzessionen zu machen.
Insgesamt war unter der Regierung Emmerich Josefs wie schon unter seinem Vorganger eine Verweltlichung der kurfurstlichen Politik zu beobachten sowie eine scharfere Trennung zwischen erzbischoflicher und seiner landesherrlicher Funktion.
Vonseiten der Untertanen, die noch traditionell mit der Kirche verbunden waren, aber auch vonseiten des Kapitels, das sich in seiner Stellung gemindert sah, mussten die Reformen als antiklerikales Vorgehen und als Bedrohung fur die katholische Religion angesehen werden. Deshalb begann das Kapitel in der Zeit nach Emmerich Josefs Tod bis zur Wahl des neuen Kurfursten, die Reformen ruckgangig zu machen.
Friedrich Karl Joseph von Erthal
war in fruherer Zeit Fuhrer der Konservativen und vom Kapitel in der Absicht gewahlt worden, den gerade begonnenen reaktionaren Kurs fortzusetzen. Kaum zum Kurfursten erhoben, kehrte Friedrich Karl jedoch zum aufgeklarten Absolutismus seiner Vorganger zuruck. Er fuhrte Reformen im Schulwesen durch, reorganisierte die Universitaten durch Einfuhrung neuer Facher, sakularisierte zur Finanzierung klosterlichen Besitz, um neben nutzlichen Burgern auch ein effizientes Beamtentum heranzuziehen. Auch Protestanten und Juden waren jetzt zum Studium zugelassen.
Der Protest des Kapitels war nicht mehr so energisch wie fruher, da inzwischen dort auch jungere Leute vertreten waren, die mit den Prinzipien der Aufklarung vertraut waren. Weitere Reformen aus der Zeit Karl Friedrichs waren die Kirchenreform, das heißt die Abschaffung uberkommener Zeremonien, Einschrankung der Wallfahrten, Einfuhrung der deutschen Sprache in bestimmten Messen, eine Verbesserung der Priesterausbildung, Anordnung zur Aufhebung der Leibeigenschaft und Verbesserung der Landwirtschaft sowie soziale Maßnahmen.
Der Staat versuchte also, in alle Bereiche der Gesellschaft endgultig einzudringen und dort die Initiative zu ergreifen. Abgesehen vom Widerstand des Kapitels und des Volkes, denen die Reformen zu weit gingen, war auch das burokratische System uberfordert. Es gab Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung der Reformen, die zum Teil daran scheiterten, dass die Verwaltung die Verordnungen nicht ausfuhren konnte.
Im Jahre 1790 kam es in Mainz zum sogenannten
Mainzer Knotenaufstand
, bei dem von Studenten provozierte Handwerker Organe der Universitat angriffen und von der Obrigkeit die Wiederherstellung der alten Zunftfreiheiten forderten, sowie zum Zuzug zahlreicher franzosischer Emigranten infolge der
Revolution
von 1789. Nach Beginn des
Ersten Koalitionskriegs
(1792?1797) flohen Kurfurst und
Domkapitel
1792 nach Aschaffenburg, die Stadt Mainz wurde durch
Frankreich
besetzt. Nach dem Zwischenspiel der
Mainzer Republik
(1793) wurde das gesamte
Linke Rheinufer
1794 besetzt. Nach einer im
Frieden von Campo Formio
(1797) vereinbarten ?Zusatzkonvention“ sollten in einer spateren Vereinbarung die linksrheinischen Gebiete an Frankreich
abgetreten
werden. Die Eingliederung erfolgte 1798, die verbindliche Abtretung erst 1801 im
Frieden von Luneville
.
Im rechtsrheinischen Teil des Erzstifts ubernahm von 1802 bis 1803 der 1787 zum
Koadjutor
gewahlte
Karl Theodor von Dalberg
die Regierung, nachdem Friedrich Karl resigniert hatte. Das Domkapitel bestand zwar noch weiter, hatte aber keinen politischen Einfluss mehr. Das infolge des
Konkordates von 1801
neu festgelegte linksrheinische
Bistum Mainz
wurde dem Bischof
Joseph Ludwig Colmar
ubergeben.
Die weltliche Herrschaft uber die rechtsrheinischen Territorien von Kurmainz endete mit dem
Reichsdeputationshauptschluss
im Jahr 1803. Der Titel
Furst(erz)bischof
sowie die damit verbundenen weltlichen Wurdezeichen (wie
Furstenhut
und
-mantel
) wurden 1951 durch Papst
Pius XII.
abgeschafft.
[19]
Rechtsrheinische Territorien gingen 1803 mit dem Reichsdeputationshauptschluss an das Furstentum Nassau-Usingen, die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt und an das
Furstentum Aschaffenburg
. Letztere kamen 1806, nach der Unterzeichnung der
Rheinbundakte
, zum
Staat des Furstprimas
, 1810, nach einem
Staatsvertrag
mit
Napoleon I.
, zum
Großherzogtum Frankfurt
und 1815 auf dem
Wiener Kongress
zum
Konigreich Bayern
. Die Stadt Mainz und weitere linksrheinische Gebiete kamen 1816 in Folge der Beschlusse des Wiener Kongresses als
Provinz Rheinhessen
ebenfalls zum Großherzogtum Hessen.
Die Bundeswehrkasernen in
Mainz
und
Tauberbischofsheim
wurden nach Kurmainz benannt.
Zudem gibt es in Mainz eine Reservistenkameradschaft Kurmainz. Diese gehort dem
Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e. V.
an.
[20]
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Reservistenkameradschaft Kurmainz
Kurfurstenkollegium des Heiligen Romischen Reiches