Karl II.
(
spanisch
Carlos II
) (*
6. November
1661
im
Real Alcazar de Madrid
,
Madrid
; †
1. November
1700
ebenda) war ein Angehoriger der spanischen Linie des
Hauses Habsburg
(Casa de Austria)
. Er war von 1665 bis zu seinem Tod im Jahr 1700
Konig von Spanien
mitsamt dem
Spanischen Kolonialreich
. Als
Carlo V
war er
Konig von Neapel
und
Sizilien
, als
Carlos II
Konig von Sardinien
. Aufgrund korperlicher und geistiger
Behinderung
war er faktisch regierungsunfahig und erhielt den Beinamen
El Hechizado
(?Der Verhexte“).
Karl starb ohne erbfolgeberechtigte Nachkommen, was den
Spanischen Erbfolgekrieg
(1701?1714) ausbrechen ließ und den Beginn der
Herrschaft der Bourbonen in Spanien
nach sich zog.
Infant Karl von Spanien wurde am 6. November 1661 in
Madrid
geboren. Als Kronprinz trug er den Titel
Furst von Asturien
.
Er war der funfte Nachkomme und einzige uberlebende Sohn aus der Ehe des
spanischen Konigs
Philipp IV.
mit dessen zweiter Gemahlin
Maria Anna von Osterreich
. Diese Verbindung war eine Reaktion des Monarchen auf den Tod seines Thronerben
Baltasar Carlos
, der im Oktober 1646 gestorben war, nur kurze Zeit nach der Vereinbarung mit
Kaiser
Ferdinand III.
, dass er dessen Tochter Maria Anna heiraten sollte. Daraufhin hatte der 42-jahrige Philipp beschlossen, die Braut seines gestorbenen Sohnes selbst zu heiraten, obwohl diese seine leibliche Nichte und erst 13 Jahre alt war. Maria Anna traf im Herbst 1649 in Madrid ein, sodass sie bei der Vermahlung 15 Jahre zahlte.
Mit seinen
Matressen
hatte Philipp IV. eine Reihe gesunder Kinder gezeugt, wohingegen die Nachkommen aus der Ehe mit Maria Anna entweder kurz nach der Geburt starben oder bereits tot zur Welt kamen. Nach neunjahriger Ehe hatte nur die Tochter
Margarita Theresa
uberlebt, die spater ahnlich wie ihre Mutter mit ihrem Onkel, Kaiser
Leopold I.
, verheiratet wurde. Die Geburt Karls war daher aus dynastischer Sicht von enormer Bedeutung, sollte er doch als einziger legitimer mannlicher Nachkomme des Konigs den Herrschaftsanspruch des
Hauses Habsburg
auf die spanische Krone sichern. Hartnackig hielten sich Geruchte, es handle sich bei Karl um eine Tochter, die man aus Furcht vor dem Aussterben der Dynastie als Knaben ausgegeben hatte.
Karl war von Geburt an ein schwachliches, krankes Kind, bei dem die klassische habsburgische
Physiognomie
? die
charakteristische Unterlippe
(
Progenie
) und langliche Schadelform ? besonders ausgepragt war.
[1]
Er lernte erst mit vier Jahren sprechen und konnte erst im Alter von acht Jahren gehen. Korperlich derart beeintrachtigt, wurde sein Zustand im Aberglauben der Zeit auch als Verhextheit gedeutet, weshalb er den Beinamen ?el Hechizado“
(der Verhexte)
erhielt. Zu den ergebnislosen medizinischen Heilungsversuchen kamen auch
mystische
Praktiken sowie kirchliche
Exorzismen
. Karls Zustand zeigte deutliche Anzeichen von
Degeneration
und
Inzucht
, die auf die
jahrhundertelange Heiratspolitik
zwischen blutsverwandten Angehorigen der Furstenhauser zuruckzufuhren war: Aufgrund von
Ahnenverlust
zahlte die funfte Generation der Vorfahren Karls statt der moglichen 32 lediglich zehn Personen und alle seine sechs Urgroßeltern stammten direkt von
Johanna von Kastilien
(?der Wahnsinnigen“) ab.
Unter Berucksichtigung seiner schwachen Gesundheit wurde Karl als Kind ubermaßig geschont. Seine Erziehung unterstand dem
Jesuiten
Juan de Mariana, jedoch war das Verhalten des Infanten von
Infantilismus
und Geistesschwache gepragt, weshalb er von hoherer Bildung ausgeschlossen blieb.
Beim Tod Philipps IV. am 17. September 1665 erbte Karl dessen Lander und Kronen. Da er jedoch erst drei Jahre alt war, trat seine Mutter als
Regentin
und
Vormund
ihres minderjahrigen Sohnes ein. Unterstutzt durch eine Regierungskommission
(Junta de gobierno)
fuhrte sie bis zur Volljahrigkeit Karls 1676 die Regierungsgeschafte und stand dabei unter dem Einfluss des osterreichischen Jesuiten
Johann Eberhard Neidhardt
. Der anhaltende Machtkampf zwischen Maria Anna und
Juan Jose de Austria
, einem unehelichen Sohn Philipps IV., der sich großer Popularitat in der Bevolkerung erfreute, fuhrte zu einem politischen Stillstand und dem Unterlassen von Entscheidungen. Auf Druck der spanischen Granden musste der zunehmend unbeliebte Neidhardt das Land 1669 verlassen und Don Juan Jose wurde mit dem Amt des
Vizekonigs
von
Aragonien
betraut.
Gemaß den testamentarischen Bestimmungen Philipps IV. sollte Karl bei Erreichung seines 14. Geburtstages am 6. November 1675 fur
großjahrig
erklart werden und die Regierung selbst ubernehmen. Karl berief daraufhin seinen Halbbruder aus
Saragossa
nach Madrid und wollte ihn zum leitenden Minister ernennen, wurde jedoch von seiner Mutter unterdessen umgestimmt und verlangerte ihre Regentschaft um weitere zwei Jahre.
Die andauernden Konflikte Maria Annas mit Vertretern des spanischen Adels fuhrten zu einem Manifest, in welchem sie am 15. Dezember 1676 die Entfernung der Regentin aus der Umgebung des Konigs, die Festnahme des Ministers Fernando de Valenzuela und die Einsetzung Don Juan Joses als Ratgeber des Konigs forderten. Im Januar 1677 verließen Maria Anna und Valenzuela den Hof; Don Juan Jose wurde zum leitenden Minister ernannt. Dieser bemuhte sich bis 1679 um die strukturelle Reorganisation der Monarchie, doch die Versuche, den Staatshaushalt zu sanieren, scheiterten an einer
Pestepidemie
. Juan Jose forderte die Entwicklung des schwachen Halbbruders, und eine Besserung schien sich einzustellen. Als Resultat der Annaherungspolitik an Frankreich vermittelte Don Juan Jose die Heirat Karls mit der franzosischen Prinzessin
Marie Louise d’Orleans
.
Nach dem Tod Juan Joses am 17. September 1679 wurde der
Herzog von Medinaceli
erster Minister, dem durch eine drastische Geldentwertung und eine Neuordnung des Steuerwesens eine Stabilisierung der Staatsfinanzen gelang. Dieser Kurs wurde unter dem Conde de Oropesa fortgesetzt, sodass es am Ende des 17. Jahrhunderts gelang, die seit etwa achtzig Jahren anhaltende Phase wirtschaftlicher Depression zu uberwinden. Verschiedene Gruppierungen bei Hofe hatten Interesse an einem schwachen Konig und versuchten, den Monarchen fur ihre Zwecke zu instrumentalisieren, weshalb Karl zeitlebens unter wechselndem Einfluss konkurrierender Parteien stand. Karl war leicht zu beeinflussen und folgte jeweils den Einflusterungen der Umgebung, in deren Abhangigkeit er geriet. Nach dem Tod Juan Joses gelangte er wieder unter den Einfluss der Mutter. Doch auch Karls zweite Ehefrau, die politisch ambitionierte
Maria Anna von Pfalz-Neuburg
, beeinflusste den Konig zu ihren Gunsten, der so zur Nebenfigur in einem Machtstreit zwischen Mutter und Gattin degradiert war. Nach dem Tod der Mutter 1696 erlangte Karls zweite Ehefrau eine dominierende Stellung am Hof, wurde jedoch von weiten Teilen des spanischen Adels als Fremde abgelehnt.
Außenpolitisch traten Karl II. und seine Regierungen nicht hervor.
[2]
Um den Ausgleich zwischen Spanien und Frankreich zu vertiefen, wurde im
Frieden von Nimwegen
(1678) die Vermahlung Karls II. mit Prinzessin
Marie Louise d’Orleans
vereinbart. Diese war eine Nichte des
franzosischen Konigs
Ludwig XIV.
, der sich von dieser arrangierten Ehe eine engere Bindung Spaniens an Frankreich erhoffte. Einen Tag nach Unterzeichnung des Heiratsvertrages wurde Marie Louise am 31. August 1679 auf
Schloss Fontainebleau
per procurationem
mit Karl verheiratet, dem sie erstmals am 19. November 1679 personlich begegnete. An diesem Tag wurde eine einfache Hochzeitszeremonie in Quintanapalla nahe
Burgos
abgehalten. Anlasslich dieser ehelichen Verbindung fand in Madrid ein offentliches
Autodafe
statt, bei dem 22 Personen verbrannt und 60 weitere korperlichen Zuchtigungen ausgesetzt wurden. Die Ehe des spanischen Konigspaars verlief trotz der schwierigen Verhaltnisse relativ gut, blieb allerdings kinderlos und wurde nie vollzogen, weil Karl
impotent
war.
[3]
Die Ehejahre gelten dennoch als die glucklichste Zeit in Karls Leben, seine Gattin ubte einen positiven Einfluss auf den Konig aus. Ansonsten agierte die junge Gemahlin jedoch unbedarft und ohne politischen Ehrgeiz und verspielte durch ihre Extravaganzen sowohl die Sympathien im Volk als auch bei Hofe. Marie Louise verstarb am 12. Februar 1689.
Aufgrund der drangenden Forderung nach einem Thronerben setzte Karls Mutter mit der
Wittelsbacherin
Maria Anna von Pfalz-Neuburg
eine Braut durch, die der habsburgischen Partei im
Heiligen Romischen Reich
angehorte. Sie war eine Tochter des
pfalzischen Kurfursten
Philipp Wilhelm
und dessen zweiter Gemahlin
Elisabeth Amalie von Hessen-Darmstadt
. Die Ehe wurde am 4. Mai 1690 im
Kloster
San Diego
nahe
Valladolid
geschlossen und blieb ebenfalls kinderlos. Karls zweite Gattin war politisch sehr ambitioniert und erkampfte sich bald eine gewichtige Position bei Hofe, wobei sie oft in Opposition zu ihrer Schwiegermutter geriet.
Aufgrund fehlender Nachkommen neigte sich die Herrschaft der Habsburger uber die Lander der spanischen Krone Ende des 17. Jahrhunderts ihrem Ende zu, und die spanische Thronfolge wurde zum Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit der europaischen Diplomatie. Karl II. schien die politischen Vorgange nicht mehr vollig zu verstehen, wurde mehrmals zur Unterschrift einander widersprechender Vertrage und Testamente genotigt. Auf Initiative der
Niederlande
und
Englands
wurde 1698 mit Frankreich und
Osterreich
ein Kompromiss erzielt, nach dessen Inhalt dem Wittelsbacher Kurprinzen
Joseph Ferdinand von Bayern
, einem Großneffen Karls, die spanische Krone zufallen sollte. Der muhsam erzielte Vertrag wurde jedoch durch den plotzlichen Tod des sechsjahrigen Prinzen 1699 hinfallig.
Durch den sich rapide verschlechternden Gesundheitszustand des Konigs, der an Ohnmachtsanfallen und Bewusstseinsstorungen litt, war er Beeinflussungsversuchen von seiner zweiten Gattin,
Hoflingen
und Diplomaten ausgesetzt. Bereits schwer krank und kaum mehr zu eigenem Willen fahig, vererbte Karl in seinem Testament vom 2. Oktober 1700 die spanischen Konigreiche dem
Bourbonen
Philipp von Anjou
, einem Enkel Ludwigs XIV.
Karl II. starb am 1. November 1700 in Madrid und wurde im
Pantheon der Konige
innerhalb der Palastanlage des
El Escorial
beigesetzt.
Trotz der testamentarisch festgelegten Thronfolge Philipps von Anjou, der als Philipp V.
(Felipe V)
den Thron bestieg, wurde die Nachfolge nicht von allen europaischen Machten anerkannt, und es entbrannte der
Spanische Erbfolgekrieg
(1701?1714). Die
Haager Große Allianz
um Kaiser Leopold I.,
Großbritannien
und die Niederlande bekampfte Frankreich mit seinen Verbundeten (
Kurkoln
,
Savoyen
,
Kurfurstentum Bayern
). Letztlich gelang es Frankreich, Philipp V. als Konig von Spanien durchzusetzen, wodurch die Dynastie
Bourbon-Anjou
begrundet wurde.
- ↑
Malen Ruiz de Elvira:
La endogamia mato a los Austrias
. In:
El Pais
. 14. April 2009,
ISSN
1134-6582
(
elpais.com
[abgerufen am 16. April 2023]).
- ↑
Friedrich Edelmayer
:
Die spanische Monarchie der katholischen Konige und der Habsburger (1474?1700)
. In: Peer Schmidt (Hrsg.):
Kleine Geschichte Spaniens
. Bonn, 2005.
ISBN 3-89331-652-3
, S. 193 f., S. 199.
- ↑
Leonhard Horowski
:
Das Europa der Konige. Macht und Spiel an den Hofen des 17. und 18. Jahrhunderts.
Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2017,
ISBN 3-550-07360-7
, S. 246.