Kaiser von Osterreich
lautete der Herrschertitel der
Habsburger
Monarchen von 1804 bis 1867 im einheitlichen
Kaisertum Osterreich
und 1867?1918 in der
osterreichischen Reichshalfte
der Doppelmonarchie
Osterreich-Ungarn
. Die Gattinnen der Monarchen trugen den Titel einer Kaiserin.
Kaiser und Kaiserin waren mit
Euer
oder
Eure Majestat
anzusprechen; wurde uber sie gesprochen oder geschrieben, war von
Seiner Majestat dem Kaiser
bzw.
Ihrer Majestat der Kaiserin
(abgekurzt
S. M.
bzw.
I. M.
) die Rede. Der Kaiser wurde in besonders zeremoniellen Fallen nicht nur als Kaiser angekundigt, sondern mit allen seinen Herrschertiteln, dem
Großen Titel des Kaisers von Osterreich
.
Von 1438 bis 1806 stellten die
Herzoge
beziehungsweise (nach eigenmachtiger Rangerhohung)
Erzherzoge von Osterreich
aus dem Haus
Habsburg
fast ununterbrochen die
romisch-deutschen Konige
und
romisch-deutschen Kaiser
(siehe: Habsburger in der
Liste der romisch-deutschen Herrscher
). Ihre Gattinnen trugen den Titel Konigin bzw. Kaiserin.
Einen Sonderfall stellt
Maria Theresia
, Erzherzogin von Osterreich, dar. Sie trug ihre angestammten Titel aus eigenem Herrscherrecht. Im
romisch-deutschen Reich
konnte sie aber als Frau die Kaiserwurde nicht erreichen. Nachdem ihr Mann
Franz Stephan von Lothringen
1745 zum romisch-deutschen Kaiser Franz I. gekront worden war, verwendete sie Formulierungen wie
Maria Theresia, von Gottes Gnaden Romische Kayserin, Konigin von Ungarn und Bohmen, Ertz-Hertzogin von Oesterreich etc. etc.
[1]
Ihre gleichnamige Enkelin
Maria Theresia
war als Gattin Kaiser
Franz’ II.
die letzte Kaiserin des Heiligen Romischen Reiches und zugleich ab 1804 die erste Kaiserin von Osterreich.
Nachdem
Napoleon I.
am 18. Mai 1804 per Verfassungsanderung zum erblichen Kaiser von Frankreich bestimmt wurde, erhob sich der
romisch-deutsche Kaiser
Franz II.
aus dem Hause
Habsburg-Lothringen
am 11. August 1804
[2]
[3]
selbst zum Kaiser von Osterreich und damit seine Lander im heutigen
Osterreich
(?samtliche deutschen Provinzen und Reichslander“) gemeinsam mit den anderen
Kronlandern
der Habsburger (vor allem
Bohmen
und
Ungarn
) zu einem Erbkaisertum (
Kaisertum Osterreich
), um die Ranggleichheit zu wahren.
[4]
Das romisch-deutsche Kaisertum war hingegen ein Wahlkaisertum, außerdem hatte es Napoleon durch seine Kriege gespalten und es war 1804 fraglich, ob mit dem romisch-deutschen Kaisertitel in Zukunft noch Staat zu machen sein wurde. Franz wird in der Literatur oft als ?Franz II./I.“ und seltener als ?Franz I. (II.)“ bezeichnet, womit auf beide Kaisertitel hingewiesen wird, die er zwei Jahre lang gleichzeitig trug (hier als Beispiel der kleine Titel):
Franz der Zweyte, von Gottes Gnaden erwahlter romischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, erblicher
Kaiser
von Oesterreich, Konig in Germanien, zu Ungarn und Boheim etc.; Erzherzog zu Oesterreich; Herzog zu Lothringen, Venedig und Salzburg, etc. etc.
[3]
Mit diesem Akt begrundete Franz einen neuen, ubergeordneten Titel. Er entspricht nicht einer Rangerhohung des Monarchen als
Erzherzog
von Osterreich
. Dieser Titel, der sich auf das heutige
Ober-
und
Niederosterreich
bezieht, bestand neben dem Kaisertitel bis zum Ende der Monarchie weiter und wurde im Großen und Mittleren Titel erwahnt.
Im Juli 1806 grundete sich der
Rheinbund
. Am 6. August verkundete Franz II. auf Druck Napoleons, dass das
Heilige Romische Reich Deutscher Nation
durch die Grundung des Rheinbundes erloschen sei und er die Krone des Reiches niederlege.
[5]
[6]
Als
Kaiser von Osterreich
nannte er sich Franz I.; er war der einzige ?Kaiser Franz I. von Osterreich“, da sein Großvater
Franz I.
(in Osterreich zur Vermeidung von Verwechslungen meist als Franz Stephan von Lothringen bezeichnet) romisch-deutscher Kaiser war, jedoch nicht Landesherr von Osterreich.
Das Amt des Kaisers verstand sich gleichsam als weltliches Hohepriestertum. Ziel war, den
Untertanen
wie dem Ausland die Erhabenheit und Wurde des Kaisers zu demonstrieren. Leben und Arbeit des Funktionstragers und seiner Umgebung waren daher genauen Regeln unterworfen.
Die erweiterte kaiserliche Familie wurde als
Haus Habsburg
oder als Haus Osterreich bezeichnet. Wer in diese Familie einheiraten wollte, musste, wie das
Familienstatut des Allerhochsten Herrscherhauses
festlegte, aus einem
ebenburtigen
, also einem regierenden oder ehemals regierenden Haus stammen. Andernfalls handelte es sich um eine
Hochzeit zur linken Hand
, eine
Mesalliance
, einen unstandesgemaßen Vorgang, der ? wie die Hochzeit von Thronfolger
Franz Ferdinand
zeigte ? mit großen politischen und protokollarischen Problemen verbunden war. Zur Wahrnehmung der familiaren Angelegenheiten im politischen Sinn war seit 1867 der
k.u.k. Minister des kaiserlichen und koniglichen Hauses und des Außern
berufen, der sich mit dem Monarchen unmittelbar abstimmte. Zuvor hatte es zeitweise die Funktion eines Haus-, Hof- und Staatskanzlers gegeben.
Die Prinzen und Prinzessinen der Kaiserfamilie trugen den Ehrentitel
Erzherzog
bzw.
Erzherzogin
und waren seit 1804 mit ?kaiserliche Hoheit“ anzusprechen. Diese Regel war auf das historische deutsche Erbrecht zuruckzufuhren, das die Gleichberechtigung aller mannlichen Erben vorsah, sich aber zur Machterhaltung einer Dynastie nicht bewahrte, da es (auch im Haus Habsburg) zu vielen Erbteilungen fuhrte. Vom spaten 17. Jahrhundert an wurde das tatsachliche monarchische Amt des
Erzherzogs von Osterreich
bzw. der gesamten
Habsburgermonarchie
daher dem erstgeborenen Sohn vorbehalten; alle anderen trugen den Titel Erzherzog nur ehrenhalber. Die Mitglieder der Kaiserfamilie hatten ihren standigen Wohnsitz und Auslandsreisen mit dem Kaiser abzustimmen.
Das Haus Habsburg war Anfang des 18. Jahrhunderts am Aussterben. Der drohende Machtverlust wurde durch einen Staats- und Verfassungsvertrag namens
Pragmatische Sanktion
verhindert und dadurch, dass
Maria Theresia
mit ihrer Heirat das neue Haus Habsburg-Lothringen begrundete, aus dem alle Kaiser von Osterreich stammten. Im 19. Jahrhundert gab es dann wieder so viele Titular-Erzherzoge, dass Thronfolger Franz Ferdinand seine Berater uberlegen ließ, wie man die Verwendung dieses Titels einschranken konnte. (Als Beispiel diente das englische System, in dem nur der Erstgeborene den Titel Lord ubernimmt.)
Der Haushalt des Kaisers und seiner engeren Familie wurde als Hof bezeichnet und im Auftrag des Monarchen vom
Obersthofmeister
, einem Hochadeligen, verwaltet, dem zahlreiche andere
Hofchargen
(teilweise nur zeremoniell) assistierten. (Kaiserinnen hatten ihren eigenen
Hofstaat
.) Wer z. B. mit dem Kaiser sprechen wollte, musste beim Obersthofmeisteramt um
Audienz
ansuchen. War Franz I. meist in biedermeierlichem Zivil zu sehen, so traten Franz Joseph I. und Karl I. fast ausschließlich in Feldmarschallsuniform auf. Bei Franz Joseph bestand die Regel, dass Soldaten in Uniform und Zivilisten im
Frack
zu erscheinen hatten und dass der Kaiser grundsatzlich niemandem die Hand reichte.
Das hohe Reprasentationsbedurfnis des Hofes zeigen unter anderem folgende Einrichtungen:
- Hofburg
, der historische Dienstsitz der habsburgischen Monarchen im Stadtzentrum; hier wahlte jeder der vier Kaiser von Osterreich unterschiedliche Arbeits- und Wohnraume aus. Franz I. arbeitete in einem Raum uber dem Schweizertor, Franz Joseph I. im so genannten Reichskanzleitrakt, wo er vom Balkon aus die Wachablose der Burggendarmen mit Musik im Inneren Burghof beobachten konnte.
- Schatzkammer (Wien)
, Aufbewahrungsort der Kroninsignien und anderer zeremonieller Objekte in der Hofburg
- kaiserliche Hofbibliothek, heute
Prunksaal
der
Osterreichischen Nationalbibliothek
- Kaiserliche Residenzen außerhalb Wiens, vor allem
Schloss Schonbrunn
(1892 eingemeindet), Sommerresidenz und von Franz Joseph I. in seinen letzten Lebensjahren ganzjahrig bewohnt, und
Schloss Laxenburg
bei Wien
- Wagenburg (Wien)
, die Sammlung von Prunkwagen der kaiserlichen Familie, ursprunglich im heutigen
Museumsquartier Wien
untergebracht, heute in einem Nebengebaude von Schloss Schonbrunn
- k.k.
Hofburgtheater
und k.k.
Hofoperntheater
(die Direktoren wurden im Einvernehmen mit dem Kaiser vom Obersthofmeisteramt bestellt)
- Kaisergruft
in Wien, die Grablege der Kaiser und Kaiserinnen von Osterreich, ausgenommen Karl I., der auf seiner Exilinsel
Madeira
bestattet ist
Zur Finanzierung des Aufwandes fur Haus und Hof standen folgende Quellen zur Verfugung:
- k.k.
Hofarar
, staatliche Mittel und staatliches Eigentum Cisleithaniens, nicht von einem Ministerium, sondern vom Kaiserhof verwaltet (Beispiele: Schloss Schonbrunn, Hofoper); im Staatsbudget musste dafur jahrlich Vorsorge getroffen werden, 1919 wurde das Hofarar in den Nachfolgestaaten Altosterreichs in die Staatsverwaltung ubernommen; analoge Regeln bestanden fur den Konigshof im
Konigreich Ungarn
. Der Aufwand fur den gemeinsamen Monarchen im engeren Sinn wurde nach 1867 von Cis- und Transleithanien zu gleichen Teilen beglichen.
- die
Allerhochsten Familienfonds
, eine Stiftung der Familie Habsburg-Lothringen zur gemeinsamen Erhaltung ihres Familienbesitzes (z. B.
Schloss Eckartsau
) und ihrer minderbemittelten Mitglieder (1919, soweit in der Republik Osterreich befindlich, im Habsburgergesetz enteignet);
- personliches Privatvermogen des Monarchen und anderer Familienmitglieder (Beispiele: die
Kaiservilla Bad Ischl
Franz Josephs, Schloss
Konopischt
im Eigentum Franz Ferdinands,
Schloss Miramare
bei Triest im Eigentum von Kaiserbruder
Maximilian
).
- Vom Staat an die engsten Mitglieder der Kaiserfamilie geleistete regelmaßige Zahlungen fur deren laufende Lebenshaltung (sogenannte
Zivilliste
) und die Kosten des Hofstaates (vor allem Beamtengehalter) wurden im Budget gefuhrt und von Osterreich und Ungarn zu je 50 % finanziert.
[7]
Nach verlorenen Kriegen mit
Preußen
und
Italien
musste
Franz Joseph I.
in der Innenpolitik fur Ruhe sorgen. Die
magyarische
Aristokratie war der Krone seit ihren 1848/49 unterdruckten Unabhangigkeitsbestrebungen in passivem Widerstand gegenubergestanden. Ihr wurde nun 1867 Autonomie in der ungarischen Innenpolitik eingeraumt. Der so genannte
Ausgleich
mit dem
Konigreich Ungarn
nahm Ungarn nicht mehr als Teil des Kaisertums wahr, sondern als eigenstandiges Konigreich. Seit der Schaffung einer
Realunion
, die im Ausland als
Osterreichisch-Ungarische Monarchie
firmierte, regierte der Monarch in der osterreichischen Reichshalfte als Kaiser von Osterreich, in der
ungarischen Reichshalfte
als Konig von Ungarn.
Den beiden Reichshalften (Ungarn bemuhte sich sukzessive, den Begriff ?Reich“ zu vermeiden, um seine Eigenstandigkeit zu betonen), von Juristen und Politikern der Einfachheit halber oft
Cisleithanien
und
Transleithanien
genannt, blieben auf Verlangen des Monarchen Außenpolitik und Militar als
gemeinsame Angelegenheiten
, die unter Fuhrung des Monarchen von drei
k.u.k.
gemeinsamen Ministerien
administriert wurden. Auf das
Gemeinsame Heer
legte Franz Joseph I. großten Wert. Parlamentsdelegationen aus Wien und Budapest hatten die entsprechenden Gesetze auszuarbeiten und zu vereinbaren, die in Cisleithanien auf Deutsch und in den anderen
Amtssprachen
Altosterreichs sowie in Transleithanien auf Ungarisch mit gleichem Inhalt publiziert wurden. Alle anderen Staatsaufgaben wurden, soweit sich die beiden Staaten nicht (wie bei Wahrung und Zollsystem) freiwillig auf gemeinsame Regelungen einigten, in Osterreich und Ungarn getrennt erledigt. In Osterreich waren dazu der
Reichsrat
und
k. k.
Ministerien tatig, in Ungarn der Reichstag und
kgl. ung.
Ministerien.
Die Funktionen des Kaisers wurden fur Cisleithanien im Rahmen der sogenannten
Dezemberverfassung
im
Staatsgrundgesetz uber die Ausubung der
Regierungs-
und der Vollzugsgewalt
[8]
vom 21. Dezember 1867 definiert. In Artikel 1 wurde der Herrscher als
geheiligt, unverletzlich und unverantwortlich
bezeichnet (unverantwortlich im Sinne von nicht verantwortlich). Die
legislative Gewalt
ubte der Kaiser gemeinsam mit dem Reichsrat aus.
[9]
In weiteren Artikeln wurde festgelegt, dass er die
Regierung
durch dem Kaiser und dem Reichsrat gegenuber verantwortliche Minister und deren Beamten fuhrt, dass er den Oberbefehl uber das Militar hat, Krieg erklart und Frieden schließt sowie
Staatsvertrage
abschließt.
Wie schon in der
Pillersdorf’schen Verfassung
vom 25. April 1848
[10]
und im
Februarpatent
, der 1861 erlassenen Verfassung, erforderte ein Gesetz die Zustimmung des Kaisers:
Zu jedem Gesetze ist die Uebereinstimmung beider Hauser und die Sanction des Kaisers erforderlich.
[11]
[12]
Nach Art. 10 StGG (RGBl. 1867/145) erfolgte ?die Kundmachung der Gesetze […] im Namen des Kaisers mit Berufung auf die Zustimmung der verfassungsmaßigen Vertretungskorper und unter Mitfertigung eines verantwortlichen Ministers.“ Mitfertigung bedeutete, dass jeder Gesetzesbeschluss des Reichsrats nicht nur vom Kaiser, sondern auch von mindestens einem von ihm ernannten Minister oder, je nach den involvierten Ressorts, von mehreren Ministern zu unterfertigen war, um durch die Kundmachung
Rechtskraft
zu erlangen. Aus diesem Grund begann jedes Gesetz im cisleithanischen
Reichsgesetzblatt
bis 1918 mit der
Promulgationsklausel
?Mit Zustimmung beider Hauser des Reichsrats finde Ich anzuordnen wie folgt:“ und endete mit ?Franz Joseph
m.p.
“ und den Namen des beteiligten Ministers oder der Minister. Damit wurde standig daran erinnert, dass der Kaiser das Recht besaß, vom Parlament vorgelegte Gesetzesbeschlusse nicht zu
sanktionieren
und damit ihr Inkrafttreten zu verhindern. Gerichtliche Urteile wurden
im Namen des Kaisers
verkundet.
Dass in Osterreich vom Gymnasium bis zur
Staatsbahn
die Namen aller staatlichen Einrichtungen mit der Abkurzung
k. k.
begannen, brachte Osterreich spater den Spottnamen ?Kakanien“ ein, der von
Robert Musil
in seinem Roman
Der Mann ohne Eigenschaften
gepragt wurde.
Die erstgeborenen Sohne von Monarchen wurden als Kronprinzen bezeichnet, andere designierte Nachfolger als Thronfolger. Auf Franz I. folgte 1835 sein Sohn und Kronprinz Ferdinand. Da dieser jedoch unheilbar krank war, bestimmte noch Franz I., dass sein Sohn von einer dreikopfigen
Geheimen Staatskonferenz
unterstutzt wurde, die meist statt Ferdinand I. die Entscheidungen traf.
Im Revolutionsjahr 1848 geriet das Kaisertum in eine existenzielle Krise, in der die Familie mit einem neuen Monarchen an der Macht bleiben wollte. Ferdinand I. wurde im Dezember 1848 bewogen, die Regierung abzugeben, und zog sich, ohne den Kaisertitel niederzulegen, auf die
Prager Burg
zuruck, wo er als Privatier noch 27 Jahre lebte.
[13]
Nach den Hausgesetzen ware nun, da Ferdinand keinen Sohn hatte, sein Bruder, Erzherzog
Franz Karl von Osterreich
, Kaiser geworden, er wurde aber von seiner Frau
Sophie
uberredet, das Amt seinem Sohn Franz Joseph zu uberlassen, der daher mit 18 Jahren den Kaisertitel von Osterreich annahm, ohne zuvor Kronprinz oder Thronfolger gewesen zu sein. Sophie hatte dann in den ersten Regierungsjahren Franz Josephs großen Einfluss auf ihn.
Franz Joseph I. hatte einen Sohn, den liberalen Kronprinzen
Rudolf
, der aber 1889 Selbstmord beging. Nun war Kaiserbruder
Karl Ludwig
Thronfolger, starb jedoch 1896. Nachster Thronfolger war nun Karl Ludwigs Sohn
Franz Ferdinand von Osterreich-Este
. Er wurde 1914 in Sarajewo ermordet und hatte keine standesgemaßen Kinder. Zu diesem Zeitpunkt lebte sein jungerer Bruder
Otto
aber nicht mehr, so dass nun letztlich dessen Sohn Karl 1914 Thronfolger und 1916 Kaiser wurde.
Als Karl 1916 auf den Thron kam, war nun sein altester Sohn, der 1912 geborene
Otto
, Kronprinz; allerdings erledigte sich der Thron 1918, was von Otto 1961 definitiv zur Kenntnis genommen wurde.
Der letzte Kaiser, Karl I., verzichtete fur Osterreich am 11. November 1918
auf jeden Anteil an den Staatsgeschaften
,
[14]
dankte aber nicht ab und fuhrte den Titel
Kaiser von Osterreich
bis zu seinem Tod im April 1922 weiter.
Osterreich erklarte sich am 12. November 1918 zur Republik
[15]
, was nach Abhaltung der demokratischen Wahlen zur Konstituierenden Nationalversammlung am 12. Marz 1919 nochmals bekraftigt wurde.
[16]
Nun erst, am 24. Marz, ging Karl ins Exil in die Schweiz, bei welcher Gelegenheit er seine Verzichtserklarung widerrief. Erst im Nachhinein, am 3. April 1919, beschloss die Konstituierende Nationalversammlung das Habsburgergesetz, mit dem ?alle Herrscherrechte des Hauses Habsburg-Lothringen […] fur immerwahrende Zeiten aufgehoben“ wurden und der ?ehemalige Trager der Krone“ des Landes verwiesen wurde.
[17]
Karls altester Sohn,
Otto
(1912?2011), 1916 durch den Amtsantritt seines Vaters zum
Kronprinzen
geworden, ließ sich speziell in seiner Jugend gern als
Erzherzog von Osterreich
titulieren. Er leistete 1961 Verzicht auf Herrschaftsanspruche. Der
Verwaltungsgerichtshof
urteilte am 24. Mai 1963, die Landesverweisung von Otto Habsburg-Lothringen sei aufzuheben. Einen Reisepass erhielt er aber erst im Juni 1966.
[18]
Als
Kronjuwelen
fungierten die
Insignien des Kaisertums Osterreich
. Die heraldischen Staatssymbole des
Heiligen Romischen Reiches
? Flagge Schwarz-Gelb und
Doppeladler
? wurden vom osterreichischen Kaisertum ubernommen. In die Mitte des romisch-deutschen Doppeladlers (nunmehr ?osterreichischer Doppeladler“) fugte man 1806 das habsburgisch-lothringische Hauswappen ein. Schwarz-Gelb blieb bis 1918 die Staatsflagge Cisleithaniens.
- Allerhochste Pragmatikal-Verordnung vom 11. August 1804
. In: Otto Posse:
Die Siegel der Deutschen Kaiser und Konige.
Band 5, Beilage 2, S. 249 f. (auf
Wikisource
, Erzherzog Franz’ Proklamation des Kaisertums Osterreich).
- Bey der Niederlegung der kaiserlichen Reichs-Regierung.
Dekret vom 6. August 1806. In: Otto Posse:
Die Siegel
Band 5, Beilage 2, S. 257 ff. (auf Wikisource, Verkundung der neuen Titulatur als Kaiser von Osterreich).
- Christoph Schmetterer
:
?Geheiligt, unverletzlich und unverantwortlich“. Die personliche Rechtsstellung des Kaisers von Osterreich im Konstitutionalismus.
In:
Journal on European History of Law
, London: STS Science Centre, Vol. 1, No. 2, S. 2?8 (
ISSN
2042-6402
).
- ↑
Die Neue Europaische Fama, welche den gegenwartigen Zustand der vornehmsten Hofe entdeckt
, 141. Teil, 1747, S. 734 (
online
in der Google-Buchsuche)
- ↑
Proklamation vom 11. August 1804
- ↑
a
b
Allerhochste Pragmatikal-Verordnung vom 11. August 1804.
In:
Otto Posse
:
Die Siegel der Deutschen Kaiser und Konige
.
Band 5, Beilage 2, S. 249 f. (auf
Wikisource
, Franz’ Proklamation des Kaisertums Osterreich).
- ↑
So auch die Argumentation des Herrschers selbst in seiner
Allerhochsten Pragmatikal-Verordnung
vom 11. August 1804 (Patent vom 11. August 1804, PGS Bd. 22 Nr. 20).
- ↑
Erklarung des Kaisers Franz II. uber die Niederlegung der deutschen Kaiserkrone
, in:
Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit
, bearbeitet von Karl Zeumer, S. 538?539, hier S. 538 (Volltext bei Wikisource).
- ↑
Aufhebung des Verbandes zwischen den k.k. deutsch-erblandischen Provinzen und dem Romisch-deutschen Reiche
, in:
Sr. k.k. Majestat Franz des Ersten politische Gesetze und Verordnungen fur die Oesterreichischen, Bohmischen und Galizischen Erblander
, 27. Band (= 2. Teil 1806), k.k. Hof- und Staats-Druckerey, Wien 1808
auf alex.onb.ac.at.
- ↑
Ludwig von Flotow
:
November 1918 auf dem Ballhausplatz
, bearbeitet von Erwin Matsch, Bohlau Verlag, Graz 1982,
ISBN 3-205-07190-5
, S. 384, Anm. 72.
- ↑
RGBl. Nr. 145/1867 (= S. 400)
- ↑
Bertrand Michael Buchmann:
Hof ? Regierung ? Stadtverwaltung: Wien als Sitz der osterreichischen Zentralverwaltung von den Anfangen bis zum Untergang der Monarchie
(Osterreich Archiv), Wien/Munchen 2002,
S. 134
.
- ↑
§§ 15 und 45 der Pillersdorf’schen Verfassung vom 25. April 1848
- ↑
§ 12
Grundgesetz uber die Reichsvertretung
, RGBl. Nr. 20/1861 (= S. 69 ff.)
- ↑
§ 13 Abs. 2
Gesetz vom 21. Dezember 1867, womit das Grundgesetz uber die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 abgeandert wird
, RGBl. Nr. 141/1867 (= S. 389 f.)
- ↑
Se. Majestat Kaiser Ferdinand sind … entschlafen
, in:
Wiener Abendpost
, Beilage zur amtlichen Tageszeitung
Wiener Zeitung
, Nr. 146/30. Juni 1875, S. 1
.
- ↑
Hans Kelsen
:
Osterreichisches Staatsrecht
, Aalen 1981 (unveranderter Nachdruck der Ausgabe Tubingen 1923),
ISBN 3-511-00707-0
, S. 78;
Wilhelm Brauneder
:
?Ein Kaiser abdiziert doch nicht bloß zum Scheine!“ ? Der Verzicht Kaiser Karls am 11. November 1918
, in: Susan Richter, Dirk Dirbach (Hrsg.):
Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit
, Bohlau, Koln/Weimar/Wien 2010,
ISBN 978-3-412-20535-5
, S. 123?140, hier
S. 128 ff.
;
- ↑
Gesetz vom 12. 11. 1918 uber die Staats- und Regierungsform,
StGBl. 1918/5
; siehe auch Kelsen, Staatsrecht, S. 96;
Thomas Olechowski
:
Rechtsgeschichte. Einfuhrung in die historischen Grundlagen des Rechts
, 5. Auflage, Wien 2019,
ISBN 978-3-7089-1846-4
, S. 101
- ↑
Gesetz vom 12. 3. 1919 uber die Staatsform,
StGBl 1919/174
- ↑
Gesetz vom 3. 4. 1919 betreffend die Landesverweisung und die Ubernahme des Vermogens des Hauses Habsburg-Lothringen,
StGBl 1919/209
; siehe auch Kelsen,
Staatsrecht
, S. 144; Olechowski,
Rechtsgeschichte
, S. 101;
Oliver Rathkolb
:
Erste Republik, Austrofaschismus, Nationalsozialismus
, in:
Thomas Winkelbauer
(Hrsg.):
Geschichte Osterreichs
, Stuttgart 2015,
ISBN 978-3-15-011039-3
, S. 477?524, hier S. 483
- ↑
Austria Presse Agentur
-Dossier:
/dossier.html?dossierID=ahd_19580221_ahd0001 Der Habsburgerstreit (1958?1966)
(
Memento
des
Originals
vom 25. Juli 2015 im
Internet Archive
)
Info:
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