Kalman Tisza

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Kalman (Koloman) Tisza von Borosjen? ( ungarisch borosjen?i Tisza Kalman , * 16. Dezember 1830 in Geszt , Komitat Bihar ; † 23. Marz 1902 in Budapest ) war als langjahriger Ministerprasident Ungarns von 1875 bis 1890 ein fuhrender Politiker Osterreich-Ungarns .

Kalman Tisza, Portrat von Leopold Horovitz 1894
Familienwappen [1]
Kálmán Tisza 1865
Kalman Tisza 1865
Kálmán Tisza 1867
Kalman Tisza 1867

Die Tiszas waren ursprunglich Calvinisten aus dem niederen Adel Siebenburgens . Kalman war der Sohn des Lajos Tisza und der Julia, geborene Grafin Teleki . Sein Bruder war der 1883 in den ungarischen Grafenstand erhobene Lajos Tisza . Als Knabe erhielt er Privatunterricht im vaterlichen Schloss. Nach der Niederlage von Solferino wurde Tisza 1861 in die neue ungarische Regierung aufgenommen und nahm 1866 an den osterreichisch-ungarischen Ausgleichsverhandlungen teil. Als Fuhrer der Beschlusspartei , welche die Rechtsgultigkeit der 1848er Gesetze durch einfachen Beschluss erklaren wollte, konnte er sich gegenuber der Adresspartei von Ferenc Deak nicht durchsetzen. Daneben war Tisza, der ein umfangreiches Erbe erhalten hatte, bis 1875 Vizedirektor der Ungarischen Nordostbahn . [2]

Ministerprasident

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1875 grundete Tisza die Liberale (Freiheitliche) Partei , hervorgegangen aus der politischen Gruppe um Deak, als Sammelbecken fur den niederen Adel und Wirtschaftstreibende und ubernahm die Leitung der Regierung. Er fuhrte als Ministerprasident umfangreiche Reformen zur Modernisierung des Landes im Bereich Wirtschaft, Justiz, Sozialwesen und Politik durch. Mit Finanzminister Sandor Wekerle konnte er einen Staatsbankrott abwenden. Durch eine Steuerreform, die auch den großen Landbesitz einschloss, wurden die Staatseinnahmen vervielfacht. [3] Seine Regierung vergroßerte außerdem die Unabhangigkeit gegenuber dem osterreichischen Reichsteil Cisleithanien , auch der ungarische Einfluss auf die gemeinsame Außenpolitik der Monarchie nahm stark zu. Die beachtlichen wirtschaftlichen Erfolge wahrend Tiszas Regierungszeit begrundeten das Prestige des Landes und modifizierten das Selbstverstandnis der ungarischen Politik . [4]

Trotz der anfanglichen Reformen regierte Tisza bald nach dem Prinzip Quieta non movere ( was ruht, soll man nicht aufruhren ). [5] Die lange Regierungsperiode Tiszas vermittelte den Eindruck großer Stabilitat, vor allem verglichen mit dem osterreichischen Teil der Doppelmonarchie, wo sich in dieser Zeit elf Regierungen ablosten. Die soziale Entwicklung konnte jedoch nicht mit der relativ konstanten wirtschaftlichen Entwicklung des Landes Schritt halten. Unruhen und wachsender Antisemitismus waren die Folge. [6] Die Bedeutung des politischen Antisemitismus in Transleithanien konnte von Tisza vorubergehend zuruckgedrangt werden. [7]

Unter der Regierung Tisza begann die Politik der forcierten kulturellen Magyarisierung Ungarns. Die nichtmagyarische Bevolkerung sollte durch mehr oder weniger sanften Druck die magyarische Sprache und Nationalitat annehmen. [8] In mehreren Etappen, zunachst noch zogerlich, wurde unter Tisza jede nationale Außerung etwa der Slowaken zusehends unmoglich gemacht, die nationale Wiedergeburt der Slowaken wurde durch Tisza bekampft. [9] Das damalige Meyers Konversations-Lexikon fuhrt an, Tisza habe ?freie Hand“ besessen ?fur die rucksichtslosen Maßregeln zur Magyarisierung Ungarns, welche zu den schreiendsten Ungerechtigkeiten, so gegen die siebenburgischen Sachsen, fuhrten“. [10] Zwischen 1880 und 1910 stieg der Prozentsatz der sich als Magyaren bekennenden Burger Ungarns (ohne Kroatien ) von 45 auf uber 54 Prozent. [11] Tisza erklarte 1875 ohne Umschweife: ?Innerhalb Ungarns kann es nur eine lebensfahige Nation geben: Diese politische Nation ist ungarisch. Ungarn kann niemals die Schweiz des Ostens werden, dann wurde es aufhoren, zu existieren.“ [12]

Sein Sohn Istvan Tisza ubernahm des Vaters politisches Erbe, seine liberale Partei und wurde ebenfalls langjahriger ungarischer Ministerprasident.

Commons : Kalman Tisza  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. 1883 zu Wien mit dem erblichen ungarischen Grafenstand und mit Hinzugabe des Pradikats ?von Szeged“ verliehen an den Bruder Lajos Tisza von Borosjeno, wirklicher Geheimer Rat und koniglicher Comissar
  2. Andras Ger?: Modern Hungarian society in the making. The unfinished experience . Verlag Central European Univ. Press, Budapest 1995, ISBN 1-85866-024-6 , S. 140.
  3. Andras Ger?: Modern Hungarian society in the making. The unfinished experience . Verlag Central European Univ. Press, Budapest 1995, ISBN 1-85866-024-6 , S. 115?122 und 129?136.
  4. Aniko Kovacs-Bertrand: Der ungarische Revisionismus nach dem Ersten Weltkrieg. Der publizistische Kampf gegen den Friedensvertrag von Trianon (1918?1931) . Verlag Oldenbourg, Munchen 1997, ISBN 3-486-56289-4 , S. 25.
  5. Peter Hanak: Ungarn in der Donaumonarchie. Probleme der burgerlichen Umgestaltung eines Vielvolkerstaates . Verlag fur Geschichte u. Politik, Wien 1984, ISBN 3-7028-0202-9 , S. 219.
  6. Rolf Fischer: Entwicklungsstufen des Antisemitismus in Ungarn 1867?1939. Die Zerstorung der magyarisch-judischen Symbiose . Verlag Oldenbourg, Munchen 1988, ISBN 3-486-54731-3 , S. 93.
  7. Andras Ger?: Modern Hungarian society in the making. The unfinished experience . Verlag Central European Univ. Press, Budapest 1995, ISBN 1-85866-024-6 , S. 6.
  8. Robert Bideleux, Ian Jeffries: A history of Eastern Europe. Crisis and change . Verlag Routledge, London 1998, ISBN 0-415-16111-8 , S. 365.
  9. Manfred Alexander (Hrsg.): Kleine Volker in der Geschichte Osteuropas. Festschrift fur Gunther Stokl zum 75. Geburtstag . Verlag Steiner, Stuttgart 1991, ISBN 3-515-05473-1 , S. 80f.
  10. Tisza . In: Meyers Konversations-Lexikon . 4. Auflage. Band 15, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/Wien 1885?1892, S. 728.
  11. Wolfdieter Bihl : Der Weg zum Zusammenbruch. Osterreich-Ungarn unter Karl I.(IV.) . In: Erika Weinzierl , Kurt Skalnik (Hrsg.): Osterreich 1918?1938: Geschichte der Ersten Republik . Graz/Wien/Koln 1983, Band 1, S. 27?54, hier S. 44.
  12. Paul Lendvai : Das einsamste Volk Europas ? Nur ein aufrichtiger Umgang mit der eigenen Vergangenheit kann Ungarn vor der mentalen Verwahrlosung bewahren . In: NZZ . 21. Februar 2011, S.   33 .