Interferone

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Interferone ( IFN , von lateinisch interferre ?eingreifen‘, ?sich einmischen‘) sind Proteine oder Glykoproteine , die eine immunstimulierende, vor allem antivirale und antitumorale Wirkung entfalten (siehe auch Zytokine ). Sie werden als korpereigene Gewebshormone in menschlichen und tierischen Zellen gebildet, vor allem von Leukozyten (weiße Blutkorperchen, z. B. T-Lymphozyten , Monozyten) und Fibroblasten . Eine ahnliche Funktion bei Pflanzen erfullen die Phytoalexine . [1]

Einteilung in Gruppen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Alpha-Interferon [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Humanes Interferon alpha

Alpha-Interferon (IFN-α; auch ?Leukozyten-IFN“, fruher Typ-I-Interferon) ist ein Protein aus 166 Aminosauren . Es gibt 23 bekannte Varianten, die meisten davon sind nicht glykosyliert .

Alpha-Interferon kann von vielen Zelltypen gebildet werden, als Antwort auf die Erkennung viraler oder bakterieller Nukleinsaure . Es aktiviert virusinfizierte sowie umliegende nichtinfizierte Zellen. In diesen Zellen werden folglich Proteine gebildet, welche einerseits eine weitere (Virus-)Proteinsynthese in jenen Zellen hemmen und andererseits den Abbau von viraler und zellularer RNA bewirken. Vermehrt werden MHC- Klasse-I-Molekule sowie Proteasomen gebildet, welche virusinfizierte Zellen durch T-Lymphozyten (Immunabwehr) leichter angreifbar machen. Alpha-Interferon aktiviert NK-Zellen (naturliche Killer-Zellen), welche der Virus- und Tumorabwehr dienen.

Das Binden der Alpha-Interferone an ihren spezifischen Rezeptor bewirkt eine Aktivierung der Rezeptor-assoziierten Januskinasen durch Phosphorylierung , welche nachfolgend die ? signal transducer and activator of transcription STAT-Proteine phosphorylieren und damit aktivieren ( JAK-STAT-Signalweg ). Aktivierte STAT-Proteine dimerisieren ( Homo- oder Heterodimer ), translozieren in den Zellkern und aktivieren die Genexpression von ?Interferon-stimulierten Genen“, indem sie an bestimmte Erkennungssequenzen dieser Gene binden. Ein Beispiel fur die Signaltransduktion uber Alpha-Interferon ist die Aktivierung von JAK1 und TYK2 (beides Janus-Kinasen am Rezeptor); diese phosphorylieren STAT1 und 2, die als Heterodimer zusammen mit IRF-9 ( interferon regulatory factor 9 ) einen Komplex bilden (ISGF3: interferon stimulated gene factor 3 ). Dieser bindet an einem spezifischen Element der ?Interferon-stimulierten Gene“ namens ? interferon stimulated response element “ (ISRE) und aktiviert die Genexpression.

Beta-Interferon [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Humanes Interferon beta

Beta-Interferon (IFN-β; auch ?Fibroblasten-Interferon“) ist ein Glykoprotein aus 166 Aminosauren. Es wird von virusinfizierten Fibroblasten (Zellen des Bindegewebes) und vermutlich auch von allen anderen Zellen gebildet. Beta-Interferon bindet an den gleichen Rezeptor wie Alpha-Interferon und hat ahnliche Wirkungen.

Gamma-Interferon [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Humanes Interferon gamma

Gamma-Interferon I (IFN-γ; ?Immun-Interferon“, fruher Typ-II-Interferon) ist ein Glykoprotein aus 143 Aminosauren. Es liegt in aktiver Form als Heterodimer vor.

Gamma-Interferon wird von TH1-Zellen (Subpopulation der T-Helferzellen , CD4-Rezeptor , Teil der adaptiven Immunabwehr ) nach Kontakt mit einem Makrophagen gebildet, welcher Bakterien phagozytiert hat.

Gamma-Interferon hat eine aktivierende Wirkung auf Makrophagen , indem es eine bessere Verschmelzung von Phagosomen mit Lysosomen sowie die Produktion des bakteriziden Stickstoffmonoxids und reaktiver Sauerstoffradikale fordert. Außerdem induziert es antimikrobielle Peptide, 1α-Hydroxylase in Makrophagen und uberfuhrt 25(OH) Vitamin D 3 in 1,25(OH) 2 Vitamin D 3 ohne Produkthemmung der 1α-Hydroxylase. Die TH1-Immunantwort ist wichtig zur Abwehr intrazellularer Infekte (Viren, Chlamydien, Mykobakterien, Pilze) bzw. Tumoren. [2]

Tau-Interferon [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Tau-Interferon (IFN-τ) wird vom Rinder - Embryo vor dem 11./12. Tag vom Trophoblasten gebildet. Dies fuhrt zur maternalen Erkennung der Trachtigkeit und zur Hemmung der Prostaglandin -Synthese durch das Endometrium der Mutterkuh. Ohne die Bildung von IFN-τ fuhrt die Bildung von Prostaglandin zur Auflosung des Gelbkorpers und damit zum Abbruch der Trachtigkeit.

Therapie mit Interferon [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Alpha-Interferon [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Alpha-Interferon wird seit mehreren Jahren zur Therapie der chronischen Hepatitis-B - und fruher zur Therapie der akuten und chronischen Hepatitis-C -Infektion eingesetzt. Therapeutisch kommt bei diesen Erkrankungen ein gentechnisch hergestelltes Alpha-Interferon (Interferon alpha-2a oder Interferon alpha-2b) zum Einsatz, das ursprunglich dreimal pro Woche subkutan injiziert werden musste. Seit 2000 sind leicht veranderte, sogenannte pegylierte Interferone (z. B. Peginterferon α ) erhaltlich, die aufgrund einer langeren Halbwertszeit nur einmal pro Woche oder seltener verabreicht werden mussen. Neben dem therapeutischen Einsatz der Alpha-Interferone in der Therapie der Virushepatitis werden Interferone dieser Gruppe auch in der Krebstherapie eingesetzt, und zwar zur Therapie der Haarzellleukamie , von T-Zell- Lymphomen der Haut, des Malignen Melanoms der Haut und der Schleimhaut (Interferon alpha-2a oder alpha-2b im Stadium II und III als adjuvante Therapie), des Kaposi-Sarkoms und der CML . Die antitumorale Wirksamkeit der Alpha-Interferone beruht zum einen auf einer antiproliferativen Wirkung, d. h., die Tumorzellen werden in ihrer gesteigerten Teilungsaktivitat gehemmt, und zum anderen sowohl auf der Aktivierung von naturlichen Killerzellen, die Tumorzellen selbst abtoten konnen, als auch auf der Differenzierungsinduktion. Weiterhin wird Alpha-Interferon bei der Therapie der Myeloproliferativen Neoplasien (MPN), wie Polycythaemia vera und der essentiellen Thrombozythamie eingesetzt, wobei die Wirkung auf dem suppressiven Effekt auf das Knochenmark beruht. Fur die Polycythaemia vera steht seit 2019 erstmals ein eigens fur diese Indikation zugelassenes Interferon-Praparat zur Verfugung. [3] [4]

Beta-Interferon [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Beta-Interferon wird zur Behandlung der Multiplen Sklerose und schwerer Viruserkrankungen eingesetzt.

Gamma-Interferon [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Gamma-Interferon findet als Medikament gegen Osteopetrose und Tumoren (mit z. Z. geringerem Erfolg) Einsatz.

Nebenwirkungen der Interferontherapie [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Nebenwirkungen einer Interferontherapie sind grippale Symptome wie Fieber (evtl. mit Schuttelfrost ), Mudigkeit und Gelenkschmerzen. Infolge des suppressiven Effekts auf das Knochenmark kommt es zu Leukopenie und Thrombopenie . Die Verschlechterung der Leberfunktion ist besonders gefahrlich bei einer bereits bestehenden Leberinsuffizienz . Selten konnen Autoimmunerkrankungen der Leber oder Schilddruse auftreten. Auch psychische Veranderungen wie Depressionen oder verstarkte Aggressionsneigung konnen vorkommen. In vielen Fallen ist eine Zuordnung von Nebenwirkungen nicht sicher abzuschatzen, da z. B. Alpha-Interferon im Falle einer Therapie der Hepatitis C standardmaßig in Kombination mit Ribavirin (Nukleosidanalogon) eingesetzt wird.

Entwicklung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Darstellung und Synthese im industriellen Maßstab [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

1957 wurde Interferon durch den Briten Alick Isaacs und den Schweizer Jean Lindenmann am National Institute for Medical Research in London entdeckt. [5] Sie stellten fest, dass embryonale Huhnerzellen in der Gewebekultur nach Inkubation mit inaktivierten Influenza-Viren eine Substanz, die von ihnen als Interferon bezeichnet wurde, in die Gewebekultur abgaben, die diese und andere Huhnerzellkulturen vor der Zerstorung durch die Viren schutzten. Im Jahr 1979 gelang im Labor von Charles Weissmann in Zurich die Ubertragung von menschlichen Interferon-Genen in Bakterien ( rekombinante DNA ). Damit wurde die Herstellung von reinem Interferon in beliebigen Mengen moglich.

Zulassungen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Datum Handelsname Wirkstoff Hersteller Indikation
1983 Fiblaferon IFN beta Rentschler Schwere Viruserkrankungen / 2003 SARS
04/1987 Roferon A IFN alpha-2a Roche Krebs
1989 Polyferon IFN gamma (rekombinant) Rentschler Rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis)
12/1992 Imukin IFN gamma-1b Boehr. Ing. Chronische Granulomatose
11/1995 Betaferon IFN beta-1b Bayer Pharma Multiple Sklerose
03/1997 Avonex IFN beta-1a Biogen Multiple Sklerose
05/1998 Rebif IFN beta-1a Merck Serono Multiple Sklerose
02/1999 Inferax IFN alphacon 1 Yamanouchi Hepatitis C
03/2000 Intron A IFN alpha-2b MSD Sharp & Dohme Hepatitis B/C, Malignes Melanom
02/2002 PegIntron pegyliertes IFN alpha-2b MSD Sharp & Dohme Hepatitis C
06/2002 Pegasys pegyliertes IFN alpha-2a Roche Hepatitis B/C
10/2007 CinnoVex Biogeneric IFN beta-1a CinnaGen Multiple Sklerose
06/2008 Extavia IFN beta-1b Novartis Multiple Sklerose (identisch mit Betaferon)
02/2019 Besremi Ropeginterferon alfa-2b AOP Orphan Pharmaceuticals Polycythaemia vera

Siehe auch [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Joachim Hilfenhaus: Interferon ? biologische Aktivitaten und Gewinnung. In: Chemie in unserer Zeit. , 15, Nr. 3, 1981, S. 71?77; doi:10.1002/ciuz.19810150303 .

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Eintrag zu Interferone . In: Rompp Online . Georg Thieme Verlag, abgerufen am 16. Januar 2014.
  2. Immunologie, Uni Heidelberg ( Memento des Originals vom 20. Dezember 2013 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.klinikum.uni-heidelberg.de
  3. Eva Lengfelder, Gabriela M. Baerlocher, Konstanze Dohner, Heinz Gisslinger, Martin Grießhammer, Steffen Koschmieder, Petro E. Petrides: Polycythaemia Vera (PV). Onkopedia-Leitline, Stand April 2019. Abgerufen am 18. April 2021 .
  4. Europaische Arzneimittel-Agentur: Anhang 1 Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels zu Besremi (Ropeginterferon alfa-2b)
  5. Alick Isaacs, Jean Lindenmann: Virus Interference. I. The Interferon . In: Proceedings of the Royal Society of London. Series B - Biological Sciences . Band   147 , Nr.   927 , 9. Dezember 1957, S.   258?267 , doi : 10.1098/rspb.1957.0048 .