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Giovanni Bottesini

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Giovanni Bottesini mit seinem bevorzugten Instrument, dem auf 1716 datierten Testore -Bass.

Giovanni Bottesini (* 22. Dezember 1821 [1] in Crema ; † 7. Juli 1889 in Parma ) war ein italienischer Kontrabassist , Dirigent und Komponist . In die Musikgeschichte ging sein Name vor allem dadurch ein, dass er die Urauffuhrung von Giuseppe Verdis Oper Aida am 24. Dezember 1871 in Kairo dirigierte. Ferner galt Bottesini als der fuhrende Kontrabass- Virtuose seiner Zeit. Einen Großteil seiner Kompositionen hat er fur dieses Instrument geschrieben, die meisten dieser Stucke sind bis zur Gegenwart im Repertoire von Kontrabass-Solisten prasent.

Herkunft, Jugend und Ausbildung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Kindheit und erster Unterricht in Crema [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Der Dom von Crema, einer der Orte, an denen der junge Bottesini seine musikalische Laufbahn begann.

Viele Angaben uber Bottesinis Jugendjahre sind unklar und teilweise widerspruchlich. Wahrend primare Quellen ? etwa entsprechende Eintrage im Taufregister ? von den fruhen Biographen des Musikers nicht konsultiert wurden oder werden konnten, bot der spater weltweit bekannte ?rechte Bohemien“ (so Friedrich Warnecke) zur Genuge Stoff fur verklarende, spekulative und zum Teil frei erfundene Darstellungen. Im Musikleben des 19. Jahrhunderts spielten die reisenden Virtuosen (beruhmt sind bis heute die legendenbehafteten Viten Niccolo Paganinis oder Franz Liszts ) eine Rolle, die derjenigen gegenwartiger Popstars in vielerlei Hinsicht ahnelt. Die zahlreich uberlieferten Berichte stammen deswegen nicht nur von sachkundigen Zeitgenossen, sondern in mindestens ebenso großem Umfang aus der damaligen ?Klatschpresse“.

Bereits hinsichtlich des exakten Geburtsdatums sowie des Taufnamens des Musikers weichen die Angaben erheblich voneinander ab; neben dem eingangs erwahnten Geburtstag werden haufig auch der 24. Dezember [2] und die Jahre 1822 beziehungsweise 1823 [3] genannt. Erst die anlasslich des 100. Todestags von Bottesini, also 1989, unter der Leitung des Musikhistorikers Luigi Inzaghi erstellten Arbeiten zeichnen sich durch umfangreiche Quellenarbeit aus. Der lateinisch verfasste Eintrag im Kirchenbuch des Doms von Crema vermerkt demnach unter dem Datum ?23 Xbris [decembris] 1821“, dass der Sohn von Pietro Bottesini und seiner Frau Maria, geb. Spinelli, um 1 Uhr nachts am Vortag geboren und auf den Namen Ioannes Paulus getauft worden sei. [4]

Als unstreitig oder doch zumindest unwidersprochen gilt, dass Giovanni Bottesini einer musikalischen Familie entstammte. Sein Vater Pietro ?war ein geschatzter Klarinettist und ein wenn auch nur wenig bedeutender Komponist bescheidener Musikstucke“. [5] 1831 gaben die Eltern ihren Sohn in die Obhut des Geistlichen Carlo Cogliati , [6] der Giovanni im Spiel auf Violine und Bratsche unterrichtete. Als erster Violinist im Domorchester von Crema spielte Cogliati eine wichtige Rolle im regen Musikleben des kleinen oberitalienischen Stadtchens, und er verhalf seinem Schutzling binnen kurzer Zeit zu ersten Auftrittserfahrungen. Neben seinem Studium der beiden Streichinstrumente musste Bottesini ?im Kirchenchor als Sopransanger mitwirken und bei gelegentlichen Musikauffuhrungen [im Teatro Sociale di Crema ] die Pauke bedienen“. [7]

Die Studienjahre in Mailand [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Bottesini im Alter von etwa 20 Jahren.

1835 ersuchte Bottesinis Vater auf Anraten Cogliatis um Aufnahme des noch nicht Vierzehnjahrigen am Konservatorium in Mailand , wozu der Sohn wenig beguterter Eltern allerdings ein Stipendium benotigte. In Verbindung mit einer solchen Beihilfe waren jedoch in diesem Jahr nur mehr Studienplatze fur Fagott und Kontrabass verfugbar. Innerhalb weniger Wochen bereitete sich Bottesini auf das Vorspiel fur die Klasse des renommierten Kontrabass-Professors Luigi Rossi vor und wurde zugelassen. Von dieser Aufnahmeprufung berichtet auch die fruheste Anekdote aus Bottesinis Leben, deren Pointe zu einem bis heute unter Kontrabassisten beliebten ?geflugelten Wort“ geworden ist. Der Junge habe seine noch mangelhafte Intonation gegenuber der Jury folgendermaßen kommentiert:

“Sento o Signori, di stonare, ma quando sapro dove posare le dita, allora non stonero piu!”

?Ich bedaure, meine Herren, so falsch gespielt zu haben, aber wenn ich erst einmal weiß, wohin ich meine Finger setzen muss, wird mir das nicht mehr passieren!“ [8]

Bottesinis ursprungliche Hoffnung war es gewesen, nach einmal erreichter Aufnahme am Konservatorium fruher oder spater doch noch sein Geigenstudium fortsetzen zu konnen. Diesen Plan verfolgte er jedoch nicht weiter, als sich binnen kurzer Zeit erwies, dass er als Kontrabassist rasche Fortschritte machte und zu einem der erfolgreichsten Studenten seines Jahrgangs wurde. Neben seinem Hauptfachstudium ließ sich der junge Giovanni ?mit Eifer“ [9] auch in den Fachern Klavier , Musiktheorie und Komposition ausbilden. Bottesinis Lehrer in diesen zusatzlichen Fachern waren Gaetano Piantanida , Francesco Basili , Pietro Ray und Nicola Vaccai , deren Namen heute kaum mehr Musikhistorikern gelaufig sind, die aber damals hohes Ansehen als Dozenten genossen. Trotz dieses umfangreichen Pensums gelang es Bottesini, den am Conservatorio di Milano auf sechs Jahre angelegten Pflichtstudiengang innerhalb von vier Jahren zu absolvieren. Das Institut verlieh ihm zusatzlich einen Preis von 300 Francs fur sein herausragendes Solospiel.

Einen Teil dieses Geldes verwendete er fur den Kauf eines durch ihn selbst spater beruhmt gewordenen Kontrabasses, den Carlo Antonio Testore [10] im Jahr 1716 gebaut hatte. Bottesini selbst berichtete, dass er das Instrument in einer Abstellkammer eines Mailander Marionettentheaters entdeckt und dann dem Nachlassverwalter des verstorbenen Bassisten Fiando fur 900 Lire abgekauft habe. [11]

Auch die Geschichte um den Erwerb des Testore-Basses, der nach Bottesinis Tod lange als verschollen galt und erst Mitte des 20. Jahrhunderts in den Niederlanden wieder identifiziert werden konnte, [12] ist in verschiedenen, teils detailfreudig ausgeschmuckten Varianten uberliefert. So erwahnt Warnecke, ohne eine Quelle hierfur zu nennen, einen ?interessierten Verwandten“ namens Rocchetti , der zum Erwerb des Instruments einen Betrag von ?600 Franken“ beigesteuert habe. [7] Aus dem uberreichen Anekdotenschatz um Bottesini und sein Instrument sei der Kuriositat halber hier nur noch die Behauptung erwahnt, dass Testore den Bass aus dem Holz des Baumes gefertigt habe, unter dem Siddharta Gautama Erleuchtung in der Meditation gefunden habe; Bottesini selbst stamme in direkter Linie von Buddha ab, was sich an der Ahnlichkeit der Namen zeige. Da obendrein der Stachel des Instruments aus einem Stuck vom Wahren Kreuz gedrechselt sei, habe der Musiker Trager beschaftigt, deren Aufgabe einzig und allein darin bestand, dafur zu sorgen, dass der kostbare Bass sich standig in der Nahe seines Eigentumers befande. [13]

Karriere als Virtuose [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Anfange in Italien und Osterreich [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Bottesinis oberitalienische Heimat gehorte bis 1859 großtenteils zum Einflussbereich der Habsburgermonarchie .

Im Jahre 1840 begann Bottesinis Aufstieg zum international gefeierten Virtuosen mit einem triumphalen Gastspiel im Teatro Comunale seiner Heimatstadt Crema. Noch im selben Jahr gab er Solokonzerte in Triest , Brescia , der beruhmten Mailander Scala und schließlich auch in Wien . Wie in der damaligen Musikberichterstattung ublich, wurde Bottesinis Karriere von Kritikern stets in den schillerndsten Farben dargestellt. Neben dem bereits geschilderten Zeitgeschmack, der Virtuosen besonders schatzte, spielt hierbei selbstverstandlich eine Rolle, dass Bottesinis Instrument ? der Kontrabass ? in seiner solistischen Wirkung dem breiten Publikum weitgehend unbekannt war. Carniti [14] weist daruber hinaus darauf hin, dass die Zeitumstande fur eine derartige Karriere in den Jahren vor Beginn des Risorgimento außergewohnlich gunstig waren, weil ?die Entfaltung einer regen Kunstpolitik von den garenden Freiheitsbestrebungen des jungen Italien ablenkte“. Jungen italienischen Musikern stand der Weg auf die Buhnen Mitteleuropas weit offen, denn ?Wien und Mailand hatten denselben Opernimpresario , und in der Kaiserstadt gaben italienische Kunstler allenthalben den Ton an.“ [15] Selbst der beruhmte und gefurchtete Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick , der fur seine Missbilligung ?leeren Virtuosentums“ und seine Abneigung gegenuber dem ?italienischen Geschmack“ bekannt war, versagte Bottesini seine Anerkennung nicht:

?Ein widerspenstigeres Material fur die Bravour kann es aber kaum geben, als den Contrabass, und einen vollkommeneren Bandiger desselben auch nicht, als Bottesini. Glaubt jemand, das Staunen uber technische Virtuositat verlernt zu haben, bei Bottesinis Production wird er es wieder lernen. Daß ein asthetischer Eindruck, welcher hauptsachlich aus dem Erstaunen resultirt, kein nachhaltiger sei, bedarf freilich nicht erst eines Beweises. Hingegen verdient Bottesini das ausdruckliche Lob, daß er auch in der Bravour mit Geschmack verfahrt und jene bajazzoartigen Charlatanerien verschmaht, mit denen auf derlei Ausnahmeinstrumenten so gern geflunkert wird.“ [16]

Nach dieser ersten und fur ihn sehr erfolgreichen Konzertreise kehrte Bottesini zunachst in seine italienische Heimat zuruck, um auch Erfahrungen im Ensemblespiel, das heißt als Orchester -Kontrabassist, zu sammeln. Typisch fur seinen Lerneifer ist dabei die Tatsache, dass er es nicht verschmahte, zunachst eine untergeordnete Stelle (angeblich am letzten Pult) in der Bassgruppe des Opernorchesters am Teatro Grande im relativ provinziellen Brescia anzunehmen. In den folgenden Spielzeiten erhielt er dann zusehends renommeetrachtigere Engagements; seine letzte feste Orchesterstelle hatte er 1845/46 am Teatro San Benedetto in Venedig . Dort lernte der Bassist auch den Komponisten Giuseppe Verdi kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte.

Tourneetatigkeit in Amerika und im ubrigen Europa [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Bottesini und Arditi

1846 ging Bottesini wieder nach Mailand, um mit seinem ehemaligen Kommilitonen, dem Geiger Luigi Arditi , das Programm fur eine bevorstehende gemeinsame Tournee zu proben. Diese Konzertreise begann im Fruhsommer in Turin und endete in der Kleinstadt Voghera , wo ein Konzertagent auf die beiden Musiker aufmerksam wurde und sie umgehend fur ein Engagement im Teatro Tacon in Havanna verpflichtete.

Von nun an befand sich Bottesini fur beinahe den gesamten Rest seines Lebens mehr oder weniger standig auf Reisen. Wie kaum ein anderer Instrumentalmusiker vor ihm machte er sich dabei die rasanten Fortschritte im Verkehrswesen zunutze, die zu dieser Zeit einen schnellen, sicheren und komfortablen Transport fur ihn selbst und sein Instrument zu ermoglichen begannen: Das Eisenbahnnetz in Europa und Nordamerika wurde in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts immer weiter ausgebaut, und seit Ende der 1830er Jahre hatten verschiedene Schifffahrtsgesellschaften angefangen, einen regelmaßigen Linienverkehr auf den Transatlantik-Routen einzurichten.

Die Situation im Havanna der Jahrhundertmitte ahnelte in vieler Hinsicht der in Italien: Kuba war die letzte bedeutende Kolonie, die Spanien auf dem amerikanischen Kontinent verblieben war. Eine nachdruckliche Forderung des kulturellen Lebens diente auch hier dazu, von den Bestrebungen nach politischer Unabhangigkeit vom Mutterland abzulenken. In diesem Umfeld fiel es dem kaum 25-jahrigen ?Star“ nicht schwer, weitere Erfolge fur sich zu verbuchen. Er begann bald, als Dirigent an einem der Opernhauser Havannas, dem Teatro Imperial , zu arbeiten, fur das er 1847 auch seine erste Oper Christoforo Colombo [17] schrieb. Bottesini dirigierte die Auffuhrungen der zweiaktigen Oper personlich. In der Pause betrat er mit seinem Kontrabass die Buhne und improvisierte virtuos uber die Themen des Werkes, [18] was beim Publikum begeistert aufgenommen wurde. Der Korrespondent der Gazzetta Musicale di Milano berichtete am 23. September 1847 uber die Erfolge seines Landsmanns in Kuba:

?Wenn der Impresario des Theaters von Havanna ein volles Haus haben wollte, brauchte er nur anzukundigen, dass Bottesini ein Konzert gibt.“ [19]

Von Havanna aus unternahm Bottesini mehrere Gastspielreisen nach Mexiko und in die USA . 1849 verließ er die Neue Welt zeitweilig wieder, um fur einige Monate in England zu gastieren, darunter an so prestigetrachtigen Orten wie dem Londoner Theatre Royal Drury Lane .

Henriette Sontag (1806?1854) auf einem Portrat von Franz Kruger.

In der Folge begann Bottesini ?ein fortgesetztes, fast funfjahriges ununterbrochenes Reisen von und nach der neuen und alten Welt, auf dem ihm zu folgen geradezu unmoglich ist“. [7] Unter anderem verpflichtete ihn die Sangerin Henriette Sontag als Kapellmeister fur ihr Gastspiel am Teatro Santa Ana in Mexiko-Stadt . Durch den plotzlichen Tod der Sontag unversehens arbeitslos geworden, fiel es dem mit ausgesprochenem Organisationstalent versehenen Bassisten dennoch nicht schwer, sich schnell ein neues Betatigungsfeld zu verschaffen: So geht die Grundung des ersten Konservatoriums in der mexikanischen Hauptstadt maßgeblich auf seine Initiative zuruck. Auch am Kompositionswettbewerb zur Nationalhymne Mexikos nahm der Italiener teil, sein Beitrag wurde zunachst pramiert, dann aber aus unklaren Grunden wieder zuruckgewiesen. Mit der Urauffuhrung der letztlich akzeptierten Hymne (von Jaime Nuno ) am 15. September 1854 betraute die Regierung aber dennoch Bottesini. [20]

Ein ?Autogramm“ Bottesinis vom 22. Mai 1852 mit einem viertaktigen Musikzitat.

Im Sommer 1855 leitete Bottesini in Paris gemeinsam mit Hector Berlioz ein international besetztes Orchester, das anlasslich der Weltausstellung eigens zusammengestellt worden war, aber erst 1856 kehrte er wieder dauerhaft nach Europa zuruck. Zunachst ließ er sich erneut in Paris nieder, wo er fur knapp zwei Jahre die Leitung des Orchesters am Theatre-Italien ubernahm. In der franzosischen Hauptstadt verfolgte man Bottesinis umfangreiche Aktivitaten als Virtuose, Dirigent und Komponist mit großem Interesse: Allein in der Revue et Gazette Musicale de Paris wurde 1856 neunundzwanzigmal uber ihn berichtet. Ein von seinem Impresario Ullmann eigens arrangierter Auftritt fand im Tuilerien-Palast vor Napoleon III. statt. Das Konzert war als ?Geste der Versohnung“ zwischen Franzosen und Italienern gedacht, hatte doch der Italiener Felice Orsini im Januar 1858 ein Attentat auf den Kaiser verubt. Eine besondere kunstlerische Ehrung stellte dagegen einige Monate spater die Konzerteinladung seitens des Conservatoire dar.

Erfolge dieser Art machten es dem umtriebigen Agenten Ullmann leicht, seinem Klienten Konzertauftritte und auch langerfristige Engagements in allen Kulturmetropolen Europas zu vermitteln. So spielte und dirigierte Bottesini in den 1860er Jahren in fast allen großeren Stadten Deutschlands, Italiens und Skandinaviens sowie in Monaco , Lissabon , Madrid und Barcelona . Daruber hinaus konzertierte er 1866 in St. Petersburg am Hof des russischen Zaren Alexander II. und 1873 in Istanbul vor Sultan Abdulaziz . Besonders haufig kam er ins mondane Baden-Baden , das seinerzeit einer der beliebtesten Kurorte der europaischen Oberschicht und ein Zentrum des Musiklebens war. Auch bei Ausbruch der Feindseligkeiten zu Beginn des Deutsch-Franzosischen Krieges im Sommer 1870 gastierte der Musiker dort und beging den Fauxpas, aus seinen Sympathien fur Napoleon III. (der in den vorangegangenen Jahren die nationalen Einigungsbestrebungen in Italien gegen die osterreichische Fremdherrschaft unterstutzt hatte) keinen Hehl zu machen. Nach der sofortigen Ausweisung aus Deutschland ? wo er in den folgenden Jahren nur noch selten und mit spurbar geringerer Publikumsresonanz auftrat [21] ? ließ sich Bottesini zunachst kurzfristig in London nieder, bevor er im Mai 1871 durch die Fursprache Verdis zum Leiter der Khedivischen Oper in Kairo berufen wurde.

Der Dirigent und Komponist [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Das Khedivische Opernhaus in Kairo um 1890.

Der Berufsstand des Dirigenten war um 1850 eine relativ neue Erscheinung, dessen Aufgaben noch nicht so hochspezialisiert waren wie in der Gegenwart. Das im Allgemeinen dargebotene Repertoire der Opern- und Konzerthauser bot in weit hoherem Maße als heute aktuelle Werke, die vom Komponisten zusammen mit den beteiligten Musikern eingeprobt und interpretiert wurden. Bottesini bildete also in seiner Zeit keine Ausnahmeerscheinung, wenn er nur selten uber einen langeren Zeitraum mit einem feststehenden Ensemble arbeitete, sondern vielmehr je nach ?Auftragslage“ neue Stucke verfasste und diese im jeweils gegebenen Rahmen an den verschiedensten Orten auf drei Kontinenten vortrug.

Als Komponist reprasentiert Bottesini, wie so viele ? insbesondere italienische ? Musiker seiner Zeit einen Typus, dessen kunstlerische Auffassung vor allem von den Belangen des Musiktheaters gepragt war. ?Seine Opern bewegen sich auf der Entwicklungslinie, die von Gaetano Donizetti bis zu Giuseppe Verdi reicht“ [22] resumiert Cesare Casellato , und in verallgemeinerter Form trifft diese Aussage auch auf sein ubriges Werk zu. Unmittelbarer Buhnenwirkung wird darin im Großen und Ganzen der Vorrang eingeraumt gegenuber kammermusikalischen Subtilitaten. Eine am sangerischen Ideal des Belcanto orientierte Melodik und ein ?sinnlicher“, ebenfalls auf Publikumswirksamkeit bedachter Umgang mit Rhythmik und Agogik spielen eine erheblich großere Rolle als in den eher an harmonischen Neuerungen interessierten Arbeiten deutscher Musiker dieser Zeit. Ausgesprochenes Missfallen außerte der Italiener an den stark literarisch beeinflussten Vorstellungen vom ? Gesamtkunstwerk “, wie sie Richard Wagner vertrat, dessen ?besondere Bedeutung ihm fremd blieb“. [22]

Seine zahlreichen Kompositionen, insbesondere wiederum die Opern, waren also prinzipiell Auftragsarbeiten, die am tagesaktuellen Geschmack orientiert waren. Er konnte bei Publikum und Musikern ein recht hohes Maß an Vertrautheit mit den von ihm bevorzugt verwendeten Stilmitteln der italienischen Romantik voraussetzen. Seine Werke sind in aller Regel fur gangige Besetzungen verfasst und, ausgehend von einem zugrunde liegenden eigenhandigen Klavierauszug , eher skizzenhaft orchestriert , so dass Bottesini mit dem ihm eigenen Pragmatismus notfalls die Details der Ausfuhrung den Unwagbarkeiten der stetig wechselnden und ihm nicht immer vertrauten Gesangs- und Instrumentalensembles anpassen konnte. Wie nahe gerade die von ihm komponierten Opern teilweise der Gebrauchsmusik stehen, zeigt wohl am deutlichsten die Tatsache, dass neben den Werken selbst auch deren Librettisten heute so gut wie vollstandig vergessen sind. Eine Ausnahme stellt hier lediglich die Oper Ero e Leandro ( UA Turin 1879, nach dem bekannten griechischen Mythos von Hero und Leander ) dar, deren Buch von Verdis Librettisten Arrigo Boito verfasst worden war. Viele Musikhistoriker sehen diese Oper als Bottesinis ?bestes Buhnenwerk“. Eine weitere Oper, Marion Delorme , die wahrend des Aufenthaltes in Palermo (1861/62) entstand, ist insoweit ein ambitioniertes Werk, als sie auf einer literarischen Vorlage von Victor Hugo beruht; auch hier arbeitete Bottesini mit einem Verdi-Librettisten, namlich Antonio Ghislanzoni , zusammen.

Eher ungewohnlich an Bottesinis Arbeitsweise ist dagegen, dass er seine eigenen Virtuosenkunste auf dem Kontrabass haufig nutzte, um Instrumentalisten und Sanger mit dem musikalischen Kontext oder ihren jeweiligen Einzelstimmen vertraut zu machen. Auch die solistischen Intermezzi, mit denen er seit dem Erfolg in Havanna das Publikum seiner Opern in den Pausen zu unterhalten pflegte, waren eine seiner oft hervorgehobenen Eigenheiten. Bottesinis Erfolg als reisender Dirigent liegt vor allem in seiner musikalischen Vielseitigkeit und Flexibilitat angesichts stetig wechselnder Anforderungen, seiner Vertrautheit mit dem Musikbetrieb und Publikumsgeschmack der Epoche und einer ungewohnlichen Kombination aus personlicher Integritat und showmanship begrundet. [23]

Bottesinis Wirken als Kontrabass-Solist ist also mit seiner Arbeit als Dirigent und Komponist auf mannigfaltige Weise verwoben. Insbesondere setzte er eine bereits von seinen Vorlaufern (darunter vor allem Domenico Dragonetti und Johannes Matthias Sperger ) gepragte Tradition fort, die Stucke fur den eigenen Solovortrag selbst zu verfassen. Er interpretierte auf seinem Instrument ausschließlich Eigenkompositionen und griff nicht auf die verbreitete Praxis zuruck, Transkriptionen von Stucken, die ursprunglich fur andere Instrumente verfasst worden waren, anzufertigen. Sofern er fremdes Material verwendete (hauptsachlich in seinen Fantasien und Variationen uber Themen aus beliebten Opern) diente ihm diese Vorlage nur als Ausgangsbasis fur eigenstandige musikalische Gedanken.

Thema der Gavotte aus Introduzione e Gavotta , das Tonbeispiel erklingt aufgrund der Kontrabass-Solostimmung in A-Dur.

Bottesini und Verdi [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Giuseppe Verdi auf einem Portrat von Giovanni Boldini von 1886.

Verdi und Bottesini waren bereits seit ihrer gemeinsamen Zeit in Venedig eng miteinander befreundet, was durch einen recht umfangreichen Briefwechsel der beiden Musiker lebhaft dokumentiert wird. Ahnlich wie Gioacchino Rossini , mit dem der Bassist gleichfalls freundschaftlichen Umgang hatte, außerte auch Verdi gelegentlich seine Sorge uber die moglichen Folgen des aufwandigen Lebensstils, den Bottesini pflegte:

“Guadagnate molti rubli, teneteli da conto, pensate alla vecchiaia!!!”

?Verdienen Sie weiterhin viele Rubel, aber bewahren Sie sie auch auf, denken Sie an das Alter!!!“ [24]

Als das Ende des Virtuosenzeitalters absehbar wurde, weil sich der Publikumsgeschmack zusehends wandelte und weil sich um 1870 erhebliche politische Spannungen in Europa abzeichneten, hielt es Verdi daher fur seine Freundespflicht, dem leichtlebigen alternden Bohemien Bottesini eine Zukunftsperspektive zu eroffnen. Am Hofe des agyptischen Vizekonigs Ismail Pascha genoss Verdi bereits seit dem Erfolg seiner Oper Rigoletto 1869 hohes Ansehen, so dass es dem Komponisten nicht schwerfiel, den an der Khedivischen Oper zur Saison 1871 freiwerdenden Posten des Chefdirigenten an seinen Freund zu vermitteln.

Dieses, wie sich zeigen sollte, langste dauerhafte Engagement in Bottesinis Karriere begann mit einem furiosen Auftakt, da Bottesini umgehend mit den Proben zu Aida beginnen konnte. Ein weiteres Mal beeintrachtigten die Wirren des Deutsch-Franzosischen Krieges seine Arbeit, denn aufgrund der deutschen Belagerung der franzosischen Hauptstadt und der anschließenden Pariser Kommune gelang es nicht, die aufwandigen Kostume und Requisiten rechtzeitig fur den Transport nach Agypten bereitzustellen. Entgegen verschiedenen, zum Teil bis heute kolportierten Legenden hatte der Urauffuhrungstermin einer der beruhmtesten Verdi-Opern ? der 24. Dezember 1871 ? keinen speziellen Anlass, [25] sondern ist das Resultat einer politisch bedingten Verspatung. Verdi, der sich wahrend dieser Zeit in Genua aufhielt, erorterte viele Details der Inszenierung in seinem Briefwechsel mit Bottesini. Am 17. Oktober schrieb der Komponist (offensichtlich noch in Erwartung einer unmittelbar bevorstehenden Premiere):

“Carissimo Bottesini! Ti sono ben grato di avermi dato notizie delle prime prove d’Aida e spero, che me ne darai altre quando sarai in orchestra, e piu mi darai anche notizie esatte, sincere, vere, dell’esito della prima sera  […].”

?Lieber Bottesini! Ich bin Dir sehr dankbar, dass Du mir Nachricht uber die ersten Proben zur ?Aida“ gegeben hast, und ich hoffe, dass Du weitere schicken wirst, wenn Du mit dem Orchester geprobt hast. Außerdem bitte ich Dich um genaue, aufrichtige und wahre Nachricht uber den Erfolg des ersten Abends.“ [26]

Wie gut Bottesini mit den asthetischen Zielsetzungen seines Freundes vertraut war, zeigt sich vielleicht am besten an der Tatsache, dass es ihm ohne Schwierigkeiten gelang, Verdis im Falle der Aida sehr detaillierte Vorstellungen hinsichtlich der Inszenierung zur großten Zufriedenheit des Komponisten umzusetzen, obwohl die beiden Musiker nur brieflich miteinander kommunizieren konnten.

Doch beschrankte sich Verdis Wertschatzung keineswegs auf die Fahigkeiten Bottesinis als Dirigent. Seine Opern zeigen in der Behandlung der Kontrabass-Stimmen deutlich den Einfluss des virtuosen Freundes:

?Eine engere Bindung zwischen schopferischem und ausubendem Musiker, als sie zwischen Verdi und Bottesini bestand, ist kaum mehr denkbar. Dementsprechend vermochte Verdi die Verwendungsmoglichkeiten des Kontrabasses im Orchester seiner Zeit weitgehend auszuschopfen. Er schrieb das schonste Kontrabaßsolo der Opernliteratur, [27] und in jeder seiner Opern sowie im Requiem bewies Verdi mit einigen fachmannisch angelegten Aufgaben, wie wirkungsvoll der Kontrabaß eingesetzt werden kann.“ [28]

Die letzten Jahre [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Bottesini um 1870

Bottesini blieb bis 1878 in Kairo, als das Opernhaus schließlich aufgrund der schon seit langerem zerrutteten Finanzen des agyptischen Vizekonigreichs geschlossen werden musste. Obwohl nun bereits auf die sechzig zugehend, ließ er sich nicht davon abhalten, umgehend wieder zu seinem Lebensstil als reisender Virtuose und Dirigent zuruckzukehren. Da dies in Europa zunehmend schwieriger wurde, uberquerte er 1879 erneut den Atlantik, diesmal fur eine ausgedehnte Tournee durch Sudamerika. Neben Auftritten im Opernhaus von Buenos Aires und in Montevideo spielte er auch in Rio de Janeiro (damals noch die Hauptstadt Brasiliens ) vor Kaiser Dom Pedro II. Erst in den 1880er Jahren begann Bottesini sein umfangreiches Reisepensum langsam einzuschranken. Er hielt sich nun wieder haufig in seiner Heimat Italien auf, wo er fur das Konigliche Opernhaus in Turin mehrere erfolgreiche Werke verfasste.

Noch einmal machte Verdi seinen Einfluss fur Bottesini geltend, und so konnte dieser am 3. November 1888 den Posten als Direktor des Regio Conservatorio di Parma antreten. Bevor sich erste Erfolge der von ihm eingefuhrten neuen Unterrichtsmethoden zeigen konnten, starb der Musiker nach kurzer, schwerer Krankheit am 7. Juli des darauffolgenden Jahres. Seinem Wunsch gemaß wurde er auf dem Stadtischen Friedhof von Parma in unmittelbarer Nahe der Grabstatte seines großen Vorbilds Paganini beigesetzt.

Ehrungen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Bereits zu Lebzeiten wurden Bottesini zahlreiche Ehrungen zuteil, vor allem Ehrenmitgliedschaften vieler Musikvereine und Akademien in aller Welt, wobei die fur eigens ihn gepragte Silbermedaille des Pariser Conservatoire wohl eine der exklusivsten und von ihm selbst am meisten geschatzten Wurdigungen war. Ferner erhielt er zahlreiche Orden und Ehrenzeichen , darunter die Krone von Italien , die turkische Medjedie , San Jago de Portugal , der portugiesisch- vatikanische Christusorden sowie die spanischen Orden Isabel la Catolica und Carlos III de Espana . Die Burger von Bottesinis Heimatstadt Crema finanzierten die Errichtung eines Denkmals zu Ehren des Musikers, das am 13. Oktober 1901 mit großem Pomp und vor zahlreichen Gasten aus Italien und dem Ausland enthullt wurde.

Werke (Auswahl) [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die folgende Ubersicht uber Bottesinis kompositorisches Schaffen muss (abgesehen von den Opern) schon deswegen luckenhaft bleiben, weil ein Verzeichnis seines Gesamtwerkes bis jetzt noch nicht angelegt wurde. [29] Insbesondere zu vielen seiner Liedkompositionen sind kaum Angaben greifbar.

Opern [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Cristoforo Colombo ( Colon en Cuba ). Dramma lirico in einem Akt. Libretto : Ramon de la Palma und Rafael Maria de Mendive. UA 1847 Havanna
  • L’Assedio di Firenze . Dramma lirico in 3 Akten. Libretto: F. Manetta und Carlo Corghi (nach Francesco Domenico Guerrazzi). UA 1856(57?) Paris
  • Il Diavolo della Notte . Melodramma semiserio in 4 Akten. Libretto: Luigi Scalchi. UA 1858 Mailand
  • Marion Delorme . Opera seria in 3 Akten. Libretto: Antonio Ghislanzoni . UA 1862 Palermo
  • Vinciguerra il Bandito . Operette in einem Akt. Libretto: Eugene Hugot und Paul Renard. UA 1870 Monte Carlo
  • Ali Baba . Opera comica in 4 Akten. Libretto: Emilio Taddei. UA 1871 London
  • Ero e Leandro . Tragedia lirica in 3 Akten. Libretto: Arrigo Boito . UA 11. Januar 1879 Turin (Teatro Regio)
  • La Regina del Nepal . Opera seria in 2 Akten. Libretto: B. Tommasi da Scaccia. UA 1880 Turin
  • Nerina . Idillio in einem Akt. Libretto: Herzog Proto di Maddaloni. UA 1882 Neapel
  • Azaele o La Figlia dell’Angelo (nicht aufgefuhrt).
  • Cedar (nicht aufgefuhrt).
  • Nerina (nicht aufgefuhrt).
  • Babele (komische Oper; nicht aufgefuhrt).

Werke fur Kontrabass [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Bottesinis Œuvre fur Kontrabass umfasst mehrere Dutzend Stucke, von denen hier nur einige der beliebtesten aufgefuhrt werden.

  • Grande Allegro (Concerto in uno tempo)
  • Concerto No.1 in fis-Moll
    Auch in verschiedenen (vereinfachenden) Transpositionen als Studienkonzert fur Kontrabass u. a.
  • Concerto No.2 in h-Moll
  • Introduzione e Variazioni ?Il Carnevale di Venezia“
  • Introduzione e Gavotta in A-Dur
  • Introduzione e Fuga
  • Elegia No.1 in re
  • Elegia No.2 in mi minore
  • Fantasia ?Beatrice di Tenda“
    Uber Themen der gleichnamigen Oper von Vincenzo Bellini
  • Fantasia ?La Sonnambula“
    Ahnlich wie das vorhergehende Stuck von der gleichnamigen Bellini-Oper inspiriert
  • Tarantella in a-Moll
  • Bolero in a-Moll
  • Polka
  • Reverie
  • Concerto di Bravura
  • Capriccio di Bravura
  • Nel cor piu non mi sento
    Variationen uber eine Arie von Giovanni Paisiello
  • La Fleur , Charakterstuck
    Fur die herkommliche Orchester- oder G-Stimmung

Fur zwei Kontrabasse:

  • Gran Duo Concertante
    Die ursprungliche Fassung fur zwei Kontrabasse ist Bottesinis Lehrer Luigi Rossi gewidmet. Im heutigen Repertoire haufiger vertreten ist die von Camillo Sivori besorgte Bearbeitung fur Kontrabass und Violine, es existiert eine weitere Fassung fur Kontrabass und Klarinette .
  • Passione Amorosa
  • Tre Grandi Duetti

Geistliche Musik [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Sonstige Gattungen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Orchesterwerke [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Sinfonia Caratteristica in D-Dur (UA 1863, Paris)
  • Fantasia funebre a grande orchestra alla memoria del Colonnello Nullo (Neapel Aug. 1863)
  • Sinfonia ?Graziella“ (Paris, o. J.)
  • Notti Arabe (1878)
  • Alba sul Bosforo (1881, Turin)

Kammermusik [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • 11 Streichquartette , darunter vor allem das Streichquartett in D-Dur , mit dem Bottesini 1863 bei einem Kompositionswettbewerb in Florenz den Concorso Basevi gewann. [30]
  • Mehrere Streichquintette , darunter vor allem das Gran Quintetto fur 2 Violinen, Viola, Violoncello und Kontrabass

Vokalmusik [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Offenbar verfasste Bottesini zahlreiche Liedkompositionen, meist in der herkommlichen Besetzung fur Gesang mit Klavierbegleitung. Diese wurden zu seinen Lebzeiten zum Teil in Sammlungen von Musikstucken verschiedener Komponisten veroffentlicht. Einige dieser Werke existieren auch nur als Autographen in den Archiven verschiedener Bibliotheken vor allem Italiens sowie in Osterreich, Frankreich und den USA.

Lehrwerk [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Metodo per il Contrabbasso

Ursprunglich (ohne Jahresangabe) bei Ricordi in Mailand sowie 1872 in einer franzosischen Fassung bei Escudier in Paris erschienen, ist Bottesinis Lehrbuch fur den Kontrabass heute auch in einer zweibandigen, leicht uberarbeiteten Ausgabe bei der Londoner Yorke Edition verlegt. Das Werk unterscheidet sich erheblich von den meisten anderen gangigen Kontrabass-Methoden, da es ? Bottesinis virtuoser Perspektive entsprechend ? sein Hauptaugenmerk nicht so sehr auf die Vermittlung der fur den Orchester-Kontrabassisten wichtigen Fertigkeiten und Kenntnisse legt, sondern anhand kurzer Etuden auf einen melodisch-rhythmisch ausdrucksvollen musikalischen Solovortrag vorbereiten will.

Instrumentalstil und -technik [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die von Bottesini eingefuhrten Neuerungen in Bogen- und Fingersatztechnik in einer zeitgenossischen Darstellung (1876).

Zeitlebens war der Testore-Bass das bevorzugte Instrument Bottesinis, das er, wie es der italienischen Tradition entsprach, mit drei Saiten bespannt hatte. Diese stimmte er in den fruhen Jahren nach dem Vorbild seines Vorlaufers Domenico Dragonetti auf die Tone A 1 , D und G ? also genau wie die heute im Orchester ubliche Stimmung des (meist vier- oder funfsaitigen) Basses, wobei die tiefen Saiten weggelassen sind. Die dreisaitige Bespannung lasst das Instrument offener und klarer klingen, was fur den vorwiegend solistisch spielenden Bottesini ein ausschlaggebendes Kriterium war. Um seinem Instrument weitere Klangfulle zu entlocken, bevorzugte er eine ungewohnlich hohe Saitenlage, was fur ihn als sehr athletisch gebauten Mann mit großen, kraftvollen Handen keine besondere technische Hurde darstellte. Bereits zu einem fruhen Zeitpunkt in seiner Karriere ging Bottesini dazu uber, den Bass einen Ganzton hoher einzustimmen (also nun H 1 , E und A), weil er auf diese Weise etwas dunnere und dadurch brillanter klingende Saiten aufziehen konnte. Diese so genannte ?Solostimmung“ hat Schule gemacht und wird bis heute von den allermeisten klassischen Virtuosen fur den Vortrag des Kontrabass-Solorepertoires bevorzugt.

Der englische Bassist und Musikverleger Rodney Slatford , der sich seit den 1970er Jahren um die zeitgemaße Neuedition des Bottesini-Oeuvres verdient gemacht hat, wies jedoch darauf hin, dass der Italiener sich keineswegs nur auf diese Skordatur beschrankte, vielmehr habe er ?seine aus Seide hergestellten Saiten von einem halben Ton bis zu einer Quarte hoher gestimmt, als es zu seinen Zeiten ublich war.“ [31] Auf Seide als Material seiner Saiten griff Bottesini nicht zuletzt deswegen zuruck, weil diese unter den Bedingungen tropischer und subtropischer Klimate , in denen er sich haufig aufhielt, ein belastbarerer Werkstoff ist als der bis dahin allgemein ubliche Naturdarm. [32] Da sie aber auch die von ihm bevorzugten spieltechnischen Effekte begunstigt, setzten sich die so hergestellten Saiten unter Virtuosen zu einem gewissen Maß durch, bis in den 1920er Jahren die ersten Stahlsaiten aufkamen. Gewisse Vorzuge in Klang und Bespielbarkeit fuhrten jedoch dazu, dass das von Bottesini popularisierte Material seit Beginn des 21. Jahrhunderts wiederentdeckt wurde, auch Kunststoffe mit der Seide vergleichbaren Eigenschaften wurden mittlerweile eingefuhrt.

Eine weitere Neuerung, die maßgeblich auf Bottesinis Vorbild zuruckgeht, ist die Einfuhrung eines Kontrabassbogens , der in Bauweise und Spielhaltung an dem des Violoncellos orientiert ist. Dieser eignete sich zur Bewaltigung der rasanten Laufe, der reichen Verzierungen und fur die vielen Passagen in hohen und hochsten Lagen, die Bottesinis Kontrabass-Spielweise kennzeichnen, weit besser als der etwas altertumliche, kurze und stark konvex geformte Bogen, wie ihn noch Dragonetti verwendet hatte.

Musikalische Wirkung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Altersportrat Bottesinis. Die Widmung an Emmanuel Nelson deutet darauf hin, dass das Bild zeitlicher Nahe zur Urauffuhrung des Garden of Olivet 1887 entstand.

Wenn auch Bottesinis ubriges Werk weitgehend in Vergessenheit geraten ist, so erfreuen sich seine Kompositionen fur Kontrabass nach wie vor großter Beliebtheit unter den Spielern des Instruments. Kaum ein bedeutender Solist verzichtet bei Vortragsabenden oder CD-Aufnahmen darauf, zumindest auf eines der als technisch nach wie vor als hochst anspruchsvoll geltenden Bravourstucke zuruckzugreifen, die bis heute als Gradmesser der Vertrautheit mit dem virtuosen Stil der italienischen Romantik betrachtet werden. Einige Bassisten, darunter vor allem der Osterreicher Ludwig Streicher (1920?2003), haben sogar das Gesamtwerk Bottesinis fur dieses Instrument aufgefuhrt beziehungsweise eingespielt. [33]

Die andauernde Beliebtheit des Bottesini-Oeuvres ist allerdings zumindest teilweise darauf zuruckzufuhren, dass ?namhafte“ Komponisten bis auf den heutigen Tag dazu neigen, den Kontrabass kaum fur solistische Aufgaben heranzuziehen. Die Komposition anspruchs- und effektvoller Vortragsstucke fur das technisch widerspenstige Instrument verlangt eine intime Kenntnis der Moglichkeiten und Beschrankungen des Fingersatzes , uber die fur gewohnlich nur Spieler des Instruments selbst verfugen. Unter seinesgleichen ist Bottesini aber, auch infolge seiner langen Karriere, bis heute einer der mit Abstand produktivsten Verfasser geeigneter Werke. Erst in jungerer Vergangenheit hat mit Francois Rabbath wieder ein Bassist in der Nachfolge des italienischen Altmeisters durch seine zahlreichen Kompositionen ein vergleichbares Interesse bei Publikum und Fachwelt hervorgerufen ? wenn auch in einem stilistisch moderneren Umfeld.

Angeregt vom Vorbild Bottesinis haben viele Kontrabassisten eine zweite Karriere als Dirigent verfolgt. Zu den bekanntesten gehoren der geburtige Russe Sergei Alexandrowitsch Kussewizki , der langjahrige musikalische Leiter des Boston Symphony Orchestra , sowie der Inder Zubin Mehta und der Deutsch-Agypter Nabil Shehata .

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Giovanni Bottesini  ? Sammlung von Bildern und Audiodateien

Anmerkungen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Lt. MGG Bd. 15, S. 1000, zur Unsicherheit hinsichtlich des Geburtsdatums und Taufnamens siehe Punkt 1.1.
  2. So beispielsweise Warnecke, S. 36.
  3. Beispielsweise in einem Nachruf der Londoner Musical Times vom 1. August 1889 und Bottesini, Giovanni . In: Encyclopædia Britannica . 11. Auflage. Band   4 : Bish?r?n ? Calgary . London 1910, S.   306 (englisch, Volltext [ Wikisource ]).
  4. Inzaghi, S. 21.
  5. Warnecke, S. 36.
  6. Warnecke identifiziert Cogliati mit einem Familienmitglied, namlich einem Onkel der Mutter Maria Bottesini, wahrend Planyavsky ihn allgemeiner als ?lokale Musikergroße“ bezeichnet.
  7. a b c Warnecke, S. 37.
  8. Zuerst bei Carniti, S. 15 f., zit. nach Inzaghi, S. 21.
  9. Inzaghi, S. 22.
  10. Sowohl Warnecke als auch Planyavsky schreiben den Namen des Geigenbauers durchgehend irrtumlich als ?Testori“.
  11. Nach Planyavsky, S. 274 und der Recherche von Krattenmacher (siehe Weblinks). Aus dieser Darstellung geht nicht hervor, wie hoch dieser Betrag umgerechnet auf die gewonnenen 300 Franc war; ebenso wenig ist klar, welchem Betrag diese Summe in heutiger Wahrung entsprechen wurde. Bottesinis Schilderung legt jedoch nahe, dass er ein außergewohnlich wertvolles (wenn auch in außerlich schlechtem Zustand befindliches) Instrument zu einem geringen Preis erworben hat.
  12. Gegenwartig befindet sich das Instrument im privaten Besitz eines japanischen Sammlers.
  13. Eine Sammlung etlicher weiterer dieser Anekdoten und Schnurren, die fast ausnahmslos voller fehlerhafter oder zumindest sehr unglaubwurdiger Angaben sind, ist online hier zu finden.
  14. A. Carniti: In memoria di Giovanni Bottesini. Crema 1922, eine Gedenkschrift zum 100. Geburtstag des Musikers., zit. nach Planyavsky, S. 273.
  15. Planyavsky, S. 273.
  16. Eduard Hanslick: Aus dem Concert-Saal. Kritiken und Schilderungen aus 20 Jahren des Wiener Musiklebens, 1848/68.
  17. Obwohl das Werk im Titel die italienische Form des Namens Christoph Kolumbus tragt, ist das Libretto in spanischer Sprache verfasst. Der spanische Alternativtitel Colon en Cuba findet sich in der Literatur ebenfalls haufig.
  18. Dieses solistische Intermezzo machte sich der Bassist in spateren Jahren zur Gewohnheit.
  19. Planyavsky, S. 274.
  20. Ein Abriss der turbulenten Entstehungsgeschichte der mexikanischen Hymne findet sich hier , Bottesinis Vorname Giovanni ist dabei stets in das entsprechende Juan hispanisiert.
  21. Nach einigen enttauschenden und finanziell verlustreichen Gastspielen entschied sich Bottesini 1878, uberhaupt nicht mehr in Deutschland aufzutreten. Warnecke fuhrt den ausbleibenden Zuspruch des deutschen Publikums allerdings nicht nur auf verletzte politische Eitelkeiten, sondern auch auf ?die durch Richard Wagner bewirkte gewaltige Umwalzung in der Musik“ zuruck.
  22. a b Cesare Casellato: Artikel Giovanni Bottesini In: MGG, Band 15, S. 1000 f.
  23. Warnecke, S. 40.
  24. Aus einem Brief Rossinis an Bottesini vom 26. September 1866.
  25. Insbesondere nicht die Eroffnung des Sueskanals , die bereits 1869 stattgefunden hatte.
  26. Der italienische Originaltext ist online hier abrufbar, die deutsche Ubersetzung bei Planyavsky, S. 275.
  27. Gemeint ist das Otello -Solo.
  28. Planyavsky, S. 280.
  29. Das von Inzaghi angelegte Werkverzeichnis fuhrt 257 Kompositionen auf, berucksichtigt aber vor allem die in italienischen Sammlungen vertretenen Stucke. Da nicht alle katalogisierten Quellen noch erhalten sind, besteht die Moglichkeit, dass einzelne Werke unter verschiedenen Titeln mehrfach aufgefuhrt sind.
  30. Wahrend seines Aufenthalts in Florenz im Jahre 1863 gehorte Bottesini auch zu den Grundungsmitgliedern der dortigen Societa del Quartetto , die sich besonders der Pflege der deutschen Musik der Wiener Klassik verpflichtet fuhlte.
  31. Slatford, Bd. 3, S. v.
  32. Warneckes Mitteilung, Bottesini habe ?stets auf stark eingeolten Saiten“ (S. 41) gespielt, beruht vermutlich auf fehlerhafter Interpretation des metallischen Glanzes der umsponnenen Seidensaiten. Immerhin zeigt dies, wie ungewohnlich die Verwendung dieses Materials einem deutschen Musiker der Zeit erschienen sein muss: Das Einolen von Darmsaiten ist bis heute gebrauchlich, bei Seide ist das Verfahren dagegen wenig sinnvoll.
  33. Planyavsky, S. 375.