Genossenschaft
oder
Kooperative
(von
Kooperation
) bezeichnet einen Zusammenschluss oder
Verband
von Personen (
naturlichen
oder
juristischen
) zu Zwecken der
Erwerbstatigkeit
oder der wirtschaftlichen oder sozialen Forderung der Mitglieder durch
gemeinschaftlichen
wirtschaftlichen Geschaftsbetrieb
. Die Genossenschaft folgt der
Genossenschaftsidee
mit ihrem Prinzip der ?Hilfe durch Selbsthilfe“. Eine genossenschaftliche Kooperation bietet sich immer dann an, wenn das Verfolgen eines wirtschaftlichen Ziels die Leistungsfahigkeit des Einzelnen ubersteigt, zugleich aber die selbststandige Existenz gewahrt werden soll.
[1]
Anders als bei Kapitalgesellschaften (
AG
,
GmbH
) hangt die Geschaftspolitik nicht von den Interessen außenstehender Investoren ab, sondern wird allein von den Belangen der Mitglieder bestimmt.
[2]
Bei einer Genossenschaft handelt es sich um eine Gesellschaft (juristische Person) des privaten Rechts.
In
Deutschland
ist die Rechtsgrundlage das
Genossenschaftsgesetz
(GenG). Jede Genossenschaft muss demnach uber eine
Satzung
verfugen, welche die gesetzlichen Bestimmungen erganzt und als innere Verfassung einer Genossenschaft gilt, und Mitglied eines
Prufungsverbandes
sein, welcher in regelmaßigen Abstanden die Wirtschaftlichkeit und Rechtmaßigkeit der Genossenschaft uberpruft.
Historisch werden Genossenschaften oftmals mit den Begriffen
Gilde
oder
Zunft
beschrieben. Die moderne Genossenschaftsstruktur geht auf die Sozialreformer
Friedrich Wilhelm Raiffeisen
und
Hermann Schulze-Delitzsch
zuruck, welche Mitte des 19. Jahrhunderts erste Kredit- bzw. Einkaufsgenossenschaften grundeten. Die Genossenschaft ist seit Einfuhrung der
Europaischen Genossenschaft
nicht mehr nur auf wirtschaftliche Aktivitaten beschrankt. In Deutschland existieren insgesamt knapp 8000 Genossenschaften.
[3]
Im
Mittelalter
entwickelten sich Zusammenschlusse fur einen gemeinsamen Zweck (?
Einungen
“). Beispiele sind Beerdigungsgenossenschaften, um den
Genossen
ein angemessenes Begrabnis zu ermoglichen, oder eine Genossenschaft, um einen
Deich
zu erhalten. Im Bergbau bildeten sich die
Knappschaften
heraus (Beispiel
Goslar
). Im
Alpenraum
schlossen sich die Siedler zu ?Alpgenossenschaften“ zusammen, weil Erneuerungen der Alpwirtschaft ein Gemeinwerk erforderten. Die Genossenschaft regelte die
gemeinschaftliche
Nutzung der Weiden und
Alpen
und beschrankten die Veraußerung des Gemeineigentums.
Das moderne Genossenschaftswesen folgte der
Industrialisierung
. Es ist kein Zufall, dass die Geschichte in
Großbritannien
beginnt, denn hier stand auch die Wiege der Industrie und damit der Arbeiterbewegung.
[4]
Als Begrunder der ersten
Genossenschaftsbewegung
gilt der britische Unternehmer
Robert Owen
(1771?1858): 1799 begann er in seiner Baumwollspinnerei in
New Lanark
(
Schottland
) ein Experiment fur menschenwurdigere Arbeits- und Lebensbedingungen. Dadurch angeregt, wurden weitere Genossenschaften gegrundet. Die erste Genossenschaft, die als Modell fur Nachahmer entwickelt wurde, war die
Rochdale Society of Equitable Pioneers
:
1844 grundeten 28 Arbeiter der ansassigen Textilindustrie in Rochdale in Nordengland eine Genossenschaft.
[5]
Durch ihre großere Marktmacht sollte sie niedrigere Preise garantieren. ?Dem Genossenschaftsmodell lagen die Rochdaler Grundsatze der demokratischen Entscheidungen und des Ruckvergutungsprinzips zugrunde“ (Hasselmann 1968).
[6]
Durch
die Kraft der Gemeinschaft
[7]
[8]
werden Einzelne in die Lage versetzt, sich selbst zu helfen, entsprechend dem Motto von Friedrich Wilhelm Raiffeisen ?Was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele“
[9]
.
Im deutschsprachigen Raum schufen zwei Grundervater etwa gleichzeitig und unabhangig voneinander erste Genossenschaftsmodelle. Neu war in Deutschland vor allem der kreditgenossenschaftliche Ansatz. 1847 rief
Friedrich Wilhelm Raiffeisen
(1818?1888) in
Weyerbusch
den ersten wohltatigen Hilfsverein zur Unterstutzung der notleidenden landlichen Bevolkerung ins Leben, den
Weyerbuscher Brodverein
. Er grundete 1852 den ?Heddesdorfer Wohlthatigkeitsverein“,
[10]
aus dem 1864 der ?Heddesdorfer Darlehnskassenverein“ hervorging. 1862 entstand in Anhausen im Westerwald eine Darlehnskasse, die als die erste Genossenschaft im Raiffeisen’schen Sinne gilt (siehe
Raiffeisen
). Anhausen gehorte zur Samtgemeinde (Gemeindeverbund)
Heddesdorf
, dessen Burgermeister Raiffeisen war.
Zur selben Zeit rief Hermann Schulze-Delitzsch (1808?1883) in
Delitzsch
eine Hilfsaktion ins Leben, die den in Not geratenen Handwerkern zugutekam. Nach den Grundsatzen der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung grundete er 1847 die ?Rohstoffassoziation“ fur Tischler und Schuhmacher und 1850 den gemeinnutzigen ?Vorschussverein“. 1849 und 1850 grundeten Burger in
Bad Duben
und
Eilenburg
?Darlehnskassenvereine“. Noch vor Schulze-Delitzsch setzten dessen Initiatoren auf die ?Solidarhaft“ (
Gesamtschuld
). Schulze-Delitzsch wandelte seinen Delitzscher Wohltatigkeitsverein in einen Darlehnskassenverein um. Heute gehort das Geschaftsgebiet der drei altesten sachsischen Kreditgenossenschaften zur Volksbank Delitzsch eG (vergleiche auch die katholische
Darlehnskasse Munster
).
Bereits vor Schulze-Delitzsch und Raiffeisen gab es in Deutschland Genossenschaften und Genossenschaftsbanken. Die alteste bekannte Kreditgenossenschaft der Welt ist die Privatsparkasse zu Lerbach. Sie wurde im spaten 18. Jahrhundert in Lerbach im Harz als Sterbeversicherung von Bergarbeitern gegrundet. 2006 fusionierte die Privatsparkasse und ist heute Teil der
Volksbank
im Harz. Die heute alteste am Standort bestehende Genossenschaftsbank ist die Volksbank Hohenlohe eG.
[11]
Sie wurde 1843 als Privatspar- und Leihkasse in Ohringen gegrundet. Sie gilt als altester Vorlaufer der
Volksbanken
, weil Schulze-Delitzsch sie 1859 auf dem Vereinstag Deutscher Vorschuss- und Kreditvereine in Weimar
[12]
als Genossenschaftsbank seines Modells anerkannte.
[13]
Die Ideen der liberalen Genossenschaftsbewegung beflugelten zunachst die Grundungen zahlreicher gewerblicher Kreditgenossenschaften. In den 1860er Jahren fanden sie große Resonanz in der sich neu grundenden deutschen Arbeiterbewegung, insbesondere
Ferdinand Lassalle
orientierte sich mit seinen
Sozialismusvorstellungen
stark an der Genossenschaftsidee.
[14]
Zu einer großeren Grundungswelle sozialistischer Genossenschaften kam es jedoch erst nach Gesetzesanderungen in den 1890er Jahren. Unter den liberalen als auch zwischen den liberalen und den sozialistischen Genossenschaftsbewegungen kam es zu erheblichen Konflikten, die auch in der Gesetzgebung ihre Spuren hinterließen.
[15]
Etwa gleichzeitig etablierte sich das Genossenschaftsprinzip im Einzelhandel. So schufen im Jahr 1850 Handwerker und Arbeiter wiederum in Eilenburg mit der ?Lebensmittelassociation“ die erste
Konsumgenossenschaft
in Deutschland, deren Tradition bis in die jungste Vergangenheit von der
Konsumgenossenschaft Sachsen Nord
weitergefuhrt wurde. Der
schweizerische
Einzelhandel
wird noch heute von den Genossenschaften
Migros
und
Coop
dominiert. 1948 grundete sich die Schweizer
Selbstfahrergenossenschaft
(SEFAGE) als erstes dokumentiertes
Carsharing
-Unternehmen.
[16]
Die Forderung der Genossenschaften als staatliche Aufgabe wurde in die neuen Landesverfassungen von
Bayern
,
Hessen
, des
Saarlandes
,
Hamburg
und
Bremen
aufgenommen.
[17]
Auch waren die
Wohnungsbaugenossenschaften
bis 1990 durch die
Wohnungsgemeinnutzigkeit
von Steuern befreit und gefordert.
Die große Koalition zwischen
CDU
und
SPD
bezeichnete 2018 in ihrem
Koalitionsvertrag
?…Genossenschaften als nachhaltige und krisenfeste Unternehmensform…“.
[18]
[19]
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In der DDR gab es ebenfalls Genossenschaften. Diese sozialistischen Genossenschaften entsprechen nicht der Definition in der Einleitung des Artikels. Gemeinsam ist ihnen der Name. Die DDR-Fuhrung nutzte die positiv besetzte Vokabel (
Framing
), um die Uberfuhrung von Privatvermogen in Volksvermogen durchzufuhren. Dabei kam es dem Staat nicht darauf an, die Vermogenswerte zu ubernehmen, um sie zu veraußern. Es reichte zunachst, dass Grundstucke, Betriebe und Vermogenswerte der privaten Verfugungsgewalt der Privateigentumer entzogen wurden. Die Entscheidungen uber die Verwendung von Flachen erfolgte nach planwirtschaftlichen Erfordernissen.
Formal waren die Genossen Anteilseigner. Es gab keine juristisch fairen Genossenschaftsversammlungen, auf der die Mitglieder Rechte durchsetzen konnten. Der Einfluss der Genossen auf die Fuhrung insbesondere in den LPG war nicht gegeben. Es gab auch keine Gewinnausschuttungen auf Basis der Anteile im Sinne einer Dividende, uber die abgestimmt worden ware. Soweit es einzelnen Genossenschaftstypen, wie den
PGH
, gelang, erfolgreicher als die sozialistischen Genossenschaften zu wirtschaften, wurde die Gesetzgebung regelmaßig geandert, um die Probleme der sozialistischen Genossenschaften nicht noch deutlicher sichtbar werden zu lassen.
In der
Sowjetischen Besatzungszone
wurde die Neu- bzw. Wiedergrundung von Genossenschaften durch Befehle der
Sowjetischen Militaradministration in Deutschland
(SMAD) geregelt. Mit dem Befehl 146 vom 20. November 1945 wurde den
Landlichen Raiffeisengenossenschaften
die Wiederaufnahme der Tatigkeit gestattet. Diese wurden 1949 in ?Landwirtschaftliche Dorfgenossenschaften“ umgewandelt. Parallel dazu entstand die
Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe
(VdGB), welche 1950 mit den Landwirtschaftlichen Dorfgenossenschaften zu einer
Massenorganisation
vereinigt wurde. Ab 1952 wurden
Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften
(LPG) errichtet.
Die Wiedererrichtung der bis 1935 aufgelosten
Konsumgenossenschaften
wurde durch den Befehl Nr. 176 vom 18. Dezember 1945 angeordnet. Der Befehl sah gleichzeitig vor, dass den neuen Genossenschaften das Altvermogen der liquidierten Konsumgenossenschaften zu ubertragen war. Die Wiederaufnahme der Geschaftstatigkeit von Genossenschaftsbanken ?zum Zwecke der beschleunigten Entwicklung der gewerblichen Erzeugung“ wurde mit Befehl 14 vom 15. Januar 1946 gestattet.
[20]
Die
Verfassung der DDR
legte in ihrer Fassung vom 7. Oktober 1949
[21]
hinsichtlich der Rolle der Genossenschaften in der Wirtschaftsordnung im Artikel 27 Absatz 4 fest: ?Die Konsum-, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie die landwirtschaftlichen Genossenschaften und deren Vereinigungen sind unter Berucksichtigung ihrer Verfassung und Eigenart in die Gemeinwirtschaft einzugliedern.“
Im Bereich der Wohnungswirtschaft kam es zu unterschiedlichen Entwicklungen. Am 10. Dezember 1953 beschloss der
Ministerrat der DDR
die ?Verordnung uber die weitere Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter und der Rechte der Gewerkschaften“ uber die
Zulassung der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften als freiwilliger Zusammenschluss von Arbeitern, Angestellten und Angehorigen der Intelligenz zum genossenschaftlichen Bau und Erhalt von Wohnungen
. Im Rahmen der staatlichen Wohnungspolitik wurden sie unter anderem mit zinslosen Krediten von der Staatsbank gefordert. Die noch aus der Zeit vor 1945 bestehenden gemeinnutzigen Wohnungsgenossenschaften wurden in der DDR erst 1957 revitalisiert und in Gemeinnutzige sozialistische Wohnungsbaugenossenschaften (GWG) umgestaltet. In Berlin kam es wegen der Teilung der Stadt und abweichender rechtlicher Zustandigkeit teilweise zur staatlichen bzw. juristischen Zwangsverwaltung von genossenschaftlichem Eigentum. Im Unterschied zu den AWG war die Mitgliedschaft bei den GWG nicht an einen bestimmten Arbeitgeber gebunden. Gemeinsam war beiden Formen hingegen, dass die Mitglieder fur den Bau von Genossenschaftswohnungen praktische Arbeitsleistungen erbringen mussten ? entweder am Objekt selbst oder allgemein im Baugewerbe. Diese Leistungen wurden erst ab den 1970er Jahren mit der zunehmenden Mechanisierung des Baugeschehens und der Einfuhrung der Plattenbauweise nach und nach durch die Zahlung von Anteilen durch die Genossenschaftsmitglieder ersetzt. Bis 1988 stieg der genossenschaftliche Wohnungsbestand in der DDR auf ca. 1 Million.
[20]
Als
Wirtschaftsunternehmen
unterlagen die Genossenschaften der staatlichen Kontrolle und Einflussnahme. Ihre Rolle wurde beispielsweise wie folgt definiert:
- ?Organisationsform des freiwilligen, gleichberechtigten Zusammenschlusses einer bestimmten Gruppe von Menschen zur Wahrnehmung spezifisch okonomischer Interessen die vorwiegend in der Produktions- (Produktionsgenossenschaft) und Zirkulationssphare (Verbrauchergenossenschaft). Grundlage der Genossenschaft ist das genossenschaftliche Eigentum. Genossenschaften sind kollektive Einrichtungen. Sie tragen begrenzten, auf Kollektive ausgerichteten Charakter und konnen nicht einzige okonomische Grundlage einer Gesellschaftsordnung sein; sie konnen aber die okonomische Basis fur eine Klasse innerhalb der Gesellschaft bilden. Der Charakter einer Genossenschaft wird stets von den herrschenden Produktionsverhaltnissen bestimmt.“
[22]
(Quelle: BI-Universallexikon A?Z,
Bibliographischen Institut Leipzig
(Hg.) 1989)
Weiterhin gab es in der DDR
Produktionsgenossenschaften des Handwerks
(PGH),
Gartnerische Produktionsgenossenschaften
(GPG),
Produktionsgenossenschaften der Binnenfischer (PGB)
und
Fischereiproduktionsgenossenschaften der See- und Kustenfischer (FPG)
.
Der Internationale Genossenschaftstag (
International Cooperative Day
) wird seit 1923 durch die
International Co-operative Alliance
gefeiert und findet alljahrlich am ersten Samstag im Juli statt. Er soll das Bewusstsein fur Genossenschaften scharfen und internationale
Solidaritat
,
okonomische Effizienz
,
Gleichheit
und
Weltfrieden
als Erfolge und Ideale der Genossenschaftsbewegung feiern und fordern. Er soll zudem die Zusammenarbeit zwischen der internationalen Genossenschaftsbewegung und der Gesellschaft auf allen Ebenen fordern.
[23]
Seit 1917 existiert in Großbritannien die
Co-operative Party
, die sich explizit genossenschaftlichen Prinzipien und einer Forderung entsprechenden Wirtschaftens verschreibt.
Im Jahr 1992 wurde der erste Samstag des Juli 1995 von den
Vereinten Nationen
als der
United Nations International Day of Cooperatives
?UN Internationaler Tag der Genossenschaften‘ ausgerufen, der seitdem weltweit jahrlich an diesem Tag gefeiert wird. Der Tag verweist auf den gemeinsamen Beitrag der Genossenschaftsbewegung zusammen mit den Vereinten Nationen zur Losung globaler Fragen. Er soll, laut der 1995 von den Vereinten Nationen aufgestellten Zielsetzung, das Bewusstsein fur Genossenschaften scharfen, auf die gegenseitige Erganzung und Gemeinsamkeiten der Ziele der Genossenschaftsbewegung und der Vereinten Nationen hinweisen und den Beitrag der Genossenschaften zur Losung der durch die Vereinten Nationen zur Sprache gebrachten Themen unterstreichen. Er soll zudem, wie bereits der
International Cooperative Day
, auch die Zusammenarbeit zwischen der internationalen Genossenschaftsbewegung und der Gesellschaft fordern.
[24]
Das Jahr 2012 wurde von den Vereinten Nationen zum
Jahr der Genossenschaften
erklart;
[25]
2025 wurde ebenfalls den Genossenschaften gewidmet.
[26]
Weltweit sind mindestens 700 Millionen Mitglieder an Genossenschaften beteiligt und in der
International Co-operative Alliance
(ICA) organisiert. Genossenschaften sind Wertegemeinschaften, die in der Regel Ziele verfolgen, die uber reine Wirtschaftsbetriebe hinausgehen. Die ICA beschreibt als grundlegende Werte die Selbsthilfe, Selbstverantwortung, Demokratie, Gleichheit,
Billigkeit
und Solidaritat. In Tradition ihrer Grunder vertrauen Genossenschaftsmitglieder auf die ethischen Werte Ehrlichkeit, Offenheit, Sozialverantwortlichkeit und Interesse an anderen Menschen, festgeschrieben im
Statement on the Co-operative Identity
. Es enthalt die sieben Grundsatze einer Genossenschaft, in der Art einer
Corporate Identity
:
[27]
[28]
In den
Wirtschaftswissenschaften
wird traditionell zwischen Fordergenossenschaften und Produktionsgenossenschaften unterschieden.
- Die
Fordergenossenschaften
sind als
Beschaffungs
- und
Verwertungsgenossenschaft
ein Gemeinschaftsunternehmen der Mitglieder, das Mittel zum Zweck der Erfullung bestimmter Funktionen fur die Tragerwirtschaften (private Haushalte, Unternehmen) darstellt. Die Mitglieder sind zugleich Nutzer der kooperationsbetrieblichen Leistungen (Abnehmer, Lieferant), Miteigentumer (Trager von Willensbildung und Kontrolle), sowie Kapitalgeber.
- Dagegen ist bei einer
Produktivgenossenschaft
ein Unternehmen in die Genossenschaft hineingelegt, das fur die Mitglieder als Erwerbsquelle dient. Hier liegt Identitat von Mitglied und Arbeitnehmer der Genossenschaft vor.
In modernen
Volkswirtschaften
waren und sind in jungerer Zeit
Neugrundungen
von Genossenschaften in klassischen, vor allem aber in innovativen und/oder ?alternativen“ Bereichen zu verzeichnen.
Im Februar 2004 hat die Kommission der
Europaischen Union
eine Mitteilung an den Rat, das Europaische Parlament, den Europaischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen
Uber die Forderung der Genossenschaften in Europa
veroffentlicht, in dem festgestellt wird, dass es in Europa einschließlich Beitrittslandern mehr als 300.000 Genossenschaften mit mehr als 140 Millionen Mitgliedern gibt.
[29]
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Seit August 2006 besteht in der Europaischen Union die Moglichkeit, fur genossenschaftliche Aktivitaten die Rechtsform der
Europaischen Genossenschaft
zu wahlen. Dies soll die Organisation solcher Unternehmen auf europaischer Ebene erleichtern und stellt damit einen weiteren Schritt zur Verbesserung des
Binnenmarkts
dar.
Die großte europaische Genossenschaft ist die
Mondragon Corporacion Cooperativa
in
Spanien
, zu der Unternehmen verschiedener Sektoren wie Maschinenbau, Automobilindustrie, Haushaltsgerate, Bauindustrie, Einzelhandel (Supermarktketten), Banken und Versicherungen gehoren.
In
Italien
besteht die Rechtsform der Sozialgenossenschaft, beispielsweise seit 2002 fur das
Haus der Solidaritat Onlus
; die
Sudtiroler Bauerinnenorganisation
grundete 2006 eine eigene Sozialgenossenschaft fur Bauerinnen. Die Idee wird unter verschiedenen Begriffen wie
Agricoltura civica
,
Agricoltura civile
oder
Agricoltura sociale
propagiert und hat als zentrales Thema die
Solidarische Landwirtschaft
.
Rechtliche Grundlage ist das
Genossenschaftsgesetz
vom 20. Mai 1889.
[30]
Oberste Leitmaxime ist die gesetzlich vorgegebene Forderung der Mitglieder, die primar uber Leistungsbeziehungen zwischen den Mitgliederwirtschaften (private Haushalte, Betriebe) und dem
Gemeinschaftsunternehmen
erfolgen soll. Insofern verfolgen Genossenschaften vorrangig
okonomische
Zwecke. Wesensmerkmale, die den Kern der Genossenschaftsidentitat bilden, sind neben dem Forderungsprinzip die Grundsatze der Selbsthilfe, der Selbstverantwortung, der
Selbstverwaltung
und das Identitatsprinzip. Letzteres besagt, dass die Miteigentumer/Trager zugleich Geschaftspartner (Abnehmer, Lieferant) und Eigenkapitalgeber sind (Dreifachbeziehung).
Wahrend die tragerschaftliche und die Leistungsbeziehung zur Genossenschaft dem Freiwilligkeitsprinzip unterliegen, ist die Kapitalbeteiligung eine obligatorische Folge aus dem Mitgliedschaftserwerb. Das zentrale Anliegen von Genossenschaften ist es, gemeinsame
wirtschaftliche
,
soziale
und
kulturelle
Bedurfnisse zu befriedigen.
2004 gab es in Deutschland 5470 eingetragene Genossenschaften, 2015 waren es etwa 7600 mit rund 20 Millionen Mitgliedern. Die uberwiegende Anzahl der Genossenschaftsmitglieder sind solche von genossenschaftlichen Banken und Wohnungsbaugenossenschaften.
[31]
In Deutschland gab es Ende 2013 uber 2000 Wohnungsbaugenossenschaften, die uber zwei Millionen Wohnungen verwalten und mehr als drei Millionen Mitglieder haben.
[32]
In Deutschland ist die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft (kurz ?e. G.“ oder ?eG“; bis Ende 1973
eGmbH
fur
Eingetragene Genossenschaft mit beschrankter Haftpflicht
und
eGmuH
fur
Eingetragene Genossenschaft mit unbeschrankter Haftpflicht
) steuerrechtlich und sozialpolitisch relevant. Nicht eingetragene Genossenschaften werden nach dem
Duden
mit ?Gen.“ abgekurzt.
Eine Genossenschaft ist in mancher Hinsicht einem
eingetragenen Verein
(e. V.) ahnlich. Zu beachten ist, dass das gesetzliche Leitbild eines Vereins der ?nicht wirtschaftliche Verein“ (
§ 21
BGB) ist, also nicht auf wirtschaftlichen Geschaftsbetrieb ausgelegt ist. Der wirtschaftliche Verein kann nur durch staatliche Verleihung seine Rechtsfahigkeit erlangen (
§ 22
BGB). Da dies aber selten vorkommt, kann die Genossenschaft als eine Sonderform oder Weiterentwicklung des wirtschaftlichen Vereins betrachtet werden. Tatsachlich mutet die eG wie eine Mischung aus
Kapitalgesellschaft
und Verein an. So konnen Mitglieder der Genossenschaft gemaß
§ 43
GenG mehrere Stimmen haben, wenn sie ?den Geschaftsbetrieb besonders fordern“. Dies muss aber in der Satzung festgelegt werden.
Der Zweck der Genossenschaft ist es, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder, oder deren soziale oder kulturelle Belange durch den gemeinsamen Geschaftsbetrieb zu fordern (
§ 1
GenG). Die eingetragene Genossenschaft ist eine juristische Person und nach
§ 17
GenG
Formkaufmann
. Das bedeutet, dass die eG aufgrund der gewahlten Gesellschaftsform automatisch
Kaufmann im Sinne des Handelsrechts
ist.
Eine Besonderheit ist die Moglichkeit, die Mitgliederhaftung auf die Hohe des Genossenschaftsanteils zu beschranken. Die Mitglieder der eG haften dann nur mit ihrem gezeichneten Anteil. Die Genossenschaft haftet indessen mit ihrem gesamten Geschaftsvermogen. Die Satzung der eG muss jedoch dazu bestimmen, dass die
Nachschusspflicht
der Mitglieder ? zum Beispiel im Falle einer
Insolvenz
? ausgeschlossen wird.
Eine eG muss Mitglied in einem
Prufungsverband
sein; eine der Dachorganisationen ist der
Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband
(DGRV). Der Prufungsverband nimmt Kontroll- und Aufsichtsrechte gegenuber der eG wahr. Fur die gesetzlich vorgeschriebene Mitgliedschaft sowie fur die zumeist jahrliche Prufung entstehen den Genossenschaften Kosten, die fur neue und kleine Genossenschaften eine finanzielle Belastung darstellen konnen.
In verschiedenen Bereichen der Wirtschaft gibt es Genossenschaften, beispielsweise die Registrierungsstelle der de-Domains (
DENIC
), sowie die
DATEV
eG der Steuerberater und die
Verlagsgenossenschaft der
Tageszeitung
(taz)
.
?Die Genossenschaft als Rechtsform ist urdemokratisch.“
Eine eG muss aus mindestens drei Mitgliedern bestehen (
§ 4
GenG). Sie muss uber eine
Satzung
in Schriftform mit gesetzlich vorgeschriebenem Mindestinhalt verfugen (
§ 6
ff. GenG). Die Genossenschaft ist, nachdem ein Gutachten durch den
Prufungsverband
erstellt wurde, in das
Genossenschaftsregister
des zustandigen
Amtsgerichts
(
Registergericht
) einzutragen.
Gremien einer Genossenschaft sind der Vorstand, der Aufsichtsrat und entweder die Generalversammlung oder je nach Mitgliederzahl optional bzw. verpflichtend die Vertreterversammlung. Es mussen mindestens zwei Vorstandsmitglieder (
§ 24
GenG) und drei Aufsichtsratsmitglieder (
§ 36
GenG) gewahlt werden. Bei Genossenschaften mit nicht mehr als 20 Mitgliedern kann der Vorstand aus nur einem Mitglied bestehen und es kann auf einen Aufsichtsrat verzichtet werden. In diesem Fall nimmt die Generalversammlung die Aufgaben des Aufsichtsrats wahr.
In der Generalversammlung oder der Vertreterversammlung werden die grundlegenden Entscheidungen getroffen. Im Unterschied zu anderen Wirtschaftsgemeinschaften, beispielsweise zur
Aktiengesellschaft
, hat bei der Genossenschaft jedes Mitglied die gleiche Stimme. Sie hangt nicht von der Hohe der Kapitaleinlage ab.
[34]
Bei den
Genossenschaftsbanken
,
Wohnungsbaugenossenschaften
und
Konsumgenossenschaften
sind die
ordentlichen Genossenschaftsmitglieder
zugleich Kunden bzw. Mieter (Wohnungsnutzer). Seit 2006 gibt es zudem
investierende Genossenschaftsmitglieder
, die nicht den Forderzweck nutzen. Bei den Handelsgenossenschaften, den landwirtschaftlichen Genossenschaften und Handwerkergenossenschaften hingegen sind die Mitglieder (als Einzelhandler, Landwirte, Handwerker) Voll- oder Teilzeitunternehmer.
Im deutschsprachigen und mitteleuropaischen Raum finden sich Genossenschaften vor allem in folgenden Bereichen, hier einige Beispiele:
- Einzelhandel
? traditionsreiche
Konsumgenossenschaften
wie
coop eG
oder
Migros
;
Weltladen Betreiber eG
- Großhandel
? Genossenschaften in den Gruppen
Edeka
und
Rewe
,
MEGA eG
- Einkaufsgenossenschaften
?
Euronics
(Unterhaltungselektronik),
Genossenschaft Deutscher Brunnen
,
OSADL
(Open-Source-Wirtschaft),
Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft
- Onlineversandhandel
?
Fairmondo
- Genossenschaftsbanken
?
Raiffeisenbanken
, Volksbanken,
Sparda Banken
,
PSD Banken
,
GLS Bank
- Wohnungsbau
?
Wohnungsbaugenossenschaften
spielen bis heute eine tragende Rolle bei der Sicherung preiswerten Wohnraums in Stadten und im Stadtebau, daneben auch reine Baugenossenschaften wie
TRNSFRM eG
- Landwirtschaft
? Raiffeisen, Molkereien, Zuckerindustrie (
Sudzucker
),
Winzergenossenschaften
, vereinzelt auch Kommunen
- Lebensmittelherstellung
?
Scop TI
(Teeherstellung),
Westfleisch SCE
(Fleischindustrie)
- Energieversorgungsunternehmen
?
Green Planet Energy
(fruher
Greenpeace Energy
),
Burgerwerke
,
Prokon
(Windenergie)
- Warmenetzbetrieb und -versorgung
?
Boben Op Nahwarme eG
- Gesundheitswesen
?
Arztegenossenschaften
, Patientengenossenschaften (wie
Assistenzgenossenschaften
),
Krankenhaus Salzhausen
(einziges genossenschaftlich gefuhrtes Krankenhaus in Deutschland)
- Notfallmedizin
?
HonMed eG
(Heilbronn)
- Mediengenossenschaft
und
Journalismus
?
die Tageszeitung
(taz)
,
nd-aktuell
,
junge Welt
,
Krautreporter
,
RiffReporter
,
Maximum Fun
(
Podcasts
)
- Dienstleistungsgenossenschaften
?
DENIC eG
(zentrale Registrierungsstelle fur die Top-Level-Domain ?.de“),
DATEV eG
(IT-Dienstleister, Nurnberg),
Wigwam eG
(
Public Relations
und
Kommunikationsdesign
),
Sustainable Natives
(
Unternehmensberatung
),
ctrl.alt.coop
und
netz.coop
(beide
Softwareentwicklung
),
Verbund der Fairsicherungsladen eG
(
Versicherungsmakler
)
- Kleingewerbe
?
Einzelhandel
,
Gastronomie
,
Kulturzentren
- Verlagsbuchhandel ?
Buchergilde
,
Mandelbaum Verlag
- Forstwirtschaft
?
Hauberggenossenschaft
,
Murgschifferschaft
- Architekten
?
qbatur Planungsgenossenschaft eG
- Beteiligungsgesellschaft
? eG unterliegen nicht der Prospektpflicht nach dem Verkaufsprospektgesetz, deshalb wurde diese Gesellschaftsform von einigen Anbietern ?wiederentdeckt“ (etwa fur
Burgerenergiegenossenschaften
), weil sich Prospekterstellung fur kleine Projekte finanziell nicht rechnet
- Schule
und
Hochschule
?
Eichenschule Scheeßel
,
Egas Moniz School of Health & Science
(CESPU)
- Schulergenossenschaften
? In Schulfachern oder Arbeitsgemeinschaften gegrundete Firmen von Schulkindern und Jugendlichen, die zur Vermittlung von Wirtschaftskenntnissen und Umsetzung eigener Projekte dienen
- Bibliothek
?
Peter-Sodann-Bibliothek eG
- Logistik
?
Fahrwerk Berlin, CROW
(Kurierdienste)
- Schienenverkehr
?
RailCoop
(Frankreich),
Fair-Train eG
(gewerkschaftsnahe Genossenschaft der
GDL
)
- Plattform-Unternehmen
?
CoopCycle
(
Foderation mit Essenslieferplattform fur lokale Kooperativen
),
FairBnB
(
Ferienwohnungen
),
WeChange eG
(
Social Media
/
Telearbeit
),
Vianova eG
(
Car-
/
Bikesharing
-Software)
- Solidargemeinschaften von
Selbststandigen
?
Smart eG
,
WTF Kooperative eG
- Telekommunikation
?
TeleCoop
(Frankreich),
Hostsharing
- Products-as-a-Service (PaaS) ?
CommOwn
(
Unterhaltungselektronik
),
StattAuto eG
Kiel/Lubeck,
Car&Ridesharing Community eG
(beide
Carsharing
),
Read-Coop SCE
(automatische Handschriftenerkennung)
- Offentliche
Daseinsvorsorge
und
Verwaltung
?
govdigital eG
(offentliche Verwaltungsdigitalisierung und IT-Losungen), HIS
Hochschul-Informations-System eG
(
Learning-Management-Systeme
, Softwareintegration fur Hochschulen)
- Social Payment
?
Comradery.co
- Datenokonomie
?
Posmo
(Mobilitatsdaten),
PolyPoly SCE
(Online-Nutzerdaten,
Edge Computing
)
- Ingenieurwesen
?
Komelio eG
(Konstruktion,
Anlagenbau
),
oose eG
(
Systems Engineering
, Ingenieurbildung)
- ansatzweise auch im
Handwerk
Fur Kreditgenossenschaften (
Genossenschaftsbanken
) gilt neben dem Genossenschaftsgesetz das
Kreditwesengesetz
(KWG). Zudem unterliegen sie der
Bankenaufsicht
durch die
Deutsche Bundesbank
und die
Bundesanstalt fur Finanzdienstleistungsaufsicht
(BaFin).
Zur Durchfuhrung ihrer Aufgaben und zur Vermeidung der Einfuhrung einer staatlichen Aufsicht schlossen sich einzelne Genossenschaften schon fruh zu Genossenschaftsverbanden zusammen. Heute ist die Mitgliedschaft in einem solchen
Verband
Pflicht. Die
Verbande
sollen die Rechtsform eines eingetragenen Vereins haben.
[35]
Aufgabe der Verbande ist es, die angeschlossenen Genossenschaften in rechtlichen, steuerlichen sowie betriebswirtschaftlichen Fragen zu beraten und zu betreuen. Sie fuhren die genossenschaftliche Pflichtprufung durch und bieten ihren Mitgliedsunternehmen weitere Dienstleistungen an. Im Wohnungsbau haben die offentlichen und die genossenschaftlichen Wohnungsbauunternehmen gemeinsame Verbande, die auch die Wirtschaftsprufung der Wohnungsbaugenossenschaften ubernehmen.
Fur Genossenschaften, deren Bilanzsumme unter einer Million Euro betragt, hat der Gesetzgeber vor einigen Jahren Vereinfachungen eingefuhrt. Sie mussen ihren Jahresabschluss nicht jedes Jahr, sondern nur alle zwei Jahre prufen lassen.
[36]
Diese Ausnahme gilt abweichend auch fur solche Genossenschaften, deren Umsatz weniger als zwei Millionen Euro im Geschaftsjahr betragt.
Erst, wenn die Bilanzsumme 1,5 Millionen Euro und die Umsatzerlose den Betrag von drei Millionen Euro ubersteigt, erstreckt sich die Pflichtprufung auch auf den Jahresabschluss unter Einbeziehung der Buchfuhrung und soweit erforderlich des Lageberichtes.
[37]
Innerhalb dieser Prufung ist der Genossenschaftsverband auch verpflichtet, zu uberprufen, ob die Bestimmungen der Satzung beachtet worden sind.
[38]
In verschiedenen Bereichen existieren Organisationen, die ahnlich wie eine Genossenschaft organisiert sind und teilweise auch als ?Genossenschaft“ bezeichnet werden. Manchmal sind alle Grundeigentumer eines bestimmten Gebietes zwangsweise Mitglied. Hierzu gehoren z. B. die
Jagdgenossenschaften
,
Deichverbande
und
Realgemeinden
. Die
Emschergenossenschaft
ist eine
Korperschaft des offentlichen Rechts
auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft.
Zwangsmitgliedschaft pragt auch die
Berufsgenossenschaften
(als Trager der gesetzlichen Unfallversicherung), deren Mitgliedschaft alle Unternehmen nach festgelegter Branchenzuteilung haben mussen. Diese Zwangsgenossenschaften haben jedoch nicht alle eine Rechtsform gemaß dem Genossenschaftsgesetz.
Angestoßen durch das
Erneuerbare-Energien-Gesetz
erlebten Energiegenossenschaften seit Anfang der 2000er Jahre einen Aufschwung: Mehr als die Halfte aller Genossenschafts-Neugrundungen findet derzeit im Bereich Energie, Umwelt, Wasser statt. Mehr als 150 Energiegenossenschaften wurden allein im Jahr 2011 gegrundet.
[39]
Von 2008 bis 2011 hat sich die Anzahl von Energiegenossenschaften mit erneuerbaren Energien vervierfacht. Regional gibt es die meisten Burgerenergiegenossenschaften in den großen
Flachenlandern
Bayern
,
Baden-Wurttemberg
und
Niedersachsen
;
[40]
derzeit halten mehr als 80.000 Personen in Deutschland Anteile an neuen Energiegenossenschaften. Uber 500 in den letzten Jahren neu gegrundete Energiegenossenschaften haben zusammen rund 800 Millionen Euro in erneuerbare Energien investiert.
[41]
[42]
Ende September 2013 rief der neue
niederlandische
Konig
Willem-Alexander
im Rahmen seiner ersten
Thronrede
fur sein Land den ?Ubergang vom
Sozial
- zum
Partizipationsstaat
“ aus. Dort wie auch in Deutschland wird angesichts der
demographischen
Herausforderung einer immer alter- und damit pflegebedurftiger werdenden Gesellschaft, sowie der finanziellen und personellen Schwierigkeit zur Sicherstellung einer menschenwurdigen Pflege die Grundung von Pflegegenossenschaften als (preiswerte) Alternative in Selbsthilfe angesehen.
[43]
[44]
[45]
Auch fur die im Pflegebereich beruflich Tatigen ist diese Organisationsform eine mogliche Alternative ? entsprechend den uber 50 deutschen
Arztegenossenschaften
mit uber 10.000 Mitgliedern.
[46]
[47]
Eine
Sozialgenossenschaft
ist eine Form der organisierten Selbsthilfe, um ein Projekt durchzufuhren, das ein
gesellschaftliches
Bedurfnis beantwortet. Sozialgenossenschaften erganzen unter anderem die Strukturen der
Wohlfahrtspflege
und bieten Unterstutzung an, um beispielsweise
Mehrgenerationen
-Strukturen zu erhalten,
Familien
im
Alltag
zu helfen oder Menschen mit
Behinderung
ein selbstbestimmtes Leben zu ermoglichen.
[48]
Das
Bayerische Sozialministerium
grundete im Jahr 2012 die
Zukunftsinitiative Sozialgenossenschaften
, um den Aufbau von Sozialgenossenschaften zu fordern. Fur modellhafte Sozialgenossenschaften werden Anschubfinanzierung angeboten.
[49]
Plattformgenossenschaften werden seit etwa 2016 als Alternative zu rein gewinnorientierten Unternehmen der
Gig Economy
,
Plattformwirtschaft
und der
sozialen Medien
diskutiert.
[50]
Mittlerweile existieren diverse Plattformgenossenschaften und ein verbandsahnliches Netzwerk im deutschsprachigen Raum.
[51]
[52]
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Gewerbliche Genossenschaft
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Zweck einer Genossenschaft ist die Forderung der Wirtschaftlichkeit ihrer Mitglieder. Forderung und Erfullung des Forderzweckes ist ein unabdingbarer Auftrag. Der verfolgte Zweck der Genossenschaft ist im Sinne des Genossenschaftsgesetzes erfullt, wenn fur die Mitglieder im weitesten Sinne wirtschaftliche und/oder soziale Leistungen zur Forderung ihrer Mitglieder erbracht werden. Diesem Grundauftrag entsprechend, hat die Genossenschaft in Abstimmung mit ihren Mitgliedern ? unter Ausnutzung aller verbundwirtschaftlichen Vorteile ? unternehmerisch und marktgestaltend zu handeln, um dem Mitglied optimale Leistungen bieten zu konnen.
Die Besonderheit der Genossenschaft gegenuber anderen Rechtsformen (z. B. der
GmbH
) liegt darin, dass sie die erwirtschafteten Leistungen an ihre Mitglieder weitergibt. Das Streben nach Gewinn kollidiert solange nicht mit dem Forderauftrag, als die Gewinne nicht um ihrer selbst willen, sondern als Mittel zur Forderung der Mitglieder benutzt werden.
Anders ausgedruckt, Gewinnstreben ist kein Selbstzweck einer Genossenschaft. Die Nichtausschuttung von erwirtschafteten Gewinnen erfolgt nur so weit, als dies die Finanzierung notwendiger Investitionen (materieller und immaterieller) zur Absicherung des Betriebes der Genossenschaft erfordert, mit dem Ziel, den Mitgliedern der Genossenschaft langfristig Vorteile zu bieten.
Die pflichtgemaß oder freiwillig mehr gezeichneten Geschaftsanteile der Mitglieder bilden den Gesamtnennbetrag der Geschaftsanteile der Genossenschaft. Das Nominale eines Geschaftsanteils sowie die Anzahl der pflichtgemaßen Geschaftsanteile werden in der Satzung bestimmt. Sie sind nach Art und Umfang der geschaftlichen Tatigkeit der Genossenschaft und der daraus resultierenden Risiken festzusetzen. Es ist dabei auf die notwendige Kapitalausstattung sowie die voraussichtliche Mitgliederanzahl der Genossenschaft Bedacht zu nehmen.
Angesichts der gesetzlichen Verpflichtungen und der besonderen Bedeutung als Kontroll- und Fuhrungsinstrument ist die Einrichtung eines zeitnahen, vollstandigen und damit aussagefahigen Rechnungswesens unerlasslich. Dieses ist mit besonderer Sorgfalt zu organisieren. Genossenschaften, die aufsichtsratspflichtig sind (d. h., dauernd mindestens 40 Dienstnehmer beschaftigen), sind daruber hinaus gesetzlich verpflichtet, ein den Anforderungen des Unternehmens entsprechendes IKS (internes Kontrollsystem) zu etablieren. Bei Genossenschaften hangt die Rechnungslegungspflicht von der Hohe der Umsatzerlose ab. Gewerbliche Genossenschaften, deren Umsatzerlose (entsprechend den Bestimmungen des UGB) unter € 700.000 betragen, sind nicht rechnungslegungspflichtig (d. h., es ware keine doppelte Buchhaltung notwendig und kein Jahresabschluss und kein Bericht des Vorstands zu erstellen). Unabhangig von den UGB Bestimmungen sind jedoch sondergesetzliche Regelungen uber die Rechnungslegungspflicht ? wie z. B. jene im Genossenschaftsgesetz ? vorrangig anzusetzen. Die Satzung kann strengere Vorschriften bezuglich der Rechnungslegung der Genossenschaft enthalten und damit auch festlegen, dass ? unabhangig von der Große ? jedenfalls ein Jahresabschluss aufzustellen ist. Fur alle Genossenschaften ab einer Umsatzgroße von € 700.000 gelten jedenfalls die allgemeinen Grundsatze des UGB uber Ansatzvorschriften, Bewertungsvorschriften und Erstellung des Jahresabschlusses. Daruber hinaus ist ein Bericht des Vorstands bzw. Lagebericht zu erstellen. Fur Genossenschaften, die mindestens zwei Merkmale der in § 221 Abs. 1 UGB bezeichneten Merkmale uberschreiten (das sind € 4,84 Mio. Bilanzsumme, € 9,68 Mio. Umsatzerlose in den zwolf Monaten vor dem Abschlussstichtag sowie die Beschaftigung von 50 Arbeitnehmern im Jahresdurchschnitt) gelten die erganzenden Vorschriften des zweiten Abschnitts des dritten Buchs des UGB.
- Genossenschaften haben keine Kapitalverkehrsteuer bei der Kapitalzeichnung zu entrichten. Die Genossenschaft unterliegt zwar der Korperschaftsteuer, es gibt jedoch keine Mindestkorperschaftsteuer.
- Fur Tatigkeiten, die der Gewerbeordnung unterliegen, bedarf die Genossenschaft der hierfur jeweils erforderlichen Gewerbeberechtigungen. Gewerberechtlicher Geschaftsfuhrer in einer Genossenschaft kann ein Vorstandsmitglied oder ein Mitarbeiter gemaß den Bestimmungen des § 39 GewO sein.
- Falls die Genossenschaft Marken erwerben will, muss eine sogenannte Ahnlichkeitsprufung beantragt werden. Die Ahnlichkeitsprufung erstreckt sich darauf, ob eine derartige oder ahnliche Marke bereits geschutzt ist.
Genossenschaften sind Vereinigungen von einer nicht eingeschrankten Mitgliederzahl und verandern sich durch Beitritt oder Ausscheiden ohne rechtliche Auswirkung auf den Bestand der Genossenschaft. Die Mitglieder sind naturliche oder juristische Personen sowie unternehmerisch tatige, eingetragene Personengesellschaften, die zumeist einem bestimmten Berufs- oder Geschaftszweig angehoren. Von den Genossenschaftsgrundern wird die Mitgliedschaft bereits durch Unterfertigung der Genossenschaftssatzung erworben; nach der Grundung entsteht sie durch schriftliche Beitrittserklarung und Aufnahmebeschluss des in der Satzung hierfur vorgesehenen Organs. Die Aufnahme in die Genossenschaft ist nicht erzwingbar.
Beendet wird die Mitgliedschaft durch Tod des Mitglieds ? sofern die Satzung keine Fortsetzung durch die Erben vorsieht; daruber hinaus durch Austritt, der vom Mitglied mittels Kundigung unter Einhaltung der satzungsmaßigen Kundigungsfrist zu erklaren ist, sowie durch Ausschließung des Mitglieds aus einem in der Satzung hierfur festgelegten Grund sowie durch Ubertragung des Geschaftsguthabens auf ein anderes (neues) Mitglied. Bei juristischen Personen sowie unternehmerisch tatigen, eingetragenen Personengesellschaften kann die Satzung die Beendigung einer Mitgliedschaft vorsehen, wenn diese aufgelost werden.
Die Mitgliedschaft endet bei Ubertragung des Geschaftsguthabens (= aller gezeichneten Geschaftsanteile) zum Zeitpunkt der Ubertragung, in allen ubrigen Fallen regelmaßig ? wenn die Satzung dies vorsieht ? zum Ende des Geschaftsjahres, zu dem auch das Auseinandersetzungsguthaben des ausscheidenden Mitglieds berechnet wird. Die Auszahlung erfolgt fruhestens ein Jahr nach diesem Zeitpunkt. Ein Anspruch an den stillen Reserven besteht nicht.
Aus der Mitgliedschaft ergeben sich fur den Genossenschafter Rechte und Pflichten. Zu den Rechten sind zu zahlen:
- die Moglichkeit der Inanspruchnahme der geschaftsgegenstandlichen Forderleistungen der Genossenschaft
- das Stimmrecht in der Generalversammlung, wobei zumeist die Mitglieder ? unabhangig von der Zahl der ubernommenen Geschaftsanteile ? je eine Stimme haben (Kopfstimmrecht). Die Satzung kann aber auch das sogenannte Anteilsstimmrecht vorsehen, und zwar in der Weise, dass jeder Anteil eine Stimme gewahrt ? dieses Anteilsstimmrecht wird in der Regel auf eine Hochstzahl erreichbarer Stimmen beschrankt (limitiertes Anteilsstimmrecht) bzw. derart modifiziert, dass z. B. nur je weitere drei, funf oder zehn voll eingezahlte Geschaftsanteile eine weitere Stimme gewahrt wird.
- das aktive und ? fur naturliche Personen ? passive Wahlrecht bei Wahlen in die Organe der Genossenschaft.
Die wesentlichsten Mitgliederpflichten umfassen demgegenuber folgende Bereiche:
- Einhaltung der Satzung und der Beschlusse der Generalversammlung
- Zeichnung und Einzahlung von Geschaftsanteilen in der jeweils satzungsmaßig festgelegten Mindesthohe
- allfallige Zahlung eines Eintrittsgeldes und/oder von Mitgliedsbeitragen (sofern dies die Satzung vorsieht zur Starkung des Eigenkapitals der Genossenschaft bzw. zur Deckung der der Genossenschaft aus ihrer Fordertatigkeit erwachsenden Kosten)
- bei Genossenschaften mit beschrankter Haftung: fur die Verbindlichkeiten der Genossenschaft nach Maßgabe der Satzung zu haften. Außer mit den von ihnen gezeichneten Geschaftsanteilen haften die Mitglieder im Falle des Konkurses oder der Liquidation der Genossenschaft mindestens mit einem weiteren Betrag (je nach Satzung auch mit einem bestimmten Vielfachen) in Hohe der ubernommenen Geschaftsanteile. Die Haftung besteht allerdings nur der Genossenschaft (bzw. dem Masseverwalter) gegenuber; eine unmittelbare Haftung der Mitglieder den Genossenschaftsglaubigern gegenuber besteht nicht.
Die Genossenschaft ist nicht Selbstzweck und hat fur ihre Mitglieder in deren Rolle als Geschaftspartner (Kunde, Lieferant) Leistungen und Problemlosungen anzubieten, die das Mitglied in seiner eigenen Wirtschaft (privater Haushalt, Unternehmen) erfolgreich machen. Der wirtschaftliche Erfolg einer Genossenschaft ist abhangig davon, ob Mitglieder die Leistungen in Anspruch nehmen und langfristig Geschaftsbeziehungen zur Genossenschaft unterhalten. Der Umfang der Leistungsbeziehungen wird u. a. durch die Betriebstypen, die Betriebsgroße, Beschaftigungslage sowie die finanzielle Leistungskraft der Mitglieder beeinflusst.
Die Genossenschaft hat demgemaß entsprechend den unterschiedlichen sachbezogenen Anforderungen der Mitglieder maßgeschneiderte Service-, Aktions-, Sortiments- und Dienstleistungskonzepte und -pakete anzubieten. Mitglieder konnen nach Maßgabe der eigenen Leistungen differenziert behandelt werden. Diese unterschiedliche Behandlung der eigenen Leistungen darf jedoch selbstverstandlich bestimmte Grundrechte (wie z. B. in der Satzung festgelegte Stimmrechte) nicht beeintrachtigen.
Bei der Planung von Konzepten sollte nicht ubersehen werden, dass professionell angebotene Leistung waren- oder dienstleistungsbezogen Kosten verursacht, deren Deckung uber die Preise fur erbrachte Leistungen zu erfolgen hat. Auch in der Genossenschaft hat Leistung ihren Preis. Eine transparente und nach dem Verursacherprinzip aufgebaute Kostenzurechnung sollte daher bereits in der Planungsphase als Voraussetzung fur eine leistungsgerechte Forderpolitik anzusehen sein.
Jede Genossenschaft muss einen aus der Zahl der Genossenschafter oder deren vertretungsbefugter Organmitglieder zu wahlenden Vorstand haben, der sie gerichtlich und außergerichtlich vertritt. Der Genossenschaftsvertrag kann stattdessen aber auch die Bestellung durch den Aufsichtsrat vorsehen. Die Mitglieder des Vorstandes, deren Anzahl in der Satzung festzulegen oder zumindest einzugrenzen ist, konnen ihre Funktion haupt- oder nebenamtlich ausuben. Die Wahl der Vorstandsmitglieder, die hinsichtlich ihrer Durchfuhrung ebenfalls der Regelung durch die Satzung unterliegt, erfolgt ? sofern nicht eine Bestellung durch den Aufsichtsrat vorgesehen ist ? durch die Generalversammlung.
Die genossenschaftsrechtliche Funktion des Vorstandes ist streng von einem allfalligen schuldrechtlichen Verhaltnis (Dienstverhaltnis) des Vorstandsmitglieds zur Genossenschaft zu trennen. Ein einmal begrundetes Dienstverhaltnis besteht unabhangig von der Mitgliedschaft im Vorstand und wird beispielsweise auch durch eine allfallige Abberufung nicht automatisch gelost. Zum Abschluss von Dienstvertragen mit Vorstandsmitgliedern, die hierdurch zu hauptamtlichen werden, wird regelmaßig der Aufsichtsrat ermachtigt. Die Willensbildung innerhalb des Vorstands als Kollegialorgan erfolgt gemeinschaftlich, notigenfalls uber mehr oder minder qualifizierte Beschlussmehrheiten. Die Vertretung der Genossenschaft durch den Vorstand gegenuber Dritten erfolgt laut Satzung.
Der Aufsichtsrat ist das Kontrollorgan der Genossenschaft. Die Uberwachungstatigkeit des Aufsichtsrates erstreckt sich auf die Geschaftsfuhrung der Genossenschaft; daruber hinaus weist ihm § 24e GenG zwingende Kontrollen und Zustimmungsrechte zu. In Genossenschaften mit nicht mehr als 40 Mitarbeitern muss die Satzung keinen Aufsichtsrat vorsehen. Ist ein Aufsichtsrat gesetzlich zwingend vorgesehen, muss dieser aus mindestens drei Personen bestehen.
[53]
Die Rechte, die den Genossenschaftern in Angelegenheiten der Genossenschaft, insbesondere in Beziehung auf die Fuhrung der Geschafte, Einsicht und Prufung des Jahresabschlusses und Bestimmung der Gewinnverwendung zustehen, werden von der Gesamtheit der Genossenschafter in der Generalversammlung ausgeubt. Zumindest einmal im Jahr (spatestens im achten Monat nach Ende des vorangegangenen Geschaftsjahres) hat eine ordentliche Generalversammlung stattzufinden.
In Osterreich gibt es derzeit funf Genossenschaftsverbande als
Dachverbande
des Genossenschaftswesens:
- Osterreichischer Genossenschaftsverband
(Schulze-Delitzsch) mit Mitgliedern aus dem Bereich Handel, Gewerbe, Handwerk und freie Berufe sowie Banken (
Volksbanken
).
- Osterreichischer Raiffeisenverband
- CoopVerband ? Revisionsverband osterreichischer Genossenschaften
[54]
- Osterreichischer Verband gemeinnutziger Bauvereinigungen-Revisionsverband
[55]
- Ruckenwind ? Forderungs- und Revisionsverband gemeinwohlorientierter Genossenschaften
[56]
In der
Schweiz
hat die Genossenschaft in Form von
Gemeinden
,
Zunften
,
Bruderschaften
oder
Eidgenossenschaften
eine lange Tradition, die sich uber Jahrhunderte in den
Alpgenossenschaften
und Gemeinden vor allem der
Innerschweiz
und in
Graubunden
entwickelten. Der Genossenschaftsbegriff ist daher auch fur die verfassungsgeschichtliche Betrachtung der Schweizerischen Eidgenossenschaft von Bedeutung. In der
Landwirtschaft
hat die Genossenschaft die großte Verbreitung gefunden.
Bauern
sind in ortlichen Genossenschaften wie Milchgenossenschaften, Kasereigenossenschaften oder Landwirtschaftliche Genossenschaften organisiert. In vielen Schweizer Gemeinden gibt es
Wohnungsbaugenossenschaften
. Sie sind nicht gewinnorientiert und vermieten ihre Wohnungen den Mitgliedern zum Selbstkostenpreis. Die beiden großten Handelsketten
Migros
und
Coop
sind als Genossenschaften organisiert. Ende 2003 zahlten die zehn
Migros-Genossenschaften
uber 1,9 Millionen Genossenschafter, Coop sogar uber 2,2 Millionen. Der Migros-Grunder
Gottlieb Duttweiler
etwa wollte ab
1925
dank der genossenschaftlichen Struktur gunstiger Lebensmittel an die unteren Bevolkerungsschichten verkaufen als es die etablierten Handler taten. Auch die
Schweizerische Mobiliar
? eine der großten Schweizer
Sachversicherungs
- und
Personenversicherungsgesellschaften
? und die
Raiffeisen Schweiz
(die drittgroßte Schweizer Bankengruppe mit ca. 350 rechtlich eigenstandigen genossenschaftlichen Banken) sind etablierte Genossenschaften mit jeweils uber einer Million Genossenschafter.
Zur Grundung einer Genossenschaft sind in der Schweiz sieben Mitglieder (
Genossenschafter
) notwendig. Die rechtlichen Grundlagen befinden sich im
Schweizerischen Obligationenrecht
(Artikel 828 bis 926). Per 1. Januar 2019 gab es in der Schweiz 8.559 im Handelsregister eingetragene Genossenschaften.
[57]
Eine Spezialform ist der Genossenschaftsverband: Mindestens drei Genossenschaften konnen sich zu einem Genossenschaftsverband zusammenschließen. Dabei handelt es sich um eine Genossenschaft, deren Mitglieder Genossenschaften sind. Der bekannteste Genossenschaftsverband ist der Migros-Genossenschafts-Bund, welcher aus den verschiedenen regionalen Genossenschaften besteht (siehe auch
Verband
).
Mindestens drei Personen ? von der die Mehrheit Genossenschafter sein muss ? bilden den Vorstand, welcher im Obligationenrecht ?Verwaltung“ genannt wird. Die Genossenschaft muss durch eine Person vertreten werden konnen, die Wohnsitz in der Schweiz hat. Das kann ein Mitglied der Verwaltung, ein Geschaftsfuhrer oder ein Direktor sein. Die
Generalversammlung
ist das oberste Gremium der Genossenschaft und tagt in der Regel nur einmal jahrlich, ohne Einhaltung einer Frist kann auch eine
Universalversammlung
einberufen werden. Bei Genossenschaften mit uber 300 Mitgliedern ubernimmt haufig eine
Delegiertenversammlung
die Aufgaben der Generalversammlung. In diesem Fall wahlen die Genossenschafter regelmaßig die Delegierten. Die Generalversammlung bzw. die Delegiertenversammlung wahlt sowohl den Vorstand als auch die Kontrollstelle, welche die Buchhaltung uberpruft. Die Genossenschaft erlangt ihre Rechtsfahigkeit mit dem Eintrag ins
Handelsregister
. Es ist ein Verzeichnis (auf das von der Schweiz aus jederzeit zugegriffen werden kann) zu fuhren, in dem der Vor- und der Nachname oder die Firma der Genossenschafter sowie die Adresse der Genossenschafter eingetragen werden.
[58]
Es gibt Genossenschaften mit
Anteilscheinen
und solche ohne. Falls Anteilsscheine bestehen, muss jeder Genossenschafter mindestens einen Anteilsschein besitzen.
[59]
Die Anteilscheine werden auf den Namen des Mitgliedes ausgestellt. Sie konnen aber nicht als Wertpapiere, sondern nur als Beweisurkunden errichtet werden.
[59]
Obwohl die Menge und der Wert der Anteilsscheine pro Mitglied nicht limitiert ist, hat jeder Genossenschafter nur eine Stimme an der Generalversammlung. Der Anteilschein ist eine
Quittung
, welche die personliche Beteiligung am Genossenschaftskapital bestatigt; der Anteilsschein hat also keine Bedeutung als
Wertpapier
. Bei Austritt oder Auflosung der Genossenschaft konnen die Statuten die Ruckerstattung der Anteilsscheine vorsehen. Ebenfalls konnen in den Statuten Gewinnausschuttungen (
Dividenden
) festgelegt sein; allerdings muss der Reinertrag in einen Reservefonds umgeleitet werden, bis dieser einen gewissen Prozentsatz des Genossenschaftskapitals betragt. Um sich nicht um Reservefonds, Gewinnsteuern und Ausschuttungen kummern zu mussen, reinvestieren einige Genossenschaften den Gewinn. Im Todesfall eines Mitglieds werden je nach dem die Genossenschaftsanteile an die
Erben
ausbezahlt; oder ein Vertreter der Erbengruppe wird zum neuen Mitglied ernannt. In den Statuten muss gemaß Obligationenrecht (Art. 833) festgehalten sein, ob die Genossenschafter personlich haften und wie die Nachschusspflicht geregelt ist. Im Fall der Nachschusspflicht muss der Vorstand die Mitglieder rechtzeitig uber
Liquiditatsprobleme
informieren. Bei Nachschusspflicht haften ausgetretene Mitglieder auch dann fur die Genossenschaft, wenn zwischen Austritt und Konkurseroffnung ein Jahr oder weniger liegt.
Die
Dr. Hermann-Schulze-Delitzsch-Gesellschaft
und
Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft
stellten am 29. November 2013, in den Bundeslandern Sachsen und Rheinland-Pfalz gemeinsam einen landerubergreifenden Antrag zur Aufnahme der ?Genossenschaftsidee“ in das
Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes
[60]
(Erstellung im Rahmen der nationalen Umsetzung der UNESCO-Konvention zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes).
[61]
Im Dezember 2014 wurde dieser Antrag durch die Kultusministerkonferenz genehmigt und am 27. Marz 2015 als erste allein deutsche Nominierung bei der
UNESCO
fur die internationale Auflistung eingereicht.
[62]
[63]
Am 30. November 2016 entschied sich der zwischenstaatliche Ausschuss der UNESCO wahrend seiner 11. Sitzung in
Addis Abeba
fur eine Aufnahme in die
Reprasentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit
.
[64]
An deutschen Universitaten existiert eine Reihe von Instituten und Einrichtungen, die das Genossenschaftswesen erforschen, so etwa das Institut fur Genossenschaftswesen an der
Friedrich-Alexander-Universitat Erlangen-Nurnberg
,
[65]
das Institut fur Genossenschaftswesen an der
Humboldt-Universitat zu Berlin
,
[66]
die Institute fur Genossenschaftswesen an der
Westfalischen Wilhelms-Universitat Munster
[67]
und der
Philipps-Universitat Marburg
[68]
sowie die Forschungsstelle fur Genossenschaftswesen an der
Universitat Stuttgart-Hohenheim
[69]
und das Seminar fur Genossenschaftswesen an der
Universitat zu Koln
.
[70]
Neben der Behandlung von Genossenschaften in herkommlichen Studiengangen wie
Betriebswirtschaftslehre
,
Non-Profit-Management
oder anderen, bietet die
Akademie Deutscher Genossenschaften
(
ADG Business School
) gezielte Bachelor- und Masterstudiengange fur die Fuhrung von Genossenschaften an.
[71]
Der Studiengang ?Grundung, Innovation, Fuhrung“ der
Hochschule Bremerhaven
ist ein praxisorientierter Studiengang, bei dem Studierende im ersten Semester eine Genossenschaft grunden und uber den Studienverlauf hinweg zu einem bestandsfahigen Unternehmen ausbauen.
[72]
[73]
Die spanische Genossenschaft Mondragon bietet technische und okonomische Studiengange uber die eigene Mondragon-Universitat an.
[74]
Gemeinsam mit dem entsprechenden Lehrstuhl an der
New School
, dem
Institut Mines-Telecom
, dem Cooperative College (
UK
), der Florida Universitaria (
Spanien
), der Universidad Cooperativa de Colombia (
Kolumbien
), der Universidad Fundepos (
Costa Rica
), dem
Institute for Indonesian Co-operative Development Studies
(
Indonesien
) und anderen bot sie wiederkehrend Online-Kurse zu Plattformgenossenschaften an.
[75]
Auch die
School for Democratic Management
des Democracy at Work Institute (DAWI) bietet mehrere Online-Kurse (
MOOCs
) zum Selbststudium und Live-Trainings an.
[76]
Die
kanadische
Saint Mary’s University
Halifax bietet einen Masterstudiengang an.
[77]
Die
Xavier University
in
Cincinnati
ist Schirmherrin eines
Zertifikatsstudiums
.
[78]
Weitere Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen zu Genossenschaften existieren in
Belgien
(
Universitat Luttich
),
Brasilien
(
Escola Superior do Cooperativismo
, ESCOOP),
[79]
Irland
(
University of Cork
),
Kenia
(
Co-operative University of Kenya
),
Tansania
(
Moshi Co-operative University
), dem
Vereinigten Konigreich
(u. a.
Sheffield Hallam University
) und den
Vereinigten Staaten von Amerika
(
University of Wisconsin?Madison
[80]
).
[81]
Die
Egas Moniz School of Health & Science
als Teil der
Cooperativa de Ensino Superior Politecnico e Universitario
(CESPU) ist eine genossenschaftliche
Technische Universitat
in
Portugal
mit Fokus auf Ingenieurwesen und
Gesundheitswissenschaften
. Sie hat ihren Sitz in
Caprarica
mit weiterhin Campus in
Gandra
,
Famalicao
und
Penafiel
.
[82]
[83]
Axel Honneth
bezeichnete das Genossenschaftswesen als ?
Urgestein
des Widerstands gegen den
Kapitalismus
“.
[84]
Marxistische
und
anarchistische
Stromungen beurteilen Genossenschaften seit jeher
ambivalent
: So meinte
Karl Marx
, dass mit ihnen in der Theorie ?eine moderne industrielle Großproduktion ohne Monopolisierung des Eigentums an den Produktionsmitteln moglich“ ware, wodurch ?Arbeiter [...] allmahlich den Kapitalismus uberwinden und so ihre Ausbeutung [...] beseitigen“ konnten. Die vorhandenen Genossenschaften seien seines Erachtens allerdings zu schwach gewesen, um tatsachlich bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Sie ?demonstrierten [somit] hochstens, wie sich auf einer bestimmten Entwicklungsstufe der
Produktivkrafte
die [...] gesellschaftlichen Produktionsformen andern ließen“.
[85]
Rosa Luxemburg
problematisierte, dass sich die ?ganze sozialistische Reform durch die Genossenschaften“ auf die Produktivwirtschaft beschranke und damit ?bloß gegen kleine Abzweigungen des kapitalistischen Stammes“ wirke.
[86]
Im Zuge der
Neuen Okonomischen Politik
hob
Lenin
1923 ?die riesige Bedeutung der Genossenschaften“ hervor. Man blicke ?auf die Genossenschaften von oben herab und begreift nicht, welche außerordentliche Bedeutung diese Genossenschaften haben, [...] unter dem Gesichtspunkt des
Ubergangs zu neuen Zustanden
auf einem Wege, der moglichst einfach, leicht und zuganglich“ sei. Letztlich sei jedoch die Vorstellung ?einer friedlichen Umgestaltung der modernen Gesellschaft [...] pure Phantasterei“.
[87]
Pjotr Kropotkin
, der in seinem Werk mehrfach existierende selbstverwaltete Betriebe wie in
Woolwich
beschrieb und Konzepte entwarf, sah einen unauflosbaren Nachteil in andauernder
Steuerungerechtigkeit
und staatlicher Benachteiligung gegenuber gewinnorientierten Unternehmen, der Genossenschaften zuteilwerde.
[88]
Auch
Rudolf Diesel
, der 1903 sein Konzept des
Solidarismus
als
Gemeinwirtschaft
kooperierender Genossenschaften vorstellte, merkte die geringe
Marktmacht
der zeitgenossischen Genossenschaften wie der
Glashutte
von
Albi
an. Ohne das
Pooling
und gemeinsame
Reinvestieren
von Finanzmitteln verschiedener Genossenschaften, deren zugehorige Institutionen er in seinem Werk als ?Volkskassen“ beschrieb, wurden Genossenschaften nach außen immer gezwungen sein, kapitalistisch zu wirtschaften.
[89]
Der langjahrige
FDP
-Vorsitzende
Christian Lindner
beschrieb Genossenschaften 2018 als ?tragende Saule unserer
mittelstandischen
Wirtschaft“.
[90]
Bundeskanzler
Olaf Scholz
(SPD), der der linksliberalen Tageszeitung
taz
die Wandlung zur Genossenschaft empfohlen haben soll, beschrieb, dass ihm die Genossenschaft zur Zeit als ?eine sehr moderne Form demokratischer Selbstorganisation“ erschien.
[91]
UN-Generalsekretar
Antonio Guterres
wies wiederholt auf die Rolle von Genossenschaften als vertrauens- und hoffnungsstiftende Organisationsformen hin.
[92]
[93]
[94]
[95]
Laut
Gisela Notz
kommt Genossenschaften eine ?Pionierfunktion innerhalb der
solidarischen Okonomie
“ zu.
[96]
2021 pladierte sie fur ?eine neue Genossenschaftlichkeit“ und schlug im Zuge der
COVID-19-Pandemie
Genossenschaften ?fur und mit Solo-Selbststandigen (KunstlerInnen, WissenschaftlerInnen etc.)“ vor.
[97]
Alex Pentland (
MIT
) und Dominik Pietron (
HU Berlin
) schlugen zudem die Grundung von Datengenossenschaften vor.
[98]
[99]
Dies solle zur ?Schaffung digitaler
Gemeinguter
auf kommunaler Ebene“ beitragen.
[100]
Im Zuge der Debatte zur Zukunft der
Innenstadte
und der Schließung zahlreicher
Warenhauser
von
Galeria Karstadt Kaufhof
schlug
Carsten Wirth
2023 die Uberfuhrung in kommunale Betriebe oder Genossenschaften vor, die durch eine uberregionale Einkaufszentrale kooperieren.
[101]
[102]
Eine Studie von
Fraunhofer FOKUS
hebt unter anderem die Relevanz von Einkaufsgenossenschaften fur die
Beschaffung
der
offentlichen Hand
hervor.
[103]
Seit 2016 schlagt
Trebor Scholz
(
New School
) vor, den vielfach kritisierten
Unternehmen
der
Plattformokonomie
genossenschaftliche Alternativen gegenuberzustellen.
[50]
Andere empfehlen, die genossenschaftlichen Prinzipien enger mit
Commoning
und den
Commons
-Prinzipien
Elinor Ostroms
zu verknupfen.
[104]
[105]
[106]
Die
anarchosyndikalistische
Union Coop
als Foderation
gewerkschaftlich
organisierter
Kollektivbetriebe
setzt zwar in ihren Prinzipien das genossenschaftliche Merkmal der Stimmgleichheit der Mitglieder voraus,
[107]
stellt aber keine Vorgaben an die
Korperschaftsformen
der ihr angehorenden Betriebe.
[108]
- Arno Klonne
:
Der Kampf fur das Dach uber dem Kopf. Zur Geschichte der Wohnungsbaugenossenschaften.
In:
Marx21
? Magazin fur Internationalen Sozialismus
, Nr. 26/2012,
ISSN
1865-2557
, S. 62?65
(PDF; 4,3 MB)
.
- Die sozialistische Genossenschaftsbewegung als die dritte Saule der Arbeiterbewegung ? Geschichte und Perspektiven
, in:
Axel Weipert
(Hrsg.):
Demokratisierung von Wirtschaft und Staat ? Studien zum Verhaltnis von Okonomie, Staat und Demokratie vom 19. Jahrhundert bis heute
, NoRa Verlag, Berlin 2014,
ISBN 978-3-86557-331-5
.
- Hans Munkner
:
Organisiert Euch in Genossenschaften! Anders Wirtschaften fur eine bessere Welt
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