Gebote
sind in der
Rechtswissenschaft
gesetzliche
Verhaltensnormen
, die fur einen betroffenen
Personenkreis
oder
Gesellschaften
ein bestimmtes
Verhalten
anordnen
.
Das Gebot (ahd.
kapot
,
gipot
u. a.) steht in sprachlicher Nahe zum
Verbot
, auch mit dem gemeinsamen
Suffix
bot
(wie in
unbotmaßig
), im Bedeutungsaspekt ?
Weisung
“, ?
Gerichtsbarkeit
“, ?
Gewalt
“.
[1]
Mitte des 19. Jahrhunderts definierte das
Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit
das Gebot als Gegensatz zum Verbot und wies auf strafbewehrte Konsequenzen hin:
?
Verbot
(
Interdictum
,
Inhibitio
), der Befehl zur Unterlassung einer Handlung, im Gegensatz von Gebot als dem Befehl zur Vornahme einer solchen. […], insofern das V. zugleich mit einem Strafgebot versehen war, kann der dawider Handelnde in Strafe u. Schadensersatz verfallen. […]“
?
Pierer’s Universal-Lexikon, 1857-1865
[2]
Das menschliche Verhalten besteht aus
Handeln
,
Dulden
und
Unterlassen
. Nicht jedes Verhalten ist dabei gesellschaftlich erwunscht. Daher kommt den
Gesetzen
die Aufgabe zu, die Gesellschaft durch Gebote, Verbote,
Erlaubnisse
und
Ermachtigungen
zu steuern. Gebote sollen dabei ein bestimmtes Verhalten erzwingen. Sie sind wie Verbote Inhalt von
Schutzgesetzen
, die schadensvorbeugende Normen enthalten. Ge- und Verbote bezwecken die Verhinderung einer abstrakten Gefahrdung oder Vermeidung unerwunschter Folgen. Ein Verstoß gegen Gebote lost ein
Verschulden
aus. Der Vorwurf eines Verschuldens bezieht sich dabei nicht auf die konkrete
Schadigung
, sondern es wird auf die Verletzung einer Norm vorverlegt, da mit dieser erfahrungsgemaß eine Schadigung verbunden ist.
[3]
Eine Verhaltensanordnung ist die Auferlegung eines bestimmten Verhaltens durch Gesetze im weitesten Sinn. Sie kann in einem Gebot oder einem Verbot bestehen. Der Adressat kann bestimmten gesetzlichen Normen, deren Verletzung einen
Rechtsbruch
bedeutet, jeweils ein Gebot oder Verbot entnehmen und sein Verhalten daran ausrichten. Damit Gebote auch eingehalten werden, sind mit ihrem Nichteinhalten
Rechtsfolgen
verbunden.
Allgemein bekannt sind die Gebote und Verbote, die sich aus
§ 41
Abs. 1
StVO
im
Straßenverkehr
ergeben. In § 41 Abs. 1 StVO wird verlangt, dass die
Verkehrsteilnehmer
die durch Vorschriftzeichen (
?Verkehrsschilder“
) angeordneten Gebote oder Verbote zu befolgen haben. Die Verkehrszeichen sind in
Anlage 2
zu § 41 Abs. 1 StVO enthalten.
[4]
So beinhaltet beispielsweise Zeichen 205 (?
Vorfahrt
gewahren“) das Gebot, dass der
Fahrzeugfuhrer
Vorfahrt zu gewahren hat und das Verbot, bis zu 10 Meter vor diesem Zeichen nicht zu halten, wenn es dadurch verdeckt wird. Bei Zeichen 206 (?Halt. Vorfahrt gewahren“) muss sogar angehalten und Vorfahrt gewahrt werden. Zeichen 209, 211 und 214 verlangen, dass der vorgeschriebenen
Fahrtrichtung
zu folgen ist. Dem Fahrzeugfuhrer wird mithin jeweils ein bestimmtes Verhalten auferlegt, das er bedingungslos zu befolgen hat. Wird gegen diese Gebote verstoßen und werden andere Verkehrsteilnehmer dadurch gefahrdet, drohen eine
Geldstrafe
im Rahmen des
Bußgeldkatalogs
(Tatbestandsnummer 141600 bei Zeichen 206: ?Sie beachteten nicht das bestehende unbedingte Haltgebot“)
[5]
und auch
Eintragungen
im
Fahreignungsregister
.
§ 12
Abs. 4 Satz 1 und 2 StVO gebietet jedem Verkehrsteilnehmer, der
parken
oder auch nur
halten
will, den rechten
Seitenstreifen
zu benutzen, wenn dieser dazu ausreichend befestigt ist, sonst an den rechten Fahrbahnrand heranzufahren. Andere als die gebotenen Verhaltensmoglichkeiten hat der Verkehrsteilnehmer nicht. Verkehrszeichen, von denen ein
Haltverbot
ausgeht, enthalten zugleich das Gebot, bei verbotswidrigem Halten alsbald wegzufahren;
[6]
dies gilt auch fur
Parkuhren
.
[7]
Dieses Gebot ist in analoger Anwendung gemaß
§ 80
Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
VwGO
sofort vollziehbar und kann damit sofort ohne weiteren Verwaltungsakt im Wege der Ersatzvornahme durch Abschleppen vollzogen werden.
[8]
Der
Emittent
von
Kapitalanlagen
wird durch gesetzliche Gebote dazu angehalten, der offentlichen
Platzierung
einer Kapitalanlage einen
Emissionsprospekt
vorangehen zu lassen (
Emissionspublizitat
;
§ 14
Abs. 1
WpPG
), in periodischen Abstanden uber die Wertentwicklung der Anlage zu berichten (
Regelpublizitat
;
§§ 264 ff.
HGB
in Verbindung mit
§ 325
HGB);
Zwischenberichterstattung
(
§ 116
WpHG
) und außergewohnliche Umstande zeitnah zu veroffentlichen (
Ad-hoc-Publizitat
;
§ 26
WpHG). Zahlreiche Gebote (?Allgemeine Verhaltensregeln“) enthalt auch
§ 63
WpHG.
[9]
Im
Verwaltungsrecht
statuiert die
Eingriffsverwaltung
Gebote und Verbote fur den Einzelnen und setzt diese auch mit Zwang (?Imperium“) durch.
[10]
Das Kooperationsgebot des
§ 2
Abs. 1
BetrVG
ist eine Verhaltensanordnung an
Arbeitgeber
und
Betriebsrat
, in welcher Art und Weise sie Rechte wahrzunehmen und Pflichten zu erfullen haben.
[11]
Im Rahmen des
Direktionsrechts
durfen gesetzliche Gebote durch
Weisungen
des Arbeitgebers nicht verletzt oder uberschritten werden, so etwa im Rahmen des
Jugend-
und
Mutterschutzes
oder
Arbeitszeitgesetzes
.
Handlungspflichten (Gebote) konnen untereinander oder mit Unterlassungspflichten (Verboten) kollidieren. Dann sind Prioritaten anzuwenden. Treffen in einer Person zwei Gebote zusammen, von denen nur eines erfullt werden kann, gibt es fur die Wahl zwischen gleichen Pflichten keine rechtlich verbindlichen Maximen. Wenn beispielsweise bei einem Brand die Eltern nur eines von zwei Kindern aus dem Gebaude retten konnen, ist ein Handeln in dieser Form nicht rechtswidrig.
[12]
Beim Zusammentreffen einer Handlungspflicht (Gebot) mit einer Unterlassungspflicht (Verbot) geht die Unterlassungspflicht vor. Wer etwa das Leben
schutzbefohlener
Personen nur durch
Totung
eines unbeteiligten Dritten erhalten kann, verhalt sich nur rechtmaßig, wenn er die Totung unterlasst.
[12]
Ob ein Autofahrer bremsen muss (Handeln), um einen Fußganger nicht zu uberfahren, oder nicht weiter beschleunigen (Unterlassen) darf, hangt von den Umstanden ab. Bremst er nicht, ist diese Handlung verbotswidrig, beschleunigt er, ist diese Unterlassung gebotswidrig.
Das Sprichwort ?Not kennt kein Gebot“ (
necessitas non habet legem
) trifft nicht zu, wenn damit verbunden wird, dass in Notsituationen schlechthin alle Regeln außer Kraft sind.
[13]
- ↑
GEBOT, n. subst. verb.
. In:
Jacob Grimm
,
Wilhelm Grimm
(Hrsg.):
Deutsches Worterbuch
. 16 Bande in 32 Teilbanden, 1854?1960. S. Hirzel, Leipzig (
woerterbuchnetz.de
).
- ↑
Pierer’s Universal-Lexikon
. Altenburg 1857-1865, Band 18, S. 451
- ↑
Schutzgesetz
. In: Christian M. Piska, Jutta Frohner:
Fachworterbuch Einfuhrung in die Rechtswissenschaften
.
2009, S. 147.
- ↑
Deutscher Verkehrssicherheitsrat, Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO
(
Memento
des
Originals
vom 8. Mai 2014 im
Internet Archive
)
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@1
@2
Vorlage:Webachiv/IABot/www.dvr.de
- ↑
Deutscher Verkehrssicherheitsrat, Bußgeldkatalog
(
Memento
des
Originals
vom 8. Mai 2014 im
Internet Archive
)
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@1
@2
Vorlage:Webachiv/IABot/www.dvr.de
- ↑
BVerwG, NJW 1980, 1640
- ↑
BVerfG, NJW 1965, 2395
- ↑
BVerwG, NJW 1982, 348
- ↑
Sabine Rohde:
Ad-hoc-Publizitat nach dem Wertpapierhandelsgesetz
.
1998, S. 12.
- ↑
Arno Kahl
, Karl Weber:
Allgemeines Verwaltungsrecht
, 2008, S. 34.
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Michael Martinek, Peter Rawert, Birgit Weitemeyer:
Festschrift fur Dieter Reuter
.
2010, S. 650.
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a
b
Gunther Jakobs:
Strafrecht Allgemeiner Teil
.
1983, S. 366 f.
- ↑
Michael Koller:
Not kennt kein Gebot
.
2009, S. 98.