Der
Islam
ist eine
monotheistische
Religion, die im fruhen 7. Jahrhundert n. Chr. in
Arabien
durch den
Mekkaner
Mohammed
gestiftet
wurde. Mit uber 2 Milliarden
[1]
Angehorigen ist der Islam nach dem
Christentum
(ca. 2,5 Milliarden Angehorige)
[2]
heute die
Weltreligion
mit der zweitgroßten Mitgliederzahl.
Der Islam wird allgemein auch als
abrahamitische
,
[3]
als
prophetische
[4]
Offenbarungsreligion
[5]
und als
Buch- oder Schriftreligion
[6]
bezeichnet.
Das arabische Wort
Isl?m
(
isl?m
/
?????
) ist ein
Verbalsubstantiv
zu dem arabischen Verb
aslama
(?sich ergeben, sich hingeben“). Es bedeutet wortlich das ?Sich-Ergeben“ (in den Willen Gottes), ?Sich-Unterwerfen“ (unter Gott), ?Sich-Hingeben“ (an Gott), oft einfach mit
Ergebung
,
Hingabe
und
Unterwerfung
wiedergegeben.
[7]
Die Bezeichnung fur einen Angehorigen des Islam ist
Muslim
. Die Pluralform im Deutschen ist
Moslems
oder
Muslime
,
Muslimas
oder
Musliminnen
.
Die zehn Lander mit dem großten Anteil an der muslimischen Weltbevolkerung sind
Indonesien
(12,9 %),
Pakistan
(11,1 %),
Indien
(10,3 %),
Bangladesch
(9,3 %),
Agypten
und
Nigeria
(jeweils 5 %),
Iran
und
Turkei
(jeweils 4,7 %) sowie
Algerien
(2,2 %) und
Marokko
(ca. 2 %). In ihnen zusammengenommen leben mehr als zwei Drittel aller Muslime.
[8]
Die wichtigste uberstaatliche islamische Organisation ist die
Organisation fur Islamische Zusammenarbeit
(OIC) mit Sitz in
Dschidda
. Ihr gehoren 56 Staaten an, in denen der Islam Staatsreligion, Religion der Bevolkerungsmehrheit oder Religion einer großen Minderheit ist. Teilweise muslimisch gepragte
europaische
Lander sind
Albanien
,
Bosnien und Herzegowina
,
Kosovo
,
Nordmazedonien
und die (geographisch nur teilweise in
Europa
liegende) Turkei. Viele weitere Lander haben muslimische
Minderheiten
.
Die wichtigste textliche Grundlage des Islams ist der
Koran
(
arabisch
??????
al-qur??n
?Lesung, Rezitation, Vortrag‘), der als die dem Propheten Mohammed offenbarte
Rede Gottes
gilt.
Die zweite Grundlage bilden die
Hadithe
(
arabisch
????
,
DMG
?ad??
?Erzahlung, Bericht, Mitteilung, Uberlieferung‘) zur
Sunna
Mohammeds (Sunna,
arabisch
???
?Brauch, gewohnte Handlungsweise, uberlieferte Norm‘), der als der ?Gesandte Gottes“ (
Ras?l
,
arabisch
????
?
Gesandter
,
Sendbote
,
Apostel
‘) Vorbildcharakter fur alle Muslime hat.
Die sich aus diesen Texten ergebenden Normen werden in ihrer Gesamtheit als
Scharia
bezeichnet (
?????
/
?ar??a
im Sinne von ?Weg zur Tranke, Weg zur Wasserquelle, deutlicher, gebahnter Weg“; auch: ?religioses Gesetz“, ?Ritus“).
Definitionen
Koranische Aussagen
Der Begriff Isl?m kommt im Koran acht Mal vor. An mehreren Stellen wird herausgestellt, dass die Annahme des Islams Zeichen gottlicher Erwahlung ist. Diese Erwahlung wird darin deutlich, dass Gott den betreffenden Menschen
rechtleitet
, ihm also die Orientierung zur Wahrheit des Glaubens hin vermittelt und so seine
Brust
weitet (
arab
. saraha as-sadr)
, also sein Herz und seinen Sinn, seine Erkenntnis und sein Wertbewusstsein erweitert und ihm dadurch Ruhe gibt (vgl.
Sure 6
:125 und
Sure 39
:22).
[9]
Menschen, die es sich selbst als Verdienst anrechnen, dass sie den Islam angenommen haben, wird entgegengehalten, dass dies eine Gnade Gottes ist, die sie nur ihm zu verdanken haben (vgl.
Sure 49
:17). Gott kann Menschen auch die
Brust verengen
, so dass sie nicht zum wahren Glauben gelangen konnen (vgl.
Sure 2
:7).
[10]
[11]
Wer zum Islam gerufen wird, darf gegen Gott keine Luge aushecken (vgl.
Sure 61
:7).
An drei anderen Stellen wird eine Beziehung zwischen Isl?m und dem arabischen Begriff
D?n
hergestellt, der die Bedeutung von ?Religion“ hat, allerdings auch die Konnotation von ?Schuld“ besitzt.
[12]
In
Sure 5
:3 heißt es: ?Ich habe fur euch den Islam als Religion erwahlt“ und in
Sure 3
:19. ?Als Religion gilt bei Gott der Islam“. Dies zeigt, dass schon der Koran den
Isl?m
als Religion definiert. Die Geschichte dieser Religion hat nach dem Koran nicht erst mit Mohammed begonnen, sondern schon mit
Abraham
. Er wird in Sure 3:67 als gottergebener
Han?f
beschrieben.
Bereits im Koran selbst wird eine wichtige Unterscheidung getroffen, namlich zwischen der Annahme des Islams (
isl?m
) und der Annahme des Glaubens (
?m?n
). So werden in Sure 49:14 die arabischen
Beduinen
aufgefordert, nicht zu sagen, ?Wir haben den Glauben angenommen“, sondern ?Wir haben den Islam angenommen“, weil der Glaube noch nicht in ihre Herzen eingegangen sei. An derartige Aussagen knupft sich die Vorstellung, dass derjenige, der den Islam angenommen hat, also ein Muslim ist, nicht unbedingt ein
mu'min
, also ein ?Glaubiger“ sein muss. Was ?Isl?m“ ursprunglich bedeutete, wenn damit nicht der Glaube gemeint ist, wird unterschiedlich beurteilt. Meir Bravmann, der den Sprachgebrauch des Wortes in der altarabischen Literatur untersucht hat, meint, dass er in der fruhislamischen Gemeinschaft, die stark auf den
Dschihad
ausgerichtet war, die Bereitschaft zur Selbstaufopferung im Kampf bezeichnete.
[13]
Die im Koran getroffene Unterscheidung zwischen Islam und
Glaube
hat in der islamischen Theologie Anlass zu zahlreichen Debatten gegeben. Es wurde nie vollig geklart, in welchem Verhaltnis sich die beiden Prinzipien zueinander befinden. Die meisten Theologen der vormodernen Zeit haben jedoch darauf gedrungen, Islam und Glauben auseinanderzuhalten.
[14]
Funf Saulen
Eine regelrechte Definition fur den Islam findet man nicht im Koran, sondern nur in den Berichten uber den Propheten, und zwar im sogenannten
Gabriel-Hadith
, der uber
?Umar ibn al-Chatt?b
auf den Propheten zuruckgefuhrt wird. Auch hier wird wiederum zwischen Islam und
Glaube
unterschieden. Als dritte Kategorie wird ?gutes Handeln“ (
ihs?n
) eingefuhrt. Der Islam besteht nach diesem Hadith daraus, ?dass Du bekennst, dass es keinen Gott gibt außer Gott und dass Mohammed der Gesandte Gottes ist; dass Du das Pflichtgebet verrichtest und die Armengabe leistest, dass Du im Ramadan fastest und zum Haus (Gottes) pilgerst, wenn du in der Lage bist, dies zu tun.“
[15]
Hierauf stutzt sich die Lehre, dass der Islam aus funf Haupt
pflichten
besteht, die seine funf ?Saulen“ (
ark?n
/
?????
) bilden. Diese werden ublicherweise mit den folgenden arabischen Namen bezeichnet:
[16]
- Schah?da
(islamisches Glaubensbekenntnis)
- Sal?t
(Pflichtgebet)
- Zak?t
(Almosengabe)
- Saum
(Fasten im Ramadan)
- Haddsch
(Pilgerfahrt nach Mekka)
Eine ausfuhrliche Beschreibung der einzelnen funf Saulen findet sich in den betreffenden Artikeln. Hier werden nur die wichtigsten Punkte zusammengefasst.
Glaubensbekenntnis
Die erste Saule ist das islamische Glaubensbekenntnis, die
Schah?da
(
arabisch
???????
a?-?ah?da
), die wie folgt lautet:
≪???? ?? ?? ??? ??? ???? ????? ??? ????? ???? ????≫
?a?hadu an l? il?ha ill? 'll?h, wa-a?hadu anna mu?ammadan ras?lu 'll?h“
?Ich bezeuge, dass es keine Gottheit außer Gott gibt und dass Mohammed der Gesandte Gottes ist.“
Mit dieser aus zwei Teilen bestehenden Formel bekennt sich der Muslim eindeutig zum Monotheismus, zu Mohammeds prophetischer Sendung und zu dessen Offenbarung, dem Koran, und somit zum Islam selbst.
[16]
Rituelles Gebet
Das rituelle Gebet (
sal?t
/
????
) soll funf Mal am Tag verrichtet werden, vor dem Sonnenaufgang, mittags, nachmittags, bei Sonnenuntergang und bei Einbruch der Nacht. Vor jedem dieser Gebete sind eine Ankundigung durch den Gebetsruf und eine rituelle Waschung verpflichtend. Diese Formel wird ebenfalls funf Mal am Tag vom
Muezzin
(
arabisch
?????
mu'adhdhin
) beim
Adh?n
(
arabisch
????
adh?n
) vom
Minarett
(
arabisch
?????
man?ra
) gerufen, um die Muslime zum rituellen Pflichtgebet (
arabisch
????
sal?t
) zu rufen, in dem die Formel ebenfalls vorkommt.
[17]
Ebenso soll der Muslim sich vor dem Gebet bewusst machen, dass er das Gebet nicht aus Routine, sondern aus der Absicht, Gott zu dienen, vollzieht. Hierzu dient auch die rituelle Waschung vor dem Gebet. Um in den fur das Gebet notwendigen Weihezustand (
?????
ihr?m
) einzutreten, folgt die Formel ?Gott ist großer (als alles andere)“ (
???? ????
All?hu akbar
). Als notwendig fur die Gultigkeit des Gebetes wird erachtet, dass der Betende dabei die
Gebetsrichtung
zur
Kaaba
in
Mekka
einnimmt.
[18]
Sie gilt im Islam als das Heiligste und als das Haus Gottes. Im Stehen werden eine Reihe weiterer Formeln und die erste Sure des Koran (
???????
al-F?tiha
?die Eroffnende‘) rezitiert. Es folgen die von Formeln begleitete Gebetsverbeugung (vgl.
Ruk??
) sowie mehrere von verschiedenen Formeln begleitete Niederwerfungen (vgl.
Sudsch?d
). Mit einigen weiteren Formeln findet das Gebet seinen Abschluss. An sich kann das Gebet an jedem
rituell reinen
Ort, eventuell auf einem Gebetsteppich, vollzogen werden, idealerweise jedoch in der
Moschee
(
????
masdschid
?Ort der Niederwerfung‘).
Am Freitag wird das Gebet am Mittag durch ein fur Manner verpflichtendes und fur Frauen empfohlenes Gemeinschaftsgebet (
???? ??????
sal?t al-dschum?a
?
Freitagsgebet
‘) in der Moschee ersetzt, das von einer Predigt (
????
chutba
) begleitet wird.
Almosensteuer
Die
Almosensteuer
(
Zak?t
,
????
)
[19]
ist die verpflichtende, von jedem psychisch gesunden, freien, erwachsenen und finanziell dazu fahigen Muslim
[20]
zur finanziellen Beihilfe von Armen, Sklaven, Schuldnern und Reisenden sowie fur den
Dschihad
[21]
zu zahlende Abgabe. Die Hohe variiert je nach Einkunftsart (Handel, Viehzucht, Anbau) zwischen 2,5 und 10 Prozent ebenso wie die Besteuerungsgrundlage (Einkommen oder Gesamtvermogen).
[22]
Als ein Prozess der Umverteilung von Reichtum wird die Einsammlung und Verteilung der Zak?t als ein wichtiges Mittel zur Linderung von Armut betrachtet.
[23]
Fasten
Das Fasten (
saum
) findet alljahrlich im islamischen Monat
Ramadan
statt. Der
islamische Kalender
verschiebt sich jedes Jahr im Vergleich zum
gregorianischen Kalender
um elf Tage nach vorne. Gefastet wird von Beginn der Morgendammerung ? wenn man einen ?weißen von einem schwarzen Faden unterscheiden“ kann (Sure 2, Vers 187) ? bis zum vollendeten Sonnenuntergang; es wird nichts gegessen, nichts getrunken, nicht geraucht, kein ehelicher Verkehr und
Enthaltsamkeit
im Verhalten geubt.
Muslime brechen das Fasten gerne mit einer Dattel und einem Glas Milch, wie dies der Prophet getan haben soll. Der Fastenmonat wird mit dem Fest des Fastenbrechens (
'?d al-fitr
) beendet.
Pilgerfahrt
Die im letzten Mondmonat
Dh? l-Hiddscha
stattfindende
Pilgerfahrt
nach Mekka, der sogenannte
Haddsch
soll von jedem Muslim, der dazu imstande ist, mindestens einmal in seinem Leben durchgefuhrt werden. Entscheidend dafur, ob die Pilgerfahrt zur Pflicht wird, sind unter anderem seine finanziellen und gesundheitlichen Lebensumstande. Die Einschrankung der ritualrechtlichen Pflicht der Pilgerfahrt ist im Koran begrundet: ?… und die Menschen sind Gott gegenuber verpflichtet, die Wallfahrt nach dem Haus zu machen ? soweit sie dazu eine Moglichkeit finden …“ (Sure 3, Vers 97).
Zum Haddsch gehoren die Teilnahme an der Wallfahrtsversammlung in der Ebene
?Araf?t
am 9. Dh? l-Hiddscha, die Riten von
Muzdalifa
und
Min?
und das siebenmalige
Umschreiten
der
Kaaba
. Haufig schließen Muslime an ihre Wallfahrt einen
Besuch
der Prophetenmoschee in
Medina
an, wo der Prophet auch begraben ist. Doch ist dies nicht fester Bestandteil des Haddsch.
Andere Definitionen
Obwohl sich der Islam nach der Definition des Gabriel-Hadith nur auf die funf genannten Pflichten erstreckt, gibt es die Tendenz, alle im Koran genannten Pflichten als Teil des Islams zu betrachten. Diese Auffassung zeigt sich zum Beispiel bei dem spatmittelalterlichen Gelehrten
Ibn Taim?ya
(gestorben 1328), der in seiner ?Einfuhrung in die Grundlagen der Koranexegese“ erklart: ?Die Religion des Islams besteht aus der Befolgung des Korans“.
[24]
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gibt es bei verschiedenen muslimischen Denkern und Aktivisten, die den Islam als Mittel zum Wiederaufstieg der muslimischen Volker nach dem Zeitalter des Kolonialismus betrachten, die Tendenz, den Islam als ein allgemeingultiges und nicht mehr allein auf die Religion beschranktes System zu prasentieren. Diese Bewegungen werden heute unter dem Oberbegriff ?
Politischer Islam
“ zusammengefasst. So erklarte
Hasan al-Bann?
, der Grunder der agyptischen
Muslimbruderschaft
, bei der funften Konferenz seiner Organisation im Januar 1939:
?Wir glauben, dass die Prinzipien und Lehren des Islams umfassend sind und die Angelegenheiten der Menschen im Diesseits und Jenseits regeln. Diejenigen, die annehmen, dass diese Lehren allein die gottesdienstliche oder spirituelle Seite behandeln, sind im Unrecht, denn der Islam ist Bekenntnis (
?aq?da
) und Gottesdienst (
?ib?da
), Vaterland (
wa?an
) und Nationalitat (
?ins?ya
), Religion (
d?n
) und Staat (
daula
), Spiritualitat (
r???n?ya
) und Arbeit (
?amal
), Koran (
mu??af
) und Schwert (
saif
).
[25]
“
Auch in den europaischen Sprachen wird dem Begriff ?Islam“ seit dem 19. Jahrhundert eine erheblich weitere Bedeutung gegeben, indem man damit die Gesamtheit der muslimischen Volker, Lander und Staaten mit der ihnen eigenen Kultur bezeichnet. Dies erklart auch, warum die
Encyclopaedia of Islam
, das wichtigste Nachschlagewerk der westlichen
Islamwissenschaft
, nicht allein die islamische Religion behandelt, sondern die gesamte Zivilisation der islamischen Lander, einschließlich der Dinge und Personen, die keinen direkten Bezug zum Islam aufweisen.
[26]
Auf diese Weise ist der Islam uber die Religion hinaus auch zur Bezeichnung fur einen
Kulturraum
geworden.
Islamische Glaubenslehren
Was genau zum islamischen
Glauben
gehort, ist zwischen den verschiedenen theologischen Schulen des Islams (siehe dazu unten) umstritten. Nach dem
Gabriel-Hadith
in der auf
?Umar ibn al-Chatt?b
zuruckgefuhrten Version umfasst der
Glaube
insgesamt
sechs
Punkte, namlich den Glauben an 1.
Gott
, 2. seine
Engel
, 3. seine Bucher, 4. seine
Gesandten
, 5. den
Jungsten Tag
und 6. die
Vorherbestimmung
, und zwar sowohl die gute als auch die schlechte.
[15]
Mit Ausnahme der Vorherbestimmung werden alle diese Punkte auch in dem Koranwort in Sure 4:136 erwahnt:
?Ihr Glaubigen! Glaubt an Gott und seinen Gesandten und an die Schrift, die er auf seinen Gesandten herabgeschickt hat, und an die Schrift, die er schon (fruher) herabgeschickt hat! Wer an Gott, seine Engel, seine Schriften, seine Gesandten und den jungsten Tag nicht glaubt, ist (damit vom rechten Weg) weit abgeirrt.“
In einer Parallelversion des Gabriel-Hadith, die auf
Ab? Huraira
zuruckgefuhrt wird, besteht der Glaube nur aus funf Punkten, namlich dem Glauben 1. an Gott, 2. an seine Engel, 3. an die Begegnung mit Gott, 4. an seine Gesandten und 5. an die Auferstehung.
[27]
Genauere Beschreibungen der Glaubenslehren der unterschiedlichen islamischen Richtungen sind in verschiedenen
Glaubensbekenntnissen
festgehalten, die die wichtigsten Glaubensartikel in Form von Listen
katechismusartig
zusammenfassen.
Ausbreitungsgeschichte
Anfange in Mekka
Die Geschichte des Islams beginnt nach der arabischen Uberlieferung mit einem Berufungserlebnis Mohammeds am Berg
Hira
in der Nahe von Mekka, bei dem er durch den Engel
Gabriel
einen Verkundigungsauftrag erhielt. Die neue Religion verbreitete sich zunachst im familiaren Umfeld Mohammeds. Zu seinen ersten Anhangern gehorten seine Frau
Chad?dscha bint Chuwailid
, sein noch jugendlicher Cousin
?Al? ibn Ab? T?lib
, sein Sklave
Zaid ibn H?ritha
, sein vaterlicher Onkel
Hamza ibn ?Abd al-Muttalib
und
Dscha?far
, ein alterer Bruder ?Al?s. Die traditionellen Berichte sprechen davon, dass Mohammed etwa drei Jahre lang die Offenbarungen, die er empfing, nur seiner Familie und einigen wenigen auserwahlten Freunden mitteilte. Erst danach, ungefahr im Jahre 613, begann er, auch offentlich zu predigen. Dieses Ereignis wird in den arabischen Quellen als der Eintritt in das Haus von
al-Arqam ibn Ab? ?l-Arqam
bezeichnet. Al-Arqam war ein junger Mann, der zum einflussreichen
quraischitischen
Clan der
Machz?m
gehorte. Er stellte sein Haus, das sich in der Mitte Mekkas befand, Mohammed zur Verfugung. Die von Mohammed verkundete Botschaft eines kompromisslosen Monotheismus fand im
henotheistisch
orientierten Mekka jener Zeit wenige Anhanger, und einige Muslime sahen sich unter dem Druck ihrer Gegner gezwungen, Mekka zu verlassen und in das
Aksumitische Reich
auszuwandern. So entstand eine erste muslimische Gemeinde außerhalb Arabiens.
Durchsetzung in Arabien
Als Mohammed nach dem Tode seines Onkels
Ab? T?lib ibn ?Abd al-Muttalib
den Schutz seines Clans verlor, verschlechterte sich seine Position in Mekka so sehr, dass er gezwungen war, sich nach externen Verbundeten umzusehen. Im Jahre 620 nahm er Kontakt mit einer Anzahl von Mannern aus dem nordlich gelegenen
Yathrib
(heute Medina) auf. Es kam zu Verhandlungen, die dazu fuhrten, dass sich zwei Jahre spater 73 Manner aus Yathrib zum Islam bekannten und ihn zur Umsiedlung in ihre Stadt einluden. Die kurz danach (im Sommer 622) stattfindende Auswanderung von Mohammed und seinen Anhangern ging als
Hidschra
in die Geschichte ein und wurde spater als erstes Jahr der
islamischen Zeitrechnung
festgelegt.
[28]
In Yathrib begann zugleich die politische und militarische Karriere des Propheten. Bald nach seiner Ankunft in der Oase schloss Mohammed einen Bundnisvertrag mit der dortigen Bewohnerschaft, die sogenannte
Gemeindeordnung von Medina
.
In der Oase von Yathrib wohnten zu jener Zeit noch zahlreiche Juden, insbesondere die drei Stamme
Banu Qainuqa
,
Ban? n-Nad?r
und
Ban? Quraiza
. Sie wurden innerhalb der nachsten Jahre infolge diverser Konflikte aus Yathrib vertrieben bzw. getotet. Damit wurde Yathrib, bzw. Medina, wie die Stadt bald genannt wurde, zu einer fast nur von Muslimen bewohnten Stadt. Außerdem gelang es Mohammed, einige arabische Stamme in der Umgebung von Medina fur den Islam zu gewinnen.
[29]
Die militarische Auseinandersetzung mit den heidnischen Mekkanern war nach dem anfanglichen Erfolg der
Schlacht von Badr
zunachst von Ruckschlagen wie der
Schlacht von Uhud
gepragt, fuhrte aber nach weiteren Zwischenerfolgen (z. B. dem Friedensvertrag von Hudaibiya 628) schließlich zur Einnahme Mekkas durch die Muslime im Januar 630.
[30]
Mohammeds Sieg uber die machtigen Quraisch brachte ihm so viel Prestige ein, dass sich in den Jahren bis zu seinem Tod im Juni 632 fast alle Stamme der arabischen Halbinsel seiner Autoritat unterwarfen. In vielen Fallen war mit der politischen Unterwerfung auch eine Annahme des Islams verbunden. Nach dem Tode des Propheten setzte bei den arabischen Stammen allerdings eine breite
Absetzbewegung
ein, die auch auf dem religiosen Gebiet die Hegemonie des Islams in Frage stellten. In einigen Gegenden Arabiens traten Gegenpropheten auf, die gegen den Staat von Medina mobilisierten, so unter anderem
Musailima
. Nur durch das militarische Vorgehen des quraischitischen Feldherrn
Ch?lid ibn al-Wal?d
konnte diese Absetzbewegung niedergeschlagen werden.
[31]
Fruhe Islamische Expansion
Die islamische Expansion unter den Kalifen
?Umar ibn al-Chatt?b
und
?Uthm?n ibn ?Aff?n
fuhrte dazu, dass die Muslime bis zur Mitte des 7. Jahrhunderts die Herrschaft uber den
Irak
,
Syrien
,
Palaestina
(jeweils bis 636/38),
Agypten
(640/42) und außerdem große Teile des
Irans
(642/51) erlangten.
[32]
Damit war die
Spatantike
, in deren historischem Kontext der Islam entstanden war,
[33]
im ostlichen Mittelmeerraum endgultig beendet. Die Bewohner der von den Muslimen eroberten Territorien traten zum großten Teil nicht direkt zum Islam uber, sondern blieben ihren fruheren Religionen (
Christentum
,
Judentum
und
Zoroastrismus
) zunachst treu. Dies war deswegen moglich, weil ihnen als Angehorigen einer
Buchreligion
Schutz ihres Lebens und ihres Eigentums sowie die Erlaubnis, ihre Religion auszuuben, gewahrt wurde. Dieses
Schutzverhaltnis
verpflichtete sie jedoch umgekehrt zur Zahlung einer besonderen Steuer, der
Dschizya
.
[34]
Christen, Juden und Zoroastrier durften zudem ihren Glauben nicht offentlich verrichten, keine neuen Kultgebaude errichten und keine Waffen tragen, spater kamen noch andere Restriktionen hinzu (wie teils spezielle Kleidungsvorschriften). Somit waren die vom Islam anerkannten andersglaubigen ?Schutzbefohlenen“ (vor allem Juden und Christen) den Muslimen rechtlich nicht gleichgestellt und in der Ausubung ihrer Religion eingeschrankt. Sie durften aber nicht mit Zwang bekehrt werden.
[35]
Siehe dazu auch:
Kein Zwang in der Religion
.
Seit dem spaten 7. Jahrhundert stieg allerdings der soziale Druck auf die christliche Bevolkerung in den eroberten ehemaligen romischen Provinzen (siehe
Islamische Expansion#Lage anderer Religionen unter muslimischer Herrschaft
). Es kam zu Diskriminierungen, dem Ausschluss von Nichtmuslimen aus der Verwaltung, zur Einmischung in innerchristliche Angelegenheiten und zur Konfiszierung von Kirchengutern sowie einzelnen Ubergriffen auf Kirchen. Der insgesamt steigende Druck (so auch nochmals seit der
Abbasidenzeit
) sollte anscheinend auch den Ubertritt der bisherigen Mehrheitsbevolkerung zum Islam forcieren.
[36]
Die
Konversion
der einheimischen Bevolkerung zum Islam war ein Prozess, der sich uber Jahrhunderte hinzog.
[37]
Das gilt auch fur die anderen Gebiete, die bis zum Anfang des 8. Jahrhunderts unter islamische Herrschaft kamen, wie
Nordafrika
,
Andalusien
und
Transoxanien
.
Verbreitung durch Handel
Nach dem Herrschaftsantritt der
Abbasiden
um die Mitte des 8. Jahrhunderts geriet die militarische Expansionsbewegung des Islams ins Stocken. Die auf diese Weise erreichten territorialen Zugewinne blieben, verglichen mit der vorangehenden Zeit, eher gering: zwischen 827 und 878 erfolgte die Eroberung
Siziliens
durch die
Aghlabiden
, 870 die Einnahme der
Kabul
-Region auf dem Gebiet des heutigen
Afghanistan
durch die
Saffariden
, 902 die Eroberung der
Balearen
durch das
Emirat von Cordoba
. Dafur kam in dieser Zeit die Verbreitung des Islams verstarkt durch den Handel voran. An den Kusten des Indischen Ozeans heirateten arabische Handler in lokale Familien ein, die selbst dann im Laufe der Zeit zum Islam ubertraten. Auf diese Weise entstanden in Sudindien und
Sri Lanka
zahlenstarke muslimische Gemeinschaften. Die heutigen muslimischen Gemeinschaften der
Malayalam
-sprachigen Mappila in
Kerala
und der
Tamil
-sprachigen Muslime in
Tamil Nadu
und Sri Lanka (vgl.
Moors
) fuhren sich auf diese Zeit zuruck. Ende des 9. Jahrhunderts grundeten Handler aus dem mekkanischen Clan der Machz?m einen eigenen muslimischen Staat in Zentral-Athiopien (
Shewa
). Auch in der
osteuropaischen Ebene
hat sich der Islam in dieser Zeit durch Handler verbreitet. Als in den 920er Jahren
Ibn Fadl?n
als Gesandter des abbasidischen Kalifen den Staat der
Wolgabulgaren
an der Mundung der
Kama
in die
Wolga
besuchte, war der dortige Herrscher bereits zum Islam konvertiert und hatte mehrere Moscheen errichten lassen. Jedoch blieb der Islam in Westafrika bis weit in das 18. Jahrhundert ein Stadtphanomen, das an den Fernhandel und eine hofische Minderheit in den Stadten gebunden war.
[38]
Um 960 grundeten persische Handler aus
Schiras
eine Handelskolonie auf der Insel
Kilwa
vor der Kuste des heutigen
Tansania
. Von dort aus erfolgte im 11. und 12. Jahrhundert sukzessive die Islamisierung der der ostafrikanischen Kuste vorgelagerten Inseln (
Mafia
,
Komoren
usw.). Durch muslimische Kaufleute aus dem
Maghreb
, die im
Transsaharahandel
tatig waren, verbreitete sich der Islam in dieser Zeit außerdem in
Westafrika
. Einige dieser Kaufleute ließen sich in Orten sudlich der Sahara nieder, die sich zu muslimischen Stadten entwickelten wie
Walata
und
Timbuktu
. Andere wurden an den Hofen heidnischer afrikanischer Herrscher tatig und machten diese mit dem Islam bekannt. Der um 1067 schreibende arabische Geograph
Ab? ?Ubaid al-Bakr?
berichtet davon, dass zu seiner Zeit bereits die Herrscher von
Kanem
ostlich des
Tschadsees
, von
Gao
am Nigerbogen und von Takr?r im unteren Senegalgebiet zum Islam ubergegangen waren.
Neue Expansion durch turkische Gh?z?-Kampfer
Fur die weitere Ausbreitung des Islams waren turkische Ethnien von großer Bedeutung. Um 950 kam es auf dem Gebiet des heutigen Uigurischen Autonomen Gebiets
Xinjiang
in
China
sowie im heutigen nordlichen Kirgistan zu einer Massenkonversion turkischer Stamme. Zeitgenossische Quellen nennen 200.000 Zelte, die davon betroffen waren. Ausloser war der Ubertritt der herrschenden Familie dieser Stamme, der sogenannten
Karachaniden
(auch Ilek-Ch?ne) zum Islam.
[39]
Diese von den Karachaniden gefuhrte Stammeskonfoderation griff bald nach Westen aus. Im Jahre 999 gelang es ihnen,
Buchara
zu erobern.
Auf dem Gebiet Afghanistans konnte
Mahmud von Ghazni
(reg. 997?1030), der Sohn eines turkischen Militarsklaven, der ursprunglich im Dienst der
Samaniden
stand, eine eigene Dynastie begrunden. In der Zeit bis zu seinem Tod fuhrte er mit seinen Kampfern zahlreiche Feldzuge nach Nordwestindien durch, womit die islamische Eroberung Indiens eingeleitet wurde.
Qutb-ud-Din Aibak
, ein turkischer General des
Ghuriden
-Reichs, begrundete 1209 mit dem
Sultanat von Delhi
den ersten
islamischen Staat
auf indischem Boden. Zwischen dem spaten 13. und dem fruhen 14. Jahrhundert brachten die Herrscher dieses Staates den großten Teil Nord- und Zentralindiens unter islamische Herrschaft: 1298 wurde das Gebiet von
Gujarat
annektiert, 1318 der
Dekkan
, der sudliche Teil des indischen Subkontinents.
Weiter westlich taten sich die ebenfalls turkischen
Seldschuken
als
Gh?z?
-Kampfer hervor. Sultan Alp-Arslan (1063?1072) vernichtete 1071 bei
Manzikert
die byzantinische Armee. Damit wurde die Islamisierung
Kleinasiens
eingeleitet. Der byzantinische Versuch, diese Region zuruckzugewinnen, misslang; ab 1143 zogen sich die Byzantiner endgultig daraus zuruck. Zum Zentrum des islamischen Anatolien wurde um die Mitte des 12. Jahrhunderts
Konya
, das antike Iconium, nun Hauptstadt der
Rum-Seldschuken
.
[40]
Islamisierung in den mongolischen Teilreichen
In den Jahren 1251 bis 1259 fuhrte
Hulegu
, ein Enkel
Dschingis Chans
, im Auftrag des Großchans von Karakorum eine mongolische Invasion gegen Westasien durch. Zwischen 1256 und 1259 wurden Iran und Irak vollstandig erobert. In Folge dieser Invasion verlor der Islam fur mehrere Generationen im Iran seinen Status als Religion der Herrschenden. Auf lange Sicht trugen die Mongolen aber eher zur Islamisierung Asiens bei. Die Nachkommen Hulegus, die von Tabris aus herrschenden
Ilchane
, gingen schon Ende des 13. Jahrhunderts wieder zum Islam uber.
In einem anderen mongolischen Teilreich, dem Reich der
Goldenen Horde
, das sich uber die Gebiete Sudrusslands, der heutigen
Ukraine
und
Kasachstans
bis nach Westsibirien erstreckte, trieb im fruhen 14. Jahrhundert
Usbek Khan
(reg. 1312?1341) die Islamisierung voran: Er holte zahlreiche muslimische Gelehrte ins Land, vertrieb die von seinem Vorganger
Tohtu
geschatzten schamanischen Priester und forderte die Oberschicht des Reiches dazu auf, zum Islam uberzutreten. Zwar lebten weiter viele Nichtmuslime auf dem Gebiet der Goldenen Horde, doch bekam der Staat einen eindeutig islamischen Charakter, und langfristig wurde der Islam auch in der Bevolkerung zur dominierenden Religion.
[41]
Auch in dem mongolischen
Yuan-Reich
(1260?1368), das sich uber weite Teile Chinas erstreckte, kam es zu einem Islamisierungsprozess. Die Truppen, mit denen
Kublai Khan
, der Begrunder dieses Reiches, Nord- und Sudchina uberrannt hatte, bestanden zum großen Teil aus muslimischen Kampfern, die Dschingis Chan von seinen Feldzugen nach Zentral- und Westasien mitgebracht hatte. Da zahlreiche Soldaten Muslime waren, bestimmte der Chan, dass sie nach den Mongolen und vor den Einheimischen den zweiten Rang in China einnehmen sollten. Einer von Qubilais muslimischen Generalen, der bucharische Prophetenabkommling Schams ad-D?n ?Umar mit dem Beinamen
Sayyid-i Adschall
, begrundete in der sudwestlichen chinesischen Provinz
Yunnan
eine eigene Dynastie von muslimischen Statthaltern, die stark zur Verbreitung des
Islams in China
beitrug. Ein Enkel von Sayyid-i Adschall erwirkte 1335 die kaiserliche Anerkennung des Islams als
Qing Zhenjiao
, ?reine und wahre Religion“, ein Name, der bis heute in China fur den Islam verwendet wird.
Entwicklung in Europa
Die Eroberung Siziliens durch die
Normannen
(1061?1091) und die um die gleiche Zeit einsetzende
Reconquista
fuhrten dazu, dass der Islam aus Sudeuropa zuruckgedrangt wurde. Die Muslime Siziliens wurden nach Aufstanden (1219?1222) durch
Friedrich II.
in die apulische Stadt
Lucera
umgesiedelt, wo eine Art muslimisches Ghetto entstand. Um 1300 wurde diese muslimische Kolonie von Lucera von den
Anjou
zerstort, womit die Prasenz von Muslimen im mittelalterlichen Italien endete.
[42]
Auf der
iberischen Halbinsel
brachte die Reconquista die meisten Muslime unter die Herrschaft der christlichen Konigreiche. Hier wurden sie als
Mudejares
zunachst weiter geduldet und durften auch ihre Religion ausuben,
[43]
nach der Eroberung des letzten islamischen Reiches, dem
Nasridenemirat
von Granada, verloren die Muslime jedoch ihren Mudejar-Status und wurden vor die Wahl gestellt, das Land zu verlassen oder sich taufen zu lassen. Zwischen 1609 und 1614 wurden die letzten Muslime von der iberischen Halbinsel vertrieben.
[44]
Wahrend der Islam im Laufe von Spatmittelalter und Fruher Neuzeit von der iberischen Halbinsel verdrangt wurde, erlebte in der gleichen Zeit in Sudosteuropa ein anderer islamischer Staat seinen militarischen und politischen Aufstieg, das
Osmanische Reich
, das um die Mitte des 15. Jahrhunderts bereits weite Gebiete des Balkans (Bulgarien, Makedonien, Thrakien, die Dobrudscha und Bosnien) umfasste, aber auch weite Teile Kleinasiens einschloss. Die Expansion dieses Staates nach Europa hinein setzte sich bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts fast ungebremst fort. Ausgehend von den osmanischen Verwaltungszentren auf dem Balkan kam es hier nun ebenfalls zu einer Islamisierung der Bevolkerung. Statistiken fur das Jahrzehnt 1520?1530 zeigen, dass damals bereits mehrere Stadte, die als solche Zentren fungierten, muslimische Bevolkerungsmehrheiten hatten. Großere Konversionswellen fanden allerdings erst ab dem spaten 16. Jahrhundert statt.
[45]
Ausbreitung in Sudostasien
Parallel zu diesen Entwicklungen setzte sich die Verbreitung des Islams durch den Handel im Indischen Ozean fort. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts waren bereits das Herrscherhaus und die Bevolkerung der
Malediven
zum Islam ubergegangen. Uber den Seehandel verbreitete sich der Islam auch in
Sudostasien
und fasste dort zunachst in einigen Hafen an den Kusten Fuß. Mit Perlak und
Pasai
an der Nordspitze
Sumatras
erschienen in den 1290er Jahren die ersten islamischen Staaten Sudostasiens. Weitere islamische Furstentumer entstanden durch Ubertritt der Herrscher zum Islam in
Malakka
auf der malaiischen Halbinsel (1413) und in
Patani
im Suden des heutigen Staates Thailand (ab 1457).
Einige Jahre spater, um 1475, wurde mit Demak das erste islamische Furstentum auf
Java
gegrundet. 1527 vernichtete der Sultan von Demak mit
Majapahit
das letzte großere hindu-buddhistische Konigreich Javas und machte damit den Weg fur die Islamisierung der Insel frei, ein Prozess, der sich uber mehrere Jahrhunderte hinzog und innerhalb
pesantren
-Schulen eine wichtige Rolle spielten. Hierbei handelt es sich um von islamischen Religionsgelehrten in Dorfern errichtete Internatsschulen, in denen die Schuler fur langere Zeit mit ihren Lehrern leben, um eine religiose Ausbildung zu erhalten, wobei sie als Gegenleistung ihren Lehrer beim Erwerb seines Lebensunterhaltes unterstutzen.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts ging auch das Reich
Gowa
auf der Insel
Sulawesi
zum Islam uber. Von Sumatra und Java aus gelangten auf friedlichem und militarischem Weg außerdem
Lombok
sowie Ost- und Sudostborneo unter islamischen Einfluss. Allein
Bali
blieb hindu-buddhistisch.
Islamisierung im Fahrwasser des europaischen Kolonialismus
Der Ende des 17. Jahrhunderts beginnende Ruckzug des Osmanischen Reiches aus Sudosteuropa fuhrte dazu, dass der Islam hier seine Position als Religion der Herrschenden wieder verlor. Nach dem
Krimkrieg
1856 und dem
Russisch-Turkischen Krieg von 1877?1878
kam es zu Massenauswanderungen von Muslimen aus Ost- und Sudosteuropa.
[46]
Wenn das 19. Jahrhundert auf globaler Ebene im Ergebnis trotzdem zu einer weiteren Ausbreitung des Islams beigetragen hat, so ist dies zu einem betrachtlichen Teil auch auf die Wirkung des europaischen Kolonialismus zuruckzufuhren. Schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts war der Islam durch den
Sklavenhandel
der Sultane von
Oman
und
Sansibar
starker in das ostafrikanische Binnenland eingedrungen. Die Stadt
Nkhotakota
am
Malawisee
, wo der Gouverneur des Sultans residierte, wurde zum wichtigsten Zentrum der Verbreitung des Islams. Anhanger fand die neue Religion vor allem unter den Stammen der
Nyamwezi
und
Yao
im Suden
Tansanias
und in
Malawi
. Als Briten und Deutsche Kolonien in Ostafrika errichteten, wurde der Zugang zum Binnenland durch Eisenbahnbau erleichtert. So gelangten nunmehr von der Kuste und aus dem Indischen Subkontinent stammende muslimische Handler sowie muslimische Bedienstete der Kolonialbehorden zum
Victoria-
und
Tanganjikasee
und trugen den Islam in diese Gebiete. Auf besonderen Zuspruch stieß der Islam im Konigreich
Buganda
(im heutigen
Uganda
), wo 1888 mit Kalema zum ersten Mal ein muslimischer
Kabaka
an die Macht kam.
Von 1860 an wanderten zahlreiche Muslime aus Vorderindien als Vertragsarbeiter in die britische
Kolonie Natal
ein, um dort auf den Zuckerrohrplantagen zu arbeiten. Dies fuhrte zu einer Verbreitung des Islams auf dem Gebiet des heutigen
Sudafrika
. In der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts kam es zudem zur Entstehung erster muslimischer Gemeinden in West- und Mitteleuropa. Die großten dieser Gemeinden wuchsen in den britischen Hafenstadten
Cardiff
und
South Shields
heran, wo sich nach der Eroffnung des
Sueskanals
1869 auf britischen Schiffen arbeitende jemenitische und somalische Seeleute ansiedelten.
[47]
Zwischen 1860 und 1900 wurden von den Briten afghanische Kameltreiber nach
Australien
gebracht, um dort den Uberlandtransport abzuwickeln. Einige von ihnen heirateten einheimische Frauen und siedelten sich in Australien an; auf sie gehen die ersten muslimischen Gemeinden Australiens zuruck. In
Broken Hill
wurde 1892 die erste australische Moschee errichtet.
Die europaischen Kolonialmachte standen dem Islam in ihren Kolonien keineswegs uberall positiv gegenuber. In
Franzosisch-Westafrika
brachten die Kolonialbeamten
Maurice Delafosse
und
Jules Brevie
in den 1920er Jahren die Theorie auf, dass der Islam fur die meisten Schwarz-Afrikaner eine unnaturliche Religion sei und seine weitere Verbreitung unausweichlich zum Zusammenbruch der afrikanischen Gesellschaften fuhren wurde.
[48]
Richtungen
Im Laufe der Geschichte haben sich innerhalb des Islams zahlreiche Gruppen herausgebildet, die sich hinsichtlich ihrer religiosen und politischen Lehren unterscheiden.
Charidschiten
Die Charidschiten, die ?Auszugler“, sind die alteste religiose Stromung des Islams. Kennzeichnend fur ihre Position war die Ablehnung des dritten
Kalifen
?Uthm?n ibn ?Aff?n
als auch des vierten Kalifen
?Al? ibn Ab? T?lib
. Die Charidschiten lehnten außerdem die Vorherrschaft der
Quraisch
ab und vertraten die Auffassung, dass der ?beste Muslim“ das Kalifenamt erhalten solle, unabhangig von dessen familiarer oder ethnischer Zugehorigkeit.
Ihre Bewegung zersplitterte bereits um 685 in mehrere Untergruppen, von denen die der
Azraqiten
die radikalste und gewalttatigste war. Sie befand sich in permanentem Krieg mit dem Gegenkalifen
?Abdall?h ibn az-Zubair
und den
Umayyaden
. Nach und nach wurden die einzelnen Gruppierungen jedoch von den regierenden Kalifen zerschlagen oder ins Exil an die Peripherie des arabischen Reichs getrieben. So war der Großteil der Charidschiten unter den ersten Kalifen der
Abbasiden
bereits vernichtet.
Nur die moderate Stromung der
Ibaditen
hat bis in die Gegenwart uberlebt, besitzt aber insgesamt weniger als zwei Millionen Anhanger, die vor allem in
Oman
, in der
algerischen
Sahara (
M'zab
), auf der
tunesischen
Insel
Djerba
, im libyschen
Dschabal Nafusa
und in
Sansibar
leben.
Schiiten
Die Schia ist die zweite religios-politische Stromung, die sich im Islam bildete. Namengebend ist der arabische Begriff
sch??a
(
????
/
???a
/ ?Anhangerschaft, Partei‘), der verkurzt fur ?Partei Alis“ steht. Die Schiiten sind der Auffassung, dass nach dem Tode des Propheten nicht
Ab? Bakr
, sondern Mohammeds Cousin und Schwiegersohn ?Al? ibn Ab? T?lib Kalif hatte werden mussen.
Innerhalb der Schia gibt es zahlreiche Untergruppen. Die zahlenmaßig großte Gruppe sind die
Zwolfer-Schiiten
, die vor allem im
Iran
,
Irak
,
Aserbaidschan
,
Bahrain
, Indien, Pakistan und dem
Libanon
weit verbreitet sind. Sie sind der Auffassung, dass sich das
Imamat
, d. h. der Anspruch auf die islamische
Umma
, unter zwolf Nachkommen Mohammeds weitervererbt hat. Der zwolfte
Imam
Muhammad al-Mahd?
ist Ende des 9. Jahrhunderts
verschwunden
und wird erst am Ende der Zeiten wiederkehren. Die zwolf Imame gelten den Zwolfer-Schiiten als heilig, und die Orte, an denen sie begraben sind (u. a.
Nadschaf
,
Kerbela
,
Maschhad
,
Samarra
) sind wichtige zwolfer-schiitische Wallfahrtsorte.
Die zweitgroßte schiitische Gruppe sind die
Ismailiten
, die uberwiegend auf dem indischen Subkontinent (
Mumbai
,
Karatschi
und Nord
pakistan
) sowie in
Afghanistan
,
Tadschikistan
,
Jemen
und Ostafrika leben. Eine Abspaltung von den Ismailiten ist das im fruhen 11. Jahrhundert entstandene
Drusentum
.
Weitere schiitische Gruppen sind die
Zaiditen
, die
Nusairier
und die
Aleviten
. Die Zaiditen sind wie die anderen Schiiten zwar der Uberzeugung, dass Ali besser gewesen sei als die ersten beiden Kalifen Abu Bakr und Umar ibn al-Chattab, doch erkennen sie deren Kalifat als rechtmaßig an. Das Verhaltnis der Aleviten und Drusen zum Islam ist ambivalent. Wahrend sich einige Anhanger dieser Gemeinschaften noch als Muslime betrachten, sehen sich andere als außerhalb des Islams stehend.
[49]
Auf der Grundlage der Zwolferschia haben sich im 19. Jahrhundert
Babismus
und
Bahaitum
entwickelt. Wahrend der Babismus schon im 19. Jahrhundert wieder untergegangen ist, hat sich das Bahaitum zu einer eigenstandigen Religion weiterentwickelt.
Theologische Schulen
Im Laufe der Jahrhunderte haben sich im Islam auch verschiedene theologische Schulen herausgebildet. Eine der fruhesten dieser Schulen war die
Qadar?ya
, die im fruhen 8. Jahrhundert entstand und nach dem arabischen Begriff
Qadar
benannt ist, der allgemein einen Akt der Festlegung bezeichnet; er wird normalerweise mit
Schicksal
oder
Bestimmung
(
Vorsehung
) ubersetzt. Die Qadariten waren der Auffassung, dass nicht nur Gott, sondern auch der Mensch einen eigenen
Qadar
hat und wollten damit die Allmacht Gottes einschranken. Sie erscheinen damit als Vertreter einer Lehre menschlicher
Willensfreiheit
. Mit dieser Lehre standen sie damals einer anderen Gruppe gegenuber, den
Murdschi'a
, die sich neben anderen politischen Ansichten durch eine
pradestinatianische Lehre
hervortat.
[50]
Nachdem die Abbasiden im spaten 8. Jahrhundert begonnen hatten, das theologische Streitgesprach (
Kal?m
) als Mittel zur Bekampfung nicht-islamischer Lehren zu fordern, entwickelte sich die
Mu?tazila
, die diese Form des Streitgesprachs kultivierte, zur wichtigsten theologischen Schule. Die mu?tazilitische Dogmatik war streng rationalistisch ausgerichtet und maß dem Prinzip der ?Gerechtigkeit“ (
?adl
) und der Lehre von der Einheit Gottes (
tauh?d
) grundlegende Bedeutung zu. Mit ?Gerechtigkeit“ meinten Mu?taziliten hierbei nicht soziale Gerechtigkeit, sondern die Gerechtigkeit Gottes in seinem Handeln. Nach mu?tazilitischer Lehre ist Gott selbst an die ethischen Maßstabe, die der Mensch mit Hilfe des Verstandes entwickelt, gebunden. Dazu gehort, dass Gott die Guten belohnt und die Bosen bestraft, denn auf diese Weise haben die Menschen mit ihrem freien Willen die Moglichkeit, Verdienste zu erwerben. Die hauptsachlichen Konsequenzen, die sich aus dem zweiten Prinzip, der Lehre von der Einheit Gottes ergaben, waren das Leugnen des hypostatischen Charakters der Wesensattribute Gottes, z. B. Wissen, Macht und Rede, die Leugnung der Ewigkeit bzw. Ungeschaffenheit der Rede Gottes, sowie die Leugnung jeglicher Ahnlichkeit zwischen Gott und seiner Schopfung. Sogar der Koran selbst als Rede Gottes konnte nach der mu?tazilitischen Lehre keine Ewigkeit beanspruchen, da es neben Gott nichts Ewiges und damit Gottliches geben darf.
[51]
Die Mu?tazila hat unter den drei abbasidischen Kalifen
al-Ma'm?n
(813?833),
al-Mu?tasim
(833?842) und
al-W?thiq
(842?847) sowie spater unter der Dynastie der
Buyiden
herrscherliche Unterstutzung erhalten. Bis heute wird außerdem die mu?tazilitische Theologie im Bereich der Zwolferschia und der zaiditischen Schia weitergepflegt.
Sunnitentum als Mehrheitsislam
Das Sunnitentum hat sich zwischen dem spaten 9. und fruhen 10. Jahrhundert als Gegenbewegung zur Schia und zur Mu?tazila herausgebildet. Der zugrundeliegende arabische Ausdruck
ahl as-sunna
(
??? ?????
/ ?Leute der Sunna‘) betont die Ausrichtung an der
Sunnat an-nab?
, der Handlungsweise des Propheten. Die ebenfalls gangige erweiterte Form
ahl as-sunna wa-l-dscham??a
(
??? ????? ????????
/ ?Leute der Sunna und Gemeinschaft‘) betont die umfassende Gemeinschaft der Muslime.
[52]
Zu den Gruppierungen, die Ausdrucke wie
ahl as-sunna
oder
ahl as-sunna wa-l-dscham??a
am fruhesten fur sich verwendeten, gehorten die
Hanbaliten
, die Anhanger des Traditionsgelehrten
Ahmad ibn Hanbal
. Sie lehrten im Gegensatz zu den Mu?taziliten die Unerschaffenheit des Korans, lehnten die Kontroverstheologie des Kal?m ab und sahen allein die Aussagen in Koran und Hadithen sowie die Uberlieferungen uber die ?Altvorderen“ (
ahl as-salaf
) als maßgeblich an. Alle daruber hinausgehenden theologischen Aussagen lehnten sie als
unzulassige Neuerung
ab.
[53]
Um die Wende zum 10. Jahrhundert versuchten verschiedene Theologen wie
al-Qal?nis?
und
Ab? l-Hasan al-Asch?ar?
diese Lehre mit rationalen Argumenten zu begrunden. Die von al-Asch?ar? entwickelte Lehre wurde von spateren Gelehrten wie
al-B?qill?n?
und
al-Ghaz?l?
weiterentwickelt und ist zur wichtigsten sunnitischen theologischen Schule geworden. Die zweite sunnitische theologische Schule neben dieser
Asch?ar?yya
ist die
Maturidiyya
, die sich auf den transoxanischen Gelehrten
Ab? Mans?r al-M?tur?d?
zuruckbezieht.
[54]
Heute bilden die
Sunniten
mit etwa 85 Prozent die zahlenmaßig großte Gruppierung innerhalb des Islams.
[55]
Kennzeichnend fur die Sunniten insgesamt ist, dass sie die vier ersten Nachfolger des Propheten als ?rechtgeleitete Kalifen“ (
chulaf?? r?schid?n
) verehren, im Gegensatz zu der von den meisten Schiiten geteilten Auffassung, wonach ?U?m?n durch seine Handlungsweise zum Unglaubigen geworden ist, und der Auffassung der Charidschiten und Ibaditen, wonach sowohl ?U?m?n als auch ?Al? Unglaubige waren und deswegen ihre Totung legitim war. Daneben knupft sich das Sunnitentum an eine bestimmte Anzahl von Hadith-Sammlungen, die als kanonisch betrachtet werden, die sogenannten
Sechs Bucher
. Das wichtigste davon ist der
Sah?h al-Buchari
. Schließlich ist fur das Sunnitentum die Beschrankung der
Koranrezitation
auf eine bestimmte Anzahl anerkannter
Lesarten des Korans
charakteristisch.
Richtungen der islamischen Normenlehre
Schon wenige Jahrzehnte nach dem Tode des Propheten ergab sich bei den Muslimen das Bedurfnis, Auskunft zu bestimmten Fragen der Lebensfuhrung zu erhalten. Diese betrafen sowohl den gottesdienstlichen Bereich als auch das Zusammenleben und die rechtlichen Beziehungen mit anderen Menschen. Anerkannte Autoritaten wie der Prophetencousin
?Abdall?h ibn ?Abb?s
bedienten dieses Bedurfnis, indem sie zu den fraglichen Punkten Gutachten (
Fatwas
) erteilten. Diese Gutachten stutzten sich anfangs noch zum großen Teil auf eigene subjektive Anschauung (
Ra?y
).
[56]
Im Laufe des 8. Jahrhunderts bildeten sich an verschiedenen Orten ? neben Mekka vor allem Medina,
Kufa
und Syrien ? lokale Gelehrtenschulen heraus, die Auffassungen fruherer Autoritaten zu bestimmten Fragen sammelten und gleichzeitig Prinzipien fur die Normenfindung (
Fiqh
) festlegten. Wahrend die Schule von Medina mit
M?lik ibn Anas
dem Konsens (
Idschm??
) eine sehr wichtige Bedeutung zumaß, arbeitete
Ab? Han?fa
in Kufa starker mit der Methoden des Analogieschlusses (
Qiy?s
) und der eigenen Urteilsbemuhung (
Idschtih?d
). Die
Schule von M?lik
verbreitete sich vor allem in Agypten, die
Schule von Ab? ?an?fa
in Chorasan und Transoxanien.
Im fruhen 9. Jahrhundert bemuhte sich der Gelehrte
asch-Sch?fi??
, eine Synthese zwischen der malikitischen und der hanafitischen Richtung herzustellen, und entwickelte in diesem Rahmen eine umfassende Theorie der Normenfindung, die auch bestimmte Prinzipien der Texthermeneutik einschloss, die bei der Auslegung von Koran und Hadithen zur Anwendung kommen sollten.
[57]
Da sich asch-Sch?fi?? in seinen Werken sehr stark gegen das Prinzip des
Taqlid
, der unreflektierten Ubernahme der Urteile anderer Gelehrter, ausgesprochen hatte, dauerte es bis zum fruhen 10. Jahrhundert, dass sich um seine Lehren eine eigene Schule bildete. Das erste Zentrum der
Sch?fi?iten
war Agypten. Von dort verbreitete sich die schafiitische Lehrrichtung (
Madhhab
) spater auch in den Irak und nach Chorasan sowie in den Jemen.
[58]
Nachdem das Hanbalitentum im 11. Jahrhundert unter der Wirkung des Bagdader
Kadi
Ibn al-Farr?'
(gest. 1066) eine eigene Normenlehre entwickelt hatte,
[59]
wurden im Bereich des sunnitischen Islams vier Lehrrichtungen der Normenlehre als orthodox anerkannt: die Hanafiten, die Malikiten, die Schafiiten und die Hanbaliten. Heute besteht die Tendenz, insgesamt acht Lehrrichtungen als rechtmaßig anzuerkennen. Hierbei werden die
Ibadiyya
und die schiitische
Zaidiyya
als eigene Lehrrichtungen gezahlt. Die
Salafiten
lehnen dagegen das Festhalten an einem Madhhab als
unrechtmaßige Neuerung
ab. Heute wird die islamische Normenlehre in internationalen Gremien weitergebildet, von denen die
Internationale Fiqh-Akademie
in Dschidda, die zur Organisation fur Islamische Zusammenarbeit zugehort, das wichtigste ist.
Sufische Stromungen
Der Sufismus (
????
/
ta?awwuf
) ist eine religiose Bewegung, die im 9. Jahrhundert unter den Muslimen des Irak entstand. Die Sufis pflegten verschiedene
asketische
Ideale wie Weltentsagung
(zuhd)
und Armut
(faqr)
und fuhrten den Kampf gegen die Triebseele. Entsprechend koranischer Aufforderungen (vgl. Sure 2:152; 33:41f) widmeten sie dem Gedenken (
Dhikr
) und Lobpreis (
Tasbih
) Gottes großte Aufmerksamkeit. Weitere wichtige sufische Prinzipien sind das unbedingte Gottvertrauen
(tawakkul)
und das Streben nach dem Entwerden
(fan??)
in Gott. Der Scharia als außeres Normensystem des Islams wird in der Sufik die
Tar?qa
als mystischer Weg gegenubergestellt. Gelehrte aus dem ostiranischen Raum wie
al-Quschair?
arbeiteten die Sufik im 10. und 11. Jahrhundert in Handbuchern zu einem umfassenden spirituellen Lehrsystem aus. Dieses Lehrsystem mit seiner spezifischen Terminologie fur
Seelenzustande
und
mystische Erfahrungen
verbreitete sich im Laufe des 12. Jahrhunderts auch in den anderen Gebieten der islamischen Welt, fand zunehmenden Zuspruch bei Rechtsgelehrten, Theologen und Literaten und wurde zu einem der wichtigsten Bezugspunkte des religiosen Denkens der Muslime.
Innerhalb der Sufik gibt es mit dem
Scheich
bzw.
Pir
ein eigenes Autoritatsmodell. Er leitet diejenigen, die den spirituellen Weg beschreiten wollen, an. Derjenige, der sich einem solchen Scheich anschließt und sich seiner Autoritat unterwirft, wird umgekehrt als
Mur?d
(arab. ?der Wollende“) bezeichnet. Menschen, die auf dem spirituellen Weg zur Vollkommenheit gelangt sind, werden als ?Gottesfreunde“
Auliy?? All?h
betrachtet. In Nord- und Westafrika werden sie auch
Marabouts
bezeichnet. Die Verehrung fur derartige Personen hat dazu gefuhrt, dass sich im Umfeld der Sufik eine starke
Heiligenverehrung
entwickelt hat. Grabstatten von Gottesfreunden und Marabouts bilden wichtige Ziele von
lokalen Wallfahrten
.
Ab dem spaten Mittelalter haben sich zahlreiche
sufische Orden
herausgebildet. Einige von ihnen wie die
Naqschband?ya
, die
Qadiriyya
und die
Tidschaniyya
haben heute eine weltweite Anhangerschaft.
Puritanische Gruppen wie die
Wahhabiten
lehnen die Sufis als
Ketzer
ab. Sie kritisieren einerseits solche Praktiken wie den
Dhikr
, der etwa in der Tradition
Kunta Haddschi Kischijew
und anderer mit Musik und Korperbewegungen einhergeht, andererseits aber auch die sufische Heiligenverehrung, weil ihrer Auffassung nach kein Mittler zwischen dem Menschen und Gott stehen darf. Solche Konflikte sind bis in die Gegenwart zu finden, etwa in der tschetschenischen Unabhangigkeitsbewegung.
[60]
Der Sufi Kunta Haddschi gilt auch als eines der Vorbilder und Beispiele fur gewaltlose Traditionen und Stromungen im Islam.
[61]
Ahmadiyya
Als eine islamische Bewegung mit messianischem Charakter bildete sich Ende des 19. Jahrhunderts in
Britisch-Indien
die Ahmadiyya heraus. Ihr Grunder
Mirza Ghulam Ahmad
erhob den Anspruch, der ?
Mudschaddid
(Erneuerer) des 14. islamischen Jahrhunderts“, der ?Verheißene
Messias
“, der von Muslimen erwartete
Mahdi
der Endzeit und ein ?(Muhammad nachgeordneter) Prophet“ zu sein. Vor allem der letztgenannte Punkt fuhrte dazu, dass andere Muslime die Ahmadiyya als
haretisch
betrachten, denn aufgrund von
Sure 33
:40 gilt Mohammed als das ?Siegel der Propheten“. Seitdem 1976 die
Islamische Weltliga
die Ahmadiyya als ?unglaubige Gruppierung“ aus dem Islam ausgeschlossen hat,
[62]
ist es in mehreren islamischen Landern zu Angriffen auf Angehorige dieser Sondergemeinschaft gekommen.
Koranismus
Der Koranismus ist eine islamische Stromung, deren Anhanger allein den
Koran
als Quelle des Glaubens ansehen und
Hadithe
als rechtliche und theologische Quelle neben dem Koran ablehnen. Diese spezielle Interpretation des Glaubens fuhrt dazu, dass gewisse koranistische Verstandnisweisen erheblich von den orthodoxen Lehrmeinungen abweichen.
Innerhalb der
Mu?tazila
, einer theologisch islamischen Stromung, die ihre Blutezeit zwischen dem neunten und elften Jahrhundert erlebte, gab es verschiedene kritische Positionen bezuglich der Hadithe. Einer ihrer Vertreter,
an-Nazz?m
, hatte eine sehr skeptische Haltung gegenuber den Hadithen und untersuchte widerspruchliche Uberlieferungen hinsichtlich ihres abweichenden Inhaltes, um seine Position zu verteidigen.
[63]
Im Jahre 1906 veroffentlichte
Muhammad Tawf?q Sidq?
einen kritischen Artikel in der Zeitschrift
al-Man?r
von
Rasch?d Rid?
mit dem Titel ?Der Islam ist nur der Koran allein“ (
al-Isl?m huwa al-Qur??n wa?da-h?
). Darin kritisierte er die
Sunna
und vertrat die Auffassung, dass sich die Muslime allein auf den Koran stutzen sollten, da die Handlungsweise des Propheten nur fur die ersten Generationen der Muslime als Vorbild intendiert gewesen sei. Der Artikel, der das Ergebnis von Diskussionen mit Rasch?d Rid? war, bei denen Sidq? seine Ideen von der zeitlichen Beschranktheit der Sunna vorgetragen hatte, stieß bei den zeitgenossischen muslimischen Gelehrten auf heftige Ablehnung, und es gab mehrere von ihnen, die dazu Widerlegungen verfassten.
[64]
Der Koranismus erhielt im 20. Jahrhundert außerdem eine politische Dimension, als
Muammar al-Gaddafi
den Koran zur
Konstitution
Libyens
erklarte.
[65]
Durch agyptische Gelehrte wie
Rashad Khalifa
, dem Entdecker des ?Korancodes“ (Code 19), einem hypothetischen mathematischen Code im Koran, und Ahmad Subhy Mansour, islamischer Gelehrter und Aktivist, die in die
Vereinigten Staaten
emigrierten, breiteten sich koranistische Ideen auch in vielen weiteren Landern aus.
[66]
Verhaltnis zu anderen Religionen
Polytheismus
Die Bezeugung der
Einheit Gottes
und die damit einhergehende Ablehnung des
Gotzenkults
ist der wichtigste Glaubensgrundsatz der islamischen Religion.
Polytheismus
steht im absoluten Widerspruch zur streng monotheistischen Lehre des Islams, wonach Vielgotterei die großtmogliche
Sunde
darstellt.
[67]
Dem Koran zufolge ist die Verehrung anderer Gottheiten neben Allah die einzige Sunde, die unter keinen Umstanden vergeben wird.
?Gott vergibt nicht, daß man ihm (andere Gotter) beigesellt. Was darunter liegt, (d. h. die weniger schweren Sunden) vergibt er, wem er (es vergeben) will. Und wenn einer (dem einen) Gott (andere Gotter) beigesellt, ist er (damit vom rechten Weg) weit abgeirrt.“
Der Koran kritisiert an zahlreichen weiteren Stellen vehement die Verehrung anderer Wesen an Gottes Stelle.
[68]
Im Jenseits wurden
Gotzendiener
mit dem Eintritt in die
Holle
bestraft.
Abrahamitische Religionen
Die arabische Halbinsel fand durch den Islam in Abkehr vom bisherigen
Steinkult
in Mekka Anschluss an
judische
und
christliche
Glaubensformen. Der Islam beruft sich in seiner Herkunft auf
Abraham
, zahlt also mit dem Judentum und dem Christentum zu den
abrahamitischen Religionen
. Alle drei sind
monotheistische
Religionen. Da sie auf den Offenbarungen von Propheten (
Moses
und
Mohammed
) beruhen, wobei in islamischer Interpretation auch
Jesus Christus
als Prophet gesehen wird, sind sie
Offenbarungsreligionen
und, weil diese
Offenbarungen
schriftlich fixiert wurden, auch
Buchreligionen
.
[69]
Wie das Judentum ist der Islam eine Religion, in der das religiose Gesetz (z. B.
religiose Speisevorschriften
) im Gegensatz zum Christentum eine vergleichsweise große Rolle spielt. Und wie das Christentum tragt er im Gegensatz zum Judentum
missionarische
Zuge.
[70]
Der gemeinsame Bezug auf Abraham ist am Anfang seiner Prophetie von Mohammed betont worden. Im Verlauf seines Lebens anderte der Prophet aufgrund seiner Erfahrungen mit den judischen und christlichen Religionsgemeinschaften seine Haltung ihnen gegenuber. Die sich andernde Einstellung Mohammeds zu den Schriftbesitzern ist in der
Islamwissenschaft
mehrmals behandelt worden.
[71]
Ursprunglich erwartete er, dass die Schriftbesitzer seine Prophetie anerkennen und seiner Religion beitreten wurden; als dies nicht geschah, begann sich Mohammeds Haltung zu den Anhangern der Buchreligionen nach und nach ins Negative zu andern. Diese Gesinnungsanderung hat auch ihre Spuren im Koran hinterlassen, wo ursprunglich ihre religiosen und moralischen
Tugenden
hochgeachtet wurden, und Mohammed dazu aufgefordert wurde, mit ihnen gute Beziehungen zu pflegen. Nachdem Mohammed mit diesen Religionsgemeinschaften gebrochen hatte, erhob er ihnen gegenuber den Vorwurf der
Heuchelei
und betonte ihre Weigerung, den Islam anzunehmen; daher seien sie nicht als Verbundete anzusehen, sondern zu bekampfen.
[72]
In den Augen Mohammeds waren das Judentum und das Christentum fehlerhafte Weiterentwicklungen der gemeinsamen Urreligion.
[73]
Wahrend der Islam mit dem Judentum und dem Christentum den Glauben an einen einzigen Gott sowie den Bezug auf Abraham und zahlreiche weitere
biblische
Propheten grundsatzlich teilt, unterscheidet er sich in seinen Grundlagen vom Christentum durch seine strikte Ablehnung der
Trinitatslehre
(
Sure 112
) und der christlichen Vorstellung der
Erbsunde
, vom Judentum hauptsachlich durch seine Anerkennung Jesu als Prophet, von den anderen abrahamischen Religionen allgemein durch die Anerkennung Mohammeds als Gottes Gesandter und Siegel der Propheten sowie der Lehre vom Koran als den Menschen uberbrachtes
Wort Gottes
.
Historisch-politische Interaktion mit anderen Religionsgemeinschaften
Das innerhalb der dem Tod des arabischen Religionsstifters folgenden Jahrhunderte elaborierte klassische
islamische Volkerrecht
unterschied bei seiner Betrachtung Andersglaubiger zwischen monotheistischen Schriftbesitzern (?
Leute des Buches
“) und Anhangern einer polytheistischen Religion, die
de jure
bis zur Annahme des Islams zu bekampfen waren. Erstere hatten eine Sonderstellung im islamischen Gemeinwesen als
Schutzbefohlene
(Dhimmis)
. Dieser Status ging mit der Zahlung einer besonderen Steuer, der
Dschizya
einher; dafur erhielten sie im Gegenzug Schutz ihres Lebens und ihres Eigentums, sowie die Erlaubnis, ihre Religion ? unter bestimmten Einschrankungen
[34]
? frei auszuuben.
[74]
Dieses Schutzbundnis galt ursprunglich nur Juden und Christen, wurde allerdings auf alle Nichtmuslime schlechthin ausgeweitet, als die muslimischen Eroberer auf andere Glaubensgemeinschaften, wie die
Hindus
, stießen.
[75]
Andersglaubige in nicht-islamischen Gebieten, im sogenannten
Haus des Krieges
, konnten als
musta'min
temporar auf
islamischem Gebiet
verweilen. Als Bewohner des
Dar al-Harb
galten sie ansonsten als Feinde
(
?arb?
),
die bei der Eroberung ihres Gebiets im Laufe der
islamischen Expansion
zuerst zur Annahme des Islams aufgerufen, bei einer Weigerung den Dhimmi-Status ? unter Voraussetzung einer Angehorigkeit zu einer Buchreligion ? angeboten bekommen und bei einer Weigerung dessen bekampft werden sollten.
[76]
Eine kritische Dokumentation religios motivierter Diskriminierungen und Gewalttaten bietet in diesem Zusammenhang beispielsweise der regelmaßig aktualisierte
Weltverfolgungsindex
.
Gegenwartige Situation der Bahai
Die Religion der Bahai erfullt zwar die Bedingungen einer
Buchreligion
(schriftlich fixierte Offenbarung) und erkennt sogar Mohammeds Offenbarungsanspruch an. Dennoch wird diese
monotheistische
Religionsgemeinschaft in der islamischen Welt nicht als ein
ahl al-kitab
(?Volk des Buches“) anerkannt. Die Lehre der Bahai, welche die
eschatologischen
Beschreibungen des Koran nicht auf einen materiellen Untergang der Welt, sondern auf die nachislamischen Offenbarungen des
Bab
und
Baha'ullahs
bezieht, wird von vielen muslimischen Gelehrten als
Abfall vom Islam
(arab.: ???? ?????, ridda) bezeichnet. Neben diversen anderen Vorwurfen bezeichnen sunnitische
Fatwas
die Bahai-Religion als eine von Nichtmuslimen gestiftete Bewegung von Unglaubigen (
kuff?r
) zur Zersetzung des Islams.
Besonders stark ist die Verfolgung im schiitischen Iran.
Großajatollah
Naser Makarem Schirazi
stigmatisierte die Bahai als ?kriegerische Unglaubige“ (Kofare Harbi), die getotet werden durfen. Der iranische Parlamentsabgeordnete
Mehdi Kuchaksadeh
behauptet, dass Bahai ?zwar wie Menschen aussehen, aber keine Menschen seien“.
[77]
Dementsprechend werden die
Bahai im Iran verfolgt
und auch in Deutschland versuchen Schiiten, Bahai auszugrenzen.
[78]
Siehe auch
Artikel zum Islam in bestimmten Regionen (Auswahl)
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und
Sal?m
(?Friede“) beruhen auf derselben bedeutungstragenden
Wurzel
s
-
l
-
m
. Daraus wird
volksetymologisch
mitunter ein Bezug der Begriffe abgeleitet mit der kausativen Bedeutung ?Frieden schaffen“ oder ?Frieden stiften“ fur den Begriff
Islam
. Eine solche Bedeutung ist weder im
Koran
selbst noch in der heute uneingeschrankt gultigen klassischen Koranexegese nachweisbar.
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????? ??????? ?????? ? Ikhwan Wiki
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Martin-Luther-Universitat Halle-Wittenberg
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