Produktionsfaktor

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Als Produktionsfaktor bezeichnet man in der Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre jene in der Produktion verwendeten materiellen und immateriellen Guter , deren Einsatz ( englisch input ) zur Herstellung anderer Guter oder Dienstleistungen aus technischen oder wirtschaftlichen Grunden erforderlich ist.

Allgemeines [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Da die Erkenntnisobjekte in Betriebs- und Volkswirtschaftslehre unterschiedlich sind, unterscheiden sich in beiden Einzelwissenschaften auch Begriffsinhalt und Begriffsumfang der Produktionsfaktoren. Deshalb ist beispielsweise in beiden Disziplinen die Definition des Produktionsfaktors Arbeit nicht deckungsgleich: [1]

Produktionsfaktoren
der Volkswirtschaftslehre
Produktionsfaktoren
der Betriebswirtschaftslehre
Arbeit dispositive Arbeit
ausfuhrende Arbeit
Boden Werkstoffe ( Roh- , Hilfs- und Betriebsstoffe )
Kapital (in der VWL nicht Geld ,
sondern Produktionsmittel )
Betriebsmittel

Von der Betriebswirtschaftslehre wurde die volkswirtschaftliche Einteilung der Produktionsfaktoren nicht ubernommen, weil sie Wolfgang Kilger zufolge fur die Behandlung einzelwirtschaftlicher Probleme unzweckmaßig ist. [2] Auch Produktionsfaktoren sind ein Handelsobjekt , und zwar auf dem Faktormarkt , wo ihr Marktpreis als Faktorpreis bezeichnet wird. Ihre Beschaffung auf dem Faktormarkt verursacht fur die Nachfrager Faktorkosten .

Produktionsfaktoren in der Volkswirtschaftslehre [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die klassische Volkswirtschaftslehre kennt seit Adam Smith , insbesondere seit David Ricardo , die Faktoren Arbeit , Kapital und Boden . Jean-Baptiste Say fugte 1845 diesem Faktorsystem die ?unternehmerische Tatigkeit“ hinzu. [3] Neuerdings werden haufig auch Wissen ( Humankapital ) [4] oder die Energie als eigenstandiger Produktionsfaktor identifiziert. [5] Da diese Produktionsfaktoren knapp sind, haben sie in der klassischen Nationalokonomie einen Preis , der bei der Arbeit Lohn , beim Boden Bodenrente und beim Kapital Zins heißt.

Der Begriff Boden umfasste ursprunglich den Ackerboden , wurde im Zuge der Ausbeutung von Bodenschatzen dann zunachst auf diese erweitert. Angesichts der zunehmenden Verknappung von Produktionsmitteln wie Luft und Wasser wird in der Volkswirtschaftslehre mittlerweile auch vom Produktionsfaktor Natur oder Umwelt gesprochen.

Trager des Faktors Arbeit ist die auf Einkommenserzielung ausgerichtete Tatigkeit der Menschen . Die Produktion aller Guter nimmt zwar ihren Ausgang bei den Stoffen der Natur, doch die Natur bietet keine gebrauchsfertigen Guter, sie bietet nur Rohstoffe bzw. Energiequellen , die der Mensch erst gewinnen oder erschließen muss. Dafur muss er Arbeit aufwenden. Dieser Produktionsfaktor hat eine quantitative Seite (die Zahl der Arbeitskrafte ) und eine qualitative Seite (der Ausbildungsstand der Arbeitskrafte).

Der Faktor Kapital ist jener Teil des Produktionsergebnisses fruherer Perioden, der zur Produktion in der betrachteten Periode beitragt. Anders ausgedruckt ist Sachkapital das physische Ergebnis von in der Vergangenheit geleisteter Arbeit. Der Okonom unterscheidet Sachkapital, auch Realkapital genannt, und Geldkapital . Das Sachkapital sind produzierte Produktionsmittel , also beispielsweise Gebaude , Maschinen und Werkzeuge . Unter Geldkapital wird Geld verstanden, das als allgemeines Tauschmittel durch Investitionen in Sachkapital umgewandelt oder alternativ fur Konsumzwecke verwendet werden kann.

Die Produktionsfaktoren sind regelmaßig begrenzt substituierbar (ersetzbar). Die Bildung von Kapital kann z. B. die Produktivitat der Arbeit erhohen. Aufgrund der hohen Elastizitat des Produktionsfaktors Energie ist ein hoher okonomischer Druck vorhanden, im Rahmen der technischen und organisatorischen Randbedingungen den Faktor Arbeit durch das Paar Energie und Kapital zu ersetzen.

Produktionsfaktoren in der Betriebswirtschaftslehre [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die einzelbetriebliche Betrachtung erfordert eine genauere Begriffsdifferenzierung fur die Produktionsfaktoren. Eine klassische Unterscheidung wurde von Erich Gutenberg vorgenommen [6] und hat sich fast unverandert bis heute durchgesetzt. Sie wird durch die beiden Begrifflichkeiten Repetierfaktoren und Potentialfaktoren von Edmund Heinen erganzt, die in die folgende Darstellung integriert wurde.

Produktionsfaktoren (nach Gutenberg)
Elementarfaktoren dispositive Faktoren
Repetierfaktoren Potentialfaktoren
Werkstoffe Betriebsmittel Ausfuhrung
(menschliche Arbeit am Objekt)
Leitung Planung Organisation Kontrolle
Rohstoffe Hilfsstoffe Betriebsstoffe materielle Betriebsmittel immaterielle Betriebsmittel
originare Faktoren derivative Faktoren

Elementarfaktoren und dispositive Faktoren [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Erich Gutenberg etablierte die oberste Aufteilung der Produktionsfaktoren. Die menschliche Arbeit teilt er in objektbezogene Arbeit ( Ausfuhrung , Arbeit am Erzeugnis) und dispositive Arbeit ( Leitung , unterstutzt durch Planung , Organisation und Kontrolle ) ein.

Die menschliche Arbeit sowie die Faktoren Betriebsmittel und Werkstoffe nennt Gutenberg Elementarfaktoren des betrieblichen Produktionsprozesses .

Der dispositive Faktor erganzt die Elementarfaktoren laut Gutenberg zu einer produktiven Einheit. Der dispositive Faktor ist hinsichtlich der optimalen Faktorkombination wichtig und bildet den planerischen und strategisch-operativen Einsatz der Elementarfaktoren im Unternehmen ab. Es handelt sich also um ein immaterielles Gut, welches nur im begrenzten Umfang substituiert werden kann.

Repetierfaktoren und Potentialfaktoren [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Elementarfaktoren werden weiter nach ihrer Verwendung unterschieden. Wird der Faktor im Prozess der Leistungserstellung unmittelbar verbraucht oder physikalisch bzw. chemisch umgewandelt, spricht man von Repetierfaktoren (nach Heinen) bzw. Verbrauchsfaktoren (nach Gutenberg). Um eine kontinuierliche Produktion gewahrleisten zu konnen, mussen diese Guter standig neu beschafft werden.

Faktoren, die zur Leistungserstellung lediglich mittelbar verbraucht bzw. gebraucht werden, bezeichnet man als Potential- oder Bestandsfaktoren. Sie sind in der Regel nicht teilbar. [7]

Betriebsmittel [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Gruppe der Betriebsmittel nimmt in diesem Schema eine Sonderstellung ein, da sie sich den Repetier- sowie Potentialfaktoren zuordnen lasst. Betriebsmittel, die dem Gebrauch dienen, gehoren zu den Potentialfaktoren und lassen sich einerseits in materielle (Grundstucke, Gebaude, Anlagen, Geldmittel) und immaterielle Betriebsmittel (Rechte, Lizenzen, Patente, Wissen, Informationen) unterteilen. Außerdem erfolgt eine Abgrenzung der Betriebsmittel, die verbraucht werden, zu denen die so genannten Betriebsstoffe (Energie-, Treib-, Schmier- und Putzstoffe) gehoren.

Verzichtet man auf die Einteilung in Repetier- und Potentialfaktoren, konnen die Betriebsstoffe ganzlich den Werkstoffen zugeordnet werden. Eine Subordinierung, die ebenfalls weitestgehend anerkannt und akzeptiert wird. [8]

Werkstoffe [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Gruppe der Werkstoffe unterteilt sich, neben der Moglichkeit der Betriebsstoffe, in die Gruppen Hilfs- und Rohstoffe. Rohstoffe sind in diesem Fall ein wesentlicher Bestandteil des endgultigen Produktes, wie z. B. das Holz fur einen Holzstuhl. Hilfsstoffe sind kein wesentlicher Bestandteil des Produktes, wie der Holzkleber fur den Holzstuhl.

Originare und derivative Faktoren [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Zu den originaren Faktoren gehoren die Elementarfaktoren sowie der Teil menschlicher Arbeit, der in Betriebs- und Geschaftsleitung uber die Kombination und den Einsatz der Elementarfaktoren entscheidet ( Leitung ).

Die Leitung wird dabei durch die derivativen (abgeleiteten) Faktoren wie Planung , Organisation und Kontrolle unterstutzt.

Bei dem Versuch, die betriebswirtschaftlichen Grundprobleme der Gestaltung eines optimalen guterwirtschaftlichen Gleichgewichts zu erfassen und zu analysieren, spielt die Bereitstellung der Produktionsfaktoren eine entscheidende Rolle. In der Phase der Bereitstellung der Elementarfaktoren gilt es vor allem die Produktionsfaktoren in der erforderlichen Art, Gute und Menge rechtzeitig und am richtigen Ort fur den Kombinationsprozess bereitzustellen. Dabei ist gemaß dem okonomischen Prinzip darauf zu achten, dass die Bereitstellungskosten minimiert werden.

Die Bereitstellung hat dabei zwei Aufgaben: Erstens die technische Aufgabe der Bereitstellungsplanung . Das heißt fur eine storungsfreie Produktion, eingehaltene Fertigungstermine, Erfullung der Qualitatsstandards u. a., Sorge zu tragen. Zweitens die okonomische Aufgabe, welche aus den Erfolgszielen des Unternehmens abzuleiten ist.

Weiterentwicklung und neue Faktoren [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Das von Gutenberg entwickelte klassische System ist vor allem auf die Produktion und Industriebetriebe ausgelegt. Mit der zunehmenden Bedeutung des Tertiarsektors , d. h. dem Vordringen des Dienstleistungssektors , stieg die Bedeutung der Mitwirkung der Kunden an der Leistungserstellung und ihrer Integration. Rudolf Maleri hat deshalb 1970 den Begriff des externen Produktionsfaktors gepragt fur den zur Leistungserstellung zwingend notwendigen Beitrag (aktiv oder passiv) weiterer Leistungserbringer außerhalb des Unternehmens. [9]

Hans-Dieter Deppe vervollstandigte das Produktionsfaktorsystem Gutenbergs in der Bankbetriebslehre um den monetaren Faktor mit seinen beiden Bestandteilen "Haftungsleistung" und "Zahlungsleistung" ein. In seinem Werk beschreibt er auch Produktionsfunktionen fur den monetaren Faktor. [10]

Eine besondere Rolle spielt der Faktor Zeit im Handel . Der Eigenart der Handelsbetriebe entsprechend, die im Regelfall keine Werkstoffe einsetzen, werden bei ihnen die Begriffe produktive Faktoren oder Leistungsfaktoren dem Begriff Produktionsfaktor allerdings oft vorgezogen. Neben den primaren Leistungsfaktoren Arbeit, Ware, Raum und sachliche Betriebsmittel setzen Handelsbetriebe sekundare Leistungsfaktoren ein; zu letzteren zahlt der Faktor Zeit, auch Quasi-Produktionsfaktor genannt. Der moglichst optimale Einsatz von Zeit ist nicht nur bei den einzelnen Leistungsfaktoren zu berucksichtigen, sondern auch auf allen vier Markten des Handelsbetriebs (Beschaffungs-, Absatz-, Konkurrenzmarkt und internem Markt). Schenk hat nicht weniger als 66 Felder zusammengestellt, auf denen Zeitprobleme wegen ihres unmittelbaren Einflusses auf die betriebliche Leistungs- und Kostensituation gelost werden mussen und Zeitmanagement betrieben werden muss. Sie reichen von der Ablauforganisation uber Inventurdifferenzen, Kundenlaufstudien, Ladenoffnungszeiten, Lagerumschlagshaufigkeit oder Skontoverzinsung bis hin zu Zeitrabatt oder zeitlicher Preisdifferenzierung. [11]

Walther Busse von Colbe und Gert Laßmann fuhren als Erganzung Gutenbergs die offentlichen Leistungen des Staates , der Gemeinden , Gemeindeverbande , Kreditinstitute und Versicherungen ein. Helmut Kurt Weber prazisiert 1980 diesen Zusammenhang und fuhrt das Rechtssystem, das vorher als Teil des Produktionsfaktors Kapital gesehen wurde, als eigenstandige Kategorie im Faktorsystem.

Wissen etabliert sich zunehmend als vierter eigenstandiger Produktionsfaktor, obwohl es zumindest implizit schon in Gutenbergs dispositivem Faktor abgedeckt ist. Peter Drucker beschrieb 1968 erstmals Wissen als wichtigen Produktionsfaktor und fuhrte dabei den Begriff der Informationsgesellschaft ( englisch knowledgte society ) ein. [12] Information wird als Ressource im Leistungserstellungsprozess verwendet. Dabei kann zusatzliches, entscheidungsrelevantes Wissen entstehen (siehe Wissensmanagement ). Dies gilt zumindest fur diejenigen Informationen, die nach dem Eingang in die Produktion "verbraucht" werden, d. h. ihren wirtschaftlichen Wert verlieren. Jedoch ist es umstritten, ob auch andere Arten von Information als Produktionsfaktor gelten konnen.

Produktionsfaktoren in der Kosten- und Leistungsrechnung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Hauptaufgabe der Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) ist der Nachweis des Werteverzehrs von betriebswirtschaftlichen Produktionsfaktoren bezogen auf die Wertschopfungskette in einer Rechnungsperiode. Der Einsatz der Produktionsfaktoren verursacht Kosten (Faktorkosten), die durch die erbrachte Leistung am Markt wieder erlost werden mussen.

In den meisten Betrieben spielt einer der Produktionsfaktoren die wichtigste Rolle, was in der Gewinn- und Verlustrechnung an der entsprechenden Kostenart abgelesen werden kann. Danach werden die Betriebe nach dem vorherrschenden Produktionsfaktor in arbeitsintensive ( Personalkosten ), anlagenintensive ( Abschreibungen ), kapitalintensive ( Zinsaufwand , Dividenden ), materialintensive ( Materialaufwand ), energieintensive ( Energiekosten ) und informationsintensive (Kosten fur Informationstechnik ) Betriebe eingeteilt. [13] Bei arbeitsintensiven Betrieben spielen Beschaftigungsrisiken und Tariferhohungen eine wichtige Rolle, bei materialintensiven Betrieben besteht eine große Abhangigkeit von Lieferanten und meist eine geringe Fertigungstiefe .

Siehe auch [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Hans Andreas Werner, Klausurentraining allgemeine BWL, VWL fur Fachwirte , 2008, S. 62
  2. Wolfgang Kilger, Der Faktor Arbeit im System der Produktionsfaktoren , in: Arbeit und Lohn als Forschungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre, 1962, S. 45
  3. Jean-Baptiste Say, Ausfuhrliches Lehrbuch der praktischen Okonomie , deutsche Ubersetzung, 1845, S. 121.
  4. Olaf Katenkamp, Quo vadis Wissensmanagement , in: Zeitschrift fur Arbeitsforschung, Arbeitsgestaltung und Arbeitspolitik, Heft 1/2003, S. 19.
  5. Dietmar Lindenberger, Reiner Kummel : Energy and the state of nations (PDF; 548 kB). EWI Working Paper, No 11/2011.
  6. Erich Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre , Band 1: Die Produktion , 1951, S. 3 ff.
  7. Sonke Peters/Rolf Bruhl/Johannes N. Stelling, Betriebswirtschaftslehre: Einfuhrung , 2005, S. 122.
  8. Gunter Wohe , Einfuhrung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre , 19. Auflage, 1996. S. 93.
  9. Rudolf Maleri, Betriebswirtschaftliche Probleme der Dienstleistungsproduktion , 1970, S. 83 ff.
  10. Hans-Dieter Deppe, Bankbetriebliches Wachstum , 1969, S. 18 ff.
  11. Hans-Otto Schenk , Marktwirtschaftslehre des Handels , Wiesbaden 1991, S. 277?279.
  12. Peter F. Drucker, The Age of Discontinuity , 1968, S. 198 f.
  13. Heinz Kußmaul, Betriebswirtschaftslehre fur Existen zgrunder, 2008, S. 11 .