Bruder Grimm

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Wilhelm Grimm und Jacob Grimm , 1847
Bruder-Grimm-Nationaldenkmal in Hanau

Bruder Grimm nannten sich die Sprachwissenschaftler und Volkskundler Jacob Grimm (1785?1863) und Wilhelm Grimm (1786?1859) bei gemeinsamen Veroffentlichungen, wie zum Beispiel ihren weltberuhmten Kinder- und Hausmarchen und dem Deutschen Worterbuch , das sie begannen. Die Bruder gelten gemeinsam mit Karl Lachmann und Georg Friedrich Benecke als Begrunder der Germanistik . Gelegentlich erscheint die Bezeichnung ?Gebruder Grimm“ in Kinderbuch-Publikationen oder wenn es sich nicht um die Verfasserangabe in einem Buch handelt: z. B. als Name einer Rosensorte, als Name eines Marchenparks, in Briefmarken- und Gedenkmunzen-Editionen, in einem Filmtitel ( Die Wunderwelt der Gebruder Grimm ) u. a. [1]

Leben und Wirken

Herkunft

Die Familie Grimm lebte in Hanau . Der Urgroßvater, Friedrich Grimm der Altere (1672?1748), und der Großvater, Friedrich Grimm der Jungere (1707?1777), waren Geistliche des reformierten Glaubensbekenntnisses. Die Eltern Dorothea, geb. Zimmer, und Philipp Wilhelm Grimm hatten in ihrer Ehe neun Kinder, von denen drei als Sauglinge starben. Die Bruder Jacob und Wilhelm hatten noch vier jungere Geschwister, Schwester Charlotte Amalie sowie die Bruder Carl Friedrich, Ludwig Emil und Ferdinand Philipp Grimm . Neben Jacob und Wilhelm erlangte Ludwig Emil als Maler Bedeutung, wahrend der ebenfalls als Sagen- und Marchensammler tatige Bruder Ferdinand Philipp Grimm in Vergessenheit geriet. Das Geburtshaus der Bruder Grimm stand am alten Paradeplatz in Hanau. Ihre Jugend verbrachten sie in Steinau an der Straße , wo der Vater eine Stelle als Amtmann hatte.

Zur Abstammung siehe auch Nachfahren von Friedrich Grimm dem Alteren

Studienzeit

Um den altesten Sohnen eine angemessene Bildung fur eine eventuelle spatere Laufbahn als Juristen zu ermoglichen, schickte die Mutter die beiden im Herbst 1798, mit 12 bzw. 13 Jahren, nach Kassel zu ihrer Tante. Der Vater war zwei Jahre zuvor an einer Lungenentzundung gestorben. In Kassel besuchten sie zuerst das Friedrichsgymnasium . Jacob Grimm immatrikulierte sich 1802 an der Universitat Marburg und studierte dort Rechtswissenschaft, Wilhelm Grimm folgte ihm ein Jahr spater. Einer ihrer Lehrer, Friedrich Carl von Savigny , eroffnete den wissbegierigen jungen Studenten seine Privatbibliothek und machte die beiden, die bereits mit Werken von Goethe und Schiller vertraut waren, mit Werken der Romantik und des Minnesangs bekannt. Auch Johann Gottfried Herder hatte mit seinen Ansichten uber die Dichtung der Volker wesentlichen Einfluss auf Jacob und Wilhelm Grimm. Sie entwickelten sich jedoch nicht zu Romantikern, die vom ?gotischen Mittelalter“ schwarmten, sondern waren Realisten, die in der fernen Vergangenheit die Wurzeln fur die zeitgenossischen Zustande sahen. So untersuchten sie die geschichtliche Entwicklung deutschsprachiger Literatur (Sagen, Urkunden ebenso wie Dichtung) und legten dabei die Grundlagen fur eine wissenschaftliche Behandlung dieses Arbeitsgebietes. Ganz im Sinne Herders beschrankten sie sich dabei nicht auf deutschsprachige Urkunden. Englische, schottische und irische Quellen waren bereits in Mode; sie dehnten ihren Arbeitsbereich auf Skandinavien , Finnland , die Niederlande , Spanien und Serbien aus.

Fruhe Arbeiten in Kassel

In die Zeit eines sparsamen und zuruckgezogenen Lebens nach dem Studienabschluss 1806 datiert der Beginn der Sammlung von Marchen und Sagen , die heute als eines der Hauptwerke der Bruder bekannt sind. Die von Jacob und Wilhelm Grimm auf Veranlassung von Achim von Arnim und Clemens Brentano gesammelten Marchen entstanden nicht aus ihrer eigenen Phantasie , sondern wurden nach alten, vorwiegend mundlich uberlieferten Geschichten von ihnen gesammelt und zusammengetragen und dann mehr oder minder stark uberarbeitet, in Ausdruck und Aussage geglattet und geformt. Eine ihrer wichtigsten Quellen waren die Marchen, die die aus hugenottischer Familie stammende Dorothea Viehmann aus Niederzwehren bei Kassel den Brudern erzahlte. An den Sammlungen waren z. B. auch die in Westfalen beheimateten Bruder Werner von Haxthausen , August von Haxthausen sowie die Dichterin Annette von Droste-Hulshoff und ihre Schwester Jenny von Laßberg beteiligt. Es ist das bleibende Verdienst von Wilhelm Grimm, der mit der Bearbeitung die weitere Verbreitung gesichert und mit der kritischen Untersuchung zu Quellen und Entwicklung der Volksmarchen die Marchenforschung als Wissenschaft begrundet hat.

Nach dem Tod der Mutter im Jahr 1808 musste Jacob Grimm als Altester der Familie fur deren Unterhalt sorgen. Seit 1807 hatten Jacob und Wilhelm Grimm Aufsatze uber den Minnesang in Fachzeitschriften veroffentlicht. Nach einem Kuraufenthalt Wilhelm Grimms in Halle waren die Bruder wieder gemeinsam in Kassel. Dort veroffentlichten sie 1811 ihre ersten selbstandigen Bucher: Jacob Grimm Uber den altdeutschen Meistergesang und Wilhelm Grimm Altdanische Heldenlieder, Balladen und Marchen . 1812 folgten die ersten gemeinsamen Bucher der Bruder (eine Ausgabe des althochdeutschen Hildebrandlieds und des Wessobrunner Gebets ). Jetzt interessierte sich Brentano nicht mehr fur die Arbeit der Bruder. Weil die Grimms aber furchteten, dass die Erzahlungen verloren gehen konnten, gaben sie am 20. Dezember 1812 in Berlin eine Anthologie heraus; doch Kinder- und Hausmarchen war ein Flop. [2] Zu dieser Zeit versuchten sich die beiden auch an einer deutschen Ausgabe der Edda sowie des Reineke Fuchs . Von der Edda erschien 1815 nur ein erster Band, der keine Fortsetzung fand, da die Bruder Grimm auf diesem Gebiet von anderen Forschern uberholt wurden. Den Reinhart Fuchs in mehreren mittelalterlichen Versionen gab Jacob erst 1834 heraus ? mit einer umfangreichen Einleitung uber das Wesen des Tierepos ’. Von 1813 bis 1816 brachten die Bruder daruber hinaus drei Bande der Zeitschrift Altdeutsche Walder heraus, die altdeutsche Literatur zum Inhalt hatte und dann wieder eingestellt wurde.

1814 bezogen die Bruder Grimm zusammen mit ihrer Schwester Charlotte (Lotte) (1793?1833) eine Wohnung im ? heute noch erhaltenen ? nordlichen Torhaus am Wilhelmshoher Tor . 1815 veroffentlichte Jacob neben einem Buch zur mythologischen Deutung von Gotterbildern und -saulen (Irmenstraße und Irmensaule) auch Silva de romances viejos , eine kritische Auswahl altspanischer Romanzen .

1815 legten die Bruder den zweiten Band der Kinder- und Hausmarchen vor. 1819 wurde der erste Band stark uberarbeitet neu aufgelegt: Es kamen weitere Marchen hinzu, etwa ein Viertel der Geschichten wurde gestrichen und fast die Halfte der verbliebenen Marchen uberarbeitet, haufig um die als anstoßig empfundenen erotischen Anspielungen zu beseitigen. Die Anmerkungen zu den Marchen beider Bande wurden 1822 als dritter Band veroffentlicht. 1825 erfolgte die Herausgabe einer ?Kleinen Ausgabe“ der Kinder- und Hausmarchen in einem Band, die maßgeblich zur Popularitat des Stoffes beitrug. Fur diese Aufgabe gewannen Jacob und Wilhelm Grimm ihren Bruder Ludwig Emil als Illustrator . Ab 1823 wurde eine illustrierte englische Ausgabe der Kinder- und Hausmarchen veroffentlicht. Bereits zu Lebzeiten der Bruder erschienen sieben Auflagen der großen deutschen Ausgabe der Marchen und zehn Auflagen der kleinen Ausgabe.

? …die Behauptung, die meisten Grimmschen Marchen gingen direkt auf Erzahlungen alter Bauerinnen und einsiedlerischer Kohler und Hirten zuruck, bleibt unhaltbar. Heute wissen wir, dass die Grimms nicht Volksmarchen gesammelt haben, sondern dass die Marchen vor allem in gebildeten Schichten von jungen Frauen erzahlt wurden und sich oftmals aus franzosischen Quellen speisten.

? Heinz Rolleke [3]
Deutsche Sagen

In den Jahren 1816 und 1818 erschienen die beiden Bande einer Sagensammlung ( Deutsche Sagen ) , die allerdings nicht den breiten Erfolg hatte wie ihre Marchensammlung. Die Bruder hatten zuvor gleichermaßen Marchen und Sagen gesammelt. Eine gattungsmaßige Abgrenzung ist schwierig und wurde auch durch die Bruder Grimm nicht konsequent durchgefuhrt. Definitionsversuche beziehen sich beispielsweise auf die Pramissen, dass die Sagen von Erzahlern und Publikum im Allgemeinen geglaubt wurden, die Marchen hingegen nicht, oder dass Sagen an konkrete historische oder ortliche Bezugspunkte gebunden, die Marchen jedoch zeitlich und lokal nicht naher fixiert seien. Beide Gattungen sind Erzahlformen aus der mundlichen Uberlieferung, wobei die Bruder Grimm sie fur ihre Sammlungen zu großen Teilen nur uber schriftliche Zwischenstufen gewannen. Die Sagensammlung wurde zu Lebzeiten der Bruder nicht neu aufgelegt.

Eine weitere herausragende Leistung von Wilhelm Grimm ist Die deutsche Heldensage , eine Schrift, die nicht nur eine Sammlung von Sagen vom 6. bis zum 16. Jahrhundert darstellt, sondern wertvolle Aufsatze zu Stoffen, ihrer Geschichte und der kunstlerischen Verarbeitung enthalt. Im Verlauf der Arbeiten an den Sagen und Volksmarchen formulierten die Bruder ein Lautverschiebungsgesetz im Kontext der ? indogermanischen Hypothese “.

Im Alter von 30 Jahren hatten sich Jacob und Wilhelm Grimm durch ihre zahlreichen Publikationen bereits eine herausragende Stellung erarbeitet. Sie lebten gemeinsam in Kassel, bis 1814 nur von Jacob Grimms Gehalt und aus dem ererbten Familienvermogen. Neben der formellen offiziellen Tatigkeit als Bibliothekar (Jacob Grimm) bzw. Sekretar der Bibliothek (Wilhelm Grimm) konnten sie vor Ort ihre eigenen Forschungen vorantreiben, die im Jahr 1819 von der Universitat Marburg mit einer Ehrendoktorwurde honoriert wurden.

Ohne Forderer und Gonner hatten die Bruder Grimm uber Jahre nicht in diesem Maße publizieren konnen. Aus der fruhen Zeit sei hier Kurfurstin Wilhelmine Karoline von Hessen genannt. Nach deren Tod 1820 bzw. dem Tod des Kurfursten 1821 mussten die Bruder das Haus in der Wilhelmshoher Straße raumen und gemeinsam mit ihrer Schwester Lotte eine schlechtere Wohnung beziehen. Lotte Grimm, die den Brudern bislang den Haushalt gefuhrt hatte, heiratete wenig spater den mit der Familie befreundeten Juristen und spateren kurhessischen Minister Ludwig Hassenpflug (1794?1862) und verließ die Bruder, die fortan mehrfach die Wohnungen wechselten und jahrelang einen gemeinsamen Junggesellenhaushalt fuhrten.

Die ?Deutsche Grammatik“

In diese kreative Zeit in Kassel fiel die Arbeit Jacob Grimms an der Deutschen Grammatik . Der Titel ist irrefuhrend, denn es handelt sich nicht um eine trocken-schematische Beschreibung des Aufbaus der zeitgenossischen Sprache. Jacob Grimm wollte vielmehr ?ein historisches Leben mit allem Fluß freudiger Entwickelung in sie zaubern“. Das umfangreiche Werk bezieht sich auf samtliche germanische Sprachen , ihre Zusammenhange und ihre geschichtliche Entwicklung. Der erste Band beschaftigte sich zunachst mit Flexion , der zweite mit Wortbildung . Jacob Grimm stellte kein vollstandiges Manuskript fertig, sondern ließ Druckbogen fur Druckbogen drucken, sobald er die benotigte Menge Text geschrieben hatte. Der Druck des ersten Bandes entsprach mit einer Zeitdauer von 14 Monaten ab Januar 1818 bis Sommer 1819 genau dem Zeitraum, in dem Jacob Grimm an dem Werk gearbeitet hat. Bis 1822 uberarbeitete er den ersten Band nochmals komplett, so dass dieser nun eher die Lautbildung zum Inhalt hatte. Wie zuvor beim ersten Band schrieb und druckte er wieder Druckbogen fur Druckbogen und fuhrte dieses Prinzip auch bis 1826 mit dem nun erst offiziell zweiten Band der Deutschen Grammatik fort.

In diesem bahnbrechenden Werk verfolgte Jacob Grimm als Erster die Entwicklung der (heute ? indogermanisch “ oder ?indoeuropaisch“ genannten) Sprachen und die Gesetzmaßigkeiten des Lautwandels bei Vokalen und Konsonanten . Damit legte er das Fundament fur die moderne Etymologie , die Forschung zum Ursprung von Wortern und Wortbestandteilen unter Berucksichtigung von Wortbildung , Flexion , Lautveranderung und Bedeutungswandel in verschiedenen (verwandten) Sprachen. Jacob Grimm schrieb hierzu selbst: ?Wissenschaftliche Wortforschung konnte weder bei Griechen und Romern, geschweige in unserem Mittelalter gedeihen … Solchem ratlosen und unbehaglichen Schweifen auf dem wogenden Meer der Worter wurde endlich gesteuert durch den Vortritt der bisher noch unerforschten Sanskritsprache sowie den Zutritt der deutschen, slawischen , litauischen und der ubrigen europaischen Idiome in den wissenschaftlichen Kreis der Untersuchungen.“ Ihm war auch klar, dass die Vertreter der klassischen Philologie ( Latein , Griechisch und Hebraisch ) kein Interesse daran hatten, weitere Sprachen naher zu untersuchen, da sie diese als barbarisch ansahen.

Jacob Grimm hatte jedoch Vorlaufer: 1787 hatte William Jones in Bengalen auf Grund des Aufbaus und der Wortwurzeln das Sanskrit mit den altpersischen , griechischen, lateinischen, gotischen und keltischen Sprachen verglichen ? dies jedoch noch nicht systematisch. Der junge Dane Rasmus Christian Rask hatte ? einer Forderung Wilhelm von Humboldts folgend ? ebendies in Angriff genommen. Jacob Grimm kannte (und besprach) dessen Schrift und begann, Wortbildung und Lautentwicklung im Altnordischen mit denen im Slawischen bzw. Griechischen zu vergleichen. In der Deutschen Grammatik wurden erstmals die fruhesten, dann die spateren und schließlich die jungsten Entwicklungsstufen der betrachteten Sprachen vergleichend behandelt. In der zweiten Auflage legte er die Erkenntnis dar, dass die von Rask aufgedeckten lautlichen Entsprechungen nicht (zufallige) Einzelerscheinungen waren, sondern einer Gesetzmaßigkeit folgten. Diese Regel wird von angelsachsischen Forschern bis heute Grimm’s law (?Grimmsches Gesetz“) genannt. Er erkannte auch, dass es nicht nur eine, sondern zwei derartige Verschiebungsphasen gegeben hatte. Diese werden heute als ? germanische “ und ? hochdeutsche Lautverschiebung “ (oder auch ?erste“ bzw. ?zweite Lautverschiebung“) bezeichnet.

Weitere Arbeiten in Kassel

1816 ubersetzte Jacob Grimm die serbische Grammatik seines Freundes Vuk Stefanovi? Karad?i? und versah sie mit einer Einfuhrung in slawische Sprachen und ihre Literatur. Wilhelm Grimm hatte inzwischen mehrere Bucher uber Runen veroffentlicht, sein von ihm selbst als Hauptwerk betrachtetes Buch Die deutsche Heldensage erschien 1829. Gleichfalls bahnbrechend war Jacob Grimms Studie Deutsche Rechtsaltertumer (1828), in der er sich nicht mit Gesetzesvorschriften, sondern mit mittelalterlicher Rechtspraxis und Rechtsanschauung befasste. Sie wurde Anlass zu entsprechenden Untersuchungen in einer Reihe anderer Lander.

Erst als Wilhelm Grimm im Mai 1825 Dorothea Wild geheiratet hatte, festigten sich die Lebensumstande der Bruder wieder, die weiterhin, nun zu dritt, zusammenlebten. Wilhelm und ?Dortchen“ Grimm wurden alsbald Kinder geboren: Herman Grimm (1828?1901), Rudolf Grimm (1830?1889) und Auguste Grimm (1832?1919). Es wird auch von haufigen Reisen der Grimm-Bruder berichtet.

Gottingen

Titelblatt von Band 1 des Deutschen Worterbuchs

Auch nach dem Wegzug von Kassel unterhielten die Bruder in Gottingen einen gemeinsamen Haushalt. Jacob Grimm war seit 1830 ordentlicher Professor, Wilhelm Grimm Bibliothekar und ab 1835 ebenfalls Professor. Jacob Grimm veroffentlichte bis 1837 zwei weitere Bande der Deutschen Grammatik . 1834 stellte er den 1811 begonnenen Reinhart (Reineke) Fuchs fertig, 1835 ein Werk uber Deutsche Mythologie . In diesem untersuchte er vorchristliche Glaubensvorstellungen und Aberglauben und stellte sie klassischer Mythologie und christlichen Legenden gegenuber. Auch dieses Werk hatte enormen Einfluss ? dieses Mal auf die Mythenforschung. Die dritte Auflage der Kinder- und Hausmarchen wurde 1837 von Wilhelm Grimm beinahe allein besorgt. 1838 begannen Jacob und Wilhelm Grimm ihre gemeinsame Arbeit am Deutschen Worterbuch .

Wie fruher schon widmete Jacob Grimm sich auch in dieser Zeit der Namenkunde: Er schrieb uber die germanischen Gottinnen Tanfana und Freia , die thrakische Gottin Bendis und ihre Namen, uber hessische Ortsnamen , den Namen des Landes Westfalen und untersuchte Gesetzmaßigkeiten bei der Bildung von Eigennamen . Er wies darauf hin, dass in Namen fruhe Wortformen bewahrt sein konnen, die in der Umgangssprache untergegangen sind.

In politischer Hinsicht arbeiteten die Bruder Grimm mit darauf hin, die damaligen deutschen Kleinstaaten zu vereinen, sowohl indirekt durch die Erforschung der deutschen Kulturgeschichte als auch direkt durch politische Aktivitaten, von politischer Publizistik bis zu Jacob Grimms Tatigkeit als Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung 1848. Jacob und Wilhelm Grimm halfen mit, die Menschenrechte in Deutschland zu formulieren. Fur eine Streitschrift gegen einen Verfassungsbruch des Konigs von Hannover , Konig Ernst August I. , wurden sie, und mit ihnen funf andere Professoren, entlassen und Jacob Grimm des Landes verwiesen ( Gottinger Sieben ). Ein uberregionales Komitee von Burgern mit Zentrum in Leipzig zahlte den entlassenen Professoren aus Spendengeldern vorerst die Gehalter weiter. Wahrend die Bruder Grimm ohne Anstellung waren, unterbreiteten die Leipziger Verleger Karl Reimer und Salomon Hirzel ihnen den Vorschlag fur das Deutsche Worterbuch , ?den Grimm“, der ohne die Gottinger Entlassung so nicht entstanden ware. Sie selbst arbeiteten das Worterbuch bis zum Buchstaben D (Wilhelm Grimm) bzw. F (Jacob Grimm) aus. Sie konzipierten das Worterbuch als Sammlung samtlicher Worter aus der Zeit ?von Luther bis Goethe“, die weniger ein Regelwerk als vielmehr eine Entwicklungsgeschichte der Worter sein sollte. Im Mittelpunkt der einzelnen Wortartikel steht die Bedeutungsgeschichte des jeweiligen Wortes; die historische Verwendungsweise wird anhand von Belegzitaten aus Hunderten von literarischen Werken, aber auch aus Fachsprachen und aus dem Alltagsgebrauch nachvollzogen. Bei der Sammlung der Belege standen den Brudern Grimm zahlreiche Helfer zur Seite, die zumeist zum Kreis ihrer Freunde und wissenschaftlichen Kollegen gehorten oder ihnen von Freunden und Kollegen vermittelt wurden. Die Sammlung der Belege wurde ebenso wie die Ausarbeitung des Worterbuchs durch den Verlag bezahlt. Fur das Großprojekt des Worterbuchs mussten die Bruder Grimm eigene Plane und laufende Arbeiten zuruckstellen, was ein Grundproblem ihrer letzten beiden Lebensjahrzehnte werden sollte.

Zeit in Berlin

Grab Bruder Grimm in Berlin-Schoneberg 2016 mit neuem Gedenkstein fur Auguste Grimm

Drei Jahre lang lebten die Grimms in Kassel im Exil und ohne Anstellung, obwohl sich verschiedene Anstalten im In- und Ausland um sie bemuhten, bevor der neue preußische Konig Friedrich Wilhelm IV. sie unmittelbar nach seiner Amtsubernahme 1840 nach Berlin holte. [4]

Rund zwanzig Jahre lang lebten sie dort, nunmehr unbelastet von finanziellen Unsicherheiten. In Akademieabhandlungen, die sie in dieser Zeitspanne verfassten (spater gesammelt in den Ausgaben ihrer Kleineren Schriften ), ist viel Lesenswertes uber ihre Forschungen, ihre Interessen und ihre liberalen politischen Ansichten zu finden. Auch die Geschichte der deutschen Sprache entstand in dieser Zeit ? ein erster Versuch, Sprach- mit Sozialgeschichte zu verknupfen. Georg Curtius schrieb 1871 uber Jacob Grimm, sein ungestumes Schaffen habe dringend des Korrektivs kritischerer Geister bedurft: ?Auch traf es sich glucklich, dass Wilhelm Grimm, weniger kuhn und umfassend, aber auf beschrankteren Feldern fein und sorgfaltig, dem verwegenen Jacob zur Seite stand.“ So erganzten sich der Wegweiser und der Moderator und eroffneten den Geschichts- und Sprachforschern ungeahnte, weite Arbeitsgebiete.

Wilhelm Grimm verstarb 1859, sein Bruder Jacob 1863. Sie liegen auf dem Alten St.-Matthaus-Kirchhof in Berlin-Schoneberg . Die Grabstatte gehort zu den Ehrengrabern des Landes Berlin. Links neben den beiden Grabdenkmalern sind die Grabstatten von Wilhelm Grimms Sohnen Herman und Rudolf. Die sterblichen Uberreste der Tochter Auguste Grimm sind ohne Grabinschrift 1919 in einer Urne im Grab ihres Vaters Wilhelm beigesetzt worden. Der gemeinnutzige Forderverein EFEU e. V. hat im Juni 2016 einen Grab- bzw. Gedenkstein fur Auguste, ihre Mutter Henriette Dorothea sowie weitere Frauen der Familie Grimm durch Spenden realisiert. [5]

Den Nachlass mit Schriftstucken und auch Mobeln der Familie vererbte Auguste Grimm, die nie geheiratet hatte, ihrer Nichte Albertine Plock (1881?1974), geborene Oestereich, [6] der unehelichen Tochter von Rudolf Grimm. Diese spendete alles 1963 der Sammlung im Museum Haldensleben .

Wurdigungen und Nachleben

1000-DM-Banknote (ab 1991) mit den Brudern Grimm, links daneben zeitgenossische Kasseler Bauten
Wandgemalde Palmbacher Marchenwelt von 1929 des deutschen Malers Hans Fischer-Schuppach im Badischen Schulmuseum Karlsruhe . Es zeigt 40 Marchen der Bruder Grimm auf
Zentralbibliothek Grimm-Zentrum, Berlin: Leseterrassen
?Gebruder Grimm“, Beetrose

Siehe auch

Werke

Briefwechsel

Kasseler Ausgabe. Werke und Briefwechsel

  • Briefe, Band 1: Briefwechsel der Bruder Grimm mit Herman Grimm (einschließlich des Briefwechsels zwischen Herman Grimm und Dorothea Grimm, geb. Wild) . Hrsg. von Holger Ehrhardt, Kassel/Berlin 1998. ISBN 3-929633-63-9 .
  • Briefe, Band 2: Briefwechsel der Bruder Grimm mit Ludwig Hassenpflug (einschließlich der Briefwechsel zwischen Ludwig Hassenpflug und Dorothea Grimm, geb. Wild, Charlotte Hassenpflug, geb. Grimm, ihren Kindern und Amalie Hassenpflug) . Hrsg. von Ewald Grothe , Kassel/Berlin 2000. ISBN 3-929633-64-7 .

Nachlass

Ein großer Teil ihres wissenschaftlichen Nachlasses befindet sich in der Staatsbibliothek zu Berlin . Ein weiterer großerer Teil, darunter Briefe von und an die Bruder, verschiedene Manuskriptenkonvolute und vor allem Handexemplare mit handschriftlichen Zusatzen, wird im Hessischen Staatsarchiv Marburg verwahrt, [10] weitere Dokumente in der Bibliothek der Universitat Kassel . Die nordhessischen Grimm-Bestande, etwa 3000 Dokumente, sind seit 2017 uber ein zentrales Portal in digitaler Form abrufbar. [11]

Außerdem sind mehrere tausend Bande ihrer personlichen Bibliothek seit 1865 im Besitz der Universitatsbibliothek der Humboldt-Universitat zu Berlin, deren neue Bibliothek als Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum seit 2009 nach den Brudern Grimm benannt ist. Ebenfalls werden seit 1978 in einer Dauerausstellung im Museum Haldensleben Kunstgegenstande, Mobel etc. aus dem Nachlass der Bruder Grimm der Offentlichkeit zuganglich gemacht.

Literatur

Nach Erscheinungsjahr geordnet

  • Hans Gurtler, Albert Leitzmann (Hrsg.): Briefe der Bruder Grimm. Frommann, Jena 1923.
  • Carl Zuckmayer : Die Bruder Grimm. Ein deutscher Beitrag zur Humanitat . Suhrkamp, Frankfurt am Main 1948.
  • Hessische Briefe des 19. Jahrhunderts. Briefe der Bruder Grimm an Savigny. Aus dem Savignyschen Nachlaß hrsg. in Verbindung mit Ingeborg Schnack von Wilhelm Schoof (= Veroffentlichungen der Historischen Kommission fur Hessen , Band 23/1). Berlin 1953.
  • Walther Ottendorf (Hrsg.): Die Grimms und die Simrocks in Briefen 1830 bis 1864. Ferd. Dummlers Verlag, Bonn/Hannover/Hamburg,/Munchen 1966.
  • Ludwig Denecke : Jacob Grimm und sein Bruder Wilhelm. J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1971, ISBN 3-476-10100-2 (Uberblicksdarstellung mit umfangreicher Bibliographie).
  • Hermann Gerstner : Bruder Grimm. 9. Aufl. (= Rowohlts Monographien , 201). Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1997, ISBN 3-499-50201-1 .
  • Lothar Bluhm : Die Bruder Grimm und der Beginn der Deutschen Philologie. Weidmannsche Verlagsbuchhandlung, Hildesheim 1997, ISBN 3-615-00187-7 .
  • Hans-Georg Schede: Die Bruder Grimm. dtv, Munchen 2004, ISBN 3-423-31076-6 .
  • Bernd Heidenreich , Ewald Grothe (Hrsg.): Kultur und Politik ? Die Grimms. Societats-Verlag, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-7973-0852-3 . Die Grimms ? Kultur und Politik. 2. Aufl. 2008, ISBN 978-3-7973-1072-9 , Publikation der Hessischen Landeszentrale fur politische Bildung.
  • Heiko Postma : … dann leben sie noch heute! (Uber die Gelehrten, Volkskundler und Marchen=Sammler Jacob & Wilhelm Grimm). jmb-Verlag, Hannover 2008, ISBN 978-3-940970-07-7 .
  • Hans-Georg Schede: Die Bruder Grimm ? Eine Biographie. CoCon-Verlag, Hanau 2009, ISBN 978-3-937774-69-5 .
  • Steffen Martus : Die Bruder Grimm. Eine Biographie. Rowohlt-Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-87134-568-5 .
  • Gunter Grass : Grimms Worter. Eine Liebeserklarung. Steidl, Gottingen 2010, ISBN 978-3-86930-155-6 .
  • Andreas Venzke : Die Bruder Grimm und das Ratsel des Froschkonigs. Arena-Verlag, Wurzburg 2012, ISBN 978-3-40106-775-9 .
  • Hessisches Ministerium fur Wissenschaft und Kunst , Thorsten Smidt (Hrsg.): Expedition Grimm. Hessische Landesausstellung Kassel 2013. Sandstein Verlag, Dresden 2013, ISBN 978-3-95498-029-1
  • Peter Gbiorczyk: Wirken und Wirkung des reformierten Theologen Friedrich Grimm (1672?1748). Religiose Traditionen in der Familiengeschichte bis zu den Bruder Grimm . Shaker, Aachen 2013, ISBN 978-3-8440-2226-1 , S. 183?211.
  • Jochen Bar u. a. (Hrsg.): Die Bruder Grimm. Pioniere der deutschen Sprachkultur des 21. Jahrhunderts. Brockhaus, Gutersloh 2013.
  • Herbert Leupin: Marchen der Bruder Grimm . Nachwort von Sieglinde Geisel. Verlag Nordsud, Zurich 2015. [12]
  • Michael Lemster: Die Grimms : eine Familie und ihre Zeit . Munchen ; Salzburg : Benevento, 2021. ISBN 978-3-7109-0115-7 .
  • Philip Kraut: Die Arbeitsweise der Bruder Grimm. S. Hirzel, Stuttgart 2023, ISBN 978-3-7776-2923-0 ( kostenloses PDF ).

Weblinks

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Commons : Bruder Grimm  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Bruder Grimm  ? Quellen und Volltexte
Audio

Einzelnachweise

  1. Es besteht unter den Grimm-Forschern ? im Gegensatz zur breiteren Offentlichkeit ? die Konvention, nicht von den ?Gebrudern“, sondern ausschließlich von den ?Brudern“ Grimm zu sprechen. Siehe Gebruder .
  2. Eva Lindner: Wie Marchen der Gebruder Grimm jugendfrei wurden ; abgerufen am 27. Marz 2024.
  3. Heinz Rolleke: Gebruder Grimm: Marchen uber Marchen ? Jacob und Wilhelm Grimm haben lange verheimlicht, wer ihnen ihre Geschichten zugetragen hat. Denn nicht alte Bauerinnen erzahlten die angeblichen Volksmarchen, sondern gebildete Tochter mit hugenottischen Vorfahren. In: Zeit Online . 20. November 2012.
  4. Ewald Grothe : ?Ich fieng an hier Wurzeln zu schlagen“. Die Bruder Grimm in Berlin. In: Mitteilungen des Vereins fur die Geschichte Berlins 109 (2013), S. 220?225.
  5. EFEU e. V. Sonderseite: Grab Fam. Grimm .
  6. Biografie A. Plock ( Memento vom 28. Januar 2018 im Internet Archive ).
  7. Die tanzenden Fontanen ? Eine ganz besondere Attraktion… Marchenwald Altenberg. Auf Maerchenwald-Altenberg.de, abgerufen am 18. Februar 2022.
  8. Internetseite zum Grimm-Jahr 2013 ( Memento vom 27. Dezember 2012 im Internet Archive )
  9. Internetseite der Landesausstellung Expedition Grimm
  10. Ubersicht uber den Nachlass Grimm  HStAM Bestand 340 Grimm. In: Archivinformationssystem Hessen (Arcinsys Hessen).
  11. Neues Grimm-Portal fuhrt nordhessische Grimmschatze digital zusammen. In: uni-kassel.de. Abgerufen am 12. Februar 2020 .
  12. Kurze Rezension unter Grimms Marchen. In: Neue Zurcher Zeitung , Intern. Ausgabe. 6. Oktober 2015, Feuilleton S. 21.