Alter Ego

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Alter Ego ( lateinisch fur ein zweites [anderes] Ich [von sehr vertrauten Freunden]  ) [1] ist ein geflugeltes Wort und wird als psychologisch orientierter Fachbegriff in verschiedenen Bereichen von Wissenschaft und Kultur verwendet.

Herkunft [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Bezeichnung geht auf den romischen Politiker und Philosophen Cicero zuruck, der um 44 v. Chr. in Laelius de amicitia 21, 80 schrieb: ?verus amicus […] est […] tamquam alter idem“ (?Ein wahrer Freund ist gleichsam ein zweites Selbst‘). Cicero griff dabei auf einen Ausspruch Zenos zuruck. [2] Dessen ursprungliche Formulierung wurde von Seneca d. J. aufgegriffen und wandelte sich dort zu der heute gebrauchlichen Form ?Alter Ego“. Die Bezeichnung ist mittlerweile in vielen Sprachen ein geflugeltes Wort.

Fachbegriffe [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Psychologie [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Der Begriff kann ein intensives Verhaltnis zwischen zwei Personen bezeichnen, wenn eine Person fur die andere eine besonders starke Identifikationsfigur und gewissermaßen zu einem Teil der eigenen Identitat geworden ist.

In Entscheidungsverfahren, insbesondere in der Personalauswahl , kann eine vom Entscheidungstrager empfundene, teilweise unbewusste Ahnlichkeit zum Bewerber zu einer voreingenommenen Entscheidung fuhren, siehe Homosozialitat .

In der Psychologie kann er auch ein ?zweites Ich“, eine ?zweite Identitat“ innerhalb ein und derselben Psyche bezeichnen (siehe Schatten (Archetyp) und Schatten (Mythologie) ). Ego und Alter Ego sind demnach zwei miteinander in Widerspruch stehende Seiten einer gespaltenen Personlichkeit .

In der Kommunikationspsychologie gibt es eine Alter-Ego-Technik , auch Doppeln genannt; eine Therapie- oder Beratungsform, bei der ein Moderator (z. B. Kommunikationspsychologe) fur einen der Teilnehmer dessen mogliche ?verborgene Gedanken“ ausspricht, sich dabei eventuell hinter ihn stellt.

Alter Ego (identisch mit ? Doppel “) ist im Verfahren Psychodrama eine Bezeichnung fur den Stellvertreter des Protagonisten. Das ?Doppel“ steht, wenn es erforderlich ist, stellvertretend fur den Protagonisten in der Szene und spiegelt ihn wider. Dieser kann die von ihm dargestellte Situation nun von außen betrachten und seine eigenen Reaktionen besser einschatzen oder sich sogar Alternativen zeigen lassen.

Ethnologie [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

In animistischen Glaubensvorstellungen ethnischer Religionen steht Alter Ego (auch Außenseele ) [3] fur die weltweit verbreitete Vorstellung geistiger Doppelganger, die als ?personlicher Schutzgeist “ in Gestalt eines Tieres (seltener einer Pflanze, einer Naturerscheinung oder auch korperlos) raumlich getrennt von einer Person existieren und dennoch ein Leben lang untrennbar und auf Gedeih und Verderb mit dem Menschen verbunden sind. Wird solch ein Geisttier gefangen, ist auch der zugehorige Mensch in Gefahr.

Je nach Religion besitzen alle Menschen oder nur Ausgewahlte ein Alter Ego. Das kann zum Beispiel ein Schamane sein, der von seinem ?Doppel“ bei Jenseitsreisen beschutzt wird. [4] Im Alten Agypten spiegelten die tiergestaltigen Außenseelen Ka und Ba die politische und soziale Hierarchie des Staates wider. [3]

Erstmals genauer untersucht wurde die Idee des Alter Ego in Gestalt eines Tieres oder einer Pflanze bei den Maya und Azteken Mittelamerikas, den sogenannten Nagual . [5] Ahnlich konzipiert sind die Nonish der Waika Venezuelas [6] und anderer Stamme der sudamerikanischen Regenwaldbewohner. Bei den nordamerikanischen Indianern sind zwar haufig tiergestaltige Schutzgeister vorhanden, jedoch nicht als Teil der eigenen Seele. [3]

Bei den Semang - Negritos der malaiischen Halbinsel erscheinen die Außenseelen als Baum oder Vogel, bei vielen australischen Aborigines wie den Kurnai als Beuteltier, Vogel, Reptil oder Fisch. Pflanzengeister sind außer bei den Negrito-Volkern Sudostasiens auch in Westafrika bei den Kpelle [7] und in Polynesien vorhanden. [3]

Der Bezug zum Totemismus ist bei vielen Autoren strittig. In der Regel werden Alter-Ego-Vorstellungen nur dann zu den totemistischen Konzepten gerechnet, wenn gleichzeitig eine direkte Abstammung von einem gemeinsamen Ahnen angenommen wird und entsprechende Tabus fur sexuelle Kontakte mit Menschen desselben Totems bestehen. Bei den Kpelle beispielsweise straft das Alter Ego seinen Besitzer, sobald dieser eines der Totemverbote ubertritt. [3]

In der Religionsethnologie wird das Alter-Ego-Konzept auch fur die Idee der Freiseele verwendet, die den Korper des Menschen wahrend des Schlafes oder in Ekstase verlasst und als eigenstandiger, korperloser Doppelganger existieren kann. [4]

Kultur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Alter Ego bezeichnet hier eine Person, die zwei verschiedene Leben lebt. Bekannte Beispiele aus Literatur und Popularkultur hierfur sind Mr. Hyde und Batman .

Der Begriff Alter Ego wird im ubertragenen Sinne auch von Kunstlern , Komikern und Kabarettisten genutzt, insbesondere wenn diese uber langere Zeitraume immer wieder dieselbe fiktive Rolle verkorpern. Derartige Rollen haben zum Teil einen eigenen (fiktiven) Lebenslauf, ein anderes Aussehen und einen anderen Charakter. Beispiele dafur sind der Komiker Hape Kerkeling , der unter anderem Horst Schlammer als Alter Ego verkorpert, und Dr. Kurt Ostbahn , der von Willi Resetarits personifiziert wurde. Man spricht hier auch von Kunstfiguren . Auch die Musiker der Gruppe Kiss bedienten sich bis 1983 fur ihre gesamte Offentlichkeitsarbeit Alter Egos, als sie immer nur in Kostumen und Make Up auftraten und ihre wahren Identitaten vor der Offentlichkeit zu verbergen versuchten.

Der Begriff Alter Ego ist teilweise verwandt mit dem Begriff des Avatars . Ein Avatar ist eine kunstlich bzw. kunstlerisch geschaffene Person, oder ein grafischer Stellvertreter einer echten Person in der virtuellen Welt, beispielsweise in einem Computerspiel oder einem Chat im Cyberspace .

Politik [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Der Begriff Alter ego (im Sinne von Stellvertreter ) bezeichnete fruher in einigen romanischen Staaten (z. B. dem Konigreich beider Sizilien ) einen mit außerordentlicher Machtfulle ausgestatteten Beamten (mit Entscheidungsgewalt uber Leben und Tod), der in letzter Instanz Entscheidungen treffen konnte bzw. einen Reichsvikar , dem die Amtsgewalt des Konigs ubertragen wurde. Auch eine derartige Vollmacht selbst wurde Alter ego genannt. [8] [9]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Wiktionary: Alter Ego  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Jutta Schloon, Thorsten Paplow, Maike Schmidt, Julia Ilgner und Michael Grote (Hrsg.): Alter & Ego. (Auto)fiktionale Altersfigurationen in deutschsprachiger und nordischer Literatur. Iudicium, Munchen 2022 (Perspektiven. Nordeuropaische Studien zur deutschsprachigen Literatur und Kultur Bd. 23). ISBN 978-3-86205-601-9 ( lizenzfrei open access )

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Karl Ernst Georges : Ausfuhrliches lateinisch-deutsches Handworterbuch . 8., verbesserte und vermehrte Auflage. Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1918 ( zeno.org [abgerufen am 23. September 2019]).
  2. Ludwig Julius Billerbeck (Hrsg.): M. Tullii Ciceronis Laelius sive de amicitia dialogus ad T. Pomponium Atticum . Zum Gebrauche fur Schulen neu besorgt und mit Deutschen Wort- und Sacherklarungen versehen. 2. Auflage. Hahnsche Hofbuchhandlung , Hannover 1829, S.   90 ( eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. a b c d e Horst Sudkamp: Totemismus: Institution oder Illusion? . In: Yumpu.com, Online PDF-Dokument, abgerufen am 23. Januar 2015. S. 11?12, 22, 38, 86, 151, 162, 168
  4. a b Walter Hirschberg (Begrunder), Wolfgang Muller (Redaktion): Worterbuch der Volkerkunde. Neuausgabe, 2. Aufl., Reimer, Berlin 2005. S. 20.
  5. Tuxtla Gutierrez: ICACH. Instituto de Ciencias y Artes de Chiapas, 1970. S. 53.
  6. Hannes Stubbe: Indigene Psychologien am Beispiel Brasiliens. In: Psychologie und Gesellschaftskritik 34. 2010, 2. Aufl., S. 83?111.
  7. Ernst Dammann: Afrika, erschienen in: Horst Balz, James K. Cameron, Stuart G. Hall, Brian L. Hebblethwaite, Wolfgang Janke , Hans-Joachim Klimkeit, Joachim Mehlhausen, Knut Schaferdiek, Henning Schroer, Gottfried Seebaß, Hermann Spieckermann, Gunter Stemberger, Konrad Stock (Hrsg.): Theologische Realenzyklopadie , Band 1: ?Aaron - Agende“. Walter de Gruyter, Berlin, New York 1999, ISBN 978-3-11-019098-4 . S. 640?747.
  8. Pierer’s Universal-Lexikon der Vergangenheit und Gegenwart . 4. Auflage. Verlagsbuchhandlung von H. A. Pierer , Altenburg 1865 ( zeno.org [abgerufen am 23. September 2019] Lexikoneintrag ?Alter ego“).
  9. Meyers Großes Konversations-Lexikon . 6. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1909 ( zeno.org [abgerufen am 23. September 2019] Lexikoneintrag ?Alter ego“).