Alois Hundhammer
(*
25. Februar
1900
in
Moos
bei
Forstinning
,
Landkreis Ebersberg
; †
1. August
1974
in
Munchen
) war ein deutscher
Volkswirtschaftler
und
Politiker
(
Bayerische Volkspartei
und
CSU
).
Er war 1945 Mitbegrunder der
CSU
, 1946 Mitglied der Bayerischen Verfassunggebenden Landesversammlung und deren wichtigsten Gremiums, des
Verfassung
sausschusses, 1946 bis 1970 Mitglied des
Bayerischen Landtags
, meist fur den Stimmkreis
Rosenheim
, 1946 bis 1951 als
Fraktionsvorsitzender
, 1951 bis 1954 als Landtagsprasident. Hundhammer war langjahriger Vorsitzender des CSU-Bezirksverbands
Oberbayern
, von 1946 bis 1950 bayerischer
Staatsminister fur Unterricht und Kultus
im
ersten
und
zweiten Kabinett Ehard
, von 1957 bis 1969 bayerischer
Staatsminister fur Landwirtschaft und Forsten
im
ersten
und
zweiten Kabinett Seidel
, im
vierten Kabinett Ehard
und im
ersten
und
zweiten Kabinett Goppel
. Von 1964 bis 1969 war Hundhammer stellvertretender
Ministerprasident
des Freistaates Bayern.
[1]
Hundhammer war ein Mann von ausgepragter
katholischer
Religiositat
und
moralischer
Rigorositat bis hin zu
fundamentalistischen
Zugen. Er war bekennender
Monarchist
und bayerischer
Patriot
und mit seinem extremen
Foderalismus
verstandnis ein Kampfer fur die bayerische Eigenstaatlichkeit.
[2]
Er war Statthalter in Deutschland des
Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem
.
Alois Hundhammer war der alteste Sohn von Alois Hundhammer (1874?1945) und Maria Hundhammer, geborene Grill (1873?1948). Mit noch 12 Kindern lebte die Bauernfamilie in Moos bei Forstinning (Oberbayern). Ein Bruder von ihm, Alfons Hundhammer, wanderte nach dem Zweiten Weltkrieg nach Bolivien aus und wurde als Bergsteiger bekannt.
1923 heiratete er Adelheid Hillenbrand (1899?1981); aus der Ehe gingen die Kinder
Richard
(1927?2012),
Wolfgang
(* 1929), Rudolf (1934?2013)
[3]
und Alois (* 1941) hervor.
Die Kindheit Hundhammers war gepragt vom Landleben und dem
Katholizismus
in einem politisch interessierten Elternhaus. Er besuchte die Klosterschule im
Kloster Scheyern
und anschließend auf eigenen Wunsch und gegen den anfanglichen Widerstand des Vaters das
humanistische
Dom-Gymnasium
in
Freising
. Nach kurzem
Kriegsdienst
im
Ersten Weltkrieg
studierte er an der
Ludwig-Maximilians-Universitat Munchen
und fur zwei Semester an der
Universitat Budapest
Philosophie
,
Geschichte
,
Staatswissenschaften
und
Volkswirtschaft
. 1923 wurde er mit der Arbeit
Geschichte des bayerischen Bauernbundes
zum Doktor der Philosophie (Dr. phil.) und 1925 mit der Arbeit
Die Landwirtschaftliche Berufsvertretung in Bayern
zum Doktor der
Nationalokonomie
(Dr. oec. publ.) promoviert.
Schon fruh begann er sich politisch zu engagieren, 1919 kampfte er in einem
Freikorps
gegen die
Spartakisten
, die nach der Ermordung
Kurt Eisners
die
Munchner Raterepublik
ausgerufen hatten. Von 1923 bis 1927 war Hundhammer Referent bei der Kreisbauernkammer Oberbayern, anschließend bis 1933 stellvertretender Generalsekretar des
Bayerischen Christlichen Bauernvereins
unter
Georg Heim
, der Hundhammer stark pragte.
[1]
[4]
1932 wurde er als Abgeordneter der Wahlkreise
Berchtesgaden
/
Traunstein
fur die
Bayerische Volkspartei
(BVP) als jungstes Mitglied in den
Bayerischen Landtag
gewahlt.
Gleichermaßen ein Gegner des
Kommunismus
wie des
Nationalsozialismus
, warnte er als Redner auf zahlreichen Veranstaltungen und im Landtag sowie in seinen im Druck erschienenen
Staatsburgerlichen Vortragen
eindringlich vor
Hitler
und der ?braunen Gefahr“. Deshalb wurde Hundhammer am 21. Juni 1933 von der Bayerischen Politischen Polizei (nachmalig:
Gestapo
) verhaftet und zunachst im Polizeiprasidium in der Munchner Ettstraße eingekerkert. Am 29. Juni erfolgt die Uberstellung als
Schutzhaftling
in das nur knapp drei Monate zuvor (22. Marz 1933) eroffnete
KZ Dachau
.
Hundhammer kam nach einer fur einen so genannten burgerlichen Haftling ungewohnlich langen Haftzeit am 22. Juli 1933 wieder frei, wahrscheinlich durch Vermittlung einflussreicher kirchlicher Kreise. Nach der Haft erhielt er
Berufs-
und
Redeverbot
und wurde durch die Gestapo uberwacht. Um den Unterhalt fur Frau und Kinder sichern zu konnen, absolvierte er die Fachkundeprufung im Schuhhandel und eroffnete 1934 eine Schuhreparaturwerkstatte in der Munchner
Sonnenstraße
, der 1938 ein zweites Geschaft in der Sendlinger Straße folgte. In diesen Geschaften hielt er Kontakt zu ehemaligen politischen Weggefahrten. Wahrend der NS-Zeit war er politisch inaktiv. 1939 wurde Hundhammer zur
Wehrmacht
einberufen und wurde im Verwaltungsdienst eingesetzt.
In amerikanischer
Kriegsgefangenschaft
in
Marseille
, nach dem Ende des Krieges, knupfte er Kontakte zu anderen politisch interessierten Haftlingen und plante bereits den Wiederaufbau
Bayerns
fur die Zeit nach dem Krieg.
Nach seiner Entlassung 1945 grundete er zusammen mit
Karl Scharnagl
,
Josef Muller
und
Fritz Schaffer
in Wurzburg die
Christlich-Soziale Union in Bayern (CSU)
.
Als Mitglied der
Bayerischen Verfassunggebenden Landesversammlung
und deren wichtigstem Gremium, dem Verfassungsausschuss, war Hundhammer einer der maßgeblichen Vater der
Bayerischen Verfassung
, aus seiner Feder stammt unter anderem die
Praambel
.
[5]
1946 wurde er zum CSU-Fraktionsvorsitzenden gewahlt und blieb dies bis 1951. Der foderalistisch eingestellte Muller trat fur religiose Toleranz ein, wahrend Hundhammer zusammen mit Schaffer dem katholisch-konservativ-altbayrischen Flugel angehorte. Muller und Hundhammer behinderten sich gegenseitig. So verhinderte Hundhammer die Wahl Mullers zum Ministerprasidenten, diesem wiederum gelang es, die Wahl Hundhammers zum Parteivorsitzenden abzuwenden.
Hans Ehard
, der keinem der verfeindeten Lager der CSU angehorte, wurde 1946 auf Vorschlag Hundhammers zum
Bayerischen Ministerprasidenten
gewahlt. Unter seiner Regierung wurde Hundhammer
Staatsminister fur Unterricht und Kultus
bis 1950.
In diesem Amt machte er sich durch seine erzkonservative Haltung nicht nur Freunde. 1947 setzte er die Wiedereinfuhrung des
korperlichen Zuchtigungsrechts
der Lehrkrafte in den Schulen durch, was scharfen Widerspruch aus Teilen der Bevolkerung hervorrief.
[6]
Noch großer war die Aufregung uber den ?Abraxas“-Skandal 1948: Hundhammer beendete die Auffuhrung des freizugigen Balletts von
Werner Egk
an der Bayerischen Staatsoper trotz des großen Publikumserfolges, was von Kritikern als Zensur gewertet wurde. Zur Forderung begabter Studenten fuhrte er 1948 das
Stipendium fur besonders Begabte
(?Hundhammer-Stipendium“) ein.
Daruber hinaus ging er geschaftlichen Unternehmungen in der Baubranche nach. Außerdem war er zu dieser Zeit auch Vorsitzender des
Untersuchungsausschusses
in der sogenannten
Spielbankenaffare
um hohe Regierungsmitglieder der
Viererkoalition
, in dessen Folge die Bayernpartei schwer beschadigt und der CSU der Weg zur erneuten Machtubernahme geebnet wurde.
1951 wurde Hundhammer
bayerischer Landtagsprasident
und blieb dies bis 1954.
Hundhammer grundete 1945 auf Initiative des
Weihbischofs
im
Erzbistum Munchen und Freising
Anton Scharnagl
den
Katholischen Mannerverein Tuntenhausen
. Er hatte den Vorsitz des konservativen Vereins bis 1974 fast 30 Jahre inne.
Nach der
Landtagswahl 1954
wurde die CSU von einer Viererkoalition aus
SPD
,
FDP
,
Bayernpartei
und
BHE
aus der Regierung verdrangt. In der Folgezeit zog sich Hundhammer aus der Offentlichkeit etwas zuruck und widmete sich verstarkt der Arbeit in verschiedenen katholischen Verbanden. Seit 1950 war Hundhammer, der schon seit seiner Studienzeit Mitglied der katholischen bayerischen Studentenverbindung
KBStV Rhaetia Munchen
war, Ehrenmitglied der KDStV Tuiskonia Munchen im
CV
und seit 1952 Mitglied des
wissenschaftlichen katholischen Studentenvereins Unitas
-Albertus-Magnus in Munchen.
1957 wurde er von
Kardinal-Großmeister
Nicola Kardinal Canali
zum
Ritter
des
Papstlichen Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem
ernannt und am 30. April 1957 in Munchen durch
Lorenz Jaeger
, Großprior der deutschen Statthalterei, investiert. Er gehorte der Komturei Munchen an. Er war
Großkreuzritter
des Ordens und als Nachfolger von
Lorenz Hocker
von 1968 bis 1971 Statthalter der Deutschen Statthalterei des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem.
Nachdem die CSU erneut die Regierung stellte, zog es Hundhammer wieder in die aktive Politik: Von 1957 bis 1969 war er Landwirtschaftsminister in den Kabinetten von
Hanns Seidel
, Hans Ehard und
Alfons Goppel
, unter letzterem auch stellvertretender Ministerprasident (1964?1969). Er leitete die
Flurbereinigung
ein, die den Bauern bessere Wirtschaftsmoglichkeiten eroffnen sollte.
In dieser Periode setzte er sich auch stark fur die Errichtung der
KZ-Gedenkstatte Dachau
ein und eroffnete sie 1965 selbst. Hundhammer war ein entschiedener Gegner von
Franz Josef Strauß
,
[7]
konnte jedoch dessen Aufstieg zum Parteivorsitzenden der CSU nicht verhindern.
1969 zog er sich aus gesundheitlichen Grunden aus der Politik zuruck und legte die Regierungsamter nieder. 1970 gab er auch das Amt des CSU-Bezirksvorsitzenden der CSU Oberbayern auf.
Hundhammers Grab befindet sich auf dem
Waldfriedhof Grunwald
.
1971 war Hundhammer in
Kurt Wilhelms
TV-Komodie
Olympia-Olympia
neben
Beppo Brem
,
Joachim Fuchsberger
und
Helga Anders
zu sehen.
sowie unter anderem:
- Geschichte des Bayerischen Bauernbundes.
Verlag Dr. F. A. Pfeiffer & Co., Munchen 1924.
- Der Bauernbund als bauerliche Klassenpartei.
Zentralstelle der bayerischen christlichen Bauernvereine, Regensburg 1925.
- Auf geht's, Bauern!
Verlag des Generalsekretariats der Bayerischen Volkspartei, Munchen 1925.
- Die landwirtschaftliche Berufsvertretung in Bayern.
Verlag Dr. Franz A. Pfeiffer, Munchen 1926.
- Staatsburgerliche Vortrage.
Manz, Regensburg 1931.
- Die staatsburgerlichen Vortrage von Alois Hundhammer aus den Jahren 1930 und 1931.
Eingeleitet und kommentiert von Oliver Braun (Quellentexte zur bayerischen Geschichte 4), hrsg. von Karl-Ulrich Gelberg, Johannes Merz und Alois Schmid, Institut fur Bayerische Geschichte Munchen 2005.
- Mein Beitrag zur bayerischen Politik 1945?1965.
Historisch-politische Schriftenreihe des Neuen Presseclubs, H. 7, Munchen 1965.
in der Reihenfolge des Erscheinens
- Paul Hussarek:
Hundhammer ? Weg des Menschen und Staatsmannes.
Munchen 1950/1951.
- Bernhard Zittel:
Alois Hundhammer (1900?1974)
. In:
Jurgen Aretz
,
Rudolf Morsey
,
Anton Rauscher
(Hrsg.):
Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts
, Band 5. Matthias-Grunewald-Verlag, Mainz 1982,
ISBN 3-7867-0990-4
, S. 253?265 (
Digitalisat
).
- Klaus Schonhoven
:
Der politische Katholizismus in Bayern unter der NS-Herrschaft 1933?1945.
In:
Martin Broszat
,
Hartmut Mehringer
(Hrsg.):
Bayern in der NS-Zeit.
Bd. 5:
Die Parteien KPD, SPD, BVP in Verfolgung und Widerstand
. Oldenbourg, Munchen 1983,
ISBN 3-486-50701-X
, S. 541?646.
- Oliver Braun:
Das politische Weltbild Alois Hundhammers (1900?1974).
Magisterarbeit, Regensburg 2000.
- Hilde Balke:
Die Prasidenten des Bayerischen Landtags von 1946 bis 1994.
Hrsg. v. Bayerischen Landtag, Munchen 2001,
ISBN 3-927924-23-7
.
- Oliver Braun:
Ein biographisches Projekt als methodischer Hurdenlauf. Person und politisches Weltbild des CSU-Politikers Alois Hundhammer (1900?1974).
In:
Hannes Obermair
,
Carlo Romeo
(Hrsg.):
Biographien / Vite di provincia
(=
Geschichte und Region/Storia e regione
. 11.1). StudienVerlag, Innsbruck und Bozen 2002,
ISBN 3-7065-1731-0
, S. 11?36.
- Oliver Braun:
Alois Hundhammer (1900?1974). Minister und Landtagsprasident in Bayern.
In:
Gunter Buchstab
, Brigitte Kaff,
Hans-Otto Kleinmann
(Hrsg.):
Christliche Demokraten gegen Hitler. Aus Verfolgung und Widerstand zur Union
. Herder, Freiburg 2004,
ISBN 3-451-20805-9
, S. 304?311.
- Oliver Braun:
Konservative Existenz in der Moderne. Das politische Weltbild Alois Hundhammers (1900?1974).
Munchen 2006,
ISBN 978-3-88795-312-6
.
- ↑
a
b
Werner K. Blessing
:
Hundhammer, Alois.
In:
Karl Bosl
(Hrsg.):
Bosls bayerische Biographie.
Pustet, Regensburg 1983,
ISBN 3-7917-0792-2
, S. 379 (
Digitalisat
).
- ↑
Oliver Braun:
Konservative Existenz in der Moderne.
Katholische und konservative Politikgestaltung im Bayern des 20. Jahr-hunderts ? das Beispiel Alois Hundhammers.
Hanns-Seidel-Stiftung
, 14. Marz 2007,
S. 3
, archiviert vom
Original
am
4. Marz 2016
;
abgerufen am 28. Dezember 2019
(Originalwebseite nicht mehr verfugbar).
- ↑
Traueranzeige
- ↑
Bayerischer Landtag ? Prasidenten: Alois Hundhammer
(
Memento
vom 2. Oktober 2003 im
Internet Archive
)
- ↑
Oliver Braun:
Konservative Existenz in der Moderne.
Katholische und konservative Politikgestaltung im Bayern des 20. Jahr-hunderts ? das Beispiel Alois Hundhammers.
Hanns-Seidel-Stiftung
, 14. Marz 2007,
S. 7
, archiviert vom
Original
am
4. Marz 2016
;
abgerufen am 28. Dezember 2019
(Originalwebseite nicht mehr verfugbar).
- ↑
1947: KZ-Haftling an Minister Dr. Hundhammer.
Abgerufen am 22. August 2022
.
- ↑
Zuviel verlangt?
In:
Der Spiegel
.
Nr.
28
, 1957,
S.
18?20
(
online
).
Landwirtschaftsminister des Freistaates Bayern