Wim Kok

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Wim Kok, 1994

Willem (Wim) Kok (* 29. September 1938 in Bergambacht , Sudholland ; † 20. Oktober 2018 in Amsterdam ) war ein niederlandischer Politiker ( PvdA ) und Gewerkschaftsfunktionar. Er war von 1994 bis 2002 Ministerprasident der Niederlande zweier aufeinanderfolgender Kabinette ? der paarse kabinetten (Lila Kabinette) oder ? Kok I “ und ? Kok II “. Gemeint war damit die Zusammenarbeit von Sozialdemokraten mit beiden liberalen Parteien.

Ausbildung, Familie und Gewerkschaftskarriere [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Wim Kok als Gewerkschaftsfunktionar, 1972

Nach seiner Ausbildung an der Wirtschaftsuniversitat Nijenrode , der damals einzigen privaten Universitat der Niederlande, und der Ableistung seiner Wehrpflicht arbeitete Kok kurze Zeit in einem Außenhandelsburo.

Wim Kok begann seine Karriere 1961 als Gewerkschaftssekretar bei der Baugewerkschaft Algemene Nederlandse Bouwbedrijfsbond (ANB), spater als Bouwbond NVV bekannt. Er heiratete 1965 Rita Roukema, die bereits zwei Kinder aus erster Ehe hatte. 1967 wurde er in den Vorstand des ANB gewahlt, wo er fur europaische Fragen, Wohnungswesen und Entwicklungszusammenarbeit zustandig war. Zwei Jahre spater kam Kok in den Hauptvorstand des sozialdemokratisch ausgerichteten Gewerkschaftsbunds Nederlands Verbond van Vakverenigingen (NVV).

Ab 1973 war er Vorsitzender des NVV, der 1976 mit dem katholischen NKV zur Federatie Nederlandse Vakbeweging (FNV) fusionierte. Dieser stand Kok bis September 1985 vor. In dieser Zeit war er auch Vizevorsitzender des Sociaal-Economische Raad (SER) sowie Arbeitnehmervorsitzender der Stichting van de Arbeid (Stiftung der Arbeit), einem Gremium, das die Regierung bei der Sozialpolitik berat und worin Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen vertreten sind. Von 1985 bis 1986 war Kok Gastdozent am Institute of Social Studies in Den Haag und Berater des EG-Kommissionsprasidenten Jacques Delors zu sozialen Aspekten der Einfuhrung neuer Technologien.

Politische Karriere [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Wim Kok (rechts) mit seinem Vorganger an der PvdA-Spitze Joop den Uyl , 1986

Kok, der bereits seit 1961 der Partij van de Arbeid (PvdA) angehorte, wurde bei der Parlamentswahl 1986 in die Zweite Kammer der Generalstaaten gewahlt. Dort ubernahm er als Nachfolger Joop den Uyls am 21. Juli 1986 den Fraktionsvorsitz und zugleich die Rolle des politischen Fuhrers (politiek leider) der PvdA. Bei der vorgezogenen Parlamentswahl 1989 war Kok Spitzenkandidat (lijsttrekker) der PvdA, die drei Sitze verlor. Von 1989 bis 2003 war er Vizeprasident der Sozialistischen Internationale .

Von November 1989 bis August 1994 war er Finanzminister und Vizepremier im dritten Kabinett von Ruud Lubbers , einer Koalition aus Christ- und Sozialdemokraten. Zugleich war er Vizevorsitzender der niederlandischen Zentralbank. Bei der Parlamentswahl im Mai 1994 verlor die PvdA 12 Sitze, noch großer waren aber die Verluste des bisherigen Koalitionspartners CDA. Starke Zugewinne hatten hingegen die beiden liberalen Parteien VVD (rechtsliberal) und Democraten 66 (linksliberal). 111 Tage nach der Wahl gelang Kok die Bildung der ersten ?lila“ (paars) Koalition ? benannt nach der Mischfarbe aus dem Rot der Sozialdemokraten und dem Blau der Liberalen. Die Christdemokraten, die seit Ende des Zweiten Weltkriegs ununterbrochen an der Regierung beteiligt gewesen waren, mussten in die Opposition. Am 22. August 1994 wurde Wim Kok als Ministerprasident vereidigt. Bei der Parlamentswahl 1998 legten sowohl die Sozialdemokraten als auch die Rechtsliberalen deutlich hinzu, wahrend D66 verloren. Anschließend wurde die sozial-liberale Koalition fortgesetzt ( Kabinett Kok II ).

Kok hatte bereits wahrend seiner Zeit als Finanzminister eine stringente Sparpolitik gefuhrt. Diesen Kurs setzte er als Premierminister fort. So konnten neue Arbeitsplatze entstehen und die Wirtschaft wachsen. Ihm gelang es, die fruheren Opponenten PvdA und VVD im Interesse der Burger zur Zusammenarbeit zu bewegen und die Finanzen zu sanieren. Burgern und Unternehmen wurden Steuererleichterungen gewahrt, was zu hoheren Investitionen und Wirtschaftswachstum fuhrte. Dadurch kam es wahrend des zweiten Kabinetts Kok zu einem Arbeitskraftemangel. Besonders in Schulen und Krankenhausern wurde das Personal knapp. Die Folge waren viele Freistunden fur die Schuler und oft lange Wartelisten fur Operationen. Wichtige Punkte seiner beiden Kabinette lagen auf immateriellem Gebiet. So wurde unter seiner Fuhrung im Dezember 2000 ? als erstem Land der Welt ? die Eheschließung fur Homosexuelle eingefuhrt und im April 2001 sowohl assistierter Suizid (Beihilfe zur Selbsttotung) als auch unter bestimmten Bedingungen aktive Sterbehilfe (Totung auf Verlangen) erlaubt. Außerdem wurden auf okonomischem Gebiet Liberalisierungen durchgefuhrt, beispielsweise im Energiesektor und bei den Ladenoffnungszeiten.

2001 wurde Koks Umgang mit der Frage Zorreguieta sehr gelobt. Der Vater von Maxima Zorreguieta  ? der damaligen Verlobten des Thronfolgers Willem-Alexander (seit 2013 Konig und Konigin) ? war wegen seiner unklaren Rolle wahrend der argentinischen Diktatur unter Videla in den Niederlanden sehr umstritten. Kok wurde als integer, nuchtern und national und international respektiert beschrieben. Trotz seiner Fuhrungsqualitaten und der großen Sympathie, die er in großen Teilen der niederlandischen Bevolkerung genoss, wurde am Ende seiner Amtszeit eine ?Anti-Paars“-Stimmung spurbar, nicht nur, aber auch durch das Erscheinen von Pim Fortuyn auf dem politischen Parkett. Das zweite Kabinett Kok war vor allem in der letzten Phase bei der Losung der Probleme im Gesundheits- und Bildungswesen wenig erfolgreich; all das fuhrte zur Wahlniederlage der PvdA. Schon ein Jahr vor der Wahl 2002 kundigte Kok seinen Abschied von der aktiven Politik an. Die Position des Parteifuhrers ubergab er am 15. Dezember 2001 an den Fraktionsvorsitzenden Ad Melkert .

Am 16. April 2002 traten Kok und sein komplettes zweites Kabinett einen Monat vor den Wahlen zuruck. Er ubernahm damit die politische Verantwortung fur die katastrophal verlaufene Operation der niederlandischen Blauhelm -Soldaten der UN-Mission UNPROFOR , die zum Massaker von Srebrenica gefuhrt hatte. Direkter Ausloser fur den Rucktritt Koks waren die Ergebnisse der Untersuchungen des Niederlandischen Instituts fur Kriegsdokumentation (NIOD) zur Rolle der niederlandischen Soldaten, die eigentlich fur den Schutz der Bevolkerung verantwortlich gewesen waren. Bei der Parlamentswahl im Mai 2002 sturzte die PvdA unter dem Spitzenkandidaten Ad Melkert von 29 auf 15 Prozent der Stimmen ab und verlor fast die Halfte ihrer Sitze. Am 22. Juli 2002 ubergab Wim Kok die Regierungsfuhrung an den Christdemokraten Jan Peter Balkenende .

Nach der Politik [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Am 11. April 2003 wurde Wim Kok Minister van Staat . Dieser Ehrentitel wird in besonderen Fallen vom Konig (damals von Konigin Beatrix ) auf Antrag des Ministerrats auf Lebenszeit verliehen. Die Minister van Staat sind nicht Mitglied des Ministerrats, konnen aber in manchen Situationen vom Konig oder vom Kabinett um Rat gefragt werden, beispielsweise bei der Regierungsbildung oder komplizierten staatsrechtlichen Fragen. Am 10. Dezember 2003 wurde Kok die Ehrendoktorwurde der Philosophischen Fakultat der Westfalischen Wilhelms-Universitat Munster verliehen. Gewurdigt wurde sein Einsatz fur die Verbesserung und Intensivierung der deutsch-niederlandischen Beziehungen .

Von 2003 bis 2004 war Kok Vorsitzender verschiedener High Level Groups , die den Europaischen Rat und die Europaische Kommission zur EU-Erweiterung und zu Wachstum und Beschaftigung berieten. Von 2009 bis 2014 war er Vorsitzender des Club de Madrid , einer Denkfabrik ehemaliger Regierungschefs.

Ab 2003 gehorte er den Aufsichtsraten der ING Groep (bis 2009), Shell (bis 2011) und PostNL (bis 2013) an.

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Klein, Pieter; Kooistra, Redmar (Hrsg.): Wim Kok. Het taaie gevecht van een polderjongen. Prometheus, Amsterdam 1998. ISBN 90-5333-671-0
  • Kok, Wim: Soziale und wirtschaftliche Reformen. Eine europaische Herausforderung Festrede zur Verleihung der Ehrendoktorwurde der Philosophischen Fakultat der Westfalischen Wilhelms-Universitat Munster am 10. Dezember 2003. Waxmann, Munster 2004. ISBN 3-8309-1346-X
  • Krop, Marnix: Voor zijn mensen, 1938-1994. Prometheus, Amsterdam 2019. ISBN 978-90-446-3284-2

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Wim Kok  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Vorganger Amt Nachfolger
Onno Ruding Finanzminister der Niederlande
1989?1994
Gerrit Zalm