Sir
William Watson
(*
3. April
1715
in
London
; †
10. Mai
1787
ebenda) war ein englischer Apotheker, Arzt und
Naturforscher
.
Als Mitglied der Londoner
Royal Society
verfasste Watson eine Reihe von Arbeiten zu
botanischen
Themen und propagierte die Einfuhrung der
Linneschen
Systematik
. Bekannt wurde Watson jedoch vor allem durch seine Leistungen auf dem Gebiet der Experimentalphysik, fur die er 1745 mit der
Copley Medal
ausgezeichnet wurde. Gemeinsam mit
John Bevis
gelang ihm 1746 eine entscheidende Verbesserung der sogenannten ?
Leidener Flasche
“, der fruhesten Bauform eines
Kondensators
. Neben seinem in mehreren Auflagen erschienenen Hauptwerk mit dem Titel
Experiments and Observations tending to illustrate the Nature and Properties of Electricity
veroffentlichte Watson auf der Grundlage seiner Erfahrungen als Arzt am Londoner Waisenhaus 1768 eine zu ihrer Zeit vielbeachtete Schrift zur Impfung von Kindern gegen
Pocken
. Im Jahr 1772 wurde er zum Vizeprasidenten der Royal Society berufen.
Watsons offizielles
botanisches Autorenkurzel
lautet ?
Watson
“.
William Watson wurde 1715 als Sohn eines Kornhandlers im Londoner Stadtteil
Smithfield
geboren. Ab 1726 besuchte er die
Merchant Taylors’ School
und begann am 6. April 1731 eine Ausbildung bei dem Apotheker Thomas Richardson. Wahrend der folgenden acht Jahre zeichnete er sich durch besonderen Fleiß bei der Bestimmung von Pflanzen aus, wofur er mit einem Preis der Londoner
Society of Apothecaries
ausgezeichnet wurde. Im Sommer 1738 heiratete Watson, schloss seine Ausbildung vorzeitig ab und eroffnete eine eigene Apotheke im Londoner Stadtteil
Aldersgate
.
Ab Marz 1738 besuchte Watson die Zusammenkunfte der Londoner
Royal Society
, die seit 1660 unter der Maßgabe zusammentrat, wissenschaftliche Erkenntnisse aus experimentellen Forschungen abzuleiten, anstatt sich ? wie bis dahin allgemein ublich ? auf anerkannte Autoritaten zu stutzen. Am 9. April 1741 wurde Watson zum Mitglied der Gesellschaft gewahlt und besuchte fortan regelmaßig sowohl die offentlichen als auch die seit 1743 stattfindenden nicht offentlichen Treffen. Mit dem Aufsatz
A Case Wherein Part of the Lungs Were Coughed up
(?Ein Fall, bei dem Teile der Lunge ausgehustet wurden“) veroffentlichte er 1741 kurz nach seiner Aufnahme den ersten in einer langen Reihe von Beitragen zu den
Philosophical Transactions
, dem Publikationsorgan der Royal Society.
Watsons eigene botanische Aufsatze in den
Philosophical Transactions
umfassten ein breites Themengebiet. 1743 widerlegte er
Roger Pickerings
Behauptung, als Erster die Vermehrung von Pilzen durch
Sporen
entdeckt zu haben, indem er auf die Forschungen
Pier Antonio Michelis
verwies. Im Dezember 1744 veroffentlichte er eine Erstbeschreibung der Pilzgattung
Erdsterne
(
Geastrum
), die unter europaischen Botanikern auf großes Interesse stieß. In mehreren Publikationen widmete Watson sich der Beschreibung von Unglucksfallen durch das Gift des
Schierlings
und des
Schwarzen Bilsenkrauts
. In einem Aufsatz aus dem Jahr 1754 argumentierte er fur die
Zweihausigkeit
der
Europaischen Stechpalme
.
Neben der Publikation eigener Arbeiten trat Watson auf dem Gebiet der Botanik auch durch die Besprechung oder Mitteilung fremder Forschungsergebnisse hervor. 1742 rezensierte er
Albrecht von Hallers
Beschreibung der schweizerischen Alpenflora (
Enumeratio methodica stirpium Helveticae indigenarum
) und im Mai veroffentlichte er die Ubersetzung eines bis dahin in England unbeachteten Berichts des Franzosen
Jean-Andre Peysonnel
(1694?1759), dass
Korallen
Tiere
und nicht ? wie bisher angenommen ?
Pflanzen
seien. Ende 1754 erschien im
Gentleman’s Magazine
unter dem Autorenkurzel ?W. W.“ die erste englischsprachige Rezension zu
Carl von Linnes
Species Plantarum
, in der sich Watson lobend uber Linnes
Nomenklatur
außerte.
[2]
Der englische Botaniker
Richard Pulteney
, selber ein Verfechter der Linneschen
Systematik
, nannte Watson spater ein ?lebendes Lexikon der Botanik“ (
a living lexicon of botany
).
[3]
Von 1744 an fuhrte Watson Experimente zur
Elektrizitat
durch. Angeregt durch Berichte des Leipziger Professors
Johann Heinrich Winckler
gelang es ihm Ende Marz 1745, warmen
Spiritus
mittels einer
elektrostatischen Entladung
zu entzunden. In einer weiteren Versuchsreihe, die er im Verlauf des Jahres 1745 durchfuhrte, experimentierte er mit verschiedenen
Isolatoren
und untersuchte die Leitfahigkeit von Glas, Kork und Metall. Assistiert von dem amtierenden Vorsitzenden der Royal Society
Martin Folkes
fanden einige der Versuche in Anwesenheit der beiden Sohne des englischen Konigs,
Friedrich Ludwig von Hannover
und
Wilhelm August, Herzog von Cumberland
statt.
Auf Vorschlag von
Hans Sloane
, dem ehemaligen Vorsitzenden der Royal Society, erhielt Watson 1745 fur seine Experimente die
Copley Medal
, die einmal jahrlich vergebene hochste Auszeichnung der Gesellschaft. Ein Jahr spater veroffentlichte Watson seine Ergebnisse unter dem Titel
Experiments and Observations tending to illustrate the Nature and Properties of Electricity
(?Experimente und Beobachtungen zur Erklarung der Natur und der Eigenschaften von Elektrizitat“). Die rund 60-seitige Schrift erlebte noch im selben Jahr allein in London vier Auflagen und lag bereits zwei Jahre spater in einer franzosischsprachigen Ubersetzung vor.
In Ubereinstimmung mit dem franzosischen Experimentalphysiker
Abbe Nollet
betrachtete Watson Elektrizitat als einen kontinuierlichen, bewegten
Strom
eines elektrischen Fluidums. Die Elektrisiermaschine begriff er als eine Art Pumpe, die dieses Fluidum uber ihre
Erdung
aus dem Boden pumpt.
Als 1746 die Nachricht von der Erfindung der
Leidener Flasche
nach England drang, begann Watson unverzuglich mit ihr zu experimentieren. Mit der Leidener Flasche, der altesten Bauform eines
Kondensators
, konnte erstmals elektrische Ladung gesammelt, verstarkt, aufbewahrt und transportiert werden. Sie besteht aus einem nach oben offenen Glasgefaß, aus dessen Deckel ein mit einer Metallkugel versehener Messingstab ragt. Mit Hilfe einer Elektrisiermaschine und unter Ausnutzung des Effektes der
Influenz
kann die Flasche aufgeladen werden.
Wahrend die Flasche in den ursprunglichen Versuchsanordnungen mit Alkohol gefullt war, verzichtete Watson auf Anregung des Londoner Arztes
John Bevis
auf die Flussigkeit und verstarkte den Effekt der Flasche durch den Einsatz dunneren Glases und einer inneren und außeren Verkleidung mit
Stanniol
. Beruhrte eine Versuchsperson gleichzeitig die aus der Flasche ragende Metallkugel und die außere Stanniolverkleidung der Flasche, so entlud sich die in der Flasche gespeicherte Ladung mit einem heftigen Schlag. Watson sah in dem Effekt eine Bestatigung seiner zuvor entwickelten Vorstellungen vom Stromfluss und veroffentlichte seine Ergebnisse noch vor Ende des Jahres 1746 in der Schrift
A Sequel to the Experiments and Observations tending to illustrate the Nature and Properties of Electricity
(?Eine Fortsetzung der Experimente und Beobachtungen zur Erklarung der Natur und der Eigenschaften von Elektrizitat“).
Im gleichen Jahr demonstrierte er auch, dass die Erde als Ruckleiter verwendet werden kann.
Im Jahr 1747 versuchte Watson gemeinsam mit
Martin Folkes
, John Bevis,
James Bradley
und
Charles Cavendish
die Geschwindigkeit der Elektrizitat zu messen. Dazu legten sie ein Kabel von einer Leidener Flasche uber die Londoner
Westminster Bridge
und versuchten, den elektrischen Strom durch die
Themse
und ihre eigenen Korper zuruckzuleiten. Aus dem Misslingen des Versuchs schlossen sie, dass die Elektrizitat zu schnell war, um gemessen zu werden.
Als die erste Auflage von
Benjamin Franklins
Experiments and Observations on Electricity, made at Philadelphia in America
1751 in London erschien, verfasste Watson insgesamt wohlwollende Rezensionen, widersprach Franklin aber in der Frage der Aufladung der Leidener Flasche. Ein Jahr spater misslang Watsons Versuch, Elektrizitat wahrend eines Gewittersturms zu untersuchen. Im selben Jahr berichtete er der Royal Society uber seine gemeinsam mit Cavendish unternommenen Versuche zu elektrischen Entladungen im
Vakuum
und verglich den Effekt mit dem des
Polarlichts
. Ende der 1750er Jahre entspannte sich das Verhaltnis zwischen Watson und Franklin und im Dezember 1762 empfahl Watson der britischen Admiralitat die Anbringung der Franklinschen
Blitzableiters
zum Schutz des
Purfleet arsenal
. Zwei Jahre spater veroffentlichte er in den
Philosophical Transactions
einen eigenen Vorschlag zum Schutz von Pulvermagazinen. 1769 gehorte er gemeinsam mit Benjamin Franklin,
Edward Delaval
,
Benjamin Wilson
und
John Canton
zu einer Kommission, die einen Vorschlag zur Sicherung der Londoner
St Paul’s Cathedral
gegen Blitzschlag ausarbeitete.
Im Oktober 1762 ging Watson als Arzt an das Londoner
Foundling Hospital
, eine von dem Philanthropen
Thomas Coram
gegrundete Einrichtung fur Waisenkinder. In den
Philosophical Transactions
veroffentlichte Watson Arbeiten zu den im selben Jahr in London ausgebrochenen
Ruhr
- und
Grippe
epidemien. 1763 folgte ein Aufsatz zur Behandlung der Muskelverspannungen beim
Wundstarrkrampf
mit
Elektroschocks
.
Seine wichtigste Schrift auf dem Gebiet der Medizin veroffentlichte Watson im Jahr 1768 unter dem Titel
An Account of a series of experiments, instituted with a view of ascertaining the most successful method of inoculating the small-pox
(?Bericht uber eine Reihe von Experimenten, die mit dem Ziel durchgefuhrt wurden, die erfolgreichste Methode der Pockenimpfung zu ermitteln“). Die Arbeit basierte auf seinen Erfahrungen als Kinderarzt im Waisenhaus. Watson empfahl, Kinder unter drei Jahren keinesfalls der damals praktizierten
Pocken
impfung mittels Variolaviren zu unterziehen und sie gleichzeitig am Verzehr von Fleisch und alkoholischen Getranken zu hindern.
Am 6. Oktober 1786 wurde Watson fur seine Leistungen als
Knight Bachelor
in den Adelsstand erhoben.
[4]
Er starb am 10. Mai 1787 und hinterließ einen Sohn, der ihm spater als Arzt und Naturforscher nachfolgte, und eine Tochter, die mit Edward Beadon, dem Bruder des Richard Beadon,
Bischof von Bath und Wells
, verheiratet war.
Ihm zu Ehren wurde die Gattung
Watsonia
Mill.
aus der Pflanzenfamilie der
Schwertliliengewachse
(Iridaceae) benannt.
[5]
Eigenstandige Schriften
- Experiments and Observations tending to illustrate the Nature and Properties of Electricity
, London
4
1746; franzosischsprachige Ausgabe unter dem Titel
Experiences et observations pour servir a l'explication de la nature et des proprietes de l'electricite …
, in: William Watson,
Johann Heinrich Winckler
:
Recueil de traites sur l'electricite
, Paris 1748.
- A Sequel to the Experiments and Observations tending to illustrate the Nature and Properties of Electricity …
, London
2
1746 (kommentiert von Benjamin Rackstrow:
[6]
Some Remarks on a Pamphlet, intituled, A Sequel to the Experiments and Observations tending to illustrate the Nature and Properties of Electricity
, in: ders.,
Miscellaneous Observations, Together with a Collection of Experiments On Electricity …
, London 1748)
- An account of a series of experiments, instituted with a view of ascertaining the most successful method of inoculating the small-pox
, London 1768; deutschsprachige Ausgabe in einer Ubersetzung von Christian Heinrich Schutte unter dem Titel
Zweener beruhmten englischen Aerzte des Herrn Doct. Watsons und Doct. Glaß Versuche und Abhandlungen von der neuesten und besten Art die Kinderblattern glucklich einzupfropfen
, Halle 1769
Zeitschriftenbeitrage (Auswahl)
- A Case Wherein Part of the Lungs Were Coughed up. Presented to the Royal Society by William Watson, F. R. S.
, in: Philosophical Transactions 41 (1741),
ISSN
0260-7085
, S. 623?624,
online verfugbar
als
PDF
-Dokument im zentralen Medienverzeichnis
Wikimedia Commons
(Watsons erste Veroffentlichung als Mitglied der Londoner Royal Society).
- Some Remarks Occasioned by the Precedeing Paper, Addressed to the Royal Society by Mr. William Watson, Apothecary, and F. R. S.
, in: Philosophical Transactions 42 (1743),
ISSN
0260-7085
, S. 599?601,
online verfugbar
als PDF-Dokument im zentralen Medienverzeichnis Wikimedia Commons (Watsons erste Stellungnahme gegen Pickerings Ausfuhrungen uber die Entdeckung von Pilzsporen).
- Experiments and Observations, Tending to Illustrate the Nature and Properties of Electricity
, in: Philosophical Transactions 43 (1745),
ISSN
0260-7085
, S. 481?501,
online verfugbar
als PDF-Dokument im zentralen Medienverzeichnis Wikimedia Commons (Watsons Bericht an die Royal Society uber die 1745 durchgefuhrte Versuchsreihe zur Elektrizitat).
- An Account of a Manuscript Treatise … Intituled, Traite du Corail … That is to Say, A Treatise upon Coral, and Several Other Productions Furnish’d by the Sea, in Order to Illustrate the Natural History Thereof, by the Sieur de Peyssonnel … Extracted and Translated from the French by Mr. William Watson
, in: Philosophical Transactions 47 (1752),
ISSN
0260-7085
, S. 445?469,
online verfugbar
als PDF-Dokument im zentralen Medienverzeichnis Wikimedia Commons (Watsons Ubersetzung des Berichts von
Jean-Andre Peyssonnel
, dass
Korallen
Tiere und nicht Pflanzen seien).
- Observations upon the Effects of Lightning, with an Account of the Apparatus Proposed to Prevent Its Mischiefs to Buildings, More Particularly to Powder Magazines …
, in: Philosophical Transactions 54 (1764),
ISSN
0260-7085
, S. 201?227,
online verfugbar
als PDF-Dokument im zentralen Medienverzeichnis Wikimedia Commons (Watsons Vorschlage zum Schutz von Pulvermagazinen vor Blitzschlagen).
- Simon Schaffer:
Watson, Sir William
, in: Oxford dictionary of national biography: from the earliest times to the year 2000, hrsg. von H. C. G. Matthew und Brian Harrison zusammen mit der British Academy, Band 57: Walliers ? Welles, Oxford [u. a.] 2004,
ISBN 0-19-861407-1
, S. 677?680.
- Watson (Sir William)
, in: The general biographical dictionary: containing an historical and critical account of the lives and writings of the most eminent persons in every nation …, hrsg. Alexander Chalmers, Band 31: Wal ? Whi, London 1817, S. 107?115.
- Richard Pulteney
:
Historical And Biographical Sketches Of The Progress Of Botany In England: From Its Origin To The Introduction Of The Linnæan System
, Band 2, London 1790, S. 295?340
.
- ↑
Watson beschrieb den Versuch erstmals in seinem Bericht an die Royal Society unter dem Titel
Experiments and Observations, Tending to Illustrate the Nature and Properties of Electricity
, in:
Philosophical Transactions
43 (1745), S. 481?501, hier S. 491.
- ↑
Dazu: Felix Bryk,
Linne und die Species Plantarum
, in: Taxon 2, 3 (1953),
ISSN
0040-0262
, S. 63?73, hier S. 68f. Der Aufsatz gibt einen faksimilierten Ausriss aus Linnes Antwort auf Watsons Besprechung im Gentleman’s Magazine wieder (Fig. 4).
- ↑
Pulteney,
Historical And Biographical Sketches Of The Progress Of Botany In England
, Band 2, London 1790, S. 337.
- ↑
William Arthur Shaw:
The Knights of England.
Band 2, Sherratt and Hughes, London 1906, S. 299.
- ↑
Lotte Burkhardt:
Verzeichnis eponymischer Pflanzennamen ? Erweiterte Edition.
Teil I und II.
Botanic Garden and Botanical Museum Berlin
,
Freie Universitat Berlin
, Berlin 2018,
ISBN 978-3-946292-26-5
doi:10.3372/epolist2018
.
- ↑
Uber Rackstrow: Richard Daniel Altick,
The Shows of London
, S. 55