Wilhelm Waiblinger

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Friedrich Wilhelm Waiblinger (* 21. November 1804 in Heilbronn , Kurfurstentum Wurttemberg ; † 17. Januar 1830 in Rom , Kirchenstaat , heute Italien ) war ein deutscher Dichter und Schriftsteller , der vor allem durch seine Freundschaft mit Friedrich Holderlin und Eduard Morike bekannt wurde.

Leben [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Burg Hohenneuffen auf einem Aquarell des jungen Wilhelm Waiblinger, 1822
Wilhelm Waiblinger, Selbstbildnis, Federzeichnung auf Papier, aus: Klaus Gunzel , Die deutschen Romantiker , Artemis & Winkler , Zurich 1995

Waiblinger wurde 1804 in Heilbronn geboren, wo sein Vater Johann Friedrich Waiblinger (1768?1850) damals Sekretar beim Kameraldepartement der Landvogtei war. Die Mutter war die Pfarrerstochter Christiane Luise Kohler (1783?1847), bei deren Vater Friedrich Wilhelm Kohler (1754?1810) in Ebersbach an der Fils der Enkel seinen ersten Unterricht erhielt. [1] Ab 1810 besuchte er die Waisenhausschule in Stuttgart, ab 1812/13 das Untere Gymnasium. In der Familie wurde der Sohn Fritz gerufen und nannte sich selbst erst ab 1824 Wilhelm [2] . 1806 kam er mit seiner Familie nach Stuttgart , 1817 nach Reutlingen . Im November 1819 wurde er Hilfsschreiber am Uracher Oberamtsgericht und besuchte Vorlesungen des benachbarten niederen theologischen Seminars. Im Sommer 1820 kehrte er nach Stuttgart zuruck und besuchte dort das Obere Gymnasium . In dieser Zeit entstanden erste Dichtungen, die dem damals noch Minderjahrigen erste Bekanntheit verschafften.

Ab 1822 studierte er Theologie am Tubinger Stift , um damit im Nebenfach auch Philologie studieren zu konnen. Am 3. Juli 1822 traf Waiblinger erstmals den damals bereits seit anderthalb Jahrzehnten als wahnsinnig geltenden Dichter Friedrich Holderlin im Holderlinturm zu Tubingen , bei dem er wahrend seiner gesamten Studienzeit haufiger Gast war. Diese Begegnungen verarbeitete er zunachst in seinem Roman Phaeton (1823), der ihm unter den Studenten enorm viel Bewunderung einbrachte; zudem war auch sein Gedicht-Zyklus ?Lieder der Griechen“ in den Handel gekommen. Spater portratierte er Holderlin in seinem Essay Friedrich Holderlin’s Leben, Dichtung und Wahnsinn , der als Beginn der Holderlin-Forschung gilt.

Nach einem fur damalige Verhaltnisse skandalosen Verhaltnis mit der funf Jahre alteren Julie Michaelis, Schwester des Tubinger Juristen Adolph Michaelis , das 1824 offentlich wurde anlasslich eines Prozesses wegen einer Brandstiftung, deren Leidtragender Julies der Beziehung entgegenstehender Onkel Salomo Michaelis war, verzichtete Waiblinger auf den christlich-moralischen Anschein, den er sich wegen des Theologiestudiums hatte geben mussen, und gab sich Ausschweifungen hin, die auch in seinen Werken Niederschlag fanden. In der Folgezeit entstanden seine Lieder der Verirrung und Drei Tage in der Unterwelt . Nach Veroffentlichung dieser Werke wurde er durch die Stiftsleitung, die den Hochbegabten nach der skandalosen Beziehung noch zu schutzen versucht hatte, am 25. September 1826 vom weiteren Studium ausgeschlossen .

Freundschaften [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Wilhelm Waiblinger gilt als der ?junge Wilde“ der Biedermeierzeit, den seine Nachwelt offenkundig aus moralischen Grunden weitgehend ignoriert hat. Er schloss viele Freundschaften, worunter die homoerotisch gepragte Beziehung zu Eduard Morike sicherlich eine der wichtigsten war. Zu Waiblingers Freunden, Forderern und Verehrern zahlten weiter u. a. Gustav Schwab , August von Platen , Friedrich von Matthisson , Johann Heinrich Dannecker , Matthias Schneckenburger , Eduard Gnauth , Carl Miedke und Christian Friedrich Wurm . Auf dem Sterbebett setzte er seinen Freund Karl Wilhelm Schluttig als Nachlassverwalter ein, der ebenfalls 1830 starb und direkt neben Waiblinger in Rom auf dem Cimitero acattolico nahe der Cestius-Pyramide begraben wurde. [3]

Italienreise nach Rom [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Wilhelm Waiblingers Grabmal auf dem Protestantischen Friedhof in Rom

Noch im Herbst 1826 trat Waiblinger auf Veranlassung des Verlegers Johann Friedrich Cotta eine Italienreise an und kam nach Rom , das ihm sowohl aus kulturgeschichtlicher Perspektive als auch in Hinsicht auf seine freizugige Sexualitat als reizvoll schien. Er lebte ab 1827 in wilder Ehe mit Nena Carlenza zusammen und verfasste Werke, die Alltagsszenen aus dem Leben in Italien beschreiben. In Rom vollendete er auch 1827/28 die Holderlin-Biographie. Von einer Reise nach Sizilien kehrte er im Herbst 1829 geschwacht nach Rom zuruck, erlitt eine Lungenentzundung und verstarb im Alter von 25 Jahren am 17. Januar 1830 in einem Haus in der Via Giulia gegenuber der Fontana del Mascherone (Bild) .

Wurdigung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Wilhelm-Waiblinger-Haus in Heilbronn, Aufnahme Dezember 2007
Gedenktafel am Wilhelm-Waiblinger-Haus in Heilbronn

Das Wilhelm-Waiblinger-Haus in Heilbronn in der Schutzenstraße 16, Ecke Schießhausstraße (Nahe Hauptbahnhof) ist nach dem Dichter Wilhelm Friedrich Waiblinger benannt und beherbergt heute den Stadt- und Kreisjugendring Heilbronn e.V. und diverse Vereine und Organisationen wie z. B. die Mac IG Heilbronn oder die Aktivisten der OpenStreetMap -Gruppe.

Waiblingers Gedicht "Der Kirchhof" spielt eine Rolle in Theodor Fontanes Roman Unwiederbringlich .

Nachlass [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Der Nachlass von Wilhelm Waiblinger liegt im Deutschen Literaturarchiv Marbach . [4] Teile davon sind in der Dauerausstellung ?Unterm Parnass“ des Schiller-Nationalmuseums in Marbach zu sehen.

Werke [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Phaeton (1823, philosophischer Roman noch aus seiner Gymnasialzeit)
  • Erzahlungen aus Griechenland (1823)
  • Lieder der Griechen (1823)
  • Lieder der Verirrung
  • Drei Tage in der Unterwelt (1826)
  • Friedrich Holderlin’s Leben, Dichtung und Wahnsinn (1827/28)
  • Bluten der Muße aus Rom (1829)
  • Taschenbuch aus Italien und Griechenland (1829/30)
  • Gesammelte Werke (1839/40)
  • Gedichte (1844, herausgegeben von Eduard Morike )
  • Bilder aus Neapel und Sizilien (1879)

Werkausgabe [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Stefan Andressohn: Wilhelm Waiblinger und die bildende Kunst. Frankfurt/Main 2007.
  • Lee Byron Jennings: An Early German Vampire Tale. Wilhelm Waiblinger's ?Olura“ (first-published in 1986) . In: Suevica . Beitrage zur schwabischen Literatur- und Geistesgeschichte 9 (2001/2002), Stuttgart 2004 [2005] ISBN 3-88099-395-5 , S. 295?306
  • Michael Dischinger: Wilhelm Waiblingers "Poetische Existenz" Lit, Munster 1991, ISBN 3-88660-750-X
  • Hartmut Froschle: Wilhelm Waiblinger als Volkerpsychologe . In: Suevica . Beitrage zur schwabischen Literatur- und Geistesgeschichte 7 (1993) Stuttgart 1994 [1995] S. 69?80. ISBN 3-88099-311-4
  • Leonie Fuhrmann: Epigonalitat und Originalitat: Zur Identitatsproblematik im Werk Wilhelm Waiblingers. Diss. Heidelberg 2000.
  • Christiane Hansen: Transformationen des Phaethon-Mythos in der deutschen Literatur. De Gruyter, Berlin/New York 2012, S. 185?200.
  • Peter Hartling : Waiblingers Augen Luchterhand, Darmstadt 1987, ISBN 3-472-86657-8
  • Hermann Hesse : Im Presselschen Gartenhaus. Eine Erzahlung aus dem alten Tubingen zuerst 1914 (Westermanns Monatshefte). ? Schreibweisen auch: ...Pressel'schen...Eine Zeichnung aus... . Haufiger Abdruck, teils als selbst. Schrift (z. B. 1920; 1950; 1964; Reclam, Ditzingen 1991, ISBN 3-15-008912-3 ; Heckenhauer, Tubingen 1998, ISBN 3-9806079-0-9 ; auch als Audio-CD), oft auch in Sammelwerken: z. B. H. Hesse & Karl Isenberg: Holderlin. Dokumente seines Lebens Insel, Frankfurt, zuerst 1925; ebd. 1976, ISBN 3-458-01921-9 (Reihe: it 221); oder: H. Hesse: Heumond. Fruhe Erzahlungen Aufbau, Berlin 1985 (sowie in weiteren Erzahlbanden von Hesse); oder: Rolf Hochhuth (Hg): Die grossen Meister. Deutsche Erzahler des 20. Jahrhunderts Bd. 1, Bertelsmann, Gutersloh (o. J. ? ca. 1965); oder: Hanns Martin Elster (Hg): Die deutsche Novelle der Gegenwart Deutsche Buch-Gemeinschaft, Berlin 1927, S. 100?131; oder in: H. Hesse: In der alten Sonne und andere Erzahlungen Reclam, Leipzig 1977 & 1979; oder: Claude Hill (Ed.): Drei Nobelpreistrager. Hauptmann , Mann , Hesse With Biographical Sketches, Notes and Vocabulary (3 Erzahlungen in Deutsch; neben Hesse: Bahnwarter Thiel von H. & Kleine Herr Friedemann von M.) Harper & Brothers, New York 1948. ? Eine Erzahlung aus den Studentenjahren Waiblingers uber einen Besuch, zusammen mit Morike, beim kranken Holderlin im spater sog. Holderlinturm .
  • Stefan Knodler:  Waiblinger, Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 27, Duncker & Humblot, Berlin 2020, ISBN 978-3-428-11208-1 , S. 265 f. ( Digitalisat ).
  • Ernst Muller: Waiblinger, Wilhelm. Dichter und Schriftsteller. 1804?1830 . In: Hermann Haering / Otto Hohenstatt (Hrsg.): Schwabischer Lebensbilder . Bd. 3. Kohlhammer, Stuttgart 1942, S. 546?574,
  • Ralf Oldenburg: Wilhelm Waiblinger. Literatur und burgerliche Existenz. Osnabruck 2002.
  • Helmut G. Schutz: Zum Waiblinger-Bild in Geiselharts Bildern . In: Wilhelm Waiblinger: Lieder der Verirrung. Mit Zeichnungen von Curt Hans Chrysostomus Geiselhart. Wurmlingen 1981. ISBN 3-88466-038-1

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Wilhelm Waiblinger  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Wilhelm Waiblinger  ? Quellen und Volltexte

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Rolf Bidlingmaier: Die Ahnen des Dichters Wilhelm Waiblinger . In: Verein fur Familien- und Wappenkunde in Wurttemberg und Baden (Hrsg.): Sudwestdeutsche Ahnenlisten und Ahnentafeln . Band   2 . Stuttgart 2000, ISBN 3-934464-01-7 .
  2. Waiblinger, Wilhelm: Erzahlungen und Briefe. Eingel. und hrsg. von Monique Cantre. Klopfer&Meyer 2011, S. 11
  3. Hergemoller, Bernd-Ulrich: Mann fur Mann. Ein biographisches Lexikon. Suhrkamp 2001, S. 718?720.
  4. Bestand: Waiblinger, Wilhelm (1804?1830) , abgerufen am 4. November 2015