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Toulon
[
tu?lo
] (
okzitanisch
Tolon
,
italienisch
Tolone
) ist eine
franzosische
Stadt
mit 180.452 Einwohnern (Stand 1. Januar 2021) im
Departement Var
in der
Region
Provence-Alpes-Cote d’Azur
. Toulon ist die Hauptstadt des Departements Var und liegt an der
Mittelmeerkuste
(
Cote d’Azur
) am ostlichen Ende des
Golfe du Lion
, rund 70 Kilometer sudostlich von
Marseille
. Die Hafenstadt ist der Heimathafen der
Franzosischen Marine
im Mittelmeer (siehe auch
Militarhafen Toulon
). Mit dem Umland zusammen hat Toulon uber 570.000 Einwohner.
Die Kustenregion um Toulon ist mindestens seit der
Altsteinzeit
von Menschen besiedelt, wie Funde in der
Cosquer-Hohle
gezeigt haben. Seit etwa dem 7. Jahrhundert v. Chr. bestanden Handelsniederlassungen an der Kuste, die von griechischen Seefahrern aus
Kleinasien
gegrundet worden waren. Ab etwa dem 4. Jahrhundert v. Chr. sind
Kelten
in der Gegend nachweisbar. Im 2. Jahrhundert v. Chr. besetzten romische Truppen die Kustenregion und grundeten die Hafenstadt
Telo Martius
, benannt moglicherweise nach einer ligurischen Gottin ?Telo“ oder von lat.
tolus
(?Fuß eines Hugels“) und dem
Kriegsgott Mars
, aus der spater Toulon hervorging. In der Antike war
Telo Martius
als ein Zentrum der Herstellung von
Purpur
bekannt. Gegen Ende des Romischen Reichs wurden die Stadt und Region christianisiert. Im fruhen Mittelalter war die Stadt wiederholt Angriffen von
Sarazenen
und Piraten ausgesetzt.
Nach der Angliederung der Provence an Frankreich im Jahr 1486 wurde Toulon allmahlich
zum Militarhafen
ausgebaut. Insbesondere unter dem Minister
Ludwigs XIV.
Jean-Baptiste Colbert
wurden die Befestigungsanlagen und Hafenanlagen nach Planen von
Sebastien Le Prestre de Vauban
erweitert. Im
Spanischen Erbfolgekrieg
wurde die Stadt durch Koalitionstruppen im Jahr 1707 erfolglos
belagert
. Im 18. und 19. Jahrhundert war Toulon Ausgangspunkt fur verschiedene franzosische Marineoperationen im Mittelmeer. Am 22. Februar 1744 fand die
Seeschlacht bei Toulon
wahrend des
Osterreichischen Erbfolgekrieges
statt.
Wahrend der
Franzosischen Revolution
war die Auslieferung Toulons im September 1793 durch
Girondisten
und Royalisten an die Briten Ausloser der
Septemberbewegung
in Paris. Am 19. Dezember 1793 eroberte nach sechswochiger
Blockade
die Revolutionsarmee die Stadt und vertrieb die Briten aus dem Ort. (→
Belagerung von Toulon (1793)
) Dabei spielte
Napoleon Bonaparte
erstmals eine wichtige militarische Rolle. Nach der Einnahme der Stadt folgte ein blutiges Strafgericht durch die
Jakobiner
. Am 19. Mai 1798 brach Napoleon mit seiner Armee von Toulon aus zur
Agyptischen Expedition
auf.
Im August 1935, ein Jahr vor der Regierungszeit der
Front populaire
, kam es in Toulon zu gewaltsamen Aufstanden der Werftarbeiter gegen die
restriktive Sparpolitik
der Regierung. Dabei kam es zu einer Vielzahl von Toten und Verletzten; der
Ausnahmezustand
wurde verhangt.
[1]
Toulons Nachbarort
Sanary-sur-Mer
war Exilort zahlreicher deutscher Schriftsteller und Maler in der
Zeit des Nationalsozialismus
:
Heinrich
und
Thomas Mann
,
Arnold Zweig
,
Lion Feuchtwanger
,
Franz Hessel
,
Anton Raderscheidt
und
Bertolt Brecht
. Am 27. November 1942 besetzten
deutsche
Truppen im Rahmen des
Unternehmens Lila
Toulon. Um nicht in deutsche Hande zu fallen, versenkte sich daraufhin die in Toulon ankernde
franzosische Flotte
selbst (
Selbstversenkung der Vichy-Flotte
). Der 24. November 1943 brachte der Stadt den schwersten alliierten
Bombenangriff
mit rund 500 Toten.
Adolf Hitler
ernannte im Januar 1944 alle wichtigen Hafenstadte im Westen, so auch Toulon, zur ?
Festung
“ ? eine vor allem symbolische Handlung. In
OKW
-Befehlen von Februar 1944 zur Verteidigung von Festungen wurde befohlen, ?bis zum letzten Mann“ zu kampfen und keinesfalls zu kapitulieren. Dies geschah in keiner der Hafenstadte.
[2]
Am 15. August 1944 landeten die Alliierten an der Kuste des Var und starteten die
Operation Dragoon
. Sie fuhrte zur Kapitulation der deutschen Truppen und der Befreiung von Toulon am 27. August 1944. 1964 wurde auf dem
Mont Faron
(
Lage
) ein Denkmal zur Erinnerung an die Landung der Alliierten eingeweiht, das
Memorial Mont Faron
.
[3]
Am
Boulevard du 112e Regiment d'Infanterie
(
Lage
) befindet sich eine großere Gedenkstatte, uber deren Eingang der Schriftzug
Memorial de la Deportation et de Internement
prangt.
[4]
Die Geschichte dieses Ortes erschließt sich fast ausschließlich aus den im Außenbereich angebrachten Gedenktafeln; eine systematische Darstellung der Internierungs- und Deportationsgeschichte fehlt.
Ein Hinweis findet sich bei Christian Eggers, der im Stadtteil
La Rode
rund um das heutige Lycee Dumont D'Urville (
Lage
) ein Lager fur
feindliche Auslander
verortet, in dem ab September 1939 vorwiegend deutsche und osterreichische Emigranten
interniert
wurden. Das Lager wurde aber bereits im Oktober 1939 wieder geschlossen und die Internierten nach dem
Camp des Milles
verlegt.
[5]
Eine Gedenktafel links uber der Tur zum Inneren der Gedenkstatte widmet diese den Opfern der unter dem
Vichy-Regime
begangenen rassistischen und antisemitischen Verfolgungen.
[6]
Eine weitere Gedenktafel ehrt die, die gestorben sind, damit Frankreich am Leben bleibt: die durch die
Faschisten
und
Nazis
internierten, deportierten, getoteten, erschossenen und gefolterten Widerstandskampfer. Diese Gedenktafel befindet sich am Fuße eines
Lothringerkreuzes
am linken Rand der Anlage. Die dritte Gedenktafel befindet sich rechts der Anlage am Fuße einer Skulptur, die einen gequalten und bis auf die Knochen abgemagerten KZ-Haftling symbolisiert. Die Gedenktafel beinhaltet ein Gedicht von Marcelle Dudach-Roset (1918?1948), einer franzosischen Widerstandskampferin, die Im
KZ Ravensbruck
inhaftiert war.
[7]
Die Uberschrift lautet
La rose "Resurrection" de Ravensbruck
(Die Rose der Auferstehung von Ravensbruck) und der Text: ?...Ich bin "Auferstehung" // Und durch alle Jahre hindurch // Durch alle Jahreszeiten hindurch // Werde ich der Zeuge des Lebens bleiben // Der vor der Barbarei // Alle Kinder der Welt schutzen wird // Selbst wenn ich zur Hagebutte geworden bin // Alle Wege erhellend...“
[8]
Marcelle Dudach-Roset initiierte 1973 die Zuchtung dieser
Rose von Ravensbruck
, die nach einer zwischenzeitlichen Nachzuchtung an mehr als 600 Gedenkorten gepflanzt.wurde, darunter vielen Orten in Frankreich, wo auch die erste Anpflanzung der
Rose Resurrection
[9]
stattfand.
[10]
1984 wurden von der Gedenkstatte
Yad Vashem
die Familie Teillard und die beiden Ordensschwestern Marie-Therese Roux und Jeanne Hertel als
Gerechte unter den Volkern
ausgezeichnet, weil sie wahrend der Zeit der Besatzung einer judischen Familie geholfen hatten.
[11]
Am 16. Juli 2023 standen sie Mittelpunkt einer Gedenkveranstaltung am
Memorial de la Deportation et de Internement
.
[12]
1968 wurde die
Universitat Toulon-Var
gegrundet. Die
Gendarmerie Maritime
richtete ihr Nationales Ausbildungszentrum (C.N.I.G.M) in Toulon ein.
1995 erreichte die rechtsextreme Partei
Front National
bei Kommunalwahlen in Toulon erstmals in einer
franzosischen Großstadt
die Mehrheit und stellte mit
Jean-Marie Le Chevallier
den Burgermeister; dieser wurde 2001 von
Hubert Falco
(
UMP
) abgelost.
Jahr
|
1962
|
1968
|
1975
|
1982
|
1990
|
1999
|
2006
|
2016
|
Einwohner
|
161.797
|
174.746
|
181.801
|
179.423
|
167.619
|
160.639
|
167.816
|
171.953
|
Quellen: Cassini und
INSEE
|
Die Stadt Toulon verfugt uber ein
großes
und kleines
Wappen
.
|
Kleines Wappen der Stadt Toulon
|
|
Blasonierung
:
?In Blau ein durchgehendes goldenes
Kreuz
.“
|
|
Die Burgermeister seit 1900:
- 1900?1904: Victor Micholet
- 1904?1909: Marius Escartefigue (
SFIO
)
- 1909?1909: Muller
- 1909?1912: Joseph Gasquet
- 1912?1919: Victor Micholet
- 1919?1929: Emile Claude (SFIO)
- 1929?1940: Marius Escartefigue
- 1940?1944: Albert Coulon
- 1944?1945: Franck Arnal (SFIO)
- 1945?1947: Jean Bartolini (
PCF
)
|
|
Zu den bedeutendsten Sehenswurdigkeiten der Stadt zahlen:
Bedeutendste Wirtschaftszweige sind der
Schiffbau
sowie der Handel, der uber den Hafen abgewickelt wird. Auch das
Militar
ist ein bedeutender
Arbeitgeber
.
Neben dem Hafen, von dem aus Schiffsverbindungen u. a. nach
Korsika
und zu den
Iles d’Hyeres
angeboten werden, existiert ein
Fernbahnhof
an der
Bahnstrecke Marseille?Ventimiglia
mit Verbindungen nach
Marseille
und
Nizza
. Beide Stadte sind auch uber die Kustenautobahnen
A 50
(Marseille) und
A 57
(Nizza) zu erreichen, die Toulon untertunneln. Der
Flughafen Toulon-Hyeres
liegt ca. 20 Kilometer ostlich von Toulon, zu erreichen uber die
A 570
bzw. mit dem Airport-Bus von Sodetrav. Von dort aus gibt es Fluge unter anderem nach
Paris-Orly
und
London-Stansted
(Stand: Februar 2006). Der nachste großere Flughafen ist
Marseille
.
Toulon unterhalt
Stadtepartnerschaften
mit
Mannheim
(
Deutschland
) sowie mit den (Kriegs-)Hafenstadten
La Spezia
(
Italien
),
Norfolk
(
Virginia
,
Vereinigte Staaten
) und
Kronstadt
(
Russland
). Zudem ist Toulon Mitglied des
Bundes der europaischen Napoleonstadte
.
[13]
- Maurice Arreckx:
- Vivre sa ville
. La Table ronde, Paris 1982
- Toulon, ma passion
, 1985
- Jean-Pierre Thiollet
:
Le Chevallier a decouvert
. Laurens, Paris 1998
- ↑
Toulon disorders
New York Times
(Archiv) vom 9. August 1935, abgerufen am 24. November 2019.
- ↑
Peter Lieb
:
Konventioneller Krieg oder Weltanschauungskrieg? Kriegfuhrung und Partisanenbekampfung in Frankreich 1943/44.
Oldenbourg Verlag, 2007, S. 484 (online
bei google books
)
- ↑
Memorial Mont Faron
- ↑
Eine Vielzahl von fotos uber diesen Ort finden sich bei Google Maps.
- ↑
Christian Eggers:
Unerwunschte Auslander. Juden aus Deutschland und Mitteleuropa in franzosischen Internierungslagern 1940 ? 1942
, Metropol Verlag, Berlin 2002,
ISBN 3-932482-62-X
, S. 50
- ↑
Les monuments aux morts: Toulon
. Auf dieser Webseite finden sich neben einigen Fotos die Transkriptionen dreier Gedenktafeln.
- ↑
Le Maitron
: Dictionnaire Biographique du Mouvement Ouvrier et Mouvement Social ?
DUDACH Marcelle, Aimee, epouse JEANNIN puis epouse ROSET
- ↑
?...Je suis "Resurrection" // Et tout au long des ans // Tout au long des saisons // Je resterai le temoin de vie // Qui protegera de la barbarie // Tous les enfants du monde // Meme lorsque je serai devenu eglantine // Illuminant tous les chemins...“. Zitiert nach
Les monuments aux morts: Toulon
- ↑
In der franzosischsprachigen Wikipedia gibt es einen eigenen Artikel uber sie:
fr:Resurrection (rose)
- ↑
Internationales Ravensbruck Komitee (IRK): Die Geschichte der Rose von Ravensbruck
- ↑
Eintrage in der Righteous-Datenbank fur Teillard, Roux und Hertel
- ↑
Elles ont eu le courage de ne pas se soumettre
, var-matin, 17. Juli 2023
- ↑
Jumelages: Toulon et ses villes jumelees.
Mairie d’honneur de Toulon,
abgerufen am 15. Februar 2015
(franzosisch).
- ↑
Alteste Ordensfrau der Welt und zugleich alteste Europaerin wird 117.
In:
katholisch.de.
9. Februar 2021,
abgerufen am 10. Februar 2021
.